Aquila von Ryu_no_Sekai ================================================================================ Prolog: Des Morgensterns Diener ------------------------------- Nur das flackernde Licht einer einzelnen Kerze erhellte die kleine Kammer und ließ vermummte Schatten verzerrt über die Wände huschen. Der winzige Raum wurde vollkommen von einem großen Schreibtisch ausgefüllt, um den herum sich die Bücher stapelten. Jahrhunderte alte Schriftrollen, hingen von dem schweren Eichentisch hinunter. Bücher mit schon längst vergilbten Seiten und ledernen Einbänden, stapelten sich auf ihm bis zur Decke. Die Geschichten, über die sie berichteten hatte die Welt schon lange vergessen. Sie waren voller Legenden, die nicht mehr waren, als der Hauch eines Flüsterns, das Jahrtausende überdauert hatte. Auf den verblichenen Pergamenten, die die Wände verdeckten, zeichneten sich die Stammbäume uralter Familien ab. Eine ruhmreicher als die andere. Jede Generation die andere an Großartigkeit übertreffend. Und doch enthielten sie keinen Hinweis. Tief über die Unterlagen auf dem Schreibtisch gebeugt, saß eine dunkle Gestalt. Ihr pechschwarzer Umhang schien schwer auf ihren Schultern zu liegen, welche leicht gekrümmt waren, so als trügen sie eine große Last. Die blutroten Applikationen leuchteten förmlich im Kerzenschein, und verliehen der Gestalt etwas diabolisches. Schon vor langer Zeit, war jede Farbe und jeder Glanz aus den Haaren gewichen, so dass sie nun stumpf und ergraut wirkten. Wild wucherten sie über den Rücken hinunter bis zum Boden und verschmolzen im Gesicht mit dem langen ungepflegten Bart zu einem struppigen Ganzen. Der Mann war nicht mehr als der Schatten seiner selbst. Ein vor sich hin vegetierendes Häufchen Elend auf der Suche nach einem Funken Hoffnung. Nur noch das stechende Giftgrün seiner Augen zeugte von seinem einstigen Selbst: Klug, begehrt, schön und doch vollkommen wertlos. Ein gefürchteter Rebell, dessen Name kaum noch in den alten Geschichten erwähnt wird. Denn er war nicht wichtig. Doch das störte ihn nicht. Er war nie wichtig gewesen, im Gegensatz zu seinem Meister. Sein Herr, dem so widerwärtiges Unrecht widerfahren war. Ein Unrecht, das er um jeden Preis wieder gut machen würde. Sorgsam, beinahe akribisch studierte er die alten Schriften. Sie waren in Sprachen verfasst, von denen keiner mehr wusste dass sie existierten. Die Buchstaben verblassten, so wie die Personen die sie beschrieben. Doch je mehr er las, desto deutlicher wurde ihr Muster. Er verfolgte es durch die Antike, das Mittelalter bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein. Immer wieder besorgte er sich neue, aktuelle Stammbäume, informierte sich über jeden auf dieser Welt. Verglich seine Ergebnisse, bis nur noch ein Schluss übrig blieb. Die Kerze war fast ganz hernieder gebrannt, als er seine Unterlagen nach 999 Jahren zum ersten mal zur Seite legte und sich aufrichtete. Seine Knochen ächtzen, als er seine Glieder streckte und sich langsam erhob. Mit einer blitzschnellen Bewegung zog er ein Blatt, mit der Aufschrift: Befreiung des Morgensterns, aus dem Durcheinander auf seinem Tisch hervor und verbarg es sicher in seinem Umhang. Der Blick seiner lodernden Augen ruhte noch immer auf den zwei Bildern auf seinem Schreibtisch. Sein Mund hatte sich zu einem siegreichen Lächeln verzogen. Langsam strich er über das Foto eines kleinen, unscheinbaren Mädchens. „Schon bald werden wir uns treffen... iuvenis aquila." Seine Stimme war heiser, vom langen schweigen. Trotzdem erkannte er sie, sie war verführerisch, nicht zu dunkel, aber doch tief und machtvoll. Es tat gut, sie wieder einmal zu hören. Sein Blick wanderte zu der Kerze, deren Licht langsam erstarb. Es wurde Zeit, dachte er. „Tampestas Flamae!" befahl er, und seine Stimme nahm vor Aufregung einen höheren, fast schrillen Ton an, als er das vertraute Kribbeln der Magie in seinen Adern fühlte. Die Flamme loderte auf, wuchs an und griff um sich. Mit einem kalten Lächeln verließ der Mann die Kammer. Keiner würde je erfahren, was er hier getrieben hatte. Das Bild des Mädchens verbrannte, zusammen mit der alten Zeichnung einer Prinzessin, welche schöner als der Morgen war, mit blonden Locken, zarten Lippen und strahlenden Goldaugen. Kapitel 1: Hals über Kopf ------------------------- Der zweite Gong ertönte und verkündete den Beginn des Unterrichts. Luca fragte sich, ob er überhaupt noch erklären musste, wieso er wieder einmal zu spät kam. Es war doch jedes mal das selbe. Ein Seufzen entfuhr ihm und er stützte sich mit den Ellbogen erschöpft auf seinen Knien ab. Jeden Moment würde er sich die übliche Standpauke ihres Direktors anhören müssen, dabei hatte er überhaupt nichts falsch gemacht. Er spürte eine Hand auf seiner Schulter und sah zu seinem Freund auf. Michael sah ihn aus seinen braunen Hundeaugen entschuldigend an. Er setzte an etwas zu sagen, doch Luca unterbrach ihn. „Ist schon gut, du kannst nichts dafür. Wenn, dann sollte es ihm leid tun.“ Er deutete nickend auf einen älteren Schüler, der ihnen gegenüber saß. Lesley Dearing war ein großer, trainierter Junge und ein waschechter Tyrann. Nun saß er da, umgeben von seinen Freunden, den Kopf in den Nacken gelegt, so dass seine haselnussbraunen Haare ihm strähnig auf die Schultern fielen. Sein schmales Gesicht wurde von einem Tuch verdeckt, dass er sich gegen die blutige Nase drückte. Das blutbeflecktes Hemd spannte sich leicht über den Muskeln seiner Brust. Seine Kumpel funkelten Luca böse an. Es war klar, dass die Sache noch nicht ausgestanden war. Man verpasste jemandem wie Lesley keine blutige Nase und kam ungeschoren davon. Doch Luca ließ sich nicht so einfach einschüchtern, um ihnen das zu zeigen, lächelte er sie überlegen an. „Trotzdem,...“ begann Michael, und fuhr sich fahrig durch die kurzen Haare. „Wenn ich mich selbst verteidigen könnte, hättest du weniger Ärger am Hals.“ Luca zuckte mit den Schultern. „Ich denke nicht. Steward würde sich nur neue Dinge ausdenken, für die er mich dran kriegen kann. Also mach-“ Die Tür zum Büro ging auf, und ein weiteres Mitglied der Schlägerbande kam heraus. Mit einem dreckigen Grinsen sah er Luca an, und dieser wusste schon genau, was jetzt kommen würde. „Mr. Bailay!“ Die Stimme zerschnitt die Stille im Wartezimmer wie eine Schwertklinge, solch eine Stimme hatte nur der Direktor. Luca erhob und drehte sich nochmal zu Michael. „Du solltest in die Klasse gehen.“ riet er seinem Freund, welcher sich ebenfalls erhoben hatte. Er war ein Stück kleiner als Luca und recht hager. Seine schwarzen Haare hingen ihm fransig in die gebräunte Stirn, als er den Kopf schüttelte. „Nein, ich warte auf dich.“ „Ich komm schon zurecht, außerdem, kommst du wegen mir schon spät genug zum Sport.“ meinte Luca grinsend und machte sich auf den Weg in das Büro des Direktors, wo er schon erwartet wurde. Mit seinen schulterlangen goldbraunen Locken, seinem smarten Lächeln und den Bernsteinaugen war Alexander Steward der absolute Schwarm aller Mädchen und Mütter der Schule. Selbst Lucas Mutter hatte eine kleine Schwäche für den jungen Direktor, wie Luca leidlich zugeben musste. Er selbst kannte Steward nur als strengen und zumeist ungerechten Richter. „Setzten sie sich Mr. Bailay.“ wies er Luca kalt an und deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch, welcher akribisch aufgeräumt war. Die Zahlreichen Papiere und Dokumente lagen perfekt sortiert vor Steward, in einer schlichten Silberdose standen eine Reihe angespitzter Bleistifte, so wie einige rote und grüne Feinleiner. Verschieden farbige Post-it Blöcke lagen fein säuberlich neben den Stiften und hinter Steward befand sich ein gut sortierter Akten Schrank, über dem ein Portrait des momentanen Schuldirektors, welches mit einem Schal in orange – weiß, den Schulfarben der Witchblade High geschmückt war. Seine Vorgänger waren an die anderen Wände verbannt worden und sahen vorwurfsvoll auf Luca hinab, während er sich hinsetzte. „Sie haben Mr. Dearing übel zugerichtet.“ begann der Direktor. „Er hat nur eine blutige Nase, nichts ernstes. Außerdem, hat er es verdient, er wollte Michael zusammen mit -“ begann Luca. „Das gibt ihnen noch lange nicht das Recht jemand anderen zusammen zu schlagen.“ unterbrach Alexander ihn. „Es war nur ein Schlag!“ protestierte der Beschuldigte. „Es ist nicht das erste mal.“ Der Direkter zog eine dicke Akte von einem Stapel auf der rechten Seite des Schreibtisches. „So oft, wie du mich hier besuchst, brauche ich sie nicht einmal mehr wegzupacken. Sie voll von Regelverstößen aller Art. Prügeleien, Vandalismus, Betrügereien und unzählige andere Vergehen. Ich vermute mit dem was mit Mr. Lennings Reifen passiert ist hast du auch zu tun.“ Mr. Lenning war ihr Erdkunde und Mathe Lehrer, er versuchte streng zu sein, machte sich jedoch nur selbst zur Witzfigur. So kam es dass er mit Strafarbeiten nur so um sich warf, weil er nicht wusste, wie er die Klasse sonst zur Ordnung bringen konnte. Deswegen konnten ihn viele nicht leiden – eigentlich mochte ihn niemand. Mr. Lenning hatte sich viele Feinde unter den Schülern gemacht und wurde oft Opfer von Streichen. Manchmal auch von ziemlich schlimmen, wie zum Beispiel dem Aufschlitzen seiner Autoreifen. „Aber all das weißt du ja am besten, immerhin halte ich es dir fast täglich vor.“ erzählte er, während er eine dicke Akte von einem Stapel auf der rechten Schreibtischseite nahm. Er schlug sie auf, fügte ihr ein weiteres Dokument hinzu, schlug sie zu und legte sie wieder zurück. „Wie lange soll das noch so gehen, Bailay?“ Er faltete die Hände auf dem Tisch und sah Luca aus seinen kalten Augen an. Der Junge wich seinem Blick aus. Er kannte diese Predigt mittlerweile in und auswendig. Obwohl sie für gewöhnlich länger ausfiel, doch wahrscheinlich wurde auch Steward diese ganze Farce leid. „Kann ich dann gehen, Direktor?“ fragte der Junge. „Ich werde deine Mutter informieren müssen.“ Er machte eine Pause. „Ich werde dich später darüber informieren, was für eine Buße du abzulegen hast. Ich glaube kaum, dass die üblichen Bestrafungen bei dir noch etwas bringen.... Jetzt kannst du gehen.“ „Wie sie meinen.“ entgegnete Luca nur und verließ das Büro. Er fragte sich, was sich Steward dieses mal für ihn ausdachte, aber er würde es ertragen, egal wie ungerecht es war. Er hatte nichts weiter getan, als einem Freund zu helfen – Er tat nie etwas anderes. Trotzdem bestrafte Steward ihn. Ließ ihn dem Hausmeister helfen, Nachsitzen, Aufsätze über Recht verfassen und Abbitte leisten. Er schnappte sich seine Sachen und machte sich durch die Gänge auf den Weg zur Sporthalle. Das Gebäude war wie ausgestorben, kein Schüler befand sich mehr auf den Gängen. Nur ein paar Lehrer patrouillierten durch die Gänge um mögliche Schwänzer zurück in die Klasse zu schicken. Auf Luca achteten sie jedoch nicht weiter, sie wussten, dass er gerade vom Direktor kam, und schon auf dem Weg in den Unterricht war. Einige begrüßten ihn und fragten, was er diesmal wieder angestellt habe. Er grüßte lachend zurück, schwieg jedoch über das was passiert war. Er verließ das Schulgebäude und überquerte den Hof zur Halle. Durch die großen Fenster konnte er seine Klassenkameraden schon beim Fußball spielen sehen. Still standen sie über das ganze Feld verteilt da. So als seien sie nicht einfach aus dem Nichts aufgetaucht. Das graue Gras wiegte sich im Wind, obwohl nicht der geringste Lufthauch zu spüren war. Nicht das leiseste Flüstern war von ihnen zu vernehmen, nur die markerschütternden Schreie der Toten im Tartarus waren zu hören. Und doch lockten sie sie mit verheißungsvollen Versprechungen. Grace kam schon seit einigen Tagen immer wieder hier her. Jedes Mal wenn sie kam, standen mehr von ihnen da und warteten. Worauf vermochte die junge Dämonin nicht zu sagen, doch manchmal kam es ihr so vor, als warteten sie nur auf sie. Darauf, dass sie eine von ihnen wählte. Gerne wäre sie näher zu ihnen gegangen, hätte die glänzenden schwarzen Bögen berührt, die vielfältigen Verzierungen mit dem Finger nach gefahren und das schwere, moderige Holz berührt, in das große silberne Klinken eingelassen waren. Doch sie konnte sich für keine entscheiden. Es waren riesige Türen, wie man sie wohl nur noch in alten Tempeln fand. Sie standen kreuz und quer übers Feld verteilt, ohne eine Wand, die sie stützte. Ohne etwas, durch das sie hindurch führen konnten. Sie erschienen vollkommen sinnlos, und doch wusste Grace, dass sie sehr wichtig waren. Auf den ersten Blick wirkten sie alle gleich, und doch wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie so verschieden waren wie Tag und Nacht. Jede Tür führte woanders hin. Nur wo, das war die Frage. Und diese machte es Grace so schwer eine auszuwählen. Sie biss sich mit ihren Zähnen auf die Lippe. Ob sie es überhaupt wagen sollte? Ihre Mutter hatte sie immer gewarnt: "Geh nicht durch Türen, die du nicht kennst. Du weißt nie, wo sie dich hinführen!" Aber gerade das war doch das Spannende daran: Ins vollkommen Ungewisse zu gehen, sich ganz seinem Schicksal zu ergeben. Neue Orte, vielleicht sogar neue Welten zu entdecken. Endlich einmal ein Abenteuer erleben und einen Schnitt in dem öden Alltag machen. Der Langeweile ein Ende bereiten. Endlich von hier fliehen. Auf der anderen Seite standen die Türen so unschuldig glänzend da, dass sie Grace wahrscheinlich nirgendwo hin führten. Sie waren nichts weiter als Leere Bögen, durch die man hindurch treten konnte, und doch nur am selben Ort landete an dem man gestartet war. Auf diesem tristen Feld. Allerdings hatten sie etwas Faszinierendes, das Grace nicht mehr los ließ. Tag und Nacht dachte sie an die Türen aus dem Nichts und grübelte über ihr Geheimnis nach. Wer hatte sie erschaffen und wieso? Waren sie ein Ausweg, oder führten sie sie ins Verderben? Wohin würden sie sie führen? Hinaus aus dem Tartarus und hinein ins Licht? Grace wusste, das es mehr gab, als die Hölle in der sie lebte. Schöne, warme Welten, in denen nicht jeder ein Feind war. Aber es war verboten dort hin zu reisen; jeder der dies missachtete wurde mit dem Tod bestraft. Alle Wege zur Erde wurden strengstens überwacht oder waren zerstört worden. Und doch standen nun diese Türen vor ihr, die irgendwohin führen mussten. Ein dumpfer Aufschlag war zu hören, so leise dass er kaum wahrnehmbar war. Der Boden erzitterte leicht, und als Grace zur Seite sah, stand dort auf einmal eine neue Tür. Sie stand so selbstverständlich da, dass man fast meinen konnte, sie sei immer dagewesen. Sie sah genauso aus wie all die anderen, aber irgendetwas an ihr war vollkommen anders. Ganz langsam, wie in Trance, erhob Grace sich und ging auf die Tür zu. Es waren nur wenige Schritte, bis sie vor ihr stand, und doch kam es ihr wie eine Ewigkeit vor. Bedächtig wanderte ihr Blick über die gesamte Tür, damit ihr ja keine Kleinigkeit entging. Winzige Abweichungen in der sonst ebenmäßigen Maserung des dunklen Holzes, Veränderungen des Musters, das den schwarzen Steinbogen und die eisernen Beschläge zierte. Das Spiel der glänzenden Lichtreflexe auf der polierten Silberklinke. Es kribbelte und prickelte in Graces Nacken. Ihre Hand zuckte vor Aufregung. Das hier war die Tür, durch die sie gehen würde. Sie musste nicht mehr überlegen. Die Zeit des Abwägens war vorbei. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Was auch immer sie erwartete, wenn sie durch diese Tür ging, würde ihr Leben verändern. Endlich konnte sie diese ihr verhasste Welt verlassen. Es war etwas verbotenes, es war etwas gefährliches, es war etwas genau nach ihrem Geschmack. Mit über der Klinke schwebender Hand sah Grace sich um. Es war niemand da, der sie hätte aufhalten können. Jetzt oder nie! Fest schloss sich ihre Hand um den kalten Knauf. Im selben Moment flammte über ihr ein Teil der Verzierung auf: Porta Cosmicae – Orbis Terrarum. Und ohne weitere Vorwarnung wurde sie durch die Tür gezogen in einen Strudel von bunten Farben. Mit einem Aufschrei verschwand Grace aus der Hölle. Allmählich vermischte sich der Schrei mit dem restlichen Wehklagen der toten Seelen, sodass ihn niemand bemerkte. Mit einem Leisen „Plopp“ verschwand eine Tür nach der anderen, und es war so, als hätten sie nie existiert. Luca saß allein weit hinten in der Bibliothek, mit dem Rücken an ein Regal gelehnt und las. Er hätte sich das Buch auch ausleihen können, doch er war froh über jede ruhige Sekunde die er bekam. Bei ihm zuhause ging es meist drunter und drüber: Seine Schwester, die ihn mit immer neuen Geschichten über Geister, Dämonen, Engel, Monster, Dimensionsportale, Flüche, Hexen, Feen und allem anderen Übernatürlichem zu textete. Aber das war nicht das schlimmste daran. Das schrecklichste für Luca war, dass sie auch noch an all das glaubte. Er konnte sie nicht verstehen, es war als würde sie in einer vollkommen anderen Welt leben, als er und der gesamte Rest der normalen Menschheit. Kurz hielt er inne um zu lauschen, bald würde die Bibliothekarin Mrs. Dunkworth ihre Runde drehen. Und er wollte sich lieber nicht hier unten lesend erwischen lassen. Eigentlich war es nichts verbotenes, jedoch meinte Mrs. Dunkworth in ihrer Bibliothek ein strenges Regiment führen zu müssen. Was bedeutete, gelesen werden durfte nur in dem dafür vorgesehenen Bereich. Nämlich genau in dem, den sie immer im Blick hatte, was wiederum zur Folge hatte, dass man dort nicht in Ruhe lesen konnte oder, wenn man großes Pech hatte, sogar einen Verweis kassierte, und einen weiteren konnte Luca sich nicht leisten. Deswegen musste er besonders vorsichtig sein, denn Mrs. Dunkworth fand immer etwas über das sie sich beschweren konnte, selbst wenn man nur zu laut umblätterte oder ein Husten nicht unterdrücken konnte. Da alles still war, entspannte Luca sich wieder und las weiter. Versuchte es zumindest, denn seine Gedanken wanderten immer wieder zu seiner Schwester, die neuerdings sogar selbst versuchte zu zaubern. Und zwar nach den Anweisungen ihrer Katze Gabbi. Luca wusste wirklich nicht mehr, was er mit seiner kleinen Schwester machen sollte. Auch seine Mutter schien immer mehr zu verzweifeln, aber seine Schwester merkte es nicht einmal. Wenn sie zumindest etwas mehr in der Realität leben würde, wäre vieles einfacher. Gedämpfte Schritte nährten sich langsam den Regal Reihen, zwischen denen er saß. Mrs. Dunkworth drehte nun also ihre Runde. Schnell sprang Luca aus seiner sitzenden Position auf und tat so, als lese er sich den Klappentext durch. Da schaute die Alte auch schon um die Ecke. Ihre dunkelgrauen Haare waren zu einem wirren Knoten im Nacken gebunden. Die runzlige Haut um ihre giftgrünen Augen zog sich zusammen, als sie ihn durch ihre dicken, runden Brillengläser, streng musterte. „Gelesen wird nur in dem dafür vorgesehenen Bereich. Halten sie sich dran, Mr. Bailay.“ Erinnerte sie ihn mit einem gedämpften Krächzen. Luca schaute zu ihr auf, legte seinen Zeigefinger auf die Lippen, nickte kurz und schenkte ihr ein Lächeln. Dann stellte er das Buch weg und zog sich das nächste raus, um auch dessen Klappentext zu lesen. Mrs. Dunkworth ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Er tat so lange so, als würde er noch nach einem Buch suchen, bis sie endlich weiter ging. Als er sicher war, dass sie weg war zog er „Illuminati“ wieder hervor, setzte sich mit dem Rücken an das Regal gelehnt hin, suchte die Stelle raus, an der er zuvor gewesen war, und las weiter. Er machte es sich so bequem wie möglich und versuchte sich nun ausschließlich auf sein Buch zu konzentrieren. Doch irgendwas war seltsam. Er sah sich um, aber da war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Trotzdem wurde er das seltsame Gefühl nicht los als würde irgendwas direkt auf ihn zu kommen. Es war als sei die Luft elektrisch aufgeladen. Er bildete sich sogar ein, sie würde flimmern. Direkt vor ihm, vielleicht einen Meter über dem Boden. Er schüttelte den Kopf, nun begann er selbst schon Gespenster zu sehen. Er wandte sich wieder seinem Buch zu und – BAM! Ohne weitere Vorwarnung knallte Luca schmerzhaft mit dem Rücken gegen das Bücherregal. Woraufhin viele Bücher herunter fielen und nur wenige seinen Kopf verfehlten. Er rieb sich die schmerzende Stelle, das würde bestimmt noch eine dicke Beule und einige weitere blaue Flecke geben. Doch das war unwichtig, im Angesicht dessen, was sich direkt vor ihm befand: „Was zum...?“ Direkt vor ihm in der Luft schwebte auf einmal eine Tür doch in der nächsten Sekunde war sie verschwunden. Luca konnte seinen Augen nicht trauen. Und doch war er sicher, dass sie ihm keinen Streich gespielt hatten. Aber Türen tauchten nicht einfach aus dem Nichts auf, verletzten unschuldige Menschen, schwebten einen Moment vor deren Nase und verschwanden dann einfach wieder. So etwas taten Türen einfach nicht! Das war realistisch gesehen einfach unmöglich! Noch immer starrte er ungläubig auf die Stelle, an der die Tür soeben verschwunden war, bis er aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung wahrnahm. Direkt vor ihm, unter einem Haufen von Büchern, lag auf einmal ein Mädchen, und es passte so gar nicht hier her. Ihre helle Haut schien in dem grellen Licht der Neonröhren zu leuchten. Die Silberperlen, die in ihr langes, schneeweißes Haar eingeflochten waren, glitzerten in allen Farben. Ihr Körper wirkte schmal und zerbrechlich, doch etwas sagte Luca, dass dieser Eindruck gewaltig täuschte. Langsam richtete sie sich unter den Büchern auf, und sah sich verwirrt um, bis ihr Blick Luca traf. Dieser war wie gefangen, noch nie hatte er solche Augen gesehen. Sie waren groß und oval, lange dunkle Wimpern umrahmten sie und brachten ihre ungewöhnliche Farbe noch besser zum Ausdruck. Es war wie eine Mischung aus flüssigem Silber und Bronze, Luca hatte noch nie eine vergleichbare Farbe gesehen. Ein lauter Schrei vom anderen Ende des Regals riss ihn aus seinen Gedanken. Mrs. Dunkworth kam mit einer, für ihr Alter, unglaublichen Geschwindigkeit auf sie beide zu. Ihr Gesicht war eine einzige Zorn verzerrte Fratze. „Lauf!“ Ohne lange nach zu denken sprang Luca auf, packte das seltsame Mädchen am Arm, zog sie auf die Beine und rannte mit ihr davon. Raus aus der Krimiabteilung in einen weiteren Gang: die Fantasieabteilung. Sie jagten vorbei an Bänden wie Harry Potter, Eragon und Herr der Ringe. Noch immer konnte er die alte Hexe hinter ihnen kreischen hören. „Luca Bailay wenn ich dich erwische kannst du was erleben!“ Weiter ging es durch die Geschichts- und dann durch die Wissenschaftsabteilung bis zum Ende der Bibliothek. Direkt auf einen kleinen Notausgang zu. Nun, das hier war vielleicht nicht so etwas verheerendes wie ein Feuer aber es war definitiv ein Notfall. Ein leichter Oktoberregen schlug ihnen eiskalt entgegen als sie durch die leicht rostige Metalltür auf den Schulhof brachen. Automatisch lief Luca nach rechts, direkt auf einen der Eingänge zu. Sie liefen durch die in schlichtem weiß gehaltenen Flure, links, vorbei an diversen Sitzgelegenheiten, rechts und wieder rechts, vorbei an den Spinten der Schüler und schließlich eine Treppe rauf, die zu den Fachräumen führte. Vor einem der Chemielabore blieb er schließlich stehen. Hier würde Mrs. Dunkworth bestimmt nicht vorbei kommen. Und ansonsten war die Schule vollkommen ausgestorben, sogar die Lehrer waren schon weg. Nur Bibliothek hatte noch auf gehabt. Luca atmete schwer, sein Puls raste und er schwitzte leicht. Das weißhaarige Mädchen jedoch schien, als hätte sie nur einen ruhigen Sparziergang um den Block gemacht. „Ich denke, du kannst mich jetzt los lassen, Mensch.