Der Seelensammler von _Psych_ (Tödliches Spiel) ================================================================================ Prolog: Devon de Luca --------------------- Chicago, Illinois 11.00 PM In Strömen goss der Regen vom dunklen, Wolken behangenen Himmel hinab. Der Wind pfiff kalt zwischen den Häuserschluchten hindurch, machte den Leuten wieder klar, wieso dies die ‘windy City’ genannt wurde. Kurz gesagt, es war ein Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür jagen würde und sich glücklich schätzen konnte, wenn man nicht hinaus musste. Devon de Luca war zu ihrem eigenen Pech leider eine von denen, die da nicht so glücklich dran waren. Sie musste raus. Besser gesagt, musste zurück, denn ihre Schicht im Tim’s Diner war so eben zu Ende. Sie stieß ein lautes Seufzen aus, als sie durch die Tür in den Regen schritt. Das typische, rosafarbene Kleidchen, welches alle Bedienungen in diesem und auch in den meisten anderen Geschäften dieser Art trugen wurde notdürftig von einer kurzen, beigen Jacke bedeckt, welche nicht unbedingt den besten Schutz bot. Schon nach wenigen Metern merkte sie, wie die ersten Tropfen sich langsam den Weg durch die zwei dünnen Stoffschichten zu ihrer Haut bahnten. Auch die blond gefärbten Locken, deren dunklen Ansatz man seit einigen Tagen wieder deutlich erkennen konnte, begannen langsam aber sicher schlapp und leblos runter zu hängen und an allem zu kleben, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Aber es gab einen kleinen Hoffnungsschimmer am Horizont. Wenn sie sich nun beeilte, könnte sie vielleicht sogar noch den Bus erwischen, der sie halbwegs trockenen Fußes nach Hause bringen konnte. So rannte sie los. Rannte so schnell es ging, um noch rechtzeitig zur Haltestelle zu gelangen. Leider war das Glück auch dieses mal nicht auf ihrer Seite gewesen. Zwar konnte sie das Fahrzeug schon sehen, konnte sehen wie es dort hielt, konnte sehen wie die Leute einstiegen, doch leider war sie noch nicht dort angekommen. Selbst der Endspurt den sie einlegte konnte da nichts ausrichten. “Halt! Warten sie! Warten sie doch noch einen Moment!”, rief die Frau von Mitte Zwanzig, doch es brachte nichts. Wenige Meter vor ihr durfte sie nun beobachten, wie das Vehikel seine Türen schloss und ihr vor der Nase davon fuhr. “Stronzo!”, brüllte die Kellnerin mit den italienischen Wurzeln dem Fahrer hinterher, auch wenn sie sich sicher war, dass er es nicht hören würde. Genervt fuhr sie sich mit beiden Händen durch ihre vollkommen durchnässten Locken, welche ihr eben noch schlapp im Gesicht klebten, ließ noch einen Seufzer hören. So musste sie wohl oder übel doch zu Fuß nach Hause, selbst wenn das ein Gedanke war, der ihr nur wenig behagte. Denn es war kalt, es war nass und es war dunkel. Eine denkbar schlechte Kombination für eine unbewaffnete Frau in einem recht kurzen Kleid, welche grade allein in der Großstadt unterwegs war. Im Moment schien sie der einzige Mensch zu sein, der auf dieser Straße unterwegs war, was auch nicht sonderlich dazu bei trug, dass sie sich besser fühlte. Nein, es war sogar ziemlich unheimlich. Deshalb beschloss sie nicht so zu trödeln, wie sie es sonst immer tat, sondern ausnahmsweise zügig ihres Weges zu gehen. Der war ohnehin nicht grade kurz. Da war es sogar gut, sich zu beeilen. So würde sie schneller bei ihrer Wohnung ankommen, könnte sich dann aus den nassen Sachen rausschälen und in eine warme Decke gekuschelt noch einen schönen Film genießen. Nach so einem Tag brauchte sie das einfach. Auf einmal hörte sie etwas. Das Geräusch eines laufenden Motors, sogar ziemlich nah bei sich. Wie hatte sie den bis jetzt in der Stille überhören können? Sie dachte sich nichts weiter dabei. Dachte das Auto würde sie gleich überholen, doch dem war nicht so. Ein ganzes Stück fuhr der schwarze 77er Pontiac Firebird in Schrittgeschwindigkeit neben der durchnässten Italoamerikanerin her. Also beschleunigte sie ihren Schritt. Wollte von dem Wagen weg. Irgendwie war der ihr nämlich unheimlich. Selbst wenn er vielleicht nur so langsam fuhr, weil er etwas suchte. Ein bestimmtes Haus um einen Freund zu besuchen oder vielleicht sein Haustier, dass ihm entlaufen war. Aber sobald sie Abstand zwischen sich du das Auto gebracht hatte, wurde dieses jedes Mal ein kleinwenig schneller, sodass es gleich wieder auf einer Höhe mit ihr war. Mit diesem Begleiter kam ihr der Weg den sie zurück legte gleich noch mal doppelt so lang vor. Wieso konnte er nicht einfach vorbei fahren? “Hey”, hörte sie eine Stimme aus dem heruntergekurbelten Fenster des Wagens kommen. Diese kam ihr ziemlich bekannt vor. Sofort wanderte ihr Blick in Richtung Auto, wo sie in das Gesicht einer ihr bekannten Person blickte. Es war jemand, der beinahe täglich bei ihr im Diner saß, sich dort das Frühstück schmecken ließ und eigentlich immer gutes Trinkgeld gab. Allein deswegen war dieser Gast ihr schon immer sympathisch gewesen. Auch wenn sie seinetwegen meist irgendwelche Kaugummis unter den Tischen hervorkratzen musste. “Ach du bist’s. Man, ich dachte schon du wärst’n Kidnapper oder so!”, ein erleichtertes Lächeln schlich sich auf die Lippen der Frau. “Ein Kidnapper? Fahren die nicht normaler Weise Vans mit schwarz getönten Scheiben?”, die Stimme der anderen Person klang amüsiert. Wieder strich sich die Kellnerin eine nasse Strähne von der Stirn. “Stimmt, sorry.“ Sie war froh, dass ihr kein verrückter Kidnapper, sondern einfach nur ein Gast, welcher sie wahrscheinlich erkannt hatte hinterher gefahren war. Wieso? Die Frage stellte sie sich im Moment gar nicht, zu groß war die Erleichterung, doch keinem Irren Stalker begegnet zu sein. Doch auch nun fuhr der Wagen noch in Schritttempo neben ihr her. “Du bist auf dem Weg nach Hause, oder?“, verwirrt blickte sie bei diesen Worten die Person am Steuer an. Wieso diese komische Frage? Sie nickte nur stumm und schaute aus ihren braunen Augen in die des Fahrers. “Komm, spring rein, ich fahr dich.” Zwar überlegte Devon einen Moment, doch bevor das Angebot noch zurückgezogen wurde, stieg sie lieber ein. Was sollte schon passieren? Der Fahrer war ihr bekannt. Unterhielt sich im Diner immer mit ihr und wirkte dabei alles andere als gefährlich. So nahm sie auf dem Beifahrersitz platz, nannte die Adresse und freute sich, als sie losfuhren, dass es anders als Draußen schön warm und trocken hier drinnen war. So legte sich ihre anfängliche Skepsis mehr als schnell. “Danke, das hab ich echt gebraucht. Ich hatte einen richtig beschissenen Tag. Zu erst gibt meine Karre auf dem Weg zur Arbeit den Geist auf, dann komm ich zu spät, weil das dumme Teil noch in die Werkstatt musste und durfte als Krönung auch noch unbezahlte Überstunden machen”, beschwerte sie sich, typisch italienisch mit überschwänglichen Gesten, worauf hin nur ein “Kein Problem” als Antwort kam. Sie war es nicht gewohnt, dass man ihr einfach so half. Vor allem ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen. Deswegen konnte sie sich eine Frage einfach nicht verkneifen. “Wieso hast du mich eigentlich mitgenommen?” Einen Moment lang wich der Blick der anderen Person von der