“ Ihre Stimme hörte sich wie ein Glockenspiel im Winter an - wundervoll melodisch, glasklar und eiskalt. Die Tür hatte tatsächlich an einen anderen Ort geführt. Und zwar an einen Ort, der so ganz anders war, als ihr zu Hause. Heller, bunter und die Luft war um einiges reiner. Es war einfach herrlich. Aber wie es schien barg auch diese Welt viele Gefahren. Da war zum Beispiel die alte Frau von gerade. Grace hatte kein Ahnung, über was für Fähigkeiten sie verfügte, doch so wie der Junge vor ihr geflohen war musste es etwas schreckliches sein. Dieser Flur, zu dem er sie geführt hatte, war allerdings nicht besonders sicher. Auf beiden Seite war er von Türen gesäumt und auch die Enden waren von Türen verschlossen und damit uneinsichtig. Hier konnte sich jeder Zeit jemand an sie an schleichen, ohne bemerkt zu werden. Doch daran schien der Junge nicht zu denken. Er stand vor ihr, atmete so schwer, als hätte er einen Marathon hinter sich, hielt noch immer ihren Arm fest und starrte sie an. Grace betrachtete ihn ebenfalls genauer: Er hatte den Körperbau eines gewöhnlichen Menschen: Die runden Ohren - an dem linken trug er breite, silberne Ohrringe - die mandelförmigen, blauen Augen strahlten hell. Das markante Gesicht des Jungen wurde von seidigem, schwarzen Haar umrahmt, welches ihm in wilden Strähnen um den Kopf fiel. Seine Schultern waren relativ schmal, doch dafür zeichneten sich feine Muskeln unter seiner Kleidung ab. Er schien recht trainiert, jedoch nicht übermäßig stark zu sein. Doch so, wie er mit ihr geflüchtet war, machte er einen sehr wendigen und geschickten Eindruck. Es würde Grace nicht wundern, wenn er schon einige Kämpfe hinter sich hatte. Aber es gab keinen Zweifel daran, dass er ein einfacher Mensch war. Und das bedeutete, dass sie sich auf der Erde befand. Ihr Herz setzte bei der Erkenntnis einen Schlag aus. Vor Freude, vor Angst? Sie konnte es nicht recht sagen. Aber sie war auf der Erde, den Ort den sie schon immer mal hatte besuchen wollen. Sie Zwang sich ihre Aufregung zu verbergen, noch wusste sie nicht, ob der andere ein Freund oder Feind war. Und nach ihren Erfahrungen war es besser zunähst immer von letzterem auszugehen. „Ich denke, du kannst mich jetzt los lassen, Mensch“ Die blauen Augen des Menschen wanderten von ihrem Gesicht zu seiner Hand – er zog sie schlagartig zurück und fuhr sich verlegen durch sein rabenschwarzes Haar. Er lächelte sie an und offenbarte dabei eine Reihe strahlend weißer Zähne. „Sorry, hab ich nicht drauf geachtet.“ Sie erwiderte sein Lächeln leicht gedrungen. „Schon in Ordnung, Mensch.“ Er sah sie leicht fragend an. „Wieso nennst du mich „Mensch“?“ Ihm schien es nicht zu gefallen so genannt zu werden. Aber da er nun mal einer war. „Du bist doch ein Mensch.“ „Ja“ Gab er verwirrt zu. „Aber was hat das damit zu tun? Du bist auch einer, und ich nenne dich nicht so.“ „Nein, ich bin...“ Sie hielt inne. Ein eklig süßer Geruch erfüllte auf einmal den Flur. Es stank gerade zu nach – aber nein, das war nicht möglich. Wie hatten sie sie so schnell finden können? Luca sah das Mädchen skeptisch an. Hatte sie eben allen ernstes angedeutet, dass sie kein Mensch war? Er gab zu, dass sie wirklich etwas seltsam wirkte, aber deswegen war sie noch lange nicht nicht menschlich. Besonders da sie einfach nichts anderes sein konnte. So langsam bekam Luca das Gefühl das Mädchen war genauso verrückt wie seine Schwester. Er verschränkte die Arme, starrte sie herablassend an und wartete darauf, dass ihm verriet, was sie denn nun sein wollte. „Was bist du denn nun?“ fragte er leicht genervt nach, als sie nicht weiter sprach, sondern nur wie gebannt auf die Tür hinter ihm am Ende des Flurs starrte. „Ah, Luca Bailay, noch so spät in der Schule und noch dazu mit einer so hinreißenden Begleitung.“ Das war nicht die Antwort die Luca erwartet hatte – zudem kam sie von der vollkommen falschen Person. Er erkannte die Stimme sofort, auch wenn sie diesmal einer warmen Melodie, statt einer kalten Klinge glich gehörte sie unverkennbar zu Direktor Steward. Normalerweise waren ihm alle Frauen verfallen, auf die Fremde jedoch schien er keinerlei solcher Wirkung zu haben, sie sah eher etwas angewidert aus, wie Luca erleichtert feststellte. Er drehte sich zu dem jungen Mann um, der, mit einem Lächeln, das wohl alle Frauenherzen zum schmelzen brachte, auf ihn zukam. „Direktor Steward, heute keine Verabredung?“ „Nein, Luca. Außer du zählst die aufgebrachte Mrs. Dunkworth mit.“ Er lachte kurz, doch in seinen Augen lag ein stahlharter Ausdruck. „Ihr habt für einen ganz schönen Trubel in der Bibliothek gesorgt.“ Dabei sah er nur das Mädchen an. Auch wenn er mit Luca redete, beachtete er ihn nicht weiter. „Ja, das in der Bibliothek tut mir sehr Leid, Sir. Aber ich konnte wirklich nichts dafür.“ „Das weiß ich Luca. Mach dir keine Gedanken ich habe nicht vor dich zu bestrafen.“ „Haben sie nicht?“ Sonst schreckte Steward nie vor Strafarbeiten zurück, immerhin „formten sie den Charakter“ – Irgendetwas stimmte hier nicht; schon, dass er ihn beim Vornamen nannte war seltsam, beinahe gruselig. Aber Steward lächelte nur weiterhin und wischte seine Frage mit einer beiläufigen Handbewegung beiseite. „Wieso sollte ich?“ stelle er als rhetorische Gegenfrage und ließ Luca nicht mal die Zeit darüber nachzudenken. „Also, du kannst jetzt gehen wenn du willst Luca. Mit der kleinen Lady hier möchte ich allerdings noch ein Wörtchen reden.“ Luca sah seinen Direktor ungläubig an. Heute morgen erst war er in eine Prügelei verwickelt gewesen, nun war er Mitschuld an dem Krawall in der Bibliothek, vom Schulleiter erwischt worden und bekam trotzdem, zum ersten Mal in seinem Leben, die Chance ohne Strafe davon zukommen – dieses Angebot lehnte man nicht ab und Luca kam zu dem Schluss, dass er sein Glück besser nicht überstrapazieren sollte. „Gut, dann auf wiedersehen, Mr. Steward.“ Er drehte sich auf dem Absatz um, dabei erhaschte er einen Blick auf das Mädchen. Sie starrte den Direktor mit einer Mischung aus Abscheu und Angst an. Ein kalter Schauer lief Luca den Rücken hinunter. Alles wirkte so unwirklich: Das seltsame Mädchen, das ungewöhnliche Verhalten seinen Rektors. Es bereitete Luca Unbehagen als er sich zum gehen wandte. Er warf noch einen letzten Blick über die Schulter: Steward winkte ihm zum Abschied, mit einem breiten Lächeln auf den Lippen zu. Doch in seinen Augen lag ein seltsam hungriger Ausdruck, wie bei einem wilden Tier, das sich gerade bereit machte seine Beute zu erlegen. Luca musste unwillkürlich schlucken, das war echt gruselig. Schnell richtete er den Blick wieder nach vorne und beschleunigte seine Schritte. Das alles ging ihn nichts an. Er kannte das Mädchen nicht einmal. Was auch immer der Direktor mit ihr zu besprechen hatte, es konnte nichts schlimmes sein, oder? Luca kam sein gieriger Blick in den Sinn, noch nie hatte er den Direktor so gesehen. Dazu das seltsame Verhalten Stewards. Eigentlich hätte Luca einfach nach Hause gehen und nie wieder daran denken sollen, doch das konnte er nicht. Er war niemand, der andere im Stich ließ. Deswegen landete er auch immer wieder in Schwierigkeiten. So wie heute Morgen, so wie auch jetzt. Er blieb stehen und drehte sich um um das Wort an seinen Rektor zurichten:„Mr. Steward, es gäbe da noch etwas, worüber ich gerne mit ihnen sprechen würde.“ Der Direx machte ein Gesicht, als hätte Luca ihm gerade sein Lieblings Spielzeug weggenommen. „Was gibt es denn noch, Luca?“ Nun war sein Tonfall wieder der selbe wie immer – Er klang wie eine kalte Klinge. „Da wäre die Geschichte mit den Reifen von Mr. Lenning.“ plapperte Luca drauf los, und gesellte sich wieder zu den beiden. Er warf dem Mädchen einen Blick zu, sie schien erleichtert zu sein, aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein. „Ich bin mir sicher, das hat noch bis Morgen Zeit.“ brummte Steward sichtlich genervt, er wollte ihn offensichtlich so schnell wie möglich loswerden. Nur warum? „Nein, das ist wirklich dringend!“ Luca versuchte verzweifelt und bittend zu klingen. Er durfte sich nicht abwimmeln lassen. Mr. Stewartd warf ihm einen wütenden Blick zu. „Und was soll mit Mr. Lennings Reifen sein?“ blaffte er Luca an. Es war seltsam, sonst war der Direktor immer sehr beherrscht. Luca hatte keinen Zweifel mehr, es war richtig gewesen zu bleiben, wer wusste was er sonst mit dem Mädchen machte? Jetzt musste er sie nur noch heile hier heraus kriegen. Er atmete einmal tief durch, und konzentrierte sich auf die Geschichte, die er Mr. Steward auftischen wollte: „Ich war der Derjenige, der die Reifen aufgeschlitzt hat.“ Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit. Lucas Freund Henry hatte es getan, als Folge von Jahren der Schikane, die er durch ihren Lehrer hatte erfahren müssen. Es stimmte, Henry war nicht besonders gut in Mathe, und auch in Erdkunde hatte er seine Schwächen, doch war es nach Lucas Meinung keinen Grund ihn vor der gesamten Klasse bloß zu stellen. Besonders, da Henry zu Hause schon genug Probleme aufgrund seiner schulischen Leistungen hatte. Deswegen hätte Luca die ganze Geschichte früher oder später sowieso auf sich genommen, seine Mutter war es gewöhnt, dass er Mist baute. Er selbst kam mit der Bestrafung zurecht, solange er seinen Freund beschützen konnte. Eine Weile sahen sich Steward und Luca an. Nach diesem Geständnis konnte ihn der Direktor nicht mehr gehen lassen, stattdessen würde er das Mädchen fortschicken müssen – oder zumindest zum warten auffordern, bis er mit Luca fertig war. Genug Zeit für sie also zu fliehen. Das war ihnen allen klar. „Das ist eine wirklich böse Geschichte.“ begann Alexander schließlich. Sein Blick wanderte sehnsüchtig zu dem Mädchen; sein Kiefer fuhr langsam mahlend hin und her. Er schien nach zudenken. „Eigentlich müsste ich dich sofort bestrafen, allerdings habe ich gerade wichtigeres zu tun, als mich um dumme Jungenstreiche zu kümmern.“ begann er kühl. Luca machte entrüstet den Mund auf um zu protestieren, doch Steward ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. „Ich erwarte dich morgen früh in meinem Büro, noch vor dem Unterricht. Dann reden wir über dein Strafe. Aber jetzt solltest du wirklich nach Hause gehen, deine Mutter wartet bestimmt schon auf dich, Luca.“ Der Junge sah seinen Rektor völlig perplex an. Normalerweise hätte er ihn direkt in sein Büro gezehrt, seine Mutter hergerufen und ihn von der Schule verwiesen. Er sah zu der Fremden hinüber. Wer war sie? Und wieso war sie ihm so wichtig? Luca hatte noch nie ein so schlechtes Gefühl bei einer Sache gehabt wie jetzt. Immer wieder fragte er sich, was hier vorging. Er verstand es nicht, aber auf die Aufforderung des Direktors gab es für ihn nur eine Antwort: „Nein.“ „Wie bitte?“ fragte Steward ungehalten nach. „Ich kann noch nicht gehen. Sie ist mein Gast, da kann ich sie nicht alleine lassen. Das verstehen Sie sicher.“ erklärte Luca, und versuchte seine Höflichkeit zu wahren. „Ja, ich verstehe sehr gut – sogar mehr als du.“ Entgegnete Steward sichtlich gereizt. „Du kannst ruhig gehen, ich komme schon alleine klar.“ Mischte sich nun zum ersten Mal die Fremde mit ein. Luca warf ihr einen leicht verärgerten Blick zu. Er versuchte ihr zu helfen und sie fiel ihm so in den Rücken. „Ich will aber nicht gehen. Was auch immer sie mit ihr zu besprechen haben, können sie auch vor mir tun. Also?“ „Du wusstest noch nie, wann es Zeit ist aufzuhören, Bailay. Seit Jahren setzt du dich für deine Freunde ein, widersprichst den Lehrern, nimmst andere in Schutz, ja nimmst sogar ihre Vergehen auf dich. Ich habe versucht dir das auszutreiben, die deinen Platz in dieser Welt zu zeigen, aber egal, welche Strafe ich dir gab, du ertrugst es. Du hast nicht einmal darüber nachgedacht, ob du etwas falsch gemacht hast.“ Steward grinste ihn an. „Aber vielleicht ist das hiernach endlich vorbei.“ Es war kein schönes Lächeln, dass Alexanders Gesicht zierte sondern ein wirklich böses. „Du willst also wissen, was hier los ist? Das kann ich dir verraten, Bailay: Dieses Mädchen hat einen Jahrhunderte alten Pakt gebrochen, in dem sie hierher gekommen ist. Und ich werde sie nun dafür bestrafen, genauso wie dich. Menschen haben hier nichts zu suchen, es ist eine Angelegenheit allein zwischen Engeln und Dämonen.“ Ein wahnsinniger Ausdruck erschien auf dem Gesicht des jungen Mannes, als er mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung seines Armes ein Schwert aus dem Nichts beschwor. Luca blieb nicht mal genug Zeit zum Staunen, oder zum klarstellen, dass so etwas gar nicht möglich war, den schon wurde er zu Boden gerissen. „Dämlicher Idiot, du hättest verschwinden sollen!“ Die Fremde hatte ihn gerade noch rechtzeitig zur Seite gestoßen, denn sein Rektor hatte offensichtlich keine Lust mehr zu diskutieren, sondern griff sie lieber an. „Was zum Henker ist hier los?“ fragte Luca vollkommen überfordert von der ganzen Situation. Doch keiner der beiden schien ihn weiter zu beachten, zu beschäftigt waren sie damit zu kämpfen. Steward führte einen Angriff nach dem anderen gegen das Mädchen, dass ihm mit solcher Geschicklichkeit auswich, dass es beinahe wirkte als würden die beiden einen tödlichen Tanz aufführen. Luca hingegen saß einfach wie erstarrt an der Wand und beobachtete das Schauspiel. Noch immer konnte er nicht genau erfassen was hier los war. Alle Erklärungen, die sein Hirn ihm lieferten waren vollkommener Unsinn: Es gab nichts übernatürliches. Jedoch gab es auch keine andere Erklärung, für Türen, Schwerter und seltsame Mädchen die aus dem Nichts auftauchten. Was würde wohl als nächstes passieren? Ein dumpfer Knall ertönte, Stewards Schwert hatte sich in einer Tür verkeilt. Das Mädchen griff ihn an, so schnell, dass der Rektor nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte. Sie würde einige heftige Treffer in seinem Genick landen. Im letzten Moment jedoch brachen riesige, strahlend weiße Flügel aus dem Rücken des Mannes hervor und schleuderten die Angreiferin durch eine gegenüberliegende Tür, direkt in das Chemielabor in dem Luca nur wenige Stunden zuvor Unterricht gehabt hatte. Nun kämpften in ihm lautstark ein Mädchen und ein – Vogelmensch gegeneinander. An das Wort „Engel“ wollte Luca nicht einmal denken. Eine gefühlte Ewigkeit saß er da und starrte einfach nur auf die zerbrochene Tür, von der nur noch Trümmer übrig waren. Was sollte er tun? Er könnte einfach weg rennen, immerhin hatte er mit der ganzen Geschichte nichts zu tun. Wie Steward gesagt hatte, er war ein Mensch und das war eine Sachen zwischen – anderen Wesen. Er würde seinen Platz anerkennen, und sie ihrem Schicksal überlassen. Das war doch alles, was der Direktor je von ihm gewollte hatte. Ein schrilles Klirren übertönte die Kampfgeräusche, etwas aus Glas war zerschellt. Das Geräusch wurde dicht gefolgt von einem markerschütternden Schrei. Lucas Herz krampfte sich zusammen. Es war unverkennbar die Stimme des Mädchens gewesen. Durch und durch getränkt von Angst und Schmerz. Langsam richtete er sich auf. Er hatte nie einen Rückzieher gemacht und jetzt würde er nicht damit anfangen. Er selbst entschied, wo sein Platz war. Sein Herz raste, als er sich langsam zu der kaputten Tür vorarbeitete. Wovor hatte er eigentlich Angst? Dem Schwert oder den Flügeln? Vielleicht beidem? Im Grunde bestand dazu doch kein Grund, schlimmsten Falls wurde er aufgespießt, zerquetscht oder durch die Gegend geschleudert. Er konnte also nur sterben, und das würde er früher oder später eh. Es gab also nicht zu fürchten. Der Chemieraum bot einen furchtbaren Anblick: überall lagen Scherben und ein großer Teil der Tische und Stühle war zerstört. Steward flog einen halben Meter über dem Boden, den Rücken zur Tür gekehrt und schlug immer wieder auf das Mädchen ein, dieses parierte seine Schläge so gut es ging mit den Überresten eines Stuhles. Ihr gesamter Körper war mit Kratzern und Schürfwunden übersät, zudem hatte sie über dem linken arm eine große, klaffende Wunde. Es sah nicht gut für sie aus. Er musste sich beeilen.Nur was sollte er tun? Er sah sich nach irgendetwas um, dass er als Waffe verwenden konnte. Sein Blick fiel einen riesigen Splitter der Tür. Langsam hob er ihn auf. Sein Herz raste noch immer und seine Knie zitterten, er hatte das Gefühl, dass er nicht aufrecht stehen bleiben würde, wenn er den Türrahmen los ließ. Am liebsten hätte er sich einfach übergeben. Sich hingesetzt Augen und Ohren verschlossen und so getan, als würde das alles gar nicht geschehen. Nur würde es dadurch auch nicht besser werden. Es war verrückt und lebensmüde. Er ließ den Türrahmen los, setzte einen Fuß vor den anderen, immer darauf bedacht möglichst keinen Laut zu verursachen. Alles schien auf einmal quälend langsam abzulaufen, jeder seiner Schritte, die Schläge Stewards und die Paraden des Mädchens – alles schien nun eine Ewigkeit zu dauern. Vorsichtig nährte er sich dem Rektor von hinten, war nun ganz nahe, holte zum Schlag aus, hatte den Hinterkopf des Vogelmenschen genau im Visier. Ohne dass er es hätte kommen sehen flog Luca nach hinten. Auf einmal lief die Zeit wieder in normaler Geschwindigkeit, und kaum hatte Luca abgehoben, knallte er auch schon mit dem Rücken gegen einen der Schränke. Der Flügel war wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte ihn weggefegt wie eine lästige Fliege. Direktor Steward hatte sich nun ihm zugewandt. Das Mädchen lag vor ihm auf dem Boden, mitten in den Scherben. „Weißt du Bailay, ich hatte gehofft, dass du nicht gegangen bist. So ersparst du mir einen ganzen Haufen Arbeit, wenn ich mit ihr fertig bin.“ „Das kannst du vergessen!“ Er wandte sich wieder dem Mädchen zu, doch zu spät. Die paar Sekunden Unaufmerksamkeit hatten ihr gereicht. Mit einem Scherben bestückten Stuhlbein schlug sie ihm heftig ins Gesicht. Sein Kopf verdrehte sich leicht und er auf die Knie. Eine feine Blutspur zog sich über seine schöne Wange. Er fuhr sich ungläubig mit seiner freien Hand über Wange und starrte sein leuchtend rotes Blut an. Unbändiger Hass und Wut zeichneten sich in seinen Bernsteinaugen ab. Ihren zweiten Schlag parierte er ohne Mühe, ehe wieder erbarmungslos auf sie eindrosch. Luca sah hilflos zu, wie Steward das Mädchen immer weiter in die Enge drängte. Ihr Angriff hatte nichts gebracht, im Gegenteil, es hatte ihre Lage nur verschlimmert. Verdammt. Es musste doch irgendwas geben, was er tun konnte. Wieder einmal sah Luca sich hilfesuchend in dem Raum um. Die Tür des Schrankes war bei seinem Aufprall ein Stück aufgegangen. Es war einer der Chemikalienschränke. Zwar wurden in diesen weder Teure, noch sehr gefährliche Stoffe aufbewahrt, aber es befanden sich einige Lösungsmittel in ihm, mit denen oft im Unterricht gearbeitet wurde. Er riss die Tür auf, und begann die Stoffe zu durch suchen, bis er den einen Fand, den er brauchte: Ethanol. Er zog den großen Behälter heraus, er war nur noch zur Hälfte voll, das würde niemals reichen um Steward den gar aus zu machen. Er überlegte eine Weile, bis ihm ein Plan einfiel. Es war waghalsig und wahrscheinlich gingen sie alle dabei drauf, doch gab es diese winzig kleine Chance, dass sie doch überlebten, und das war mehr als sie jetzt hatten. Sie brauchten nur Glück, eine ganze Menge Glück. Er Kämpfte sich hoch und schlich sich so unbemerkt wie möglich zu den beiden Kämpfenden heran. Der Rektor war zur Zeit viel zu beschäftigt mit dem Mädchen, als dass er auch nur im entferntesten auf Luca achtete. Er öffnete die Ethanolflasche und begann den Inhalt, möglichst über die beiden Flügel zu verschütten, die wild durch die Gegend schlugen. Ein paar mal hätten sie ihn fast erwischt, doch diesmal war Luca darauf vorbereitet gewesen und hatte ausweichen können. Den letzten Rest Ethanol schüttete er einfach auf den Boden dann rannte so schnell er konnte zum, noch unversehrten Lehrerpult herüber.Er stolperte über die Überreste eines Stuhls, verknickte sich den Fuß und schlug hart gegen den Tisch. „Verdammt.“ fluchte er, als er über die schmerzende Stelle rieb. Das klappte ja schon mal super mit dem Glück. Er kramte sein Feuerzeug aus der Hosentasche und betete, dass es ausnahmsweise mal funktionierte. Er probierte es zu entzünden nichts. Er probierte es ein zweites mal, ein drittes mal. „Komm schon, du scheiß Ding.“ knurrte er, und endlich ging es an. „Na geht doch.“ Dachte Luca triumphierend. „Hey, Direktor Steward!“ Wenn man beim Namen gerufen wurde, war es wie ein natürlicher Zwang, sich zu dem umzudrehen, der einen gerufen hatte. Davor waren auch Vogelmenschen nicht sicher. Luca grinste seinen Rektor breit an und hielt sein Feuerzeug hoch. Der Blick des Mädchens wanderte von dem Feuer zu der klaren Flüssigkeit, die von den Stewards Flügeln tropfte – sie verstand sofort und machte sich zur Flucht bereit. „Was willst du Luca?“ „Ihnen etwas Feuer geben.“ Mit einer geschmeidigen Bewegung schmiss Luca sein Feuerzeug auf Steward, und betete, dass er irgendwie den Alkohol traf. Er nahm sich nicht die Zeit darauf zu warten, kaum hatte das Feuerzeug seine Hand verlassen drückte er auch schon den Kopf für die Gaszufuhr und sprintete zur Tür. Fast alle Tische waren zerstört wurden, also war Luca sich sicher, dass durch einen der Hähne nun schon bald das hoch entzündliche Gas strömen würde. Er traf das Mädchen an der Tür, packte sie wieder am Arm und raste – sie hinter sich herziehend – den Gang hinunter durch die Tür und sprang nur so die Treppe hinunter. Schneller! Schneller! Sie mussten schneller machen, sonst würden sie in die Luft fliegen. Luca rannte so schnell er konnte, und versuchte sogar noch schneller zu werden, nur noch um diese eine Ecke, dann war der erste Ausgang in Sichtweite. Ein ohrenbetäubender Knall ertönte hinter ihnen, der das gesamte Gebäude erschütterte. Luca geriet ins stolpern und sah den Boden schon gefährlich nahe kommen, als er spürte wie er weiter gezogen wurde. Die weißhaarige rannte weiter, als sei nichts gewesen und zog ihn mit sich mit. Um die Ecke, auf die Tür zu und hinaus ins Freie. Sie rannten noch ein ganzes Stück, bis sie genug Abstand zwischen sich und die Explosion gebracht hatten. Luca sah zurück, zu dem Gebäude, das sie gerade verlassen hatten. Der gesamte Chemietrakt stand in hell leuchtenden Flammen, die um sich griffen. Erst jetzt bemerkte er den schrillen Alarm. Bald würde es hier nur so vor Feuerwehrautos wimmeln. Er hatte das ungute Gefühl, dass sie sich hier besser nicht erwische ließen. „Mein Auto steht gleich da vorne.“ Er deutete Wage in Richtung Parkplatz. Das Mädchen schaute ihn ein paar Sekunden an, und nickte. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Auto, ohne ein weiteres Wort zu sagen. So viele Fragen schwirrten durch Lucas Kopf, dass er gar nicht wusste wo er anfangen sollte. Langsam rollte der Wagen von dem Schulgelände. Luca bog automatisch nach rechts in die mit Bäumen gesäumte Straße. Sein Herz raste noch immer, er musste Husten und die Hände, die sein Lenkrad umklammerten zitterten. Sie waren keine fünf Kilometer gefahren, als ihnen die Feuerwehr entgegen kam. Kapitel 2: Ernsthaft?! ---------------------- Die Verletzungen waren schlimmer, als sie gedacht hatte. Egal wie sehr sie auch mit ihrer Hand drauf drückte, die Blutung stoppte einfach nicht. Leise fluchte sie. Wenn sie noch mehr Blut verlor könnten sie auch ihre Regenerationskräfte nicht mehr retten. Aber in diesem Auto konnte sie nichts weiter gegen die Blutung tun, als fester zu zudrücken. Während des Kampfes hatte sie die Verletzung an ihrem Arm kaum war genommen. Adrenalin und ihr angeborener Kampfinstinkt hatten den Schmerz unterdrückt. Doch nun brannte ihr gesamter Arm, als stünde er lichterloh in Flammen. Bei jedem Schlag ihres Herzens pochte er heftig, und das Blut floss nur so heraus. Es lief von ihrem Arm, ihre Beine hinunter und sammelte sich in einer großen Lache im Fußraum des Beifahrersitzes. Als der Mensch es bemerkt hat, hatte sie für einen Moment gefürchtet, es würde ihn umhauen. Doch er hielt mehr aus, als sie dachte. Und er war mutig, sogar sehr mutig. Es war, auch wenn sie es nur ungern zugab, beeindruckend gewesen, wie er sich dem Engel entgegen gestellt hat. Nicht jeder hätte in so einer Situation einen kühlen Kopf bewahrt, und kaum einer hätte ihr geholfen. Es fiel ihr schwer zu glauben, dass er nur ein einfacher Mensch sein sollte. Noch nie hatte sie von einem gehört, der es auch nur im Entferntesten mit einem Engel hätte aufnehmen können. Sie waren die letzten Götter, die dieser Welt noch Beachtung schenkten, und verfügten über Fähigkeiten, die Grace beim bloßen Gedanken daran erschauern ließen. Engel waren wohl die einzige Spezies die Dämonen ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen waren. Den letzten Teil des Gedankens schon Grace schnell zur Seite. Diese stinkenden Lichtwesen konnten ihnen nicht überlegen sein. Wieder spürte sie den immer besorgteren Blick des Menschen auf sich. „Mir geht es gut.“ Grummelte sie. Es behagte ihr nicht, wie er sich um sie sorgte. Das hatte bisher noch nie jemand getan. „Dein ganzer Arm ist aufgeschlitzt und du verlierst viel Blut, das kann man wohl kaum gut nennen.“ Sie fuhren an einem 70 Schild vorbei. Der Tacho zeigte 100km/h an. „Ist es hier nicht verboten so schnell zu fahren?“ „Lass das mal meine Sorge sein.“ Mit einem Seitenblick auf sie beschleunigte der Mensch das Tempo noch mal. Grace lachte leise. „Du brichst wohl öfter die Regeln?“ vermutete sie erschöpft. Der Blutverlust machte sich bemerkbar doch sie durfte nicht einschlafen. Der Junge zuckte mit den Schultern. „Regeln sind doch da um gebrochen zu werden.“ Entgegnete er mit einem kühnen Lächeln. „Du scheinst da ja auch nicht gerade zimperlich zu sein. Was ist das für ein Pakt, den Steward erwähnt hat?.“ Er sah sie gerade nicht an, da er sich auf die Straße konzentrieren musste, trotz der zahlreichen Kurven wurde er nicht langsamer. Er fuhr hier bestimmt nicht zum ersten Mal so schnell. „Eine Art Friedensabkommen. Sie greifen uns im Hades nicht an, wenn wir dafür euch in Ruhe lassen – sprich so lange wir nicht auf die Erde kommen und euch zu verführen.“ „Verführen? Zu was denn?“ „Zum Beispiel euch euren sündigen Gedanken hinzugeben.“ Grace ließ sich Zeit zum Antworten, das Sprechen war anstrengend, doch es hielt sie wach. „Wie Stolz, Hochmut oder Wollust.“ „Du sprichst von den sieben Todsünden?“ „Nenn sie wie du willst. Es ist jedenfalls etwas, was die Engel verurteilen. Und sie geben uns die Schuld, wenn ihr durch sie vom rechten Weg abkommt – dabei muss ich sagen, dass ihr das auch sehr gut alleine hinbekommt.“ „Moment mal! Soll das heißen mein Direktor war ein Engel?!“ Sie konnte seinen deutlichen Unglauben hören, dabei hatte er doch selbst die Flügel gesehen. „Ja, was sollte er sonst sein?“ „Bis vorhin habe ich noch gedacht er sei ein Mensch – wenn auch kein besonders sympathischen. Immerhin sind Engel und Dämonen, doch nicht real.“ Grace hatte gerade keine Energie mehr, um ihn eines anderen zu belehren. Das Atmen fiel ihr immer schwerer und ihre Glieder fühlten sich so schwer wie Blei an. Langsam aber sicher verringerte sich der Druck ihrer Hand und sie begann hinüber zu gleiten in eine Welt ohne Schmerz oder Gefühl. Es war eine ruhige und erholsame Welt. Grace hätte sich ihr nur zu gerne hingegeben, nur ganz kurz. Aber sie wusste, dass es dann vorbei wäre. Also kämpfte sie dagegen an um wach zu bleiben. „Wie weit ist es noch?“ fragte sie kaum hörbar. „Nicht mehr weit. Du musst nur noch ein paar Minuten durchhalten.“ antwortete er besorgt. „Aber es wäre besser wenn ich dich zu einem Arzt bringe, die Wunde sieht so aus, als müsse sie genäht werden.“ „Nein!“ protestierte sie schwach. „Nur die Blutung muss gestillt werden, dann heilt sie.“ Ihre schläfrige Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Sie merkte gar nicht mehr wie sich ihre Augen langsam schlossen und die Hand von ihrem Arm rutschte. „Nicht einschlafen!“ Ihre Hand wurde wieder fest auf die Wunde gedrückt. Sie öffnete ihre Augen ein Stück und schaute in die strahlend blauen Augen des Jungen, die sie ernst musterten. „Wir sind gleich da. Reiß dich so lange noch zusammen.“ Sie nickte kaum merklich und sah aus dem Fenster. Die Landschaft hatte sich wieder verändert. Statt der Wälder und Felder waren nun kleine Häuser zu sehen. Der Mensch fuhr nun langsamer, eine reihe von gut gepflegten Gärten glitten an ihnen vorbei, bis er in die Einfahrt eines gemütlich wirkenden Hauses fuhr. Sie hatte es geschafft. Langsam schleppte er seinen geschundenen Körper durch den Wald. Weg von dem Feuer, den Sirenen und dem Blaulicht. Langsam, beinahe kriechend bewegte sich der einst so stolze Mann durchs Unterholz, beständig um Hilfe bittend. Eine geflüsterte Beschwörung, die kein Mensch hören konnte. Aber Engel konnten es. Seine Muskeln krampften vor Schmerz, und es fühlte sich so an, als ob er noch immer brenne. Das Feuer hatte seinen ganzen Körper erfasst, und die Wunden heilten einfach nicht. Aber er würde nicht aufgeben. Er würde sich für diese Schande rächen. Bailay und der Dämon würden dafür bezahlen. Streng genommen durfte er Bailay nichts tun, immerhin war er ein Mensch, ein Schutzbefohlener. Aber nachdem was heute passiert war, sah die Sache schon ganz anders aus. Und was den Dämon anging, sie auszulöschen war seine Pflicht. Eine Pflicht, die er mit Vergnügen erledigte. Die beiden würden dieses Tag noch bitter bereuen. Ein Knacken ganz in der Nähe erweckte seine Aufmerksamkeit. Er sah sich um, konnte aber niemanden entdecken bis ein Junge mit geschmeidigen Bewegungen auf die Lichtung trat: Er war nicht besonders groß, hatte kalte gold-grün-gesprenkelte Augen und leicht spitz zulaufende Ohren. Ein selbstzufriedenes Lächeln, dass sein ebenmäßiges Gesicht schmückte, offenbarte kleine spitze Fänge. Seine ganze Erscheinung erinnerte an eine Katze. Klein und süß, aber auf der anderen Seite auch genauso mörderisch. „Ich kann es nicht glauben, den Direktor hat es doch tatsächlich erwischt. Vielleicht hättest du weniger Strafarbeiten verteilen sollen.“ Ein dunkles schnurren unterstrich seine sanfte Stimme. Alexander warf ihm einen wütenden Blick zu.„Halt die Klappe Gabriel und hilf mir hier weg.“ Der Junge hockte sich direkt vor den verletzten Engel. „Wie heißt das Zauberwort, Alexander?“ „Bring mich, bitte, hier weg.“ Wie immer wenn Gabriel überlegte, spielte er mit seinen schwarzen Locken. Dann verbreiterte sich sein Lächeln etwas. „Nein.“ Er ließ sich das Wort merklich auf der Zunge zergehen. „Erst will ich wissen, wo der Dämon ist.“ Alexander hasste den Jungen. Ein eingebildeter Jungspund, der sich etwas auf seine Abstammung einbildete. Aber dieser Dämon gehörte ihm. „Tot. Du weißt doch, ich erledige meinen Job immer.“ Antwortete Alexander so schnippisch wie möglich. „Ach komm schon, ich sehe dir an, dass du lügst. Also, sag mir in welche Richtung er verschwunden ist und ich erledige das eben.“ „Vergiss es sie gehört mir.“ zischte er zur Antwort. Gabriel beugte sich noch weiter zu ihm vor. „Ich kann verstehen, dass du es lieber selbst beenden willst, aber du hast schon einmal versagt. Vielleicht solltest du das also jemand jüngeres und vor allem stärkeres überlassen.“ „Jemandem wie dir?“ Der Junge grinste ihn nur an. „Zum Beispiel.“ Entgegnete er. Alexander versuchte sich aufzurichten. „Du unterschätzt die Situation.“ Gabriel lachte. „Es ist ein einfacher Dämon. Was gibt es da zu unterschätzen?“ Jetzt war es an Alexander zu lachen, was er jedoch direkt bereute, denn es verursachte nur mehr schmerzen und endete in einem erstickten Husten. „Sie hat Unterstützung.“ Für einen Moment war Gabriel das Erstaunen deutlich anzusehen. „Es ist aber nur ein Dämon durch die Porta Cosmicae gekommen, das habe ich genau gespürt. Und hier gibt es keine Dämonen mehr, die haben wir alle getötet. Also wer sollte sie unterstützen?“ Sein Grinsen war verschwunden, stattdessen hatte er nun eine todernste Miene aufgesetzt. „Ist doch egal. Ich werde mich später darum kümmern und jetzt bring mich endlich hier weg!“ Alexander versuchte sich zusammen zu reißen, und zu verhindern, dass seine Stimme vor Schmerz zitterte. Denn er hielt es kaum noch aus. Seine Regenerationskräfte schafften es nicht ihn zu heilen, er brauchte Hilfe. „Wer war es?“ Wiederholte Gabriel seine Frage. Alexander musterte ihn: Er kannte den Ausdruck sturer Entschlossenheit der gold-grünen Augen. Egal was er sagen würde, Gabriel würde sich nicht mehr von der Frage abbringen lassen, oder davon eigenhändig Jagd auf den Dämon zu machen. Und Alexander hatte keine Zeit mehr. Die Schmerzen wurden immer schlimmer und bald war es zu spät. Dann konnte ihn Niemand mehr heilen. „Also gut...“ knurrte er schließlich widerwillig. .“Es war einer meiner Schüler: Luca Bailay.“ Gabriel sah ihn eine Weile schweigend an. Alexander war es unmöglich zu sagen, was hinter seiner verschlossenen Miene vor sich ging. Schließlich richtete sich der dunkle Engel auf. „Ich werde das erledigen.“ Meinte er knapp und wandte sich zum Gehen um. „Hey! Du kannst mich nicht einfach hier zurück lassen!“ „Es kommt jemand anderes um dir zu helfen.“ Er breitete seine großen schwarzen Flügel aus und erhob sich elegant in die Lüfte. „Ich werde sie dir aber nicht überlassen! Bailay und der Dämon gehören mir, merk dir das!“ Rief Alexander ihm noch so laut wie möglich nach, bevor er erschöpft auf den Boden sank. Egal, was Gabriel plante, er würde es nicht alleine gegen den Dämon und Bailay schaffen. Nicht wenn er schon versagt hatte. „Alexander!“ Der Engel erkannte die Stimme sofort. Und ein Lächeln schlich sich auf seine Züge. Jetzt würde er geheilt werden, und dann würde er Jagd machen auf Bailay und den Dämon. Und wenn es sein musste auch auf Gabriel. Vorsichtig legte Luca das Mädchen aufs Bett. Kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn, ihre Haut war fahl und blass, ihre Atmung schwach. Sie war kaum noch bei Bewustsein. Noch immer floss hellrotes Blut aus der Wunde an ihrem Arm. Der Schnitt ging über ihren gesamten Arm und klaffte weit auseinander. Luca wusste nicht, wie es bei so einem Schnitt reichen sollte nur die Blutung zu stillen. Aber etwas anderes konnten sie eh nicht machen. Er konnte nicht nähen, und abgesehen davon, dass sie zu keinem Arzt wollte, war sie wahrscheinlich auch nicht versichert. Er hastete zum Erste-Hilfe Kasten im Bad und suchte sich einige dicke Mullbinden, Druckverbände und Desinfektionsspray heraus. Er hoffte das würde reichen. Bisher hatte er Glück gehabt, dass Niemand zu Hause war. Wahrscheinlich war seine Mutter einkaufen gefahren und hatte Sarah mitgenommen. Das verschaffte Luca etwas mehr Zeit, sich eine Ausrede für alles einfallen zu lassen. Wenn es überhaupt eine vernünftige Ausrede für ein schwer verletztes Mädchen in ihrem Gästezimmer gab. Luca kehrte zurück in den, in warmen Brauntönen gehaltenen Raum. Er war schlicht eingerichtet, aber ein Gast fand hier alles, was er brauchte. Einen Schrank für Kleider, einen Schreibtisch und sogar eine Kommode samt Spiegel. Nicht zuletzt war da noch das große bequeme Bett, in dem nun das blutüberströmte Mädchen lag. Sie zitterte an am ganzen Körper, und sie warf den Kopf von der einen auf die andere Seite, als hätte sie einen schrecklichen Albtraum. Luca kniete sich neben das Bett, und nahm vorsichtig ihren verletzten Arm in die Hand. Sie zuckte augenblicklich zusammen und sah ihn aus trüben Augen an. „Ist schon gut, ich werde die Wunde desinfizieren, das wird gleich etwas brennen.“ Warnte er sie vor, bevor er das Spray auftrug. Sie schrie auf und versuchte den Arm wegzuziehen, doch Luca hielt ihn fest. Das war gar nicht so leicht, und er vermutete, dass er es nicht geschafft hätte, wenn sie nicht schon so geschwächt gewesen wäre. Es war verrückt, so wie der ganze Tag. Wie er es im Este-Hilfe Kurs gelernt hatte, legte die Mullbinden auf die Wunde und fixierte sie dann mit einem Druckverband. Er legte den Verband so straff wie möglich an, damit die Blutung möglichst schnell stoppte. Während er ihren Arm verband erzählte er ihr, wie verrückt ihm der ganze Tag vorkam. Dass sein Rektor ein Engel sein solle, kam ihm vor wie ein schlechter Scherz. Und noch immer konnte er nicht glauben, was er mit eigenen Augen gesehen hatte. Er hatte nie etwas übrig gehabt für irgendwelche Übernatürlichen Dinge. Er hatte als Kind nicht mal wirklich an den Weihnachtsmann geglaubt. Und nun war er auf einmal mitten in einem Kampf mit Engeln. Das war verdammt viel für einen Tag. Als er mit dem Verband fertig war, bemerkte er, dass sie eingeschlafen war. Sie sah noch immer sehr blass aus, aber er glaubte, dass sie schon viel ruhiger geworden sei. Er überlegte kurz, was er jetzt machen solle. Entschied sich jedoch, dass es unklug war, sie allein zu lassen. Ein seufzen entfuhr ihm. Also würde er hier wohl wache halten. Er stand auf, nur um sich in den Bequemeren Schreibtischstuhl zu setzten. Er wusste nicht, wie lange sie schlafen würde. Allerdings hatte er so viel über das er nachdenken musste, dass ihm bestimmt nicht langweilig werden würde. So schnell, dass kein Menschenauge ihn erblicken konnte trugen ihn die schwarzen Schwingen über den Himmel. Was sollte er nun tun? Diese Frage schwirrte nun schon in seinem Kopf, seit Alexander den Namen Luca Bailay ausgesprochen hatte. Er hätte nie für möglich gehalten, dass ein Mensch auf diese Art in ihren Krieg mit hineingezogen werden konnte. Es dauerte nicht lange, bis er das kleine Haus der Bailays erreichte. Sanft landete er auf der gegenüberliegenden Straßenseite, die von üppigen Sträuchern gesäumt war. Eine Weile betrachtete er das Haus. Sarah und ihre Mutter schienen nicht zu Hause zu sein. Nur Luca war da, und er schien tatsächlich den Dämon bei sich zu haben. Gabriel hatte schon immer ein ausgezeichnetes Gefühl für so etwas gehabt. Seine Instinkte waren selbst für Engel extrem ausgeprägt, deswegen war er auch ein so hervorragender Krieger. Allerdings war er noch viel mehr als das. Er war auch als Beschützer auf die Erde gesandt worden. Als Schutzengel der Familie Bailay. Und genau das war sein Problem: Als Krieger war es seine Pflicht alle zu vernichten, die mit den Dämonen Kontakt hatten. Langsam zog er sein Handy raus und zögerte einen Moment, bevor er die Kurzwahltaste betätigte. „Ja?“ meldete sich die vertraute Samtstimme des älteren. „Ich habe ein Problem.“ Kurz schilderte Gabriel dem anderen, was passiert war. Dieser schwieg für einen Moment. „Ich weiß nicht, wo dein Problem liegt. Du kennst meine Anweisungen, also befolge sie.“ „Aber ich habe doch die Pflicht-“ „Wem bist du mehr verpflichtet Gabriel? Ihnen oder mir?“ Die Stimme war nun kalt und befehlend. „Ich gab dir einen Auftrag, und an dem hat sich nichts geändert. Kannst du den Auftrag erfüllen, oder nicht?“ Gabriel zögerte kurz. Konnte er das tun? „Gabriel? Soll ich jemand anderes schicken, der es erledigt?“ „Nein!“ erwiderte Gabriel schnell. „Ich werde das schon erledigen.“ „Gut, ich verlass mich auf dich.“ Am anderen Ende der Leitung wurde aufgelegt. Mit einem mulmigen Gefühl stand Gabriel da und starrte sein Handy an. Er hatte nie zu einem Verräter werden wollen, und nun wurde ihm keine Wahl gelassen. Vor dem Fenster war es mittlerweile stockdunkel geworden. Langsam wurde Luca nervös, er wusste nicht, wann seine Mutter und seine Schwester wieder kämen, und er hatte noch immer keine Ausrede gefunden. Wenn sie doch nur nicht verletzt wäre, dann könnte er sie als eine Austauschschülerin oder so tarnen, da fiele ihm schon was ein. Aber so. Noch immer lag das Mädchen auf dem Bett und schlief. Immer wieder hatte Luca ihre Atmung überprüft um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich nur schlief. Sich die Wunde nochmal an zu sehen hat er sich nicht getraut. Es war kein Blut durch den weißen Verband zu erkennen, also war die Blutung wahrscheinlich gestillt und er wollte nicht das Risiko eingehen, dass sie wieder anfing. Langsam drehte er sich mit dem Stuhl. Er hatte so viele Fragen, die er ihr gerne gestellt hätte. Wer sie war, wo sie herkam, was sie hier tat, wieso die Engel sie umbringen wollten, was das für eine Tür war, die er gesehen hatte und noch vieles mehr beschäftigte ihn. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie sie langsam aufwachte. Sofort hörte er auf sich zudrehen und sah sie an. „Wie geht es dir?“ Sie sah zu ihm herüber. Sie war noch immer verschwitzt, doch wirkte sie nicht mehr blass und schwach, sondern ausgeruht und gesund. „Mir geht es fantastisch.“ Entgegnete sie knapp. Sie sah sich kurz im Zimmer um, dann wendete sie sich ihrem Arm zu. „Nicht! Es könnte wieder anfangen-“ Doch noch bevor Luca hatte aussprechen können löste das Mädchen den Verband und offenbarte ihren Arm. Von der Wunde war nicht mehr das geringste gesehen. „Wie ist das -? Was genau bist du?“ Sie sah zu ihm auf, und schien zu überlegen, ob er es wert war ihm zu antworten. „Ich finde ich habe einige Erklärungen verdient, nach allem, was ich heute für dich getan habe.“ rief er ihr ins Gedächtnis. Sie seufzte. „Also schön was willst du wissen?“ „Einfach alles!“ Entgegnete Luca. „Wer und vor allem was du bist. Was es mit den Engeln. Wieso sie versuchen dich zu töten. Und was war das für eine Tür, durch die du hergekommen bist?“ „Zu deiner ersten Frage: Ich bin ein Dämon, wie du schon mitbekommen haben solltest. Was die Engel angeht... das ist eine längere Geschichte. Und die Tür, durch die ich gekommen bin war eine Porta Cosmicae, das sind -“ erklärte sie. „Portale zwischen verschiedenen Welten oder Dimensionen, richtig?“ Seine Schwester hatte ihm so oft davon erzählt, dass der lateinische Begriff bei ihm hängen geblieben ist. Das Mädchen sah ihn sichtlich überrascht an. „Ja. Woher weißt du das?“ „Meine Schwester redet oft von ihnen.“ Erklärte Luca. „Wenn diese Türen wirklich existieren, und Steward ein Engel ist, du ein Dämon – Bedeutet das dann etwa, dass alles, was Sarah erzählt hat wahr ist? Auch das mit Gabbi?“ Luca konnte kaum glauben, dass er tatsächlich in Betracht zog, dass die Hirngespinste seiner Schwester real waren. Aber eine andere Erklärung gab es nicht für das, was er heute alles gesehen hatte. Das Mädchen sah ihn verwirrt an. „Wer sind Sarah und Gabbi?“ „Sarah ist meine kleine Schwester. Sie redet ständig von den verschiedensten übernatürlichen Dingen, unter anderen auch von den Porta Cosmicae oder Engeln und Dämonen, die sich bekriegen. Deswegen wollte Steward dich umbringen, oder?“ Die Dämonin nickte kurz und Luca fuhr fort: „Gabbi ist Sarahs Katze, sie glaubt, dass er reden könnte. Ich habe nie in Betracht gezogen, dass es stimmen könnte. Aber, wenn der Rest stimmt, dann kann Gabbi vielleicht wirklich reden?“ „Normale Katzen sprechen nicht.“ entgegnete das Mädchen. „Oh, ok...“ Es enttäuschte Luca leicht, dass seine Schwester sich einiges wohl doch nur einbildete. Der Gedanke, dass sie nicht verrückt war, sondern nur unheimlich viel wusste, war irgendwie beruhigend gewesen. „Was genau weiß deine Schwester über uns? Und woher weiß sie es?“ Erkundigte sich das Mädchen neugierig. Luca musste kurz überlegen. „ Ich verstehe gar nichts von diesen Dingen, deswegen kann ich es nicht genau sagen, aber sie scheint sehr viel zu wissen. Sie erzählt manchmal von einem Laden, aber das meiste weiß sie angeblich von Gabbi.“ gab Luca zögernd zu. Es klang noch immer sehr verrückt. „Wo hat sie die Katze her?“ „Ihr damaliger Babysitter, Micha, hat sie ihr vor einigen Jahren geschenkt.“ Er stoppte, und sah sie skeptisch an. „Was interessiert dich das überhaupt?“ „Vielleicht kann deine Schwester mir helfen mich vor den Engeln in Sicherheit zu bringen.“ erklärte das Mädchen. „Das heißt es werden noch mehr Engel auftauchen, die dich suchen?“ Die Vorstellung, dass eines dieser geflügelten Monster vor seiner Tür auftauchen könnte behagte Luca gar nicht. Die Dämonin nickte. „Ja, sie werden mich jagen, und jeden der in meiner Nähe ist. Ich danke dir wirklich für alles, was du für mich getan hast, aber ich sollte so bald wie möglich gehen.“ erklärte sie. „Denkst du, dass du einen sicheren Ort findest?“ Das Mädchen sah zur Seite. „Engel sind gut organisiert... sie haben überall Krieger postiert, deren einzige Aufgabe die Dämonenjagd ist – also wahrscheinlich nicht. Aber ich werde es schon schaffen.“ So ganz überzeugte das Luca jedoch nicht. „Kannst du nicht wieder zurück; dort müsstest du doch in Sicherheit sein.“ Grace schüttelte den Kopf „Nein, es ist nicht sicherer. Außerdem will nicht wieder zurück...“ Die Antwort kam ganz leise. Luca versuchte sich zu erinnern, woher Dämonen kamen. Doch auch ohne, dass er es schaffte, konnte er sich vorstellen, dass es ein schrecklicher Ort sein musste. Selbst wenn dieses Mädchen vor ihm ein Dämon war, war sie doch anders, als er sich diese Monster vorgestellt hatte. Und so wie sie nun vor ihm saß, und ihr ganz offensichtlich vor einer Rückkehr graute, hatte er keine Zweifel mehr, dass sie von dem schrecklichsten der Welt kam. Er zögerte kurz, aber legte ihr dann doch eine Hand auf die Schulter. „Dann musst du auch nicht zurück.“ Grace sah zu der Hand auf ihrer Schulter und dann hoch zu dem lächelnden Gesicht des Jungen. Sie brachte kein Wort heraus, sie konnte nicht in Worte fassen, was es ihr bedeutete, dass er sie nicht zurück schicken wollte. Wie dankbar sie ihm war, dass er ihr die Möglichkeit gab in dieser Welt zu bleiben. Um davon abzulenken versuchte sie schnell wieder aufs Thema zurück zu kommen. „Also wo ist deine Schwester? Je schneller ich-“ „Sie ist nicht da.“ unterbrach Luca sie. „Außerdem denke ich solltest du hier bleiben.“ „Sie werden mich jagen und sie werden mich hier finden. Wahrscheinlich wissen sie schon, dass ich hier bin. Du bringst deine Familie in Gefahr, ist dir das klar? Engel kennen keine Gnade. Sie werden euch töten, und euch in den Tartarus werfen.“ protestierte Grace. Ihr gefiel die Vorstellung nicht, dass der Junge litt. Er hatte ihr geholfen, eine dumme Tat, aber sie musste zugeben, aber eine mutige. Noch nie hatte jemand so etwas für sie getan. Sie wollte nicht dafür verantwortlich sein, wenn ihm etwas passierte. Es schmeichelte ihr zwar, dass er ihr helfen wollte. Aber Fakt war nun mal, dass dieser Kampf nichts für Menschen war. Sie waren zu schwach, zu zerbrechlich um es mit Engeln aufzunehmen. „Dann sag mir, was passiert, wenn die Engel dich hier suchen, und du nicht hier bist?“ Stellte der Junge als Gegenfrage. Grace wusste keine Antwort. Der Junge hatte recht. So oder so würden die Engel ihn für seine Hilfe heute bestrafen. „Das hab ich mir gedacht.