Straße ab. Hin zu ihr, zu ihren Augen. “Braucht man wirklich einen besonderen Grund, um einer Frau in einem ziemlich nassen Kleid zu helfen?”, ein leichtes grinsen folgte, bevor ihr Gegenüber wieder auf die Straße sah. Anscheinend konnte er aber ihren verwirrten Blick auf sich spüren. Denn nur wenige Sekunden später, kam eine Erklärung, die ihr schon viel glaubwürdiger erschein. “Ich war grade auf dem weg nach Hause, da hab ich gesehen, wie dir der Bus vor der Nase weggefahren ist. Sollte ich dich etwa im Regen stehen lassen?” Sie sah wieder hinüber. “Ich wusste gar nicht, dass du nebenbei noch als Ritter in der Weißen Rüstung arbeitest”, merkte sie lachend an, “Find ich irgendwie verdammt süß!” Kurze Zeit später hielt der schwarze Pontiac vor ihrer Haustür. Die Fahrt verlief ereignislos. Gut, sie hatten sich einwenig unterhalten, doch nichts besonderes. Nur das übliche für die beiden. “Noch mal vielen Dank, fürs Mitnehmen”, kam es von der gefärbten Blondine, welche nun eine deutlich bessere Laune hatte. In dieser Laune, ließ sie sich zu etwas hinreißen, was sie sonst vielleicht nicht getan hätte. “Ich weiß es ist schon spät, aber möchtest du vielleicht mit hochkommen?”, ihr Bekannter schien einen Moment zu überlegen. “Was denkst du so lange nach? Die Gelegenheit bekommt bei mir nicht Jeder!”, verkündete sie in forderndem Ton, mit einem leichten Kichern. “Na wenn du mich so dazu drängst kann ich doch nicht nein sagen”, antwortete dieser lachend, schloss das Musclecar ab und folgte der Mittzwanzigerin durch den strömenden Regen zu dem recht verfallen wirkendem Haus. In dieser Gegend der Stadt war das keine Besonderheit und auch von drinnen sah es nicht besser aus. Das Licht im Treppenhaus flackerte furchtbar, der Boden war dreckig und die Farbe schon halb von den Wänden geblättert. Doch weder ihr, noch ihrem Begleiter schien das etwas aus zu machen. So suchte sie, als sie im fünften Stock angekommen waren, im spärlichen Licht der flimmernden Lampe ihren Schlüssel aus der Handtasche und schloss die Wohnung auf. Die wirkte im Gegensatz zum Rest des Hauses geradezu luxuriös. Das lag aber nicht an teurer Einrichtung oder exklusivem Stil, sondern vielmehr dran, dass hier alles noch einigermaßen intakt war. Über den Geschmack des Mobiliars ließ sich jedoch streiten, denn pink gestrichene Wände, zusammen mit vielen beinahe neongrünen Möbeln war nun wirklich nicht jedermanns Sache. Kurz nachdem die beiden die Wohnung betreten hatten, verschwand die gefärbte Blondine für einen Moment in der Küche. “Hey, sag mal, willst du vielleicht irgendwas zu trinken?”, rief sie von dort aus in Richtung Wohnzimmer, wo es sich ihr Gast schon auf der Grünen Ledercouch gemütlich gemacht hatte. “Hm, vielleicht ein Bier”, war die Antwort auf ihre Frage. Nur wenige Sekunden später, war die Besitzerin der Wohnung schon wieder im selben Zimmer, wie der Besitzer des Pontiacs und warf diesem die Dose mit den Worten “Hier, fang!”, zu. Mit etwas Mühe schaffte dieser es sogar, zwar knapp, aber er schaffte es. So schlecht, wie das Getränk geworfen wurde, war das schon ein kleines Kunststück. Mit einem lauten Zischen wurde die Dose geöffnet, weit weg vom Körper des Durstigen. Hauptsächlich, weile diese anscheinend etwas durchgeschüttelt wurde und ganz schön schäumte. “So, ich geh mich mal aus diesen nassen Klamotten rausschälen, bin gleich wieder da”, sagte die Besitzerin der Wohnung und schritt mit fast schon provokantem Hüftschwung an ihm vorbei, in Richtung Bad. Doch kurz vor der Tür, machte sie Halt, warf ihm einen Blick