“ Entgegnete er. „Also ist es beschlossen, du bleibst hier. Ich bin mir sicher, dass es Möglichkeiten gibt, das Haus zu sichern.“ meinte er überzeugt. Ihr blieb wohl keine andere Wahl mehr. Ganz kurz schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht, das sie jedoch schnellst möglich unterdrückte. „Also gut ich bleibe.“ meinte sie desinteressiert. „Aber was erzählen wir deiner Familie?“ Ein listiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Wir sagen ihr einfach du seist eine Austauschschülerin aus Europa. Eigentlich hättest du bei Henry unterkommen sollen, aber da er krank geworden ist, brauchtest du eine andere Unterkunft. Ich bot mich an auszuhelfen – wir könnten auch sagen mein Direktor sei der Meinung, dass es gut für mich sei, mich um dich zu kümmern.“ Erklärte er ihr seinen Plan. „Und deine Mutter wird nicht dagegen haben, wenn du vollkommen Fremde einfach bei dir aufnimmst?“ Der Junge winkte ab. „Meine Mutter ist da ziemlich offen – besonders, wenn jemand Hilfe braucht. Allerdings solltest du besser Duschen, bevor sie wiederkommt und ich dich vorstelle. Du bist voller Blut.“ meinte er grinsend. Grace sah an sich hinunter. Ihre gesamten Kleider waren verkrustet von Blut und Staub, zerrissen durch den Kampf und sahen nicht mehr zu retten aus. „Ich habe nichts anders anzuziehen.“ murmelte sie leicht verlegen. „Hm.“ Der Junge musterte sie einen Moment genau. Sie fühlte sich seltsam unter diesem abschätzenden Blick, er gab ihr das Gefühl vollkommener Nacktheit. „Ich würde schätzen, dass du die selbe Größe wie Claire hast.... Dann habe ich Kleidung für dich.“ „Gut.“ Da er sich erhob erhob sie sich ebenfalls. „Dann zeig ihr dir jetzt das Bad und such dir ein paar Sachen raus. Am besten wir beeilen uns etwas, ich hab das Gefühl, meine Familie kommt bald wieder.“ Grace nickte nur um ihm zu zeigen, dass sie verstanden hatte. Dann folgte sie ihm zur Tür, wo er nochmal inne hielt und sich zu ihr drehte. „Ich hab dich noch gar nicht nach deinem Namen gefragt.“ bemerkte er mit einem leicht verlegenen Lächeln. Sie erwiderte sein Lächeln. „Ich bin Grace.“ „Luca.“ Er reichte ihr die Hand und nach kurzem zögern ergriff sie sie. „Und es gibt doch einen Weg, das Haus zu sichern, oder?“ fragte er nun doch leicht besorgt. „Deine Schwester kennt bestimmt welche.“ Luca atmete beruhigt durch. „Sehr gut.“ Kapitel 3: Der letzte Gott -------------------------- Nachdem sie beide geduscht und sich umgezogen hatten saßen sie zusammen in der Küche und besprachen noch einmal, was sie Lucas Mutter erzählen wollten. „Also gut, ich komme aus Europa und hätte eigentlich bei jemand anderem unterkommen sollen. Dieser ist jedoch am Fleischrische Prüsenfieber -" „Pfeifferisches Drüsenfieber." Korrigierte Luca sie. „Jedenfalls, ist der andere krank geworden und deswegen muss ich nun bei dir unterkommen." Fasste Grace alles noch mal zusammen. So schwer war die Ausrede nun wirklich nicht zu merken. Aber Luca bestand darauf, es noch mal zu wiederholen, damit es zu keinen Ungereimtheiten kam. „Genau und-" Plötzlich ertönte Musik. „I saw an angel become the devil Still they walk pretty good hand in hand But baby I don't need any of them heaven nor hell…” Der Mensch warf ihr einen entschuldigenden Blick zu, dann zog er ein kleines schwarzes Handy aus der Hosentasche. “…Well I've heard that the morning star of a prince…“ Die Musik stoppte. „Hallo?“ Er machte eine kleine Pause, in der die Person am anderen Ende offensichtlich besorgt plapperte. „Claire, nein mir geht’s gut, ehrlich.“ Versuchte er seine Gesprächspartnerin zu beruhigend. Er erhob sich und bedeutete Grace, dass er gleich wiederkäme, sie nickte nur. Als er in den angrenzenden Raum ging hörte sie noch, wie er sagte: „Ja, ich freue mich auch, dich zu hören...“ Dann schloss er die Tür hinter sich und keines seiner Worte drang mehr in die Küche. Grace blieb allein in dem großen Raum zurück. Es war eine schöne Küche, geräumig und warm. Es gab eine große Arbeitsfläche aus dunklem Holz, helle Schränke säumten zwei der Wände. Der riesige silberne Kühlschrank war mit bunten Magneten bestückt, die die verschiedensten Merkzettel festhefteten. Oben auf dem Kühlschrank thronte ein kleiner Fernseher. Scheinbar selbst gemalte Bilder hingen über dem großen Eichentisch, an dem Grace saß und zwei Türen führten in die Küche. Es war ein gemütlicher Raum, in dem man sich direkt willkommen fühlte. Es war ganz anders als in ihrer Welt. Und es wirkte so unwirklich, wie ein wunderschöner Traum, der jeden Moment vorbei sein konnte. Eine der beiden Türen wurde plötzlich geöffnet und ein kleines Mädchen mit langen braunen Haaren und einem großer schwarzen Spitzhut auf dem Kopf kam in die Küche gerannt. Als sie Grace entdeckte blieb sie geschockt stehen. Zwei vor Angst weit aufgerissene goldbraune Augen starrten den Dämon an. „Was ist denn Schatz?“ Eine freundliche Frauenstimme drang aus dem Flur in die Küche und im nächsten Moment stand eine Frau hinter dem Mädchen in der Tür. Sie war klein, schlank, hatte kurze braune Haare und die gleichen blauen Augen wie Luca. Sie sah überrascht zu Grace. „Hallo?“ Grace setzte ein freundliches Lächeln auf. „Guten Tag, ich bin Grace. Eine Austauschschülerin von Lucas Schule.“ Das sollte erst mal reichen, die gesamte Lüge auf einmal wäre bestimmt etwas zu viel. „Ich bin Meredith, Lucas Mutter. Und das ist Sarah.“ Sie lächelte Grace über eine große Einkaufstüte hinweg an, trat ein und begann das Essen auszupacken. „Luca hat mir gar nichts von einem Austausch erzählt. Woher kommst du denn, Grace?“ sie sah über die Schulter kurz zu Grace, während sie fortfuhr die Sachen in die Schränke zu räumen. „Aus Europa.“ Antwortete Grace. Sie konnte ein leises Schnauben von Sarah vernehmen, ignorierte es jedoch. Das Mädchen stand noch immer in der Tür und starrte Grace über verschränkte Arme hinweg skeptisch an. Augenblicklich stellte sich Grace die Frage, ob Sarah es schon wusste. Hatte sie sie so schnell durchschaut? Grace Blick wanderte zu der schlanken pechschwarzen Katze, die sich geschmeidig an Sarah vorbei in die Küche drängte. Sie blieb genau vor ihrer Besitzerin sitzen und fixierte Grace mit dem Blick ihrer gold-grünen Augen. Grace hatte das Gefühl, als läge etwas angriffslustiges darin, gepaart mit kaltem Hass. Aber das war bestimmt nur Einbildung, immerhin war es nur eine normale Katze. Auf einmal bemerkte Grace einen dunklen, süß-herben Geruch der ihr eine leichte Übelkeit bereitete. Sie sah sich in der Küche um, drehte sich auch zum Fenster, und versuchte draußen in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Doch nirgendwo gab es ein Anzeichen für einen Engel. Vielleicht irrte sie sich auch nur oder der Geruch kam von den Lebensmitteln, die Meredith mitgebracht hatte. „Das war das letzte mal gewesen, als ich in Italien war. Ein wunder schönes, Land. Warst du schon mal dort Grace? Aus welchem Teil Europas kommst du denn genau?“ „Wie bitte?“ Grace hatte gar nicht mit bekommen, dass Meredith die ganze Zeit über mit ihr gesprochen hatte. „Aus welchem Teil Europas kommst du?“ wiederholte Lucas Mutter ihre Frage noch einmal. „Oh… ehm…“ „Hey, Mum – Nervensäge.” Zum Glück kam Luca wieder rein, bevor Grace überhaupt hätte antworten können. Erleichtert atmete sie aus. Sie wusste nicht besonders viel über die Länder Europas, als dass ihr rechtzeitig eine plausible Herkunft eingefallen wäre. Sie war etwas enttäuscht von Luca, dass er nicht an diese Frage gedacht hatte. „Ihr habt euch schon vorgestellt.“ Stellte Luca fest, und fuhr unbeirrt fort, während er sich neben Grace an den Tisch setzte. „Es ist doch in Ordnung, wenn Grace eine Weile bleibt, oder? Sie macht einen Schüleraustausch an unserer Schule – eigentlich sollte sie bei Henry wohnen, dieser ist aber leider erkrankt. Deswegen habe ich mich bereit erklärt sie aufzunehmen. Mr. Steward hielt das auch für eine gute Idee. Er meinte es täte mir gut, mich um sie zu kümmern.“ er zuckte kurz mit den Schultern, als wisse er selbst nicht genau wieso. „Also kann sie bleiben?“ Meredith warf ihrem Sohn einen strengen Blick zu. „Eigentlich solltest du so etwas rechtzeitig mit mir absprechen.“ „Also ja?“ „Luca!“ Sie schien nicht besonders begeistert von der Idee. „Was denn? Ich hab das heute erst erfahren, ich konnte dir nicht früher Bescheid geben.“ Verteidigte sich Luca. Seine Mutter ließ die Lebensmittel liegen und wandte sich ihrem Sohn zu. „Du hättest anrufen können, dafür hast du dein Handy.“ „Es tut mir leid... Es war so viel los, da habe ich es vergessen und-“ „Hast du dich wieder geschlagen?“ sie spießte ihren Sohn gerade zu mit ihren Blicken auf. „Nein!“ erwiderte dieser empört. Sie musterte ihn genau, als würde sie nach Spuren für einen Kampf suchen. Luca seufzte. „Wir waren doch eigentlich bei einem ganz anderen Thema.“ grummelte er. „Also kann Grace nun hier bleiben, oder soll ich Rektor Steward anrufen und sagen, dass es doch nicht geht?“ Meredith seufzte, und fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Haare. „Nein, Grace kann gerne hierbleiben. Aber das nächste mal möchte ich früher informiert werden, ist das klar?“ Luca grinste seine Mutter an. „Das nächste mal?“ Sie wendete sich den Resten ihren Einkaufs zu „Wie lange soll dieser Austausch eigentlich gehen?“ . „Über längere Zeit, ein paar Monate, oder so.“ murmelte er leise und fragte lauter: „Was gibt’s eigentlich heute Abend zu essen?“ „Kommt drauf an, was du kochen willst.“ Sie schenkte ihrem Sohn über die Schulter hinweg ein listiges Grinsen. „Och nö…“ „Keine Widerrede du bist heute dran.“ Widerwillig stand Luca auf und ging zum Kühlschrank. „Was haben wir denn alles?“ Fragte er und inspizierte die Lebensmittel. Seine Mutter stand sofort hinter ihm, um ihm alles aufzuzählen und Vorschläge fürs Abendessen zu machen. „Ich weiß, was du bist.“ Grace wandte sich zur Seite. Sarah saß direkt neben ihr und schaute sie aus kalten, braunen Augen an. Sie sprach so leise, dass die anderen sie nicht hören konnten. „Was willst du hier?“ Die Katze auf ihrem Schoß fixierte Grace noch immer mit diesen seltsamen grün-goldenen Augen, ihr Schwanz zuckte nervös, und Grace hatte das ungute Gefühl, dass sie sich auf sie stürzen würde, sobald sie eine falsche Bewegung machte. „Ich brauche einfach nur eure Hilfe.“ Antwortete Grace wahrheitsgemäß. Das Mädchen beäugte sie noch immer skeptisch. „Wobei?“ „Mich vor den Engeln zu verstecken.“ Erklärte Grace. „Ich muss sagen Grace, du spricht sehr gut Englisch. Ist es das erste Mal, dass du in Amerika bist?“ erkundigte sich Meredith, während sie sich zu den beiden Mädchen setzte. Luca begann in der Zeit Kartoffeln zu schälen. „Vielen Dank. Und ja ich war vorher noch nie hier, aber bisher gefällt es mir sehr gut.“ Antwortete Grace. Und das stimmte. Sie konnte sich kaum einen schöneren Ort vorstellen. Alles wirkte so warm und freundlich, es war der genaue Gegensatz zu der Welt aus der sie kam. „Was gefällt dir denn besonders?“ erkundigte sich die Mutter weiter. In der Küche würde Grace wohl nicht mehr dazu kommen mit Sarah zu reden. „Bisher mag ich besonders die Menschen. Sie sind hier alle so nett und hilfsbereit.“ Es war etwas, was jeder gerne über sein Land hörte. Graces Blick wanderte zu Luca. Zudem stimmte es, die Menschen hier waren Hilfsbereit. Meredith lächelte sie einfach an, bevor sie die nächste Frage stellte. „Habt ihr heute schon einen Ausflug gemacht? Es gibt hier unheimlich viel zu sehen – interessiert du dich für Kronkorken?“ Grace sah die Frau verwirrt an. „Kronkorken?“ „Ja, hier in der Nähe haben wir eine große Fabrik. Die ist ziemlich berühmt.“ „Ich denke kaum, dass Grace sich für so etwas interessiert.“ Mischte sich Luca ein, der nun diverses Gemüse schnitt. „Und wofür interessierst du dich?“ fuhr Meredith an Grace gewandt fort. „Mum! Jetzt hör doch mal auf sie auszufragen! Das ist ja wie bei einem Verhör.“ Wies Luca seine Mutter zurecht. „Sarah hast du nicht irgendwas zu erzählen?“ wandte er sich an seine kleine Schwester, etwas, was er normaler weise nie tat. Sonst war er froh, wenn sie einmal schwieg. „Nein. Ich würde auch gern mehr über Graces Heimat erfahren.“ Antwortete sie unschuldig lächelnd. Luca warf ihr über die Schulter einen wütenden Blick zu. Meredith sah erwartungsvoll zu Grace, die wiederum hilfesuchend zu Luca sah. Wie sollte sie von einem Land erzählen, das sie nicht mal kannte? „Laufen die Nachrichten jetzt nicht?“ mischte sich der Junge wieder ein, und schaltete kurzer Hand den Fernseher ein. Den Ton drehte er so laut, dass die anderen sich nicht mehr unterhalten konnten. „Luca, mach das leiser!“ befahl seine Mutter ihm, offenbar damit sie sich weiter unterhalten konnten. „Nein, ich würde die Nachrichten gerne sehen.“ Mischte sich Grace ein, und versuchte sichtlich interessiert am Weltgeschehen zu wirken. „Oh, wenn das so ist.“ Gab sich Meredith geschlagen, und wandte sich ebenfalls dem jungen Nachrichten Sprecher zu, der vor einem großen brennenden Gebäude stand, das Grace seltsam bekannt vorkam. „…gab es keine Verletzten. Die Ursachen des Brandes sind allerdings noch ungeklärt. Da das Gebäude so stark beschädigt wurde, das eine Einsturzgefahr droht, wird zur Zeit noch nach einer Ausweichmöglichkeit gesucht, damit die Schüler der Witchblade High schon bald mit dem Unterricht fortfahren können.“ „Danke Ben. Obwohl ich denke dass, die Schüler ihre freie Zeit genießen werden. Oder Veronica?“ Fragte der schon leicht angegraute Moderator, seine um einiges jüngere Co-Moderatorin, welche leicht lachte. „Ganz sicher. Was für Wetter werden sie denn während ihrer Sonderferien haben, Mathew?“ Auf dem Monitor erschien ein junger Mann mit schwarzem Haar, der anhand einer großen Landkarte zeigte, wie das Wetter der nächsten Tage werden sollte. In der geräumigen Küche herrschte betretenes Schweigen. Luca starrte angespannt auf sein Gemüse, seine Mutter schaute fassungslos den Fernseher an. Und Sarah sah abwechselnd zwischen Luca und Grace hin und her. Die Dämonin war sich sicher, dass das Mädchen eins und eins zusammen zählte. „Das ist ja schrecklich.“ Brachte Meredith schließlich hervor. „Also ich find‘s gut, muss ich mich heute wenigstens nicht mehr mit den Mathe Hausaufgaben quälen. Und kann endlich mal wieder ausschlafen.“ Meinte Luca und grinste seine Mutter verstohlen an. „Das ist nicht witzig! Wenn nun jemandem etwas passiert wäre!? Darüber macht man keine Scherze.“ Seine Mutter funkelte ihn wütend an. „Aber es ist niemandem etwas passiert.“ Brummte Luca nur und schnitt das Gemüse weiter. Innerlich beunruhigte ihn diese Sache. Eigentlich hätten sie doch die Leiche von Mr. Steward finden müssen. Er war sich sicher, dass sie nicht zu verkohlt gewesen wäre um entdeckt worden zu sein. Und er glaubte schon, dass Engel einen Leichnam hinterließen. Also war er entkommen. Und für Luca war klar, dass sein Direktor auf Grace, als auch auf ihn und seine Familie Jagd machen würde. „Wenn Luca morgen zu Hause bleiben darf, dann will ich auch!“ meldete sich plötzlich Sarah zu Wort. „Ich hab auch keine Lust meine Geschichts Hausaufgaben zu machen.“ Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Nein, du gehst morgen zur Schule, und für deinen Bruder denke ich mir schon noch was aus.“ „Was?!“ Luca sah entrüstet zu seiner Mutter. „Wieso? Was kann ich dafür, wenn die Schule niederbrennt?!“ beschwerte er sich. „Ich will, dass du dich in deiner freien Zeit um unseren Gast kümmerst. Ihr die Stadt zeigst, und alles was man hier anstellen kann. Ich denke, dir werden da schon ein paar Sachen einfallen.“ Luca grinste. „Ja da fällt mir einiges ein.“ Nach dem Essen hatten sie sich alle in Sarahs Zimmer zurückgezogen, um zu reden. Es war ein kleines, mit überfüllten Bücherregalen vollgestopftes Zimmer. Die wenige, von den Regalen unverdeckte, Wand war mit Engels- und Katzenpostern tapeziert. Auf dem Schreibtisch und dem Nachtschränkchen türmten sich Papier und Bücherstapel zwischen denen einige dekorative Edelsteine verteilt lagen. Luca stand, die Arme vor der Brust verschränkt an den kleinen Kleiderschrank gelehnt, auf dessen Tür das Bild eines überirdisch schönen, strahlenden Engels prangte. Seiner Meinung nach hatte es nicht viele Gemeinsamkeiten mit der Realität. Grace hatte sich auf den wackeligen Schreibtischstuhl gesetzt und Sarah saß im Schneidersitz auf ihrem Bett. Sie schaute sowohl ihren Bruder als auch Grace Vorwurfsvoll an während sie abwesend über das samtene Fell Gabbis fuhr, der es sich zwischen ihren Beinen bequem gemacht hatte und beruhigend schnurrte. Luca und Grace hatten Sarah gerade alles berichtet, was an dem Tag vorgefallen war. Das Mädchen war davon so geschockt, dass es nicht recht wusste wo es anfangen sollte. „Wir haben dir gesagt, was du wissen wolltest, hilfst du uns nun?“ Sarah schaute zu ihrem großen Bruder auf. „Bist du jetzt endgültig verrückt geworden?!“ brach es wütend aus ihr heraus. „Nicht nur das du einem Dämon Unterschlupf bietest, du hast auch noch einen Engel angegriffen! Hast du auch nur die leiseste Ahnung, was sie mit uns machen werden?“ „Wahrscheinlich werden sie uns umbringen… Aber ich hatte keine andere Wahl. Steward wollte Grace töten, das konnte ich einfach nicht zulassen!“ verteidigte sich Luca. „Doch hättest du! Sie ist ein Dämon, Luca. Ein gottverdammter Dämon! Sie ist eine der Bösen, und du hast dich gegen die Guten gewendet.“ „Wie können sie die Guten sein? Grace hat nichts verbrochen, und nur weil sie ein Dämon ist heißt das nicht zwangsläufig, dass sie auch böse ist. Und trotzdem wollten sie deine „guten“ Engel umbringen. Und nur weil wir ihr helfen wollen sie nun auch uns umbringen. Findest du das etwa richtig?“ Erklärte Luca wütend, er stand nun nicht mehr an den Schrank gelehnt sondern ging in dem kleinen Zimmer auf und ab. „Aber sie sind im Recht.“ Erwiderte seine kleine Schwester trocken. „Und nach wessen Recht? Bestimmt nicht nach dem der Vereinigten Staaten!“ „Nein.“ Mischte sich nun Grace ein. „Aber nach ihrem eigenen Recht. Sie stehen direkt unter den Schöpfern dieser Welt, teilweise haben sie sie sogar mit erschaffen. Sie scheren sich um keine von Menschen erhobenen Gesetzte.“ „Da hast du’s.“ Setzte Sarah nur noch hinzu. Blieb nach einem wütenden Blick ihres Bruders jedoch still, zumindest vorerst. „Versucht ihr beiden mir etwa Weiß zu machen, dass ich einfach hätte zu sehen sollen, wie er dich umbringt?“ Er fixierte Grace mit seinem Blick, die schuldbewusst auf dem Stuhl hin und her glitt. „Nein. Aber es wäre besser gewesen, wenn du gegangen wärst. Dann-“ „Das Gespräch hatten wir vorhin schon, und ich werde meine Meinung dazu nicht ändern.“ Unterbrach Luca sie bestimmt. „Das ändert nichts daran, dass du hättest gehen sollen.“ Versetzte Grace leise. „Du hättest an dich und deine Familie denken sollen.“ „Luca denkt nie an seine Familie.“ unterbrach Sarah die beiden. Grace verstand nicht ganz, was sie damit meinte. Luca sah sie nur wütend an. „Aber wir können die Vergangenheit nicht ändern, also müssen wir seine Fehler wieder ausbügeln.“ Schloss Sarah. „Also hilfst du uns nun.“ Sarah sah ernst zu ihren Bruder auf. „Ich kann euch nicht helfen.“ „Was?!“ Luca sah seine Schwester verständnislos an. „Du weißt doch alles über Engel, Dämonen und Magie. Wie kann es sein, dass du uns nicht helfen kannst? Irgendwas müssen wir doch tun können. Ein magischer Schutzschild, oder irgendwas. Wenn Steward ein Schwert aus dem Nichts ziehen kann, dann können wir uns doch zumindest schützen.“ „Ich hab dir schon gesagt, was du tun kannst: Liefere sie ihnen aus, dann haben wir vielleicht noch eine Chance. Das mag nicht das sein, was du hören willst, aber einen anderen Weg gibt es nicht. Sieh‘s ein Luca, du kannst sie nicht retten.“ Luca konnte nicht fassen, dass seine Schwester ihn so im Stich ließ. So konnte es nicht enden, so durfte es nicht enden. „Das werden wir ja noch sehen. Was ist mit den ganzen Büchern, steht da nichts drin?“ Sarah hob eine Augenbraue. „Natürlich tut es das.“ Sie hob Gabbi von ihrem Schoß und legte ihn aufs Bett, „ Aber ich sage dir gleich, es wird dir auf Dauer nicht helfen.“ Sie stand auf, warf die Bettdecke zurück und brach mit einem kräftigen Ruck die hölzerne Verkleidung ihres Bettes ab. Dahinter kamen weitere Bücher zum Vorschein. Jedoch sahen diese anders aus, als die Bücher auf den Regalen. Sie waren in echtes Leder gebunden und sehr alt. „Bedien dich.“ Grace erhob sich langsam von dem Stuhl. „Darf ich?“ Luca wollte gerade mit „Na klar“ antworten, als ihm auffiel, dass sie nicht ihn, sondern seine Schwester gefragt hat. Diese schaute Grace eine gefühlte Ewigkeit misstrauisch an, ehe sie nickte. „Danke.“ Grace kniete sich vor die Bücher und zog vorsichtig eine ganze Reihe heraus. „Ich denke, diese sollten wir lesen.“ Luca überflog ein paar der Titel: „Der Krieg“, „Magie: Wo bekomme ich sie her? Wie setzte ich sie ein? Und was ist sie eigentlich?“ oder „Das Gesetz der Engel“. „Oh und Luca, dir würde ich das hier empfehlen.“ Sarah griff nach einem gelben Taschenbuch in ihrem Regal und reichte es Luca. Es war ein neueres Buch mit einem bunten Foto auf dem Einband, das einen alten Mann mit Hakennase, Halbmondbrille und Spitzhut zeigte. Es trug den Titel: „Zaubern für Dummies.“ „Haha, vielen Dank.“ „Ach, nichts zu danken, ich dachte mir nur, so kapierst du vielleicht auch etwas.“ Seine kleine Schwester grinste ihn trocken an und auch Grace lachte leise, bis Luca ihr einen beleidigten Blick zu warf. Ein kaltes Klappern hallte durch die dunklen Gänge, als das leere Whiskyglas auf den polierten Marmortisch gestellt wurde. Die Sommerzeit war für ihn die schlimmste Zeit des Jahres. Seit die Engel ihren Krieg gewonnen hatten und die Götter sich von ihren Pflichten zurückgezogen hatten war nichts mehr los in der Welt. Monotonie, Langeweile und Nichtstun bestimmten den Tagesablauf des letzten Gottes, der seinen Posten noch nicht verlassen hatte. Der einzige Gott der seinen Posten nicht verlassen konnte. Gefängniswärter und selbst Gefangener, das war schon seit Jahrtausenden das Schicksal des Herrn der Unterwelt, Hades. Doch zumindest im Winter war er nicht alleine, wenn seine Frau, Persephone, ihm Gesellschaft leistete. Gäbe es nicht seine anhängliche Schwiegermutter könnte er seine Geliebte das ganze Jahr bei sich haben. Doch Demeter bestand noch immer darauf, dass ihre Tochter mindestens acht Monate bei ihr blieb, sonst ließ sie alles verdorren und die Welt würde in ewigen Winter fallen. Nicht, dass das Hades besonders viel ausgemacht hätte. Doch die anderen Götter, als auch seine Frau hatten ihn zu dieser unsäglichen Abmachung überredet. Und so blieb ihm zur Zeit nichts anderes über als sich alleine die Zeit zu vertreiben, was am besten mit Alkohol und dem Versuch ging, irgendwelche interessanten Entwicklungen auf der Erde zu finden. Jedoch tat sich in der Welt zur Zeit nicht mehr, als der allgemeine Wahnsinn. Seit Jahren war es dasselbe: Die Menschen führten Krieg gegeneinander, zerstörten sich gegenseitig und den Planeten dazu. Schon seit Ewigkeiten steuerten sie zielstrebig auf ihr eigenes Verderben zu, und es langweilte ihn. Früher hatte er sich gerne in die kleinen Kriege eingemischt, genau wie seine Geschwister und all die anderen Götter. Doch das war zu einer anderen Zeit, die schon lange vorbei war. Heute sehnte er sich wieder nach etwas großem, etwas wirklich Weltbewegendem, etwas, das nach der Macht eines Gottes verlangte, ihn vielleicht sogar persönlich betraf. Er griff nach seinem Glas. Ja, etwas wie den letzten Engelskrieg, das brauchte er. Hades hustete laut auf, als er sich an der Flüssigkeit verschluckte. Es befand sich nur noch ein Rest Wasser von den aufgetauten Eiswürfeln in dem Glas. Grummelnd erhob er sich um sich einen neuen Drink zu holen. Dabei wanderte sein Blick über die unzählbaren Bildschirme an der Wand, die verschiedene Szenen zeigten, die sich jetzt gerade auf der Welt abspielten. Er stockte, zwei der Bildschirme zeigten exakt dasselbe Bild. Drei Teenager in einem, mit Engelspostern zu tapezierten Zimmer. Zwei von ihnen waren Menschen ein Junge um die sechzehn und ein Mädchen um die dreizehn, die letzte ein Dämon mit langen weißen Haaren. Eine ganze Weile starrte Hades einfach auf die Bildschirme, während sich langsam ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Sein Getränk war vergessen. Wenn diese beiden aufeinander trafen könnte es interessant werden. Noch bevor er die beiden Ausschnitte auf die gesamte Leinwand vergrößert, und es sich auf seinem Sofa bequem gemacht hatte, dachte er schon darüber nach, wie er weitere Protagonisten in diese Geschichte bringen konnte. Er verfolgte das Gespräch und schließlich wie ein Teil der Teenager den Raum verließ und sich der Bildschirm wieder aufteilte. Ihm fielen einige ein, die er gerne mal wieder zusammen in Aktion sehen würde. Langsam erhob er sich. Am besten fing er gleich an. Sein Blick fiel auf sein Spiegelbild. Welches einen ausgemergelten Mann zeigte, dessen blasses Gesicht fast vollständig von einem wildwuchernden Bart und ungekämmten schwarzen Zottelhaaren verdeckt wurde. Seine Kleider waren vollkommen verdreckt und als er an sich roch bemerkte er den starken Gestank von Alkohol. Das einzige was noch an einen Gott erinnerte waren seine Augen. Pechschwarz und gleichzeitig vom Glühen der Unterwelt erfüllt. Hades seufzte, er nahm wohl besser erst mal ein Bad. Auf dem Weg umspielte ein verschlagenes Lächeln seine Lippen, die Zeit der Langeweile war nun endlich vorbei. „Das ist hoffentlich nicht dein ernst.“ Fassungslos sah sie Gabbi an „Ich muss doch irgendetwas tun!“ „Mach dir keine Sorgen, ich passe auf dich auf.“ Irgendwie war der Kater heute schlecht drauf. Wahrscheinlich ärgerte es ihn genauso sehr wie sie selbst, dass ihr Bruder einen Dämon ins Haus geschleppt hatte. Obwohl das trotzdem keine Erklärung dafür bot, dass er ihr nicht helfen wollte. „Und was ist mit Luca?“ „Er hat sie doch her gebracht.“ Erwiderte er schnippisch. „Das meine ich doch gar nicht!“ fuhr Sarah ihn an. „Dass sie ihm nichts tut ist mir klar. Aber was ist mit den Engeln?“ Der Kater legte den Kopf schief und sah sie nachdenklich an. „Ich weiß nicht welches Urteil sie fällen werden.“ Gab er schließlich zu. „Aber im schlimmsten Falle den Tod, oder? Und so, wie er sich verhält, werden sie ihn sicher umbringen.“ „Beruhige dich erst mal!“ Sagte der Kater ernst. „Es ist noch nichts entschieden worden. Und es bringt nichts, wenn du irgendetwas überstürzt.“ „Ich kann hier aber nicht einfach tatenlos rumsitzen und warten. Gabbi, gibt es denn wirklich gar nichts, was ich tun kann? Ich meine, wenn ich ihnen den Dämon ausliefere, würden sie dann davon absehen Luca zu bestrafen?“ Der Kater zögerte. „Vielleicht… Aber ich kann dir das wirklich nicht sagen, du müsstest mit einem hochrangigen Engel reden und das wäre im Moment viel zu gefährlich.“ „Das ist mir egal. Es geht um das Leben meines Bruders – Und auch, wenn er manchmal ein ziemlicher Idiot ist, hab ich ihn doch lieb. Also was muss ich tun?“ Sie stellte sich entschlossen vor den Kater. Egal was es war, sie würde es tun. „Gar nichts.“ „Was?!“ „Du hast mich schon verstanden.“ Erwiderte Gabbi, erhob sich in einer geschmeidigen Bewegung, sprang vom Bett und ging zur Tür. „Wärst du so freundlich?“ „Ich werde dir jetzt nicht aufmachen, das Gespräch ist noch nicht beendet.“ Sarah griff nach ihm. Der Kater fauchte laut auf und schlug nach ihrer Hand. „Au, spinnst du?“ mit der anderen Hand rieb sie sich über die feinen Kratzer. Wütend sah sie auf das Tier, welches in Angriffsposition vor ihr kauerte. Seine Nackenhaare standen zu Berge, die Augen blitzten vor Wut. „Du lässt mir ja keine andere Wahl. Also machst du nun auf?“ „Mach‘s doch selbst!“ Der schwarze Kater knurrte warnend, doch Sarah ignorierte ihn. Sie nahm sich ihr Buch, legte sich aufs Bett und tat so als würde sie lesen. Sie hörte, wie er gegen die Tür prallte und dann sanft auf dem Boden landete. Vier, fünfmal ging das so, dann erwischte er schließlich die Klinke, die Tür schwang einen Spalt auf, durch den er verschwand. Sarah legte das Buch weg, sie hatte eh nicht wirklich gelesen. Sie brodelte innerlich vor Wut. Sie hatte sich immer auf Gabbi verlassen können. Immer. Und jetzt wo sie so dringend seinen Rat brauchte ließ er sie hängen. Es war als bräche ihr der Boden unter den Füßen weg. Aber sie durfte sich nicht lange damit aufhalten. Sarah zwang sich selbst Gabbi zu vergessen, wenn er ihr nicht helfen wollte musste sie eben selbst einen Weg finden, mit einem hohen Engel Kontakt auf zu nehmen. Sie nahm sich einige Bücher aus dem Regal, ihre Kinderbibel, ein Märchenbuch und ihren Atlas, alle drei besaßen sie einen bunten Schutzumschlag. Ihre wertvollsten Bücher hatte sie in den Umschlägen versteckt, und sie war sich sicher in einem von ihnen mal etwas über Engelsbeschwörungen gelesen zu haben. Bisher hatte sie nicht verloren, und sie würde noch lange nicht aufgeben. Die schweren Flügeltüren der Kirche knallten auseinander als wogen sie nichts. Mit kräftigen Schritten kam eine deutlich genervte Frau herein. Ihr rotblondes Haar flatterte hinter ihr her, während sie auf die kleine Gruppe beim Altar zu schritt. Ihre Bernsteinaugen blitzten. „Wieso habt ihr mich gerufen Krieger?“ Das Gebäude erbebte unter ihrer zornigen Stimme, die Glieder ihres Kettenhemdes klirrten unter ihrem seidenen Waffenrock. Mit einem eindringlichen Blick sah sie jeden der drei Engel vor sich an. Die einzige Frau unter ihnen verbeugte sich kurz und murmelte eine Begrüßung. Gabriel, der mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt stand, erwiderte ihren Blick nur missmutig. Doch sie hatte auch nicht erwartet, dass er froh war sie zu sehen. Das war er nie. Der letzte im Bunde kam mit einem beschwichtigenden Lächeln auf sie zu und verbeugte sich leicht. „Ich fühle mich geehrt, dass ihr meiner Bitte nach gekommen seid, Hohe Gabriella. Ich weiß das -“ „Was wollt ihr Alexander?“ Sie hatte wichtigere Dinge zu tun, und auch keine Lust sich die falschen Schmeicheleien dieses Engels anzuhören. Zu oft hatte er schon ihre Zeit verschwendet. „Ein Dämon ist aufgetaucht, Gnädigste.“ Sie sah ihn mit einer hochgehobenen Augenbraue an. „Und deswegen ruft ihr mich? Wenn sich ein Dämon auf die Erde verirrt vernichtet ihn.“ Hin und wieder passierte es, dass sich einfache Dämonen auf die Erde verirrten. Eigentlich stellten sie keinerlei Gefahr da. Doch es war gefährlich sie wieder in die Unterwelt entkommen zu lassen. Im großen Krieg hatten die Engel die Erde gewonnen und die Dämonen von hier verbannt. Dafür hatten sie mit ihnen den Pakt geschlossen, dass sie die verbleibenden Dämonen in der Unterwelt in Frieden ließen. Ließen sie einen der verirrten Dämonen lebend wieder zurückkehren, so wäre es ein Zeichen ihrer Schwäche. Und gegenüber diesen Packs durfte man nicht die geringste Schwäche zeigen. „So einfach ist das nicht.“ „Ist er einer der Gefürchteten?“ Alexander verneinte. „Was ist es dann, sprecht endlich.“ verlangte sie. Der blonde Engel zögerte. „Es ist ihm peinlich.“ Ihr Blick wanderte zu Gabriel, als er sprach. „Er wurde heute besiegt, und kam nur knapp mit dem Leben davon.“ Gabriella unterdrückte ein Grinsen und sah den Krieger an, der wütend zu Gabriel rüber sah. „Ihr wurdet von einem einfachen Dämon besiegt?“ „Sie war nicht allein.“ verteidigte er sich. „Es war also eine Frau? Seltsam, dass eurer Charme bei ihr nicht gewirkt hat. Wie ich hörte liegen euch sonst alle weiblichen Wesen zu Füßen.“ Nun konnte sie sich doch kein Schmunzeln mehr verkneifen. Der sonst so stolze Alexander, von einer einfachen Dämonen Frau besiegt. „Aber wahrscheinlich war sie in Begleitung eines großen Kriegers. Wer war es?“ Sie vernahm ein leicht knurrendes Lachen und wieder besah Alexander Gabriel mit einem bösen Blick,. Der Junge sah amüsiert zu ihnen herüber. „Kein Krieger. Ein einfacher Mensch.“ berichtete er. „Zudem einer, der weder etwas für Magie noch für Kampfkunst übrig hat. Ein einfacher Teenager, der seinen Freunden gerne zusieht wenn sie anderen Streiche spielen.“ „Woher weißt du so viel über Luca?“ hakte Alexander nach. „Du hast mir seinen Namen genannt, denkst du etwa ich hätte mich nicht informiert? Erzähl du lieber, wie du dich von zwei unbewaffneten Teenagern hast besiegen lassen können!“ „Genug!“ Unterbrach Gabriella die beiden. „Ich verstehe langsam wieso ich gerufen wurde. Der Junge hat sich also auf die Seite des Dämons gestellt.“ Sie sah kurz zu Alexander, der ihr diese Annahme bestätigte. „Nun, dann werdet ihr ihn umbringen müssen. Und alle, die ihm und dem Dämon helfen ebenfalls.“ Kapitel 4: Zaubern für Dummies ------------------------------ Schon die ganze Nacht saßen sie über den Büchern. Grace hatte es sich auf Lucas Bett bequem gemacht, und er saß auf ein paar Kissen auf dem Boden. Langsam fiel es Luca schwer sich zu konzentrieren, immer wieder fielen ihm die Augen zu. Er musste jeden Satz drei Mal lesen, um die Worte zu verstehen. Der Inhalt war ihm schon lange ein Rätsel. Politik war noch nie seine Stärke gewesen, und besonders die der Engel und Dämonen war extrem kompliziert. Es gab die Seraphim, die Cherubim und die Throne, dazu die Gewalten, Herrschaften und Mächte. Dann gab es noch Fürstentümer und einfache Engel, sowie die Erzengel. Manchmal war auch die Rede von dem himmlischen Heer oder Schutzengeln. Ständig tauchten neue Namen auf, die er noch nie gehört hatte. Die einzige wenigen die ihm was sagten waren: Michael, Gabriel, Raphael und Ariel, die Erzengel, sowie Luzifer und Satan, die Anführer der Gefallenen. Aber selbst, wenn von diesen fünf berichtet wurde, waren sich die Quellen nicht einig: Mal war Michael ein einfacher, unbedeutender Engel, wenn nicht sogar der niedrigste im ganzen Himmel. Dann wiederum war er der Anführer der himmlischen Heerscharen und höchster Engel im Himmel. Bei Luzifer verhielt es sich ähnlich. Zunächst, wurde er gepriesen, als der weiseste und strahlenste Engel von allen, dann war er der Satan, die Wurzel allen Übels. Bei Gabriel konnte Luca nicht mal sagen, ob es Mann oder Frau war. „Das ergibt doch alles keinen Sinn!" entfuhr es Luca schließlich verzweifelt. Grace sah von ihrem Magie Ratgeber auf. „Was ergibt keinen Sinn?" „Die Hierarchie der Engel, die verschiedenen Machtverteilungen, das Gabriel mal Mann mal Frau ist, Ariel mal Uriel heißt und – einfach alles!" „Ok, fangen wir mit der Hierarchie an“, beschloss Grace. Sie drehte sich auf dem Bett so um, dass sie direkt hinter ihm lag und in sein Buch sehen konnte. Sie lehnte sich über Lucas Schulter und durchblätterte das Buch, bis sie eine Grafik mit den verschiedenen Engelschören gefunden hatte. „Also es gibt insgesamt neun Chöre“, begann sie zu erklären und deutete auf die neun Kästchen, die durch Pfeile mit einander verbunden waren. „Aber wirklich wichtig sind nur diese vier.“ Sie fuhr mit dem Finger über die vier obersten Kästen, von denen drei eine Pyramide bildeten. „Die Seraphim, Verwalter und Bürokraten, “ Sie deutete auf die Spitze des Dreiecks, „die Cherubim, Soldaten und Krieger “ Ihr Finger wanderte zu der rechten unteren Ecke des Dreiecks, „die Throne, Wissenschaftler und Gelehrte,“ Nun deutete sie auf die letzten Ecke des Dreiecks. „und die Erzengel, Herren der Elemente und die mächtigsten Engel.“ Sie deutete auf den letzten Kasten, der etwas abseits von den anderen abgebildet war. „Diese drei“, sie deutete auf die Pyramide aus Seraphim, Cherubim und Throne „stellen den großen Rat, das Pantheon, welches Gesetzte bestimmt und verabschiedet oder Kriege erklärt. Kontrolliert werden sie dabei von den Erzengeln, die ihre eigenen Taten aber ebenfalls vor dem Pantheon rechtfertigen müssen. Viele der schwächeren Cherubim und Throne sind sogar Erzengeln unterstellt. So auch der Engel, der uns angegriffen hat.“ „Also ist Direktor Stewart ein Cherubim?“, fragte Luca nach. „Cherub“, korrigierte Grace ihn. „Cherubim ist die Mehrzahl.“ „Ok, und wer hat ihn auf uns angesetzt? Welchem Erzengel untersteht er, wenn wir ihn…“ Grace schüttelte den Kopf, und unterbrach Luca. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass er direkt auf mich angesetzt wurde. Überall auf der Welt befinden sich Engel um uns zu bekämpfen – es war reiner Zufall, dass wir ihm begegnet sind. Jedoch, wird das ab jetzt anders sein.“ „Sie werden sich besprechen und uns dann jagen, richtig? Wenn sie es aber erst vor einen Rat bringen müssen und die Engel auch nur ähnliche politische Entscheidungsverfahren haben wie wir, dann haben wir noch genug Zeit, um uns etwas zu überlegen“, vermutete Luca, doch Grace schüttelte wieder den Kopf. „Nein, sie werden nur den Erzengel rufen, dem sie unterstellt sind, dieser wird dann die Entscheidung treffen, und sich erst später rechtfertigen.“ „Dann bleibt uns nicht viel Zeit. Irgendwo in diesen Büchern wird es doch stehen, wie wir uns schützen können!“ Luca sah sich um und überflog die Titel der Bücher, doch keiner schien entsprechende Informationen zu enthalten. „Vielleicht können wir auch irgendwie den Rat der Dämonen um Hilfe bitten, oder was auch immer ihr habt.“ Grace sah ihn verwirrt an. „Was meinst du?“ „Ihr müsst doch auch jemanden haben, der bei euch herrscht und alles regelt, oder? Was ist mit dem Teufel, Luzifer oder Satan, oder wie der heißt. Der kann uns doch sicher helfen.“ Erklärte Luca überzeugt, doch noch immer sah Grace ihn verwirrt an, und entgegnete schließlich. „Der Satan ist vor über 1000 Jahren besiegt worden“, erklärte sie. „Was? Aber, Dämonen sind doch unsterblich!“,gab Luca zu bedenken, und sah zu Grace auf. Sie lachte ihr Glocken helles Lachen. „Wir sind zwar bei weitem nicht so zerbrechlich, wie ihr Menschen, aber irgendwann sterben auch wir. Sogar Götter können verschwinden." „Und wie alt werdet ihr so?“, erkundigte sich Luca. „Nun, der älteste Dämon, den ich kenne, ist 656.553 Jahre alt.“ Luca schluckte. Das war verdammt alt, älter als ihre Zeitrechnung, sogar älter als die Pyramiden vielleicht sogar älter als die Spezies Mensch. Er konnte sich eine solche Zeitspanne nicht einmal vorstellen, geschweige denn, das jemand so lange lebte. Für ihn war das schon ziemlich unsterblich. Er fragte sich, wie dieser Dämon wohl aussah – ein abgemagerter, tattriger Faltenhaufen, in dem sich irgendwo ein paar Augen versteckten. Lucas Blick fiel auf Graces makellose, glatte Haut, ihre jugendlichen Züge und ihr weißes Haar. „Wie alt bist du eigentlich?“ „Ich bin erst 1568", antwortete sie und grinste ihn an. „Erst?“, schoss es Luca geschockt durch den Kopf, er hätte sie nie älter als 14 oder 15 geschätzt. „Hast du noch mehr Fragen?", erkundigte sie sich, und er versuchte die Gedanken an ihr Alter zu verdrängen. „Äh, ja!“, er überlegte schnell und sagte das erstbeste, das ihm in den Sinn kam: „Die Namen. Wie kommt es, das der Teufel, mal Luzifer und mal Santanel heißt? Oder Michael, Micha genannt wird, und sie so anders dargestellt werden“ Grace lachte. „Ist das nicht offensichtlich?“ „Inwiefern?“ „Es liegt an ihrer Geschichte – die hast du doch sicher schon mal gehört, immerhin verehrt ihr Menschen sie doch“, meinte Grace herablassend. „Nein, tun wir nicht – wir glauben an Gott und Jesus und so nen Kram. Außerdem sind die Geschichten in der Bibel nicht wahr – Menschen wurden nicht von Gott erschaffen, sie haben sich in einem evolutionären Prozess entwickelt“, stellte Luca klar. Grace zuckte nur mit den Schultern. „Wie auch immer. Einige sind jedenfalls passiert.“ „Ok, ok... Was hat es nun mit dem Teufel und Michael auf sich?“ „Luzifer war der erste Engel. Er galt als der schönste, mächtigste und weiseste Engel. Der strahlenste Stern am Himmel, der das Ende der Nacht ankündigte. Deswegen war er auch Gottes nächster Berater, quasi ein Regent des Himmels – sowie es Michael jetzt ist“, begann Grace zu erzählen. „Lass mich raten, das war er, bis er sich gegen Gott wandte?“, warf Luca ein. „Genau. Er wollte Gott vor dem Fehler bewahren, die Menschen zu mächtig zu machen.“ „Sekunde mal, war er nicht eigentlich zu eitel, und hielt sich für etwas besseres?“ „Er war etwas besseres – wenn man Menschen mit Engeln oder Dämonen vergleicht, dann schneiden sie ziemlich schlecht ab. Überleg doch mal, wie schnell ihr sterbt, wie sehr ihr von Gefühlen abhängig seit und was ihr mit der Welt anstellt – ihr seit auf dem besten Weg euch selbst zu vernichten.“ „Ich sehe nicht, wo ihr da besser sein sollt – schön ihr lebt länger, ihr besitzt magische Fähigkeiten. Aber ihr führt ebenso sinnlose Kriege und vernichtet euch selbst, zudem entwickelt ihr euch in keinster Weise weiter. Noch immer hängt ihr an Streitigkeiten fest, die tausende Jahre zurück liegen. Wir haben immerhin neue Konflikte“, erklärte Luca. Ihm gefiel es gar nicht als eine minderwertige Rasse bezeichnet zu werden. „Ich sehe nur, dass ihr immer brutaler werdet“, beendete Grace naserümpfend das Thema. „Soll ich nun weitererzählen?“ Luca nickte. „Wir waren an der Stelle, an der Gott Luzifer aus dem Himmel kickt.“ Grace lachte. „Das hat sie sich wohl nicht getraut. Es heißt, es hat eine ganze Weile gedauert, bis sie ihn hinaus werfen ließ.“ „Sie?“, meinte Luca zweifelnd. „Ja, wieso?“, fragte Grace verwirrt. „Nur so. Erzähl weiter, wieso hat es so lange gedauert?“ „Das weiß niemand so genau“, fuhr Grace fort. „Jedenfalls hat Luzifer die Zeit genutzt. Er hat sich viele Anhänger gesucht und sich gegen Gott gestellt. Zu der Zeit haben sie angefangen ihn Satanel zu nennen – das bedeutet etwa soviel wie Gottes Widersacher. Jedenfalls hatte er einen starken Rückhalt in den Engelscharen, und bei der Präsentation von Adam – nun, da hat er Gottes Thron gefordert. Das war der Punkt, an dem Gott beschloss ihn aus dem Himmel werfen zu lassen, als eine Art Warnung für alle, die so dachten wie er. Allerdings traute sich Gott nicht, ihm selbst gegenüber zu treten. Stattdessen suchte sie jemanden, der ihr treu war: Gabriels Bruder, den einfachen Cherub Micha. Ich versteh wirklich nicht, was in sie gefahren ist, dass sie dachte, ein Cherub könnte Luzifer besiegen – naja, nachdem Micha versagt hat, bettelte er um eine zweite Chance, und mehr Kräfte. Gott hatte wohl nicht viel Auswahl, denn sie gab fast göttliche Kräfte, erhob ihn zum höhsten Engel und schenkte ihm ein -el, um seine Verbindung zu ihr deutlich zu machen.“ „So wurde also aus Micha, Michael“, schloss Luca. „Und das – el in den Engelnamen, bringt also die Verbindung zu Gott zum Ausdruck. Ist es so wie ein Titel? Oder eine Auszeichnung?“ Grace überlegte einen Moment. „Hm, ja ich denke schon.“ „Gut. Wie ging es weiter? Luzifer ist noch kein Höllenfürst, also sind wir noch nicht am Ende.“ Grace nickte. „Stimmt. Also, Michael kämpfte erneut gegen Luzifer. Dieses mal mit neuen Kräften und einem ganzen Heer. Er schaffte es ihn aus dem Himmel zu vertreiben, jedoch nicht ihn umzubringen. Luzifer und seine Anhänger bauten sich in der Unterwelt ein neues Leben auf. Sie verbanden sich mit den Dämonen, und – zugeben – später auch mit Menschen, aber.... egal. Jedenfalls hat Gott ihnen das nicht gegönnt. Für alle Fehler, die die Menschen machten, machte Gott Luzifer verantwortlich. Und letzten Endes gab Gott nicht nur den Befehl, Luzifer zu vernichten, sondern auch jeden gefallenen Engel, Dämon und alle ihre Nachkommen.“ „Gott wollte euch also einfach vernichten...“, bemerkte Luca nachdenklich. aber wie hat sie es geschafft Luzifer zu besiegen, er hat doch sicher nicht kampflos aufgeben.“ „Natürlich nicht! Er hat uns in den Kampf geführt – Das war ganz schön hart für die Engel“, berichtete Grace. „Die Engel wurden zurück gedrängt, und wir wären fast in den Himmel eingefallen, doch dann...“, sie senkte den Blick. „Die Engel holten sich göttliche Hilfe: die Thiados. Eine so schreckliche Waffe, dass ich es nicht mal in Worte fassen kann. Während sie unser Heer in Schach hielten, schlichen sie sich vorbei und griffen Luzifer an. Er hat tapfer gekämpft, doch gegen die Thiados konnte selbst er nichts ausrichten. Sie vernichteten ihn, und darauf ging es mit uns bergab. Die Höllenfürsten verstrickten sich in Machtkämpfen, unsere Einheit war zerstört und die Engel hatten leichtes Spiel. Sie ermordeten über die Hälfte von uns, und sie hätten sicher auch den den Rest umgebracht, wenn sich Hades nicht für uns eingesetzt hätte.“ „Sekunde mal, Hades? Der wer-hat-meine-Haare-ausgepustet-Hades? Der griechische Todesgott?“, Luca konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Engel und Dämonen, ok, aber nun auch noch griechische Götter? Die Welt wurde immer absurder. Grace schüttelte den Kopf. „Er ist nicht der Totengott, sondern der Herr der Unterwelt“, erklärte sie. „Wie auch immer – er ist mächtig, stimmt's? Und er steht auf unserer Seite, vielleicht hilft er uns. Wie erreicht man ihn? Gibt es da ein bestimmtes Ritual, oder kann man einfach beten?“, begann Luca und hegte die Hoffnung, jemanden gefunden zu haben, der ihnen im Kampf zur Seite stand. Grace seufzte. „Du verstehst das nicht. Ja, er stand auf unserer Seite, aber ihm ging es nicht um uns, sondern um sein Reich, seine Macht. Es würde ihm aber nichts bringen, uns zu helfen. Im Gegenteil, er würde einen erneuten Krieg mit den Engeln riskieren.“ „Ok, was ist mit einem anderen Gott? Die Griechen hatten doch einen ganzen Haufen, oder?“, so leicht wollte Luca sich nicht geschlagen geben. „Die Götter sind fort, niemand weiß wohin sie sich verzogen haben. Es tut mir Leid, auf so etwas können wir nicht hoffen.“ Mitleidig sah sie Luca an. „Und was sollen wir deiner Meinung nach machen? Bücher lesen und darauf warten, dass sie uns umbringen?“, fragte Luca aufgebracht. Es frustrierte ihn, dass sie keine Lösung fanden. Sie brauchten einen Plan und zwar schnell, doch alles, was er verschlug schien unmöglich zu sein. „Nein, wir sollten Zauber suchen, um dieses Haus und deine Familie zu schützen. Wenn wir das getan haben, sollten wir versuchen, mit den Engeln zu verhandeln. Jeder hat seinen Preis, wir müssen ihren nur herausfinden“, erklärte Grace. „Und was wird dann aus dir?“, erkundigte sich Luca. „Ich verschwinde und schlage mich alleine durch. Das hatte ich von Anfang an vor.“ „Dafür bist du aber ziemlich schlecht vorbereitet“, bemerkte Luca. „Du hast keine Waffen, kannst nicht zaubern. Du hast doch niemals geplant hier zu landen, oder?“ Grace wich seinem Blick aus. „Ich wollte einfach nur weg, ich wusste nicht wohin die Tür führte...Also ja, ich habe es nicht geplant. Aber du irrst dich, wenn du glaubst ich könnte nicht zaubern.“ „Wieso hast du es dann nicht getan?“, fragte Luca. „Ich besitze keinerlei magische Gegenstände. Und es ist unmöglich ohne zu zaubern.