über die Schulter zu und grinste leicht. “Es sei denn, du willst mir dabei helfen, dann würde es auf jeden Fall schneller gehen… und auch viel mehr Spaß machen”, ein kurzes Zwinkern und ein laszives Lächeln folgten und überraschten den Anderen anscheinend so sehr, dass er sich an seinem Bier verschluckte. “Was?”, fragte er zwischen seinem starken Husten hindurch. Die Kellnerin lachte nur. Lachte laut, lachte stark, stützte sich dabei mit einem Arm am Türrahmen ab und hielt sich leicht nach vorne gebeugt den Bauch vor Lachen. “Hey, krieg dich wieder ein! Das war’n Witz!”, kam es von ihr, während beide sich langsam wieder einkriegten, “Man, du bist echt niedlich!” Mit diesen Worten verschwand sie endgültig im Bad, schloss die Türe hinter sich sorgfältig, denn egal wie niedlich ihr Gast auch sein mochte, einen Striptease würde sie für ihn nicht hinlegen. Vielleicht später, nach einpaar Gläsern Alkohol, aber nicht wenn sie noch so nüchtern war. So öffnete sie den Reisverschluss ihres recht knappen Kleides und streifte dieses langsam von ihren ausgeprägten, weiblichen Kurven, auf welche sie schon immer unglaublich stolz war, ab. Sie kam einfach nicht drum herum, sich einen Moment lang im Spiegel zu betrachten und zu bemerken, dass ihr das, was sie dort sah wirklich sehr gut gefiel. Tony, ihr Exfreund, würde ja schon sehen, was er davon hatte ihr zu erst die Welt zu versprechen und sie dann doch einfach sitzen zu lassen, auf einem Haufen unbezahlter Rechnungen. Wenn er erfahren würde, was für Leute sie mit zu sich nach Hause nahm, würde er durchdrehen. Würde vielleicht merken, dass er überhaupt nichts besonderes war, dass sie einfach jeden Idioten mitnahm, der ihr über den Weg lief, dass eben dieser X-beliebigen Fremde genau das mit ihr machen durfte, was er mit ihr getan hatte. Oh, er würde vor Eifersucht rasen. Würde seinen Kopf vor Verzweifelung so hart gegen die Wand hämmern, dass mindestens eins von beidem ein Loch aufweisen würde… vielleicht würde er auch stattdessen den Verehrer gegen die Wand hämmern und zu ihr zurück kehren. Egal was von beidem eintreffen würde, Devon wär zufrieden. Ein Schmunzeln schlich sich auf ihre Lippen. Sie liebte diesen Gedanken. Leider wurde sie abrupt aus diesem gerissen, als auf einem unglaublich laute Metallmusik an ihr Ohr drang. Genauer gesagt waren es die Worte Devon won’t go to heaven, welche ihre Vorstellung rasch beendeten. Was dachte sich dieser Idiot eigentlich um diese Uhrzeit die Musik so laut auf zu drehen? Und dann auch noch so einen Mist. Wütend und ohne zu bedenken, dass sie nun einzig und allein in ihrem schwarzen Spitzen-BH und dem dazu passenden Hipster String einem fast vollkommen Fremden gegenüber treten würde, stapfte sie auf die Tür des Bades zu. Sie riss diese auf und setzte ihren Weg eben so unelegant fort, wie sie ihn begonnen hatte. Ohne eine Wand oder ähnliches dazwischen, war der Lärm sogar noch schlimmer. Vorallem, weil sie alles andere als ein Fan dieser Musikrichtung war. “Sag mal, spinnst du?! Es ist elf Uhr abends!”, fuhr sie ihren Besucher schroff und laut an, stemmte dabei die Hände in die Hüften, “Du kannst doch nicht einfach deinen Mist so laut stellen!” Zu ihrer Verwunderung schien ihr Gegenüber aber gar nicht zu reagieren. Sah sie einfach nur an. Was heißt hier sah? Starrte, das war das passender Wort. Starrte mit einem Blick, der darauf schließen ließ, dass es um seinen geistigen Zustand wohl nicht sonderlich gut stand. Einwenig Angst machte ihr as schon, das musste sie zugeben. Doch leider war sie jemand, der in solchen Situationen nicht mit dem Impuls ’Flucht’ sonder viel mehr mit ’Angriff’ reagierte. Dieser erfolgte, wie üblich, verbal. “Sag mal, hörst du schlecht?!”, ihr Ton wurde strenger, “Schalt den Scheiß aus und verpiss dich aus meiner Bude, Spinner! Und nimm den verdammten Mist bloß mit!” Nach einigen Sekunden, welche der Italoamerikanerin furchtbar lang vorkamen, reagierte der Angesprochene. Leider nicht so, wie sie es sich erhofft hatte. Noch nicht mal so, wie sie es sich gedacht hatte, wie ihr Ex es getan hätte. Nein, er grinste. Ein breites, schiefes Grinsen, welches ihr gepaart mit seinem Blick eine Gänsehaut über den Rück laufen ließ. Langsamen Schrittes kam er auf sie zu, was sie dazu bewegte zurück zu weichen. Nein, der, den sie bis vor einpaar Augenblicken noch für eine Art Retter gehalten hatte, war ihr gar nicht mehr geheuer. Wie konnte jemand nur so schnell von nett und süß zu verrückt und irgendwie gruselig wechseln? Egal wie weit die Kellnerin auch nach hinten wich, der Andere bewegte sich weiterhin gradewegs auf sie zu. Wollte grade einen weiteren Schritt nach hinten tun, doch etwas hinderte sie daran. Etwas großes, hartes, das nun ihre Rückseite berührte. Die Wand. Nun stand sie also da, mit dem Rücken zur Wand. Eine auswegslose Situation. Sie wusste nicht, was nun passieren würde, was er vor hatte und eigentlich hatte sie auch einwenig Angst davor, es heraus zu finden. Doch da er ihr immer näher kam, wurde sie das Gefühl nicht los, sie würde es gleich erfahren. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht, zu einem Fremden in den Wagen zu steigen? “Bitte… geh. Geh einfach nach Hause…”, sprach sie in fast flüsterndem Ton, wobei sie überzeugt war, dass man sie wohl kaum hören würde, bei der lauten Musik, blickte den Mann, der nur wenige Zentimeter vor ihr stehen geblieben war, aus ihren großen, braunen Augen an. Als Antwort bekam sie zu erst nur ein leises, spöttisches Lachen. “Oh Devon. Oh meine süße, kleine, dumme Devon… tut mir leid, aber das geht nicht”, sprach er, lächelnd und ebenso leise wie sie selbst, wobei er ihrem Gesicht so nah war, dass sie seinen Atem, welcher stark nach Minzkaugummis roch, auf sich spüren konnte. Die Frau zuckte zusammen. “W-wieso nicht?”, ihre Stimme klang noch leiser, noch verunsicherter als eben. Einen Moment lang schwieg ihr Gegenüber. Sah sie wieder einfach nur an. Mit völlig ausdrucklosem Blick. So dachte sie, er hätte sie überhaupt nicht gehört. Grade wollte sie ihre Worte wiederholen, da merkte sie, dass er sie vielleicht doch mitbekommen hatte. Dieser leere Ausdruck in seinem Gesicht wich nun einem breiten, fast schon triumphierenden Grinsen. Er legte eine Hand an die Wange der Bedienung, was dieser aber gar nicht gefiel. Sofort wendete sie den Kopf in eine andere Richtung. Kniff die Augen zusammen. Nein, sie wollte nicht, dass dieser merkwürdige Kerl sie anfasste. Jetzt noch viel weniger als eben. Dass sie den Blick abgewendet hatte, schien ihm jedoch überhaupt nicht recht zu sein. Unsanft packte er mit Daumen und Zeigefinger das Kinn der Blondine und drehte mit einer ruckartigen, groben Bewegung ihr Gesicht wieder in seine Richtung. Erschrocken darüber konnte sie nicht anders als leise auf zu wimmern und die Augen wieder zu öffnen. Dabei starrt sie nun direkt in die, ihres Gegenübers, welche sie mit einer Kälte ansahen, die sie so selten erlebt hatte. Ein weiterer eisiger Schauer lief ihr über den Rücken. “Weil du mir gehörst”, sagte er leise, aber so ernst es nur sein konnte, “du bist eine verlorene Seele.” Verständnislos, sowie verängstigt sah sie ihn an. Der Typ war Irre. Vollkommen Irre. “Was soll das heißen?“, sie wusste, dass sie diese Frage noch bereuen würde, doch sie konnte einfach nicht anders. “Ich hab dich beobachtet und Tag für Tag, Woche für Woche hattest du jeden Abend einen anderen Kerl bei dir zu Hause… das macht dich zu einer verlorenen Seele”, erklärte er, als wär es die logischste Sache der Welt, hielt nach den Worten einen Moment inne, bevor er ihr Gesicht noch näher an sein eigenes zog, sodass man meinen könnte, er wolle sie jeden Moment küssen, “… und genau das, macht dich zu meinem Eigentum, meine süße, verlorene Seele.” Diese gegen ihre Lippen gehauchten Worte trugen nicht nur dazu bei, dass sie nun endgültig den Beweis hatte, dass er völlig den Verstand verloren hatte, sondern brachten sie dazu, wieder zu ihrer alten, nicht so leicht ein zu schüchternden Form zurück kehrte. “Du hast mich beobachtet? Was soll das heißen?! Bist du irgend so’n verdammter Stalker?!”, fuhr sie ihn an und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, welche sein Gesicht zur Seite schnellen ließ, “Verschwinde aus meiner Wohnung, bevor ich die Cops rufe!” Perplex sah der Andere sie einen Moment lang an und bevor er wusste, wie ihm geschah, stieß die Frau ihn mit all ihrer Kraft ein Stück von sich weg, was sicher nicht so einfach für sie war. Sie wog sich dadurch in Sicherheit, ließ sich an der Wand herunter rutschen, schloss die Augen und legte eine Hand auf ihr Dekollete. Atmete tief durch. Dicke Tränen liefen über ihre Wange. Keine Tränen der Trauer oder der Wut, nein, Tränen der Erleichterung. Er war weg, er war sicher weg, so dachte sie. Doch als sie die Augen öffnete, wurde sie eines besseren belehrt. Er stand noch genau dort, wo sie ihn in Erinnerung hatte. Mit dem kleinen Unterschied, dass er nun irgendetwas in der Hand zu halten schien. Nur was, das konnte sie durch den Schleier ihrer Tränen nicht erkennen. “Was… was ist das?”, fragte sie, schluchzte leise und wischte sich über die Augen um etwas zu erkennen, was ihren ohnehin verlaufenen Maskara nur noch weiter verwischte. Als sie wieder halbwegs klar sehen konnte erschrak sie. Denn dieser Gegenstand blitzte erstaunlich scharf. “Das hier?”, fragte er amüsiert und kam einige Schritte auf sie zu, bis er sich vor ihr hinkniete, sodass er mit ihr auf einer Höhe war und ihr den Gegenstand so effektvoll wie möglich vorhalten konnte, “Das ist ein Spyderco Military… oder um es für Kleingeister wie dich ganz einfach aus zu drücken: ein Messer.” Bevor sie auch nur einen Mucks von sich geben konnte, presste ihr der Mann seine Hand fest auf den Mund, sodass ihr leiser, erstickter Schrei kaum zu hören war. “Psst, Psst, Psst, nicht so laut… wir wollen doch nicht die guten Nachbarn wecken”, raunte er in spöttischem Ton, “Oh Devon, oh süße, dumme Devon… wir werden jetzt gleich noch eine Menge Spaß haben, bevor die Polizei hier eintrifft.“ Abgelenkt vom hysterischen Kichern des Mannes, merkte sie erst was passierte, als sie einen stechenden Schmerz am Bein wahrnahm. Danach das Gefühl von etwas metallenem, das an dieser Stelle eindrang und scharf durch ihr Fleisch schnitt, als wäre es Butter, in dem Augenblick, als er das Messer weiter nach unten führte, anscheinend etwas in ihr Bein ritzen wollte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Und nun tat sie etwas, das sie noch nie zuvor getan hatte: sie hoffte, dass die Cops hier in ihrer Wohnung eintreffen würden. So schnell, wie möglich… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)