“ „Alexander konnte ein Schwert aus dem Nichts zaubern“, entgegnete Luca trocken. „Du hast nur nicht richtig hingesehen! Er hat es nicht aus dem Nichts gezogen, er hatte einen Ring.“ „Er hat das Schwert aus einem Ring gezogen?“ Luca konnte sich das schwerlich vorstellen. Grace lachte. „Der Ring hat sich zu einem Schwert verformt. Das ist die Magie, die im innewohnt.“ „Achso... ja, vollkommen logisch.“ Luca kam das ganze noch immer recht seltsam vor, jedoch beschloss er keine Diskussion darüber zu starten, wie Magie funktionierte oder was sie überhaupt war. „Also müssen wir uns ebenfalls solche Ringe besorgen.“ „Nein, wir besorgen uns Amulette und Talismane – Dinge die Schutz bieten, nichts womit wir kämpfen“, meinte Grace bestimmt. „Und wenn diese Dinge nicht ausreichen? Was, wenn wir einen Schutzschild errichten und sie diesen durchdringen?“ Grace hatte keine Antwort für ihn. „Wir müssen uns im Kampf verteidigen können, und dazu brauchen wir Waffen. Du warst im Krieg, du kennst das“, fuhr Luca fort. „Ich war nie im Krieg“, entgegnete Grace. „Aber du hast doch -“ „Ich habe von einem Krieg erzählt, aber das heißt nicht, dass ich in ihm gekämpft hat. Ich war gerade mal 400 Jahre alt, ein Kind, das Glück hatte zu überleben“, erklärte sie. Luca setzte sich zu ihr. „Was ist passiert?“ „Wie schon gesagt, sind die Engel in die Unterwelt eingefallen, nachdem Luzifer tot war. Auf ihrem Weg überfielen sie viele Dörfer – so auch irgendwann meines. Es war mitten in der Nacht, als der erste Schrei uns weckte. Das flackernde Licht des Feuer erhellte unser Haus. Das Geräusch auf einander treffender Klingen und Todesschreie hallten durch die Nacht. Ich versteckte mich im Schrank, gerade, als unten die Tür aufgebrochen wurde. Ich hörte wie Jemand unser Haus betrat, wie meine Mutter schrie. Spürte das Beben, als die Flüche aufeinander prallten... aber es waren zu viele. Irgendwann verstummten die Schreie meiner Mutter und für einen Moment wurde es still im Haus. Dann kamen Schritte die Treppe hinauf. Ich hörte, wie sie die Zimmer durchsuchten. Schließlich kam einer von ihnen in mein Zimmer. Ich beobachtete ihn durch einen kleinen Spalt in der Tür. Er schien in der Dunkelheit zu strahlen. Seine langen, goldenen Haare waren zu einem kunstvollen Zopf geflochten, Seine weiße Rüstung schimmerte rot vom Blut seiner Opfer. Mit wachsamen Augen sah er sich um, bis er den Schrank entdeckte. Der stechende Blick seiner silbernen Augen bohrte sich meine. Ein schreckliches Lächeln verzerrte sein ebenmäßiges Gesicht. Als er langsam auf mich zukam, erhob er sein blutverschmiertes Schwert. »Komm raus«, sprach er. Seine stimme war dunkel, wohlklingend und irgendwie beruhigend. Doch sie troff von Mordgier. Ich drückte mich gegen die Schrankwand, versuchte soviel Abstand zu dem Engel aufzubauen wie nur möglich, doch er kam unaufhaltsam näher. Seine Hand auf der Klinke hielt er schließlich inne. Schreie hallten erneut durchs Haus. Befehle wurden gebrüllt, alle sollten nach unten kommen – ein Gefürchteter sei aufgetaucht. Der Engel vor mir zögerte einen Moment, dann sah er zu mir nieder. »Ich komme gleich wieder, also lauf nicht weg«, sagte er zu mit, ehe er hinaus eilte, seinen Kameraden zu Hilfe. Ich zitterte am ganzen Körper. Ich wusste, er würde wieder kommen, ich wusste, dass er mich umbringen würde, genauso wie sie meine Mutter umgebracht hatten. Es waren so viele, ich dachte nicht mal einer der Gefürchteten könnte sie besiegen. Ich brauchte ein neues Versteck, doch es gab keinen Ort, an dem sie mich nicht fänden. Also blieb ich im Schrank, ich zog mich in die hinterste Ecke zurück, wickelte mich in die dort liegenden Laken ein und wartete, darauf, dass der Kampf unten vorbei war und ich dran war. Irgendwann vernahm ich zum letzten mal, wie ein lebloser Körper zu Boden fiel. Dann waren da schleppende Schritte auf der Treppe und jemand, der mein Zimmer betrat. Ich hörte wir er alles durchwühlte, immer wieder fragte eine Stimme, wo ich sei. Es war nicht die Stimme des Engels, aber auch keine andere Stimme, die ich kannte. Also gab ich keinen Mucks von mir. Ich saß in der Ecke und rührte mich nicht. Jeden Muskel angespannt wartete ich darauf, dass der Fremde im Schrank nachsah. Als sich die Türen schließlich öffneten, war ich mit sicher, dass es mein Ende war. Doch als ich aufsah stand kein Engel vor. Ich sah in das blutverschmierte Gesicht eines Dämons, der mit seinem freundlichen Lächeln spitze Fangzähne offenbarte. Seine Augen hatte die Farbe von giftigem Grün, besaßen aber eine Güte und Wärme, wie ich sie selten bei jemanden gesehen habe. »Da bist du ja«, meinte er erleichtert, als er sah, dass ich wohl auf bin. »Komm, wir bringen dich hier raus. Jetzt wird alles gut.« Er hielt mir eine Hand hin, und ich fiel ihm weinend um den Hals. Ich war so froh, dass es vorbei war, dass ich in Sicherheit war und ich war traurig, weil ich wusste, dass meine Mutter es nicht geschafft hatte. Er hob mich hoch, und trug mich fort, weit ins Innere der Unterwelt, in eine der Haupstädte, danach sah ich ihn nie wieder. “ „Das tut mir leid“, Luca wusste nicht, was er sonst dazu sagen sollte. „Was geschah mit dir, nachdem er dich in die Stadt gebracht hat?“ „Er hatte mich in die Obhut Malas gegeben, einer Anhängerin Mammons. Sie zog mit mir in das Land ihres Herrn, kaum dass der Pakt mit den Engeln geschlossen war.“, berichtete Grace. „Mammon?“ Luca kannte das Wort nur aus Sprichwörtern wie „schnöder Mammon“, und wusste, dass es eine herablassende Bezeichnung für Geld war. Aber er vermutete, das Grace hier etwas anderes meinte. „Er ist einer der Höllenfürsten, die einst die engsten Verbündeten Luzifers waren. Sie waren seine ersten, und wahrscheinlich auch mächtigsten Anhänger, deswegen nennen einige sie auch die 7 Satane. Sie sind ein sündhaftes und verruchtes Pack, das nur an sein eigenes Wohl denkt. Unter Luzifer haben sie zusammen gearbeitet, doch danach zerstritten sie sich. Jeder wollte Luzifers Platz einnehmen, noch immer kämpfen sie darum“, erklärte Grace. „Mammon ist ein habgieriger Dämon, dessen einziges Ziel es ist, sich zu bereichern. Er absolut skrupellos, das einzige, was für ihn zählt sind Reichtum und Wohlstand“, erklärte Grace. „Wer sind die anderen Fürsten?“, fragte Luca. „Nun, die restlichen regierenden sind Beelzebub, Asmodeus, Balbero, Leviathan und Astharoth. Der siebte ist kurz nach Luzifers Fall verschwunden. Einige sagen, er habe sich selbst umgebracht, andere behaupten er sei verrückt geworden, und sei noch immer, irgendwo in den Untiefen der Hölle, auf der suche nach seinem Herrn.“ Luca lief es kalt den Rücken hinunter. „Wer ist er?“ Grace zuckte die Schultern. „Ich kenne seinen Namen nicht. Er war anders, als die restlichen sechs. Er suchte sich keine Anhänger, hat nie versucht sich eine eigene Herrschaft aufzubauen. Er war kein Fürst, sondern Diener.“ „Er hat also den Tod seines Meisters nicht ertragen“, mutmaßte Luca. Irgendwie tat er ihm Leid, auch wenn er das ungute Gefühl, dass er beim Gedanken an dieses Dämon hatte nicht loswurde. „Nun, Luzifers Tod hat uns allen zugesetzt“, erklärte Grace. „Aber jetzt, sollten wir uns um die Engel kümmern. Am besten fängst du mit diesem Buch an, hier findest du sicher Zauber, die du zur Verteidigung anwenden kannst.“ Sie reichte Luca ein Buch mit qietschgelben Einband und dem Foto eines alten, hakennasigen Mannes mit Spitzhut und Halbmondbrille darauf: Zaubern für Dummies. Beleidigt sah Luca das Buch an, nahm es jedoch ohne Widerworte entgegen, schlug es auf und begann grummelnd zu lesen: „Als erstes muss wohl klargestellt werden, dass Magie zu komplex ist, als dass man sie in ihren vollen Umfang erklären geschweige denn erfassen könne. Deswegen muss gesagt werden, dass dieses Buch nur einen kleinen Einblick in die Grundlagen gibt und nur Zauber behandelt, die jeder einsetzten -“ Luca beschloss die Einführung zu überschlagen und direkt die interessanteres Dinge zu lesen. „Alle? Das bedeutet wir müssen die gesamte Familie umbringen." Die Stimme des jungen Engels zitterte und Alexander lief bei so viel Mordlust ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Dieses Balg konnte um einiges gruseliger sein, als so mancher Dämon, den er bisher bekämpft hatte. „Aber das können wir nicht tun!" rief Isabelle dazwischen. „Wir haben die Pflicht die Menschen zu beschützen – seine Familie ist doch vollkommen unschuldig. Oder Alexander?" Er wich dem Blick der großen bronzenen Augen aus. Eigentlich war es ihre Pflicht, aber nachdem was Bailay ihm angetan hatte war es ihm egal, ob unschuldige für seine Rache bezahlen mussten. Luca hatte ihn zu einer Witzfigur gemacht, das konnte Alexander nicht hinnehmen. „Ist es so,... Alexander?" fragte der hohe Engel mit ruhiger Stimme nach. „Ist die Familie des Jungen unschuldig?" Alexander ballte die Hände zu Fäusten. „Sie haben ihr Unterschlupf gewährt“, antwortete er knapp, er konnte den ungläubigen Blick von Isabelle auf sich spüren. Der junge Engel wandte sich geschockt an Gabriella: „Schon! Aber ich bin mir sicher die Familie weiß nicht... Sie sind doch einfache Menschen, wir haben den Auftrag sie zu beschützen." Hilfesuchend sah sie sich um. Aber es half nichts, Alexander wollte seine Rache. Wenn sie auf die Familie Rücksicht nehmen mussten würde es nur Komplikationen geben. „Wir sollen sie beschützen... so lange sie keine Gefahr für uns darstellen." Der schwarzhaarige sah Isabelle kalt an. Und Alexander konnte nicht sagen, was in dem Kopf des Jungen vorging. „Das bedeutet, so lange sie sich an die Gesetze halten." „Aber sie stellen keine Gefahr dar! Ich bitte Euch!" damit wandte sich Isabelle wieder direkt an den hohen Engel. „Lasst Gnade walten! Sie wissen nicht, was sie getan haben. Luca und der Dämon benutzen sie nur... sie haben nichts Unrechtes getan." „Noch nicht! Aber, letzten Endes werden sie Luca unterstützen – sie werden sich gegen uns stellen! Außerdem“, fuhr Alexander fort. „ wäre ich mir nicht so sicher, dass sie nur einfache Menschen sind. Das Mädchen weiß viel über uns. Es würde mich doch sehr wundern, wenn sie den Dämon nicht durchschaut." „Und woher beziehst du dieses Wissen?" Gabriel fixierte Alexander mit seinen ungewöhnlichen Goldaugen. Der ehemalige Rektor schenkte ihm sein schönstes Lächeln, doch geriet es mehr zu einer bösartigen Fratze. „An der Schule war es weltbekannt, dass Lucas kleine Schwester Sarah verrückt sei. Sie glaube an Engel, hieß es, und könne angeblich sogar zaubern. Ich ging den Gerüchten nach, und fand heraus, dass sie gar nicht so verrückt war. Aus den Dingen, die sie erzählt lässt sich schließen, dass sie umfangreiche Kenntnisse sowohl über unsere Geschichte, unsere Hierarchie und unsere Gesetzte, als auch unsere Fähigkeiten hat. Zudem scheint ihr Wissen über die Dämonen ähnlich genau zu sein." „Das ist weder ein Verbrechen, noch muss es stimmen. Viele Forscher der Menschen kommen der Wahrheit mittlerweile sehr nahe. Im Internet findet man haufenweise Informationen über uns, sie kann also auch genau so viel Unsinn über uns denken – was machen da schon ein paar Glückstreffer aus? Sie ist nichts weiter als ein kleines Mädchen, und da willst du sie als eine große Gefahr darstellen? Vielleicht solltest du die Finger von diesem Auftrag lassen, du scheinst nicht ganz Herr deiner Sinne zu sein." „Sie hat die Informationen nicht aus dem Internet!" Alexander brüllte fast vor Wut. „Ich habe sie selbst bei Hic et Illic gesehen." Alles war still. Es schien als würden die Engel den Atem anhalten. Triumphierend sah Alexander sich um. Jetzt würde Gabriella keine andere Wahl haben, als ihnen den Befehl zum direkten Angriff zu geben. Sie würde sie zum Haus der Bailays schicken müssen, um die Familie und den Dämon ohne weiter Umschweife zu töten. „Dann ist die Situation ernster als gedacht." Der Hohe Engel richtete sich auf, und sah jeden Einzelnen ernst aus ihren Bernsteinaugen an. „Sowohl der Dämon, als auch das Mädchen verfügen über Informationen über uns. Zudem wissen wir nicht, was sie bei Hic et Hillic gekauft hat – auch wenn sich Argyris an unsere Gesetze hält, schafft er es nicht Frevolus davon abzuhalten verbotene Zauber und Waffen zu verkaufen. Wir wissen also nicht, womit wir es zu tun bekommen. Deswegen seid besonders Vorsichtig." Ein Lächeln schlich sich auf Alexanders Züge. Alles lief nach Plan. „Ihr werdet zu ihrem Haus gehen, ihr werdet sie alle, einen nach dem anderen Töten, und dann werdet ihr alles Vernichten, das aus Hic et Illic stammt. Alles, was Informationen über uns oder Magie enthält“, fuhr Gabriella fort. „Brennt von mir aus alles aus, lasst es wie einen tragischen Unfall aussehen. Aber sorgt dafür, dass sie das Tageslicht nie wieder erblicken." Diese Frau konnte genau so dämonisch wie engelhaft sein. Sie war einer der schönsten Engel im Himmel; und einer der grausamsten. Unter den Menschen war sie bekannt als der Engel der Gnade und der Verkündigung. Doch sie kannte weder Gnade, noch Güte. Sie war eine Kriegerin, durch und durch, sie verfügte über die Macht eines Gottes, wie alle Erzengel. Vielleicht lag es daran, dass sie nur wenig Verständnis für die Schwäche anderer zeigte. „Ich erwarte von euch, dass ihr erfolgreich seid – Wagt es nicht noch einmal zu versagen." bei den letzten Worten schaute sie Alexander direkt an. Und seine Wut auf Luca stieg erneut ihn ihm hoch. „Keine Sorge, dieses mal, sind wir auf das schlimmste vorbereitet." versprach er ihr. „Nun, denn, worauf wartet ihr noch? Geht!" befahl sie ihnen. Die drei Krieger verbeugten sich und gingen. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit bis zum Morgengrauen. Mittlerweile war es schon fast Morgen. Luca saß schon lange nicht mehr an sein Bett gelehnt, sondern lag rücklings auf dem Boden, das reich illustrierte Zauberbuch vors Gesicht haltend und müde durchblätternd. Auch wenn ihm das Buch am Anfang nicht zugesagt hatte – immerhin war er kein Dummie! - fand er es nun einfach genial. Obwohl er die Seiten nur kurz überflog und nicht mal mehr die Hälfte von dem dort geschriebenen las, hatte er das Gefühl einen ausreichenden Überblick über seine Möglichkeiten zu bekommen. Kurzum gab es zwei große Arten von Magie, die Gegenstandsmagie und die reine Magie. An sich war die reine Magie für Luca nicht interessant. Es war eine nicht besonders verbreitete Magie, die nur von bestimmten Ausnahmen angewandt werden konnten. Dies waren im großen und ganzen die Götter, sowie Erzengel und einige wenige Dämonen, die als Gefürchtete bezeichnet wurden. Es war die Gabe ganz ohne Hilfsmittel Zauber zu wirken. Es gab Berichte, nach denen nicht einmal ein Spruch oder eine Beschwörung von Nöten sei. Der Anwender konnte die magischen Elemente völlig frei nach seinen Vorstellungen beeinflussen. Beschwörungen gehörten, zu Lucas Verwunderung nicht zur reinen Magie, begründet wurde es dadurch, dass man für sie zumindest etwas Brauchte, das man beschwören konnte. Dadurch seien sie immer mit einem Gegenstand verknüpft. Trotzdem fand Luca gerade diese besonders interessant. Es war etwas, das jeder anwenden konnte und fand vor allem Verwendung zur Beschwörung von Waffen. Luca dachte an den Ring von Direktor Steward. Er hatte gelesen, dass es nicht nur Schwerter sondern jegliche Art von Waffen gab, sogar moderne. Hätte er eine Pistole könnte er sich gegen die Engel verteidigen. Er war kein schlechter Schütze, auch wenn er noch nie mit einer echten Waffe, geschweige denn auf etwas lebendiges geschossen hatte. Die einzigen Schießübungen, die er hatten bezogen sich auf die Luftpistolen, mit denen er und sein Kumpel Henry oft auf Ziele schossen. Aber das war schon mal etwas, und der Realität gar nicht so unähnlich. Langsam senkte er das Buch auf sein Gesicht, es war zu anstrengend es länger in die Höhe zu halten. „Das hat doch alles keinen Sinn.“ Dieses Mal war es nicht Luca, der kurz vor der Verzweiflung stand, sondern Grace. „Was ist denn?“, fragte Luca, seine Stimme wurde von dem Buch leicht gedämpft. „Ich finde nichts, das uns helfen könnte“, erklärte Grace. „Hm… ich bin immer noch für Waffen“, brummte Luca in das Buch. „Was bringen einem Waffen, mit denen man nicht umgehen kann?“, konterte sie. „Ich habe schon mit Schwertern gekämpft, aber ich bin keine Meisterin. Und du hattest noch nie eines in der Hand, oder?“ Luca zog das Buch von seinem Gesicht, und sah zu ihr auf. „Es gibt auch andere Waffen. Gewehre und Pistolen. Die haben sogar ziemlich coole Extras, schau mal.“ Er blätterte in dem Buch, bis er eine Seite mit Bildern fand, in denen verschiedene Patronenarten gezeigt wurden. Es waren Bilder, in denen die Opfer mit flüssiger Lava überzogen wurden, durch feine Schnüre gefesselt, von Wasser fortgespült, oder durch grelles Licht geblendet wurden. Grace rümpfte die Nase: „Auf so bestialische Dinge kommt auch nur ihr Menschen.“ Und das von einem Dämon, schoss es Luca durch den Kopf. „Außerdem“, fuhr Grace fort, „Kannst du mit solchen Waffen sicher umgehen? Nachher fesselst du dich noch selbst. “ „Ich bin gar nicht so schlecht im Schießen“, entgegnete Luca leicht beleidigt. Verschwieg jedoch, dass es sich nur auf Luftgewehre bezog. „Gar nicht so schlecht, also. Du denkst das reicht für die Engel?“, Grace schien noch immer skeptisch zu sein. „Ich halte davon wenig, aber du musst wissen, wie du dich verteidigen willst. Trotzdem sollten wir etwas suchen, womit wir verhandeln können.“ „Und was machen wir, bis wir etwas gefunden haben? Die Engel warten bestimmt nicht“, erinnerte Luca sie. „Wir besorgen uns Amulette und einfache Talismane. Das verschafft uns die Zeit, die wir brauchen. Das einzige Problem ist, dass wir dazu Hic et Illic finden müssen.“ Irgendetwas klingelte bei dem Namen, Luca wusste nur noch nicht, was genau. War es etwas, dass er in „Zaubern für Dummies“ gelesen hatte, oder etwas, das Sarah erzählt hatte? „Ist das nicht irgendein Zauberladen?“, fragte Luca nach. „Genau“, bestätigte Grace. „Es ist der einzige richtige Zauberladen. Und hat alles.“ „Bei unserem Glück befindet der sich sicher nicht in unserer Nähe – befindet er sich wenigstens in den USA?“, fragte Luca, über überlegte, was er machen sollte wenn der Laden sich in einem anderen Staat oder, im schlimmsten Falle, Kontinent befand. „Er ist einmalig, aber man kann ihn aus jeder Stadt erreichen“, erklärte Grace. Das Klang für Luca nicht gerade logisch, aber das tat mittlerweile gar nicht mehr. „Also müssen wir ihn nur suchen. Ich bin mit Sarah schon in einigen okulten Läden gewesen, einer von denen wird das doch sicher sein.“ „Man kann ihn nicht einfach finden, man muss zuerst seine Adresse herausfinden.“ „Bitte sag mir, dass wir sie googlen können“, bat Luca hatte jedoch keine all zu großen Hoffnungen. „Ich bezweifle, dass der Laden so modern ist... abgesehen davon, dass es sicher zu gefährlich wäre im Internet zu stehen. Sie verkaufen zwar an alle, aber Menschen sollen normalerweise keine Magie be-“ Das Haus erbebte, Bücher fielen aus Lucas Regal und die Fenster klirrten in ihren Rahmen. „War das ein Erdbeben?“, schoss es Luca durch den Kopf. Doch dann sah er das angstverzerrte Gesicht von Grace, und Unbehagen machte sich in ihm breit. Nein, das war etwas viel schlimmeres. Ein schriller Schrei ertönte, der prompt von lautem Poltern überdeckt wurde. Luca erkannte die Stimme seiner Schwester. „Sarah!“ Ohne weiter nachzudenken, sprang Luca hoch und rannte stolpernd aus dem Zimmer. „Luca warte!“ rief Grace ihm nach, doch Luca reagierte nicht, er musste so schnell wie möglich zu seiner Schwester. Immer wieder musste er sich an der Wand abstützen und kam nur langsam voran, da die Erschütterungen des Bodens zu stark waren um sicher gehen zu können. Von unten hörte er die besorgte Stimme seiner Mutter. „Sarah! Luca! Geht es euch gut?“ Am oberen Treppenabsatz hielt er an, und schaute hinunter in das weiße Gesicht seiner Mutter. „Uns geht’s gut!“ „Wir müssen runter in den Keller, da ist es am sichersten!“ rief sie ihm über das Poltern weiterer, herunter fallender Bücher und Bilder zu. Und versuchte die Stufen zu erklimmen. „Ja, aber bleib unten! Ich geh und hol Sarah!“ brüllte Luca. Er wollte nicht, dass sie auch noch mit hinein gezogen wurde. Wieso griffen sie jetzt schon an? Hatten sie es nicht erst mit einem höheren Engel besprechen müssen? Hatte dieser sie so schnell verurteilt? Wieder erzitterte das Haus. Dieses mal heftiger, so das Luca sich an der Wand festklammern musste um nicht zu stürzen. Geschockt sah er an, wie seine Mutter auf der Stufe abrutschte und nach unten Glitt. „Mum!“ er wollte die Treppe hinunter eilen, doch jemand hielt in an der Schulter zurück. Er drehte sich um und sah in die bronzenen Augen von Grace. Obwohl der Boden noch immer bebte und wackelte, stand sie vollkommen sicher vor ihm, so als wäre nichts. „Ich helfe deiner Mutter, hol du deine Schwester!“ Mit diesen Worten schritt sie an ihm vorbei und die Treppe hinunter. Er sah dabei zu, wie sie seiner Mutter aufhilft, scheinbar schien es ihr gut zu gehen. Luca atmete einmal tief durch. Wenn Grace bei seiner Mutter war brauchte er sich keine Sorgen mehr um sie zu machen. Er stieß sich von der Wand weg und setzte seinen weg vor. „Sarah!“ rief er, als er nur noch einen Meter von ihrer Tür entfernt war, doch es kam keine Antwort. Voller Angst stieß er die Tür auf. Seine kleine Schwester saß, die Hände über den Ohren am Boden. Um sie herum ein Meer aus Büchern. „Sarah!“ Luca stürzte auf sie zu, drehte sie zu sich um und zog ihre Hände von den Ohren weg. „Geht es dir gut? Bist du verletzt?“ Langsam schüttelte sie den Kopf. Panik lag in ihren haselnussbraunen Augen. „Sie sind hier!“, flüsterte sie beinahe ehrfurchtsvoll. „Ich habe sie gesehen. Sie sind draußen und greifen uns an... Sie werden uns umbringen, nur wegen ihr!“ Die letzten Worte schrie sie heraus, Tränen standen ihr in den Augen und sie schlug Luca kräftig gegen die Brust. „Wieso musstest du sie herbringen?“ Luca wich schuldbewusst ihrem Blick aus. „Weil sie Hilfe brauchte.“ „Du und deine verdammte Hilfsbereitschaft. Sollen wir deswegen wirklich sterben?“ Dicke Tränen kullerten über ihre Wangen. Luca ertrug den Anblick nicht und zog sie in seine Arme. „Du wirst nicht sterben, und Mum auch nicht. Das verspreche ich dir“, erzählte er ihr ruhig. „Grace und ich finden eine Möglichkeit mit ihnen zu verhandeln, jeder hat seinen Preis, weißt du?“ „Das einzige, was sie wollen ist Graces Tod – wenn du sie ihnen auslieferst, würden sie uns vielleicht verschonen... Willst du immer noch mit ihnen verhandeln?“, fragte Sarah. Luca schluckte. Er würde niemals das Leben eines anderen in Gefahr bringen – zumindest nicht bewusst. Einen Moment schwieg er. „Es muss einen anderen Weg geben.... mit irgendetwas müssen wir sie bekämpfen können.“ Verzweifelt sah er sich um. Sarah befreite sich aus seiner Umarmung, und wischte sich die Tränen weg. „Du kannst nicht gegen sie kämpfen! Das wäre unser Ende“, schrie sie. „Wieso stellst du ihr Leben über unseres?“ „Weil sie den Tod genauso wenig verdient wie du und ich.“ „Aber sie ist ein Dämon! Das Böse, die absolute Abwesenheit allen Gutens! Wenn ihr Tod unser Leben rettet, wie kannst du da so etwas sagen?“ Wütend sah Sarah ihn an, und dieses Mal wich Luca ihrem Blick nicht aus. „Nur weil sie ein Dämon ist, ist sie nicht böse. Außerdem, ich habe die Geschichte dieses Krieges gehört. Die Dämonen sind nicht böse, sie sind die Opfer. Vertriebene, die nach einem Ort zum Leben suchen.“ Sarah wollte ihm widersprechen, doch er ließ sie nicht. „Ich werde niemanden ans Messer liefern“, erklärte er entschieden. Sein Blick fiel auf ein paar von Sarahs Steinen, die zwischen den Büchern am Boden lagen. Es waren ein brauner und ein roter Edelstein, die als Dekoration auf Sarahs Nachtisch gelegen hatten. Luca hatte ihnen vorher nie eine größere Bedeutung beimessen, bis jetzt. Vorsichtig streckte er die Hand aus und sammelte die Steine auf. Sie lösten ein leichtes Kribbeln auf seiner Haut aus. Er war sich sicher, es waren die selben Steine, die er in „Zaubern für Dummies“ gesehen hatte. Magische Talismane, die einem elementare Zauber ermöglichten. „Was hast du vor?“ fragte Sarah alarmiert, als sie sah was ihr Bruder tat. Langsam richtete Luca sich auf und steckte die Steine in seine Tasche: „Ich werde das wieder in Ordnung bringen. Geh du nach unten zu Mum und Grace“, wies er sie an und machte sich auf den Weg zum Dachboden. Es war ein beschwerlicher Weg, da das Haus immer noch unter den Angriffen der Engel litt. Wieso kamen sie nicht herein? Schoss es ihm durch den Kopf. „Ich komme mit!“ Luca drehte sich zu Sarah um, sie umklammerte einen Ring, in den ein großer, weißer, fast farbloser Kristall eingefasst war. Der schwarzhaarige wollte sie wegschicken, doch dann bemerkte er den entschlossenen Ausdruck in ihren Augen. „Ok. Aber bleib dicht hinter mir.“ Langsam erkämpften sie sich den Weg zum Dachboden und zu einer Luke, die direkt auf das Dach führte. Langsam zog er sich durch das Loch nach oben, und setzte sich auf den Rahmen. Der Wind peitschte ihm uns Gesicht und schwere Regentropfen fielen auf ihn nieder. Er schaute hoch, in den von dunklen Wolken überzogenen Himmel, hinter denen es blau und rot blitzte. Nur ab und zu waren die Silhouetten der großen, geflügelten Engel zu sehen. Ein lautes Donnern, das das Haus erzittern ließ ertönte, gefolgt von einem besonders grellen Blitz. Luca hatte Schwierigkeiten sich auf dem Dach zu halten. Er klammerte sich mit einer Hand an den oberen Fensterrahmen fest, und hielt seiner Schwester die andere hin um sie ebenfalls herauf zu ziehen. „Pass auf, es ist rutschig!“, warnte er sie. Vorsichtig setzte sich Sarah ihm gegenüber, und schaute ebenfalls hoch zum Himmeln. „Wieso greifen sie nicht an?“ „Keine Ahnung – aber wir sollten uns beeilen, bevor sie es doch noch tun“, entschied Luca, und versuchte die Steine aus seiner Tasche zu ziehen. Erneutes Donnern, erneutes Blitzen und wieder wurde das Haus in seinen Grundfesten erschüttert, so das Luca die Steine fast fallen ließ. „So bringt das nichts!“, entgegnete Sarah, die mittlerweile kreidebleich war. „Wir brauchen einen sichereren Stand.“ „Und wo sollen wir den her kriegen?“, blaffte Luca sie an. Sie waren bis auf die Knochen durchgeweicht, saßen auf dem Dach eines Hauses, das jeden Moment unter dem ständigen Beben zusammen brechen konnte. Und seine Schwester wollte einen sicheren Stand haben, ehe sie die Engel angriffen, die sie umbringen wollten. „Wie wäre es mit der Garage?“ Sie deutete auf das flache Dach der Garage, das einige Meter unter ihnen war. Luca besah es sich unsicher. Besser als ihr momentaner Standort war es allemal. Nur mussten sie zuerst einige Meter das Dach hinunter, und dann mussten sie immer noch einen halben Meter überwinden, ehe sie das Dach erreichten. Zudem, befand es sich nicht direkt unter ihnen, sondern etwas weiter rechts. „Wenn wir uns schräg nach unten rutschen lassen müssten wir es erreichen“, meinte Sarah, und begann schon ganz aus der Luke zu klettern. „Warte!“ Luca hielt sie am Arm auf, über ihnen blitze es erneut unheilvoll. „Ich hab einen Plan“, erklärte er, und hoffte, dass es funktionieren würde. „Nur noch ein Stück.“ versuchte Grace Meredith anzuspornen, welche kurz nickte. Lucas Mutter hatte sich beim Sturz von der Treppe den Knöchel umgeknickt, und konnte nun nicht auftreten. Sie hatte einen Arm um Graces Schultern gelegt und wurde von der jungen Dämonin gestützt. Sie hatten sich bis in den Keller vorgearbeitet, es wäre schneller gegangen, wenn Grace sich nicht verstellt hätte. Aber es reichte schon, dass sie Luca und Sarah in alles mit hineingezogen, da musste sie ihre Mutter nicht auch noch in Gefahr bringen. Nein, es war besser, wenn sie nicht ahnte, was Grace war. Grace brachte Meredith gerade hinüber zu ein paar Kisten, auf welche sie sich setzten konnte. „Danke.“ brachte sie hervor. Der Boden bebte, so das der Staub von er Decke rieselte. Die Frau sah nach oben, Besorgnis spiegelte sich in ihren blauen Augen wieder. „Wo bleiben sie nur so lange?“ fragte sie leise. „Ich weiß es nicht...“ entgegnete Grace. „Aber es geht ihnen sicher gut.“ versicherte sie ihr. Doch sie fragte sich ebenfalls, wo Luca blieb. Sie verfluchte sich selbst dafür, dass sie nicht bei ihm geblieben war. Aber es war nicht anders gegangen. Lucas Mutter hatte Hilfe gebraucht, und Sarah hätte ihr nie vertraut. Grace hoffte inständig, dass Luca nichts dummes oder waghalsiges tat. „Ich sollte nach ihnen sehen!“ Meredith versuchte sich wieder aufzurichten, doch kaum belastete sie ihren Fuß fiel sie in sich zusammen vor Schmerz. Es hatte auch sein Gutes, dachte Gace bei sich, denn so begegnete sie immerhin nicht Engeln. „Es ist besser wenn du hier bleibst, Luca und Sarah schaffen das sicherlich!“ versicherte sie ihr noch einmal. Doch am liebsten wäre Grace sofort zu ihnen nach oben gerannt. „Vielleicht...“ begann Meredith. Seine kleine Schwester baumelte einige Meter über der Dachkante, von der aus es mindestens drei Meter in die Tiefe ging. Würde sie fallen war es ihr sicherer Tod. Luca hatte ein mulmiges Gefühl, während er sie festhielt und versuchte sie in Richtung Vorsprung zu pendeln. Er selbst hing ebenfalls an der unteren Fensterkante, und wenn er abrutschte würden sie beide fallen. Sein Plan war es, sie an einem Punkt los zu lassen, an dem sie sicher auf dem Garagendach landen würde. Wie genau er dort hinkommen wollte wusste er noch nicht. Der Regen prasselte auf sie hernieder, während Sarah versuchte weiter rechts halt zu finden, um sich von dort aus langsam hinunter zu lassen. Luca spürte die Vibrationen des Hauses in seinem ganzen Körper. Noch immer griffen die Engel sie nicht direkt an, obwohl sie sie schon längst hätten bemerken müssen. Plötzlich fand Sarah halt. „Ok, ich bin bereit!“ rief sie ihm zu. „Gut... Bist du sicher? Dann lasse ich jetzt los.“ antwortete er, und würde sie am liebsten weiter festhalten, auch wenn er sah, dass sie scheinbar wirklich festen halt, genau über dem Garagendach gefunden hatte. „Ja! Lass los.“ rief sie. Luca schloss die Augen und nahm all seine Willenskraft zusammen, so dass ihre Hand langsam der seinen entglitt. Es war ein schrecklich endgültiges Gefühl das sein Herz zum rasen brachte. „Bitte, bitte lass sie sicher landen!“ betete er, ohne zu wissen zu wem er betete. Er hörte das Glitschen, als Sarah langsam das Dach hinunter rutschte, kurz danach hörte er einen dumpfen Aufschlag. Er zwang sich, die Augen zu öffnen und den Kopf zu drehen. „Alles ok!“ erreichte ihn das Rufen seiner Schwester. „Nun du!“ „Alles klar!“ antwortete er, ehe er noch einmal tief durchatmete und mit seiner freien Hand nach Halt zwischen den nassen Dachziegeln suchte. Immer wieder rutschte er ab und hatte das Gefühl zufallen, doch mit seiner linken Hand war er fest verankert. Dann endlich hatte er mit seiner anderen Hand Halt gefunden, so dass er sich hinüber schwingen und sich aufs Garagendach gleiten lassen konnte. Er löste seine linkte Hand vorsichtig von dem Fensterrahmen. Er konnte sich rechts halten. Einen Finger, nach den anderen löste er links, falls er doch noch rutschen sollte. Es schien sicher. Er ließ ganz los, und in dem Moment wurde das Haus so erschüttert, dass seine recht Hand verrutschte. Panisch griff er nach dem Fenster, doch es war zu spät. Er hörte den geschockten Schrei seiner Schwester, versuchte verzweifelt padellnd Halt zu finden, doch es gelang ihm nicht. Immer weiter, und immer schneller rutschte er Richtung Abgrund. Ein Schrei löste sich aus seiner Kehle, als die Kante des Daches immer Näher rückte. Er hatte nur noch eine Chance. Seine Beine rutschten über die Kante hinüber ins Nichts, sein Körper folgte unwiederruflich. Und dann im letzten Moment bekam er die Regenrinne zu fassen. Lange würde diese sein Gewicht nicht tragen, das war Luca klar. Doch vielleicht würde die Zeit reichen, um einen sicheren Stand zu bekommen, irgendwo, irgendwie. Er durfte nicht aufgeben. Er sah sich um, und bemerkte das entsetzte Gesicht seiner Schwester. „Es ist alles Ok! Mach dir keine Sorgen, es läuft wie geplant!“ log er, und versuchte ein Lächeln. Welches ihm jedoch nicht besonders gut geling, denn sie sah nun noch blasser aus als vorher. Er sah sich um, ob es irgendwo etwas anderes, etwas stabilere gab, was er greifen konnte, doch er fand nichts. Die Regenrinne schnitt in seine Finger, und er musste sich konzentrieren um nicht vor Schmerz einfach los zulassen. „Reiß dich zusammen!“ sagte er sich selbst. „Du kommst hier raus!“ redete er sich ein. Er schaute hinüber zu der Garage, sie war ein, vielleicht zwei Meter entfernt, aber nicht mehr. Er nahm den letzten Rest Mut zusammen und begann sich die Regenrinne entlang zu hangeln. Stück für Stück, ganz langsam und vorsichtig. Er spürte wie das Metall wackelte und sich ächzend bog, ganz langsam aber äußerst bedrohlich. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Immer weiter tastete er sich vor, er merkte wie es immer schwerer für ihn wurde an der scharfen Kannte halt zu finden. Doch er zwang sich dazu zuzupacken und weiter zu machen. „Nur noch ein Stück!“ sagte er sich selbst. Und griff ein Stück weiter, er streckte sich um so die letzten Zentimeter in eins zu machen, denn die Rinne konnte jeden Moment brechen. Ihm fehlten nur noch ein paar Millimeter, seine Fingerspitzen berührten sogar schon den Bereich über der Garage. „Du schaffst es Luca! Nur noch ein bisschen!“ feuerte ihn seine kleine Schwester an, doch Luca rutschte ab. Nur noch an einer Hand pendelte er ein ganzen Stück über dem Boden. Er sah hinab auf die gepflasterte Einfahrt, und ihm war als könne er sehen, wie sei Regentropfen auf den Steinen zersprangen. Ob es ihm auch bald so ginge?, schoss es ihm durch den Kopf. „Gibt jetzt jah nicht auf!“ warnte Sarah ihn. Er konnte die Sorge aus ihrer Stimme heraus hören. Er konnte nicht aufgeben, er musste weiter machen für sie, für ihre Mutter und auch für Grace. Er riss sich zusammen und griff erneut mit der rechten Hand nach der Rinne. Er erwischte sie. Jetzt nur noch dieses Stück überwinden. Erneute tastete er sich vor. Doch so würde er die Stelle nie erreichen. Die Rinne ächzte erneut unter seinem Gewicht, das Haus schien zu schaukeln, so sehr bebte es und Luca wusste: Jetzt oder nie. Weiter hinten löste sich die Rinne, und Luca ließ mit links los. Im selben Moment griff er mit rechts zu. Doch ergriff daneben. Geschockt nahm Luca wahr, wie er begann zu fallen. Ganz langsam und unwirklich wie in Zeitlupe begann sich sein Körper Richtung Boden und Richtung Backsteine zu bewegen. Er sah hinüber zu seiner Schwester, die an den äußersten Rand der Garage geeilt war und voller Entsetzen seinen Namen schrie. „Es tut mit leid!“ hätte er ihr gerne zugerufen, doch kein Wort kam über seine Lippen. Wumms. Ein Ruck fuhr durch Lucas Körper und auf einmal blieb er mitten in der Luft hängen. Ungläubig schaute er nach oben. Über ihm, hockte Grace und hielt ihn am Arm fest. Ihre weißen Haare, klebten ihr als nasse Strähnen im Gesicht und ihre Augen standen voll Sorge. „Was machst du hier?!“ „Ich versuche uns alle zu retten.“ antwortete er. „Indem du dich umbringst?!“ „Nein!“ gestand er. „Das war eine ungeplante Komplikation. Kannst du mich auf das Dach bringen?“ Er deutete mit seiner freien Hand auf die Garage. Grace sah kurz hinüber. „Was hast du vor?“ „Ich werde sie zumindest in die Flucht schlagen.“ entgegnete Luca. Der Dämon sah kurz besorgt zum Himmel, und dann ungläubig zu ihm. „Vertrau mir!“ bat er. Eine ganze Weile sahen sie sich an, und Luca versuchte so zuversichtlich wie möglich zu wirken. Doch es schien Grace nicht ganz zu überzeugen. „Ok.“ sagte sie jedoch schließlich. „Ich vertrau dir.“ Ein Lächeln breitete sich auf Lucas Gesicht aus. „Ok, am besten du machst folgendes.“ Grace unterbrach ihn: „Vertraust du mir?“ Luca war für einen Moment überrascht von der Frage. „Natürlich vertraue ich dir. Immer.“ antwortete er. Es war für ihn keine Frage. „Gut...“ entgegnete Grace leicht abwesend. Luca fragte sich, was sie vorhatte, als sie sich aufrichtete und er ein Stück nach oben gezogen wurde. Dann merkte er, wie sie Schwung holte. Als sei er nicht mehr als ein Sack voll Federn, schwang sie ihn hinüber, und warf ihn aufs Dach. Vollkommen überrascht, schütze Luca sich mit seinen Händen, und stützte sich rollend ab, als er auf die Garage aufschlug. Er kullerte noch ein Stück, ehe er liegen blieb. Eine blaue Flecken und Schürfwunden würde er wohl zurück behalten, doch er war noch am leben. Er rappelte sich auf, und erhob grinsen den Daumen, um Grace zu zeigen, dass es ihm gut ging. Diese stand vollkommen sicher auf dem Dach, und kam einfach zu ihnen herüber geklettert. „Seid ihr bereit?“, fragte Luca die beiden und wandte sich dem Himmel zu. „Jederzeit“, antwortete Sarah und stellte sich direkt neben ihn. Und auch Grace nickte, den Blick zum Himmel gerichtet. Luca gab ihr einen der Steine, und schloss die Hand fest um den anderen. „Jeder kann Magie anwenden“, hieß es in „Zaubern für Dummies“, „so lange er die richtigen Sprüche kannte.“ Luca kannte nun gar keinen Zauberspruch, jedoch hieß es in auch, dass die Sprüche meistens in Latein waren. Und auch wenn er keine ganzen Sätze auf Latein bilden konnte, so kannte er doch viele Vokabeln. Er hoffte, dass es reichte um irgendeinen Effekt hervor zurufen. Sie hatten einen braunen Erd-Talisman, und einen roten Feuer-Talisman. Er wusste genau, was passieren sollte. Nun musste er nur noch die passenden Worte dazu finden, auf Latein. Zusammen mit Sarah und Grace begann er alles, was ihm dazu in den Sinn kam aus auszusprechen. „Flama! Lapidum! Ira flamae! Tremor! Fulmen! Protege amicos! Ira terrae! Terra flamae! Crema inimicos! Tempestas flamae! Tempestas Terarum!...“ Kapitel 5: Die Vögel -------------------- „Flieg langsamer!", rief Isabelle Alexander verzweifelt hinterher, doch der andere hörte sie scheinbar nicht. Vielleicht war es ihm auch einfach egal. Mit einem mulmigen Gefühl sah sie , wie er von der Dunkelheit verschluckt wurde. Sie wollte ihm hinter her, wollte ihn einholen, an seiner Seite fliegen. Doch sie konnte nicht. Jetzt schon hatte sie das Gefühl ihre Flügel würden abreißen, so viel Kraft legte sie in jeden einzelnen Schlag. Isabelle war keine schnelle Fliegerin. Sie war auch keine Kriegerin, zumindest sah sie selbst sich nicht so. Und es widerstrebte ihr, zu einem Haus zu fliegen, um die dort lebenden Menschen zu töten. Dämonen, ja. Dämonen waren etwas anderes; besonders wenn sie ihren Alexander verletzt hatten. „Wir werden ihn früh genug einholen." kam es von rechts. Isabelle schaute kurz zu dem jüngeren, der direkt neben ihr flog. Es wäre ein leichtes für ihn gewesen Alexander nicht nur einzuholen, sondern ihn sogar zu überholen. Gabriel war von ihnen dreien der mit Abstand schnellste Flieger. Sie die schwächste. „Wieso fliegst du bei mir?" „Jemand muss doch auf dich achten." entgegnete er barsch, ohne sie anzusehen. „Solltest du nicht besser Alexander im Kampf bei stehen? Was wenn wir -" „Er schafft das schon allein." unterbrach Gabriel sie. „So wie beim letzten mal?" fragte Isabelle leise, und fügte etwas lauter an. „Sonst traust du ihm doch nicht so viel zu – was ist wirklich los?" „Ich weiß nicht, was du meinst." Gabriel sah sie mit einem unschuldig fragenden Blick an. „Ich meine damit, dass ihr euch bei jeder Gelegenheit streitet, euch lächerlich macht und die Fähigkeiten des anderen herabwürdigt." Gabriel lachte kurz. „Das sind doch alles nur Spielereien, nichts davon ist ernst gemeint." erklärte Gabriel ihr. „Im Grunde verstehen Alexander und ich uns sehr gut, das weißt du doch." Nein, das wusste Isabelle nicht. Genaugenommen wusste sie genau, dass Alexander Gabriel nicht ausstehen konnte. Und egal, was der kleine ihr gerade versuchte weiszumachen, sie wusste, dass es er Alexander genau so wenig leiden konnte. Allerdings würde sie ihn wohl nicht dazu bringen ihr den wahren Grund zu sagen. „Wie du meinst." Vielleicht blieb er auch wirklich nur bei ihr, um auf sie aufzupassen. Sie war nun mal die schwächste von ihnen. Dabei versuchte sie es wirklich. Sie trainierte hart, um stärker zu werden, um an Alexanders Seite kämpfen zu können, ihn Stolz zu machen und ihm eine Hilfe zu sein. Aber es schien alles vergebens. „Wir sind gleich da." Hörte sie Gabriels Stimme, und Isabelle nickte nur kurz, um zu zeigen, dass sie ihn verstanden hatte. Ihre Hände fingen vor Aufregung an zu kribbeln, sie konnte schon das Haus sehen. Ein blaues Blitzen erhellte die Dunkelheit vor ihnen. Und Isabelle konnte sehen wie Alexander zurück geschleudert wurde. „Alexander!" schrie sie. Doch wieder hörte er sie nicht. Sein Gesicht war Wut verzerrt. Mit gefletschten Zähnen und markerschütterndem Gebrüll stürzte er sich erneut auf das Haus nieder, und wieder prallte er an der unsichtbaren Wand ab. Mehrmals drehte er sich um sich selbst, bevor er trudelnd neben Gabriel und Isabelle zum stehen kam. „Ein Schutzschild?!" rief Gabriel überrascht aus. „Der Dämon scheint doch mächtiger zu sein, als gedacht. Kein Wunder das du ihn nicht besiegen konntest." Alexander warf ihm nur einen kalten Blick zu und wendete sich wieder dem Haus zu. „Der Schild kann nicht besonders stark sein." „Dafür wurdest du aber weit zurück geschleudert." warf Gabriel ein. „Vielleicht sollten wir uns einen anderen Plan überlegen." schlug Isabelle vor. „Nein!" fuhr Alexander die beiden wütend an. „Wir werden den Schutzschild mit Gewalt durchbrechen." Ein verrückter, entschlossener Ausdruck lag auf seinen Zügen, sodass nicht einmal Gabriel ihm etwas entgegen setzten konnte. „Also gut." war alles was er dazu sagte, dann schloss der junge Engel seine Augen und begann leise Beschwörungen zu murmeln. Auch Isabelle begann nach einem Blick auf Alexander mit einer Beschwörung. Es waren einfache Zauber zum brechen kleinerer Schutzzauber. Einen stärkeren Zauber anzuwenden traute sie sich nicht, sie hatte zu wenig Erfahrung und kaum Begabung in diesem Bereich. Zudem konnte sie sich nicht recht konzentrieren, denn Alexander flog angespannt um die beiden herum und bombardierte den Schild immer wieder mit aggressiven Attacken, welche von seinen Talismanen unterstützt wurden. Er ließ Feuer und Blitze auf das Haus der Baileys niederregnen, während sich um sie herum ein Sturm zusammen braute. Ein Beben durchlief ihn, von den Haarspitzen bis in die Zehen baute sich der Druck auf. Luca hatte das Gefühl es würde ihn zerreißen. Jeder seiner Muskel war bis zum äußersten gespannt. Seine Lunge war aufgebläht wie ein Ballon. Verzweifelt versuchte Luca nach Luft zu schnappen, aber er konnte weder aus noch einatmen. Panik stieg in ihm hoch, als ihm klar wurde, dass er am ersticken war. Trotzdem baute sich der Druck noch weiter auf. Seine Augäpfel traten hervor, bis seine Sicht verschwamm. Grace und Sarah waren nur noch schemenhafte Schatten. Der stürmische Himmel über ihm war nichts weiter als eine unförmige grauschwarze Masse, durch die verschwommene Lichtblitze tanzten. Alles in ihm brannte wie Feuer, es war nicht mehr auszuhalten. Luca wünschte sich, dass er ohnmächtig wurde und es nicht mehr mitbekam, wie er explodierte, doch der Wunsch wurde ihm nicht erfüllt. Er spürte den Schweiß auf seiner Stirn ausbrechen, er wollte um Hilfe bitten, doch er konnte seinen Lippen nicht bewegen. Es war sinnlos. Tränen bahnten sich ihren Weg nach draußen kurz bevor die Welt in Flammen aufging. Die Schockwelle verließ Lucas Körper und nahm seine letzte Energie mit sich. Ihm wurde schwarz vor Augen, seine Knie gaben nach. Wie aus weiter Ferner nahm das schreien von Mensch und das Geräusch zerberstender Gegenstände war, kurz bevor er auf dem regennassen Dach zusammen sank. Isabelle bekam Probleme sich in der Luft zu halten, der Wind zerrte an ihren durchnässten Flügeln und ihre vollgesogenen Kleider schienen sie nach unten zu ziehen. Ihre Zauber zogen ohne Wirkung an dem Schild vorbei. So langsam wurde sie ratlos, was sie noch tun sollte. Alexander rief ihr Anweisungen zu, doch durch das Tosen des Windes konnte sie ihn nicht verstehen. Durch die dichte Dunkelheit um sie herum war es mittlerweile unmöglich zu erkennen, was in dem Haus vor sich ging. Zudem machte es nicht den Eindruck, als könnte der Schutzschild durch die Attacken der Engel geschwächt werden. Weder Gabriels noch ihre Zauber wirkten, und Alexanders Angriffe prallten von der unsichtbaren Wand in alle Himmelsrichtungen ab. Nicht selten wurde der vor Wut rasende Engel von seinen eigenen Zaubern erwischt. Sein Mantel schwelte leicht und Isabelle hatte die Befürchtung, dass er schon längst in Flammen aufgegangen wäre, würde es nicht in Strömen regnen. Nein, es hatte keinen Zweck weiter zu machen. Sie wollte Gerade den Vorschlag machen, sich zurück zu ziehen und einen neuen Schlachtplan zu entwickeln, als etwas geschah: Die Welt um sie herum schien zu erbeben, Schreie wurden vom Wind durch die Nacht getragen. Die drei Engel sahen sich einen Moment verwirrt an. Ein so heftiges Erdbeben hatten sie eigentlich nicht geplant. „Was ist passiert?“, fragte Isabelle. „Keine Ahnung.... Hast du?“, Gabriel wandte sich an Alexander, dieser schüttelte den Kopf. „Keiner meiner Zauber hätte -“, das Wort blieb ihm im Halse stecken, als er die Feuerwand auf sie zurasen sah, die sich wie eine Kuppel um das Haus ausbreitete. „Nach oben!“, schrie er und sie jagten in den Himmel, das Feuer direkt hinter sich. Isabelle schrie auf, als die Flammen sie erfassten. Sie ist so schnell geflogen, wie sie konnte, aber es war einfach nicht schnell genug. Der Schmerz durchzuckte sie in brennenden Wellen, als sich das Feuer um ihre Fersen wand wie eine Schlange. Verzweifelt schlug sie mit den Flügeln, versuchte dem Tod zu entrinnen. Aber sie schaffte es nicht. Sie fühlte, wie die Flammen ihre Beine hinaufkrochen. Schreckliche Schreie entwanden sich ihrer Kehle, bis sie das Gefühl hatte zu sinken. Es war zu viel. Viel zu viel für sie. Etwas zog sie nach oben, raus aus den Flammen, fort von der Gefahr hinein in den kühlen Regen. Der Wind wirbelte sie herum, aber noch immer wurde sie weiter nach oben gezogen. Sie schaute hinauf in den Himmel, konnte jedoch nur die unförmige Silhouette ihres Retters sehen. „Halt noch etwas durch! Nur noch ein Stück, dann sind wir raus!“, schrie er ihr zu. In ihrem Kopf rauschte es. Er war zurück gekommen, um sie zu retten, obwohl er auch hätte verbrennen können. Ihr Herz setzte einen Satz aus bei dem Gedanken. Sonst, war er immer so kühl zu ihr und – sie schüttelte die Gedanken ab. Sie musste ihm helfen, noch waren sie nicht in Sicherheit. So schnell sie konnte versuchte sie mit den Flügeln zu schlagen und ihm zu helfen. Als die Luft deutlich dünner wurde verlangsamten sie. Selbst magisches Feuer hatte seine Grenzen, und so konnten sie beobachten, wie die letzten Flammen weit unter ihnen erstarben. „Ist alles ok?“ Isabelle drehte sich zu ihrem Retter um, und erstarrte für einen Moment, als sie die goldgrün gesprenkelten Augen Gabriels erblickte. „Ja, es sind nur ein paar Verbrennungen“, erklärte sie und sah sich nach Alexander um. Er schwebte einige Meter über ihnen, den Blick auf das ausbrennende Feuer gerichtet. „Diese dreckigen Bastarde“, fluchte er. „Wie können sie es wagen, uns mit einem so hinterlistigen Trick anzugreifen!“ „Ich denke, sie nennen das Verteidigung“, warf Gabriel lakonisch ein, während er sich Isabelles Verbrennungen genauer ansah. Ihre Hose war fast komplett verbrannt, die letzten Reste verkohlten Stoff waren mit dem roten Fleisch verschmolzen, welches große Blasen warf. Isabelle hatte nochmal Glück gehabt, Luca konnte nur Verbrennungen ersten und zweiten Grades ausmachen, keine dritten Grades. Trotzdem nahm die verbrannte Fläche fast ihre gesamten Beine ein, und musste schnellstmöglich behandelt werden. „Was machen wir nun?“, Isabelle versuchte den Schmerz aus ihrer Stimme zu verbannen, aber die Wahrheit war, dass es sie fast den Verstand raubte. „Wir greifen erneut an“, verkündete Alexander. „Erstmal kümmern wir uns um diese Verbrennungen“, warf Gabriel ein, erdolchte Alexander mit seinem Blick. Erst jetzt schien der ältere Isabelles Verletzungen zu bemerken. „Ist es so schlimm?“ „Nein“, platzte es aus Isabelle, „Nicht mehr als ein Kratzer.“ Sie wollte auf gar keinen Fall, dass er sie weg schickte. „Dann können wir ja einen -“ „Das ist doch Unsinn!“, rief Gabriel aufgebracht. „Du brauchst hier nicht die starke zu spielen Isabelle. Die Verbrennungen sind schlimm, und müssen schnellst möglich behandelt werden. Wir sollten es für heute belassen und uns zurück ziehen.“ „Wir geben auf keinen Fall auf!“, knurrte Alexander. „Wenn es dir zu gefährlich wird, dann kannst du gerne zurück zu deiner Mutter gehen, wir werden kämpfen.“ „Das ist Wahnsinn!“ „Das ist Gerechtigkeit!“, donnerte Alexander. Gabriel schoss zu ihm hinauf, sodass sie auf einer Höhe flogen. „Gerechtigkeit? Nennst du es gerecht, wenn sie für deinen persönlichen Rachefeldzug stirbt?“ „Gabriel, es ist schon in Ordnung“, meinte Isabelle eindringlich, verstummte jedoch unter Gabriels wütendem Blick. Alexander starrte Gabriel eine Weile an. „Gut“, gab er schließlich von sich und wandte sich an Isabelle. „Ich will, dass du sofort zurück fliegst, lass deine Wunden behandeln und ruhe dich aus.“ „Aber!“ „Das ist ein Befehl!“, fiel Alexander ihr ins Wort. „Gabriel, da du nicht verwundet wurdest, gehe ich davon aus, dass du mir in den Kampf folgen wirst – alles andere wäre eine Dienstverweigerung.“ „Ich tue alles, was nötig ist“, erwiderte der Junge. „Luca! Luca steh auf!“, etwas schüttelte ihn heftig. Angenehm kalter Regen fiel ihm aufs Gesicht. Er fühlte sich müde und schlaff, als sei ihm jegliche Energie entzogen worden. Das einzige, was er wollte war schlafen, doch etwas ließ ihn nicht. „Luca, verdammt noch mal! Steh auf!“ Ein lautes Patschen erklang, als Graces Hand auf Lucas Wange aufschlug, doch es funktionierte, Luca konnte sie nicht länger ignorieren. „Ich bin wach“, grummelte er erschlagen und versuchte sich aufzurichten. „Argh!“ Ein stechender Schmerz schoss durch seinen Kopf und seine Glieder. „Was ist passiert? - Das Feuer! Wo ist Sarah, ist bei euch alles in Ordnung?“ Grace legte ihm beruhigend eine Hand auf die Brust. „Uns ist nichts passiert... deine Schwester sie, nun sie hat uns vor dem Feuer geschützt“, erklärte Grace, klang jedoch der Sache gegenüber jedoch recht skeptisch. „Was soll das heißen, sie hat euch beschützt?“, fragte Luca und hielt sich den schmerzenden Kopf. „Nun, ja sie...“, Grace suchte offensichtlich nach den richten Worten. „Ich habe so etwas noch nie gesehen...“, gab sie zu. Dann setzte sie sich zur Seite und deutete auf Sarah. Luca wagte es nicht seinen Augen zu trauen. Seine Schwester schwebte, umhüllt von einer Art Kokon aus Wind etwa einem halben Meter über dem Dach. Ihre Augen waren geschlossen, ihr ganzer Körper glühte in einem weißgoldenen Licht. Ihre Lippen erbebten unter der alten Beschwörung, welche wie ein Lied vom Wind getragen wurde. Luca konnte seine Schwester nur wie gebannt ansehen. Nie hätte er geglaubt, dass sie zu so etwas fähig wäre, dass so etwas überhaupt möglich war. „Was ist das für ein Zauber?“, fragte er. Grace schien genauso fasziniert zu sein, wie er selbst. „Das erkläre ich dir später – Sarah wird noch eine Weile brauchen, aber die Engel bestimmt nicht.“ Luca raffte sich auf. Seine Muskeln rebellierten schmerzhaft, sodass er sich am liebsten wieder zu Boden hätte sinken lassen. „Au... verdammt. Dann sollten wir uns beeilen.“ Er zog seinen Stein hervor. Doch dieser hatte sich verändert, die dunkelrote Farbe war gewichen. Zurückgeblieben war nicht mehr, als ein blassrosa Kristall. „Der hat nicht mehr viel Saft – du musst aufpassen, welche Zauber du anwendest“, warnte ihn Grace. „Was meinst du damit?“, hakte Luca nach. Grace warf ihm einen grimmigen Blick zu. „Hast du das Buch überhaupt gelesen?“ „Ja“, entgegnete Luca, doch unter ihrem vernichtenden Blick knickte er ein. „Ok, vielleicht habe ich ein paar Sachen nur überflogen“, gab er zu. Enttäuschung spiegelte sich in ihren Zügen wieder. „Elementare Talismane enthalten nur eine bestimmte Menge Magie, das heißt, irgendwann sind sie leer. Bei dem, was du vorhin eingesetzt hast, ist es ein Wunder, dass er noch nicht vollkommen aufgebraucht ist. Du solltest dich jetzt also auf einfache Zauber beschränken“, erklärte sie ihm, und zog ihren eigenen Stein heraus, welcher ebenfalls viel heller zu sein schien, als zuvor. Sie fluchte leise, während ihr Blick kurz vom Stein zu Luca wanderte. „Ich werde versuchen Sarah von unten vor ihren Zaubern zu beschützen, bis sie mit ihrer Beschwörung fertig ist. Du versuchst die Engel auf Abstand zu halten. Verstanden?“ „Nicht ganz – wieso willst du nach unten und wie soll ich die Engel aufhalten?“, Luca sah sich beinahe Hilflos um. „Je, näher ich am Boden bin um so einfach ist es Erdmagie ein zusetzen. Und du... versuchst es am besten mit Pila Flamae oder Fulmen. Und wenn sie direkt vor dir stehen...“, ihr Blick wanderte kurz am Dach vorbei. Dann ging sie zur Kante, bückte sich und riss ein Stück der Regenrinne raus, das sie Luca reichte. „Nicht wirklich, oder?“ Er sah sie zweifelnd an, doch ihr entschlossener Blick ließ nicht den Hauch eines Zweifels zu. „Du meinst es tatsächlich ernst“, stöhnte Luca, und wollte sich gar nicht vorstellen, wie lächerlich es wirken musste, wenn er sich damit einem Engel entgegenstellte. „Rumpia Flamae“, bläute sie ihm ein. „Es wird nicht lange halten, aber etwas anderes können wir nicht tun“, erklärte sie. „Wir werden Sarah so viel Zeit erkaufen, wie wir können, wenn wir Glück haben, gelingt ihr der Zauber und wir gewinnen zumindest diese Schlacht.“ Verwirrt schaute Luca zu seiner leuchten Schwester. „Was genau bewirkt dieser Zauber?“, fragte er noch einmal. Ein feines Lächeln umspielte Grace Lippen. „Lass dich überraschen“, meinte sie nur, ehe etwas anderes am Himmel ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. „Sie sind da.“ Luca sah hinauf und entdeckte ihn, er sah aus wie ein überdimensionaler, weißer Riesenvogel, gefolgt von einem schwarzen Schatten, der aus der Wolkendecke geschossen kam. „Ich hoffe du kannst gut zielen“, meinte Grace noch, ehe sie mit einem geschickten Sprung das Dach verließ. Mit einem mulmigen Gefühl drehte sich Luca zu den Engeln um. „Dann mal Hals und Beinbruch...“, meinte er zu sich selbst und sah kurz zu seiner Schwester, die nichts um sie herum mitbekommen zu schien. Er hoffte, dass es ihr wirklich gut ging, etwas gruselig war diese leuchtende Schwebenummer schon. Luca stellte sich vor seine Schwester den Engeln entgegen, unter denen er zu seiner Überraschung seinen ehemaligen Schulleiter erkannte. Dabei hatte er gedacht, dass er ihn erwischt hätte. Ein mulmiges Gefühl machte sich ihn ihm breit: Wenn er ein solches Feuer überlebte, wie sollten sie dann siegen? Luca schluckte seine Ängste hinunter, für so etwas hatte er gerade keine Zeit, er musste sie von seiner Schwester fernhalten. Er deutete mit dem Stein direkt auf Direktor Steward – kam sich in dieser Pose ziemlich dämlich vor, ignorierte dieses Gefühl jedoch ebenfalls – und versuchte es mit dem Zauber, den Grace ihm genannt hatte. „Pila Flamae!“, rief er und verbannte jegliche Zweifel aus seinen Gedanken. Ein einzelner, kleiner Feuerball schoss auf den ehemaligen Direktor zu, welcher dem Geschoss geschickt auswich. Der lachte süffisant: „War das alles?“, fragte er höhnisch, während er zum Gegenschlag ausholte. „So geht das! Phlegeton!“ Eine riesiger Feuerstrahl jagte auf Luca zu, welcher „Fulmen!“, schrie, in der Hoffnung, dass der Zauber das Feuer aufhielte, doch es Blitze nur über dem Kopf des kleineren Engels. „Und was nun?“, schoss es durch seinen Kopf. Er könnte ausweichen, doch dann würde das Feuer seine kleine Schwester direkt treffen. Grace hatte ihm nicht gegeben, womit er sich verteidigen konnte. Er schloss die Augen, riss die Arme vors Gesicht, kurz bevor das Feuer ihn verschlingen würde. Doch das einzige, was er spürte war, wie etwas auf ihn hinab rieselte. Als er durch seine Arme spähte erkannte er eine Wand aus Erde und Schlamm, welche ihn vor dem Feuer geschützt hatte. Sie hielt nur wenige Sekunden, ehe sie in sich zusammen sackte und die Sicht auf die Engel freigab. Sie schwebten einige Meter von ihnen Entfernt und schienen sich zu beraten. Alexander schien Befehle zu erteilen, die dem anderen nicht gefielen. Ein Lächeln umspielte Lucas Mundwinkel. Seiner Meinung nach konnten sie sich ruhig streiten, das machte es ihm nur einfach sie zu treffen. Sorgfältig legte er den Stein auf sie an – welchen Zauber hatte Mr. Steward benutzt? Pegeton? Oder Plegton? Nein, das war es nicht. „Phlegeton!“ Ein Strahl aus lodernden, hellgelben Flammen brach aus dem Stein heraus und raste direkt auf die Engel zu. Der kleinere bemerkte es in letzter Sekunde, stieß Mr. Steward von sich und katapultierte sie so aus der Gefahrenzone heraus. Ihre Kleiden schwelte und sie schauten wütend zu Luca, der direkt nachlegte. So schnell er konnte wiederholte er den Zauber, mit dem er Feuerbälle verschießen konnte und bombardierte seinen ehemaligen Direktor. Dieses mal würde er ihn nicht entkommen lassen. Seine Zunge überschlug sich, es war schlimmer als jeder Zungenbrecher. Luca hatte das Gefühl, dass er sich jedes zweite mal verhaspelte, wodurch der Zauber nicht funktionierte. Magie war nicht gerade eine praktische Sache, dachte er bei sich, und war sich sicher, dass es auch eine effektivere Art geben musste Magie einzusetzen. Er begann zwischen den Zaubern zu wechseln. Jagte den ehemaligen Direktor mit Geschossen aus Feuer und Blitzen, aber er kam trotzdem näher. Er war nur noch wenige Meter von Luca entfernt. „Jetzt“, schoss es durch Lucas Kopf. „Phle-“, auf einmal war sein Mund voller Schlamm. Die zähe Mischung aus Dreck und Wasser erwischte ihn vollkommen unvorbereitet, brachte ihn zum taumeln, und raubte ihm für einen Moment einen Teil seiner Orientierung. Hustend und spuckend versuchte den Dreck loszuwerden, wischte sich übers Gesicht um wieder richtig sehen zu können. Im nächsten Augenblick wäre es lieber gewesen nichts zu sehen: Vor ihm ragte Alexander Steward auf, sein Schwert zum Schlag erhoben. Gerade noch rechtzeitig zog Luca seine Regenrinne nach oben und kreischte: „Rumpia Flamae!“ Geschickt wie eine Katze landete der kleinere Engel vor Grace, ein abfälliges Lächeln auf den Lippen. „Gut reagiert“, räumte er ihr ein. Erst vor wenigen Sekunden hatte sie verhindert, dass er Luca von Dach spülte. „Aber ich denke, dein Freund wäre ohne deine Hilfe besser dran gewesen, nun hat er Alexander als Gegner.“ „Mit dem ist er schon mal fertig geworden“, erwiderte Grace und ließ den Engel nicht aus den Augen. Er verunsicherte sie. Seine schwarzen Haare und vor allem, die ebenso schwarzen Schwingen verwirrten sie. Dazu kamen die feinen Fangzähne, welche sein spöttisches Grinsen offenbarten. „Ja. Er hat ihn ziemlich zugerichtet, unseren Dämonentöter“, stimmte er belustigt zu. Wurde dann jedoch ernst: „Wenn du dich mir ergibst, kann ich vielleicht das Mädchen und die Mutter retten.“ „Du meinst, wenn ich mich von dir umbringen lassen“, entgegnete Grace. „Dein Tod war besiegelt, als du diese Dimension betreten hast – also, wieso willst du die ganze Familie mit dir ziehen?“, erkundigte sich der Engel ruhig. Grace warf einen Blick zum Dach, das Geräusch aufeinanderprallenden Metalls war zu hören, begleitet von der leisen Melodie von Sarahs Lied. „Was wird aus Luca?“ Der Engel gab ein knurrendes Geräusch von sich. „Er hat sein Leben verspielt als er Alexander bloßstellte.“ Grace lachte kurz auf, es war einfach zu ironisch. „Rache.“ Ihr Gegenüber nickte, schien selbst nicht begeistert von der Sache zu sein. Grace schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Nun, danke, dass du es mir so einfach machst“, verkündete sie. „Aber ich lehne dein Angebot ab. Lapidus Iatus, Tremor – Vinculum per Lapidem!“ Mit einem Lächeln wich der Engel dem Steingeschoss aus, doch dann kostete ihn das Beben sein Gleichgewicht, seine Beine verfingen sich im Schlamm, in welchem er bis zur Hüfte eingeschlossen wurde, so dass er sich kaum noch bewegen konnte. Er setzte zu einem Gegenzauber an, doch Grace war schneller und ließ ihn mit „Silesce“ verstummen. Langsam ging sie auf ihn zu, und schaute traurig auf ihn hinab. „Weißt du, ich wäre froh, wenn wir das so leicht regeln könnten“, meinte sie zu ihm. „Aber ihr müsst ja so verdammt engstirnig sein.“ Sie hätte über sein Angebot nachgedacht, wäre damit auch Luca in Sicherheit gewesen. Sie beugte sich zu ihm hinunter. Betrachtete sein junges Gesicht, er war mit Sicherheit einige Jahrhunderte jünger als sie selbst. „Ich verurteilt uns, und schickt selbst Kinder in den Kampf“, murmelte sie angewidert, während sie die Kette um seinen Hals unter die Lupe nahm. Es war eine feine Silberkette, an der ein kleines Amulett hing, dessen Mitte ein violetter Kristall bildete. Grace stieß einen Pfiff aus, als sie den Stein sah. „Nicht schl-“, weiter kam sie nicht. Gerade so hatte sie es geschafft den Eisnadeln zu entkommen. Hektisch schaute sie sich um, auf der Suche nach dem Angreifer, aber es gab keinen. Ein Lachen vor ihr zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ihre Augen weiteten sich ungläubig, als sie sah, wie um den Jungen herum Wasser aus der Erde trat und ihn von seinen Fesseln befreite. „Was?“ Langsam wich Grace zurück, beobachtete, wie sich der Regen um den Engel verdichtete bis er einen Wasserstrahl mit fließenden Bewegungen zwischen seinen Händen herum schob. Ein spitzbübisches Grinsen umspielte seine Lippen. „Reine Magie“, stellte Grace fest. Der Engel nickte. „Ich bin Gabriel, der Sohn des Erzengels Gabriella und selbst Herr über das Wasser“, erklärte er stolz und sah die Steinwand nicht kommen, die mit einem lauten Knall gegen seinen Hinterkopf schlug. Er konnte gerade noch das Gleichgewicht halten. „Stumme Magie.“ Mit einem Grinsen sah er zu Grace auf: „Ich denke das könnte lustig werden.“ Grace ließ den braunen Kristall durch ihre Finger tanzen, ehe sie fest die Faust darum schloss. „Das denke ich auch“, stimmte sie ihm mit einem freudigem Lächeln zu, wich mit einem eleganten Sprung der Wasserpeitsche aus und griff gleichzeitig mit Steingeschossen an. Gabriel schützte sich mit einer Wand aus Wasser, welche er im nächsten Augenblick zum Angriff verwendete. Grace errichtete eine Steinwand als Schutz. Doch Gabriel lenkte es drum herum, griff nach ihrem Knöchel und schleuderte sie gegen die Wand des Nachbarhauses. Grace presste es die Luft aus den Lungen, sie merkte wir ihr schwarz vor Augen wurde, aber sie riss sich zusammen. Rollte sich vor den Eisnadeln in Sicherheit und zog Gabriel den Boden unter den Füßen weg, so dass er im Schlamm landete. Sie löste eine Erdwand aus dem Boden, und wollte sie auf ihn fallen lassen, doch er zersprengte sie vorher mit Wasser, so dass der Schlamm umher spritzte. Sie richteten sich auf, fixierten einander, schleuderten ihre Geschosse ab. Erde traf auf Wasser, und weiterer Schlamm flog durch die Gegend. Ein Steinbrocken wurde nicht vom Wasser erwischt und traf Gabriel in der Magengegend, so dass es ihn nach hinten Haute. Grace setzte zu einem weiteren Angriff an, aber es geschah nichts. Sie wiederholte den Zauber, dieses mal laut. Wieder nichts. Auf der anderen Seite des ramponierten Gartens setzte sich der Engel auf, wischte sich den Dreck aus dem Gesicht und lachte. „Dabei hat es gerade angefangen, Spaß zu machen.“ Mit einer schrecklichen Vorahnung öffnete Grace ihre Hand und betrachtete den Talisman darin. Jegliche Farbe war aus dem Stein gewichen und zurückgeblieben war nur eine fahle, brüchige Hülle, die unter den Regentropfen in sich zusammen fiel. Sie hatte nichts mehr, womit sie sich verteidigen konnte. Kälte kroch ihre Glieder hinauf, sorgte dafür, dass sie sich nicht einmal mehr Bewegen konnte. „Ja, ich fing ebenfalls gerade erst an warm zu werden“, entgegnete sie mit einem traurigen Lächeln, während die beißende Kälte ihre Brust zuschnürte. Langsam kam Gabriel auf sie zu, eine funkende Eisklinge in der Hand. „Dann beende ich es jetzt.“ Er erhob die Klinge, bereit zum Schlag. Für Grace gab es kein Entkommen mehr, das letzte was sie dachte, war, dass es bei Luca hoffentlich besser lief. In dem Moment explodierte das Dach der Baileys und machte die Nacht zum Tag. Es war ein Spiel. Mr Steward spielte mit ihm, sonst wäre schon längst tot, schoss es Luca durch den Kopf, als er nach einer Parade zurück stolperte und fast das Gleichgewicht verlor. „Dein größtes Problem ist dein Stand“, belehrte ihn Mr Steward. Luca schenkte ihm einen trotzigen Blick. „Und ich dachte, es wäre der Verrückte mit dem Schwert.“ Alexanders Mund verzog sich zu einem lächeln. „So unbelehrbar wie immer.“ Er ließ einige elegante Schläge auf Lucas brennende Regenrinne niederregnen und drängte den Jungen weiter zurück. „Wenn du nicht aufpasst fällst du noch vom Dach“, spottete der ehemalige Direktor. „Ich dachte das sei Ihr Ziel“, erwiderte Luca und umklammerte das Metallstück fester. „Durchaus – aber ich will es mir nicht zu einfach machen“, erklärte der ehemalige Direktor. „Ich werde es dir bestimmt nicht leicht machen!“, rief Luca, erhob sein improvisiertes Schwert weit über den Kopf und stürzte auf seinen Gegner zu. Dieser machte einen Schritt zur Seite, ließ Luca an sich vorbei stürmen und versetzte ihm nebenbei einen leichten Klaps mit der flachen Klinge. „Aber du machst es mir bereits leicht, Bailay“, lachte Alexander. „Schau, es ist doch ganz einfach, dein Standbein nach vorne, das andere leicht angewinkelt dahinter, aber nicht so steif, du musst beweglich bleiben, Bailay.“ Luca knurrte leise. Er hasste diese herablassende Art des Direktors. Er hasste es wie ein Kind behandelt zu werden. Und es störte ihn, dass Steward ihn nicht ernst nahm. „Hören Sie auf mich belehren zu wollen!“, presste Luca hervor, und griff erneut an. Die Flammen schlugen auf das Schwert, es war Alexander nicht schwer gefallen, den Schlag abzufangen. „Das kann ich leider nicht“, erklärte der Engel. Luca lehnte sich mit all seiner Kraft gegen das Schwert, es war eine wacklige Angelegenheit für ihn. „Wieso nicht?“ „Deine Beinstellung“, erinnerte ihn Alexander. Luca grummelte leise als Antwort, und veränderte seine Beinstellung. Der Engel schenkte ihm ein Lächeln. „Sehr gut“, lobte er. „Um eine Frage zu beantworten: Ich bin Lehrer, und selbst, wenn du ein hoffnungsloser Schüler bist, würde es mich verfolgen, wenn ich nicht wenigstens versuchte dir in den letzten Minuten noch etwas beizubringen.“ „Der Schüler ist immer nur so gut wie der Lehrer“, erwiderte Luca spöttisch, und lehnte sich mehr auf das Schwert, welches sich Alexanders Körper gefährlich näherte. „Dann werden wir wohl noch einen Meister aus dir machen“, verkündete Alexander. „Hier direkt die nächsten Lektion: Verlagere nie dein gesamtes Gewicht auf das Schwert deines Gegners.“ „Warum nicht? Es scheint doch ganz gut zu funktionieren“, raunte Luca. „Hm, natürlich beanspruchst du so meine Kräfte, und du denkst vielleicht, du hättest die Oberhand, aber eine einfache Drehung reicht aus um das zu ändern.“ Luca fand sich auf dem Boden wieder; die Regenrinne lag erloschen einen Meter von ihm entfernt, das gegnerische Schwert ruhte an seiner Kehle. Ein wütendes Funkeln lag in seinen blauen Augen, als er zu Steward aufblickte. „Es scheint so, als würdest du doch kein Schwertmeister mehr werden“, säuselte der Schulleiter. „Leb wohl, Bailay!“ Er erhob das Schwert ein Stück, bereit zuzustechen. Doch im letzten Moment hielt er inne. „Sie hat aufgehört.“ Besorgt sah er zu Sarah hinüber, und bemerkte auch Luca die Stille. Sarah hatte ihre Beschwörung beendet. Für einen Moment trafen sich die Blicke des Jungen und des Engels. Mit einem Schrei stieß Alexander zu, Luca rollte sich im selben Moment zur Seite und hörte, wie die scharfe Klinge über das Dach schrammte. „Bailay!“, knurrte der Engel wütend, bevor er von etwas zur Seite geschleudert wurde.Die Kreatur hatte weite Schwingen, scharfe Krallen und einen blitzenden Schnabel, mit dem sie auf den Engel einhackte. Es war ein riesiger Vogel, der aus purem Licht zu bestehen schien. Luca wandte sich von dem Bild der Kämpfenden ab und seiner Schwester zu. Sie strahlte heller als zuvor und verwandelte die Nacht in Tag. Luca drehte sich der Magen um, als er sah wie weitere Lichtvögel auf ihrem Körper kamen. Es war verstörend seine Schwester, halb bewusstlos, in der Luft schwebend zu sehen, und beobachten zu müssen, wie diese Lichtwesen aus ihr herausbrachen. Das konnte nicht gesund sein. „Sarah!“, Luca stemmte sich hoch, stolperte zu ihr. Ihr Gesicht war seltsam fahl und eingefallen, lange Schatten begannen sich über ihre Wangen zu ziehen. „Sarah!“ Luca streckte seine Hand nach ihr aus, wollte sie runter ziehen, den Spuk beenden. Aber noch immer war seine kleine Schwester in einem Tunnel aus Wind gefangen, der Lucas Hand schmerzhaft abwehrte. Er versuchte es erneut, aber wieder wurde er zurück gestoßen. „Argh... Verdammt!“, fluchte er und rieb sich die schmerzenden Stellen. Hilflos musste er mit ansehen, wie die Lichtwesen seiner Schwester ihre letzte Energie entzogen. Mit einer grellen Explosion aus Licht brach der letzte Vogel aus ihr heraus, zurück blieb eine fahle Dunkelheit, nur durchbrochen vom Schein der seltsamem Lichtwesen. Der kleine Sturm um Sarah löste sich auf. Für einen Moment schien sie noch in der Luft zu schweben, doch dann begann sie zu fallen. Luca machte einen Hechtsprung nach vorne, um sie aufzufangen, bevor sie auf dem Dach aufkam. Fest drückte er den zierlichen Körper an sich. Er war eiskalt. Luca sah hinunter auf das blasse Gesicht seiner kleinen Schwester. Nasse Strähnen ihres braunen Haares hingen ihr in die Stirn, Regentropfen liefen ihr langsam über die Wange hinunter. Ihre Arme hingen schlaff herunter und Luca befürchtete schon das schlimmste. Aber da war diese leichte Bewegung ihres Brustkorbes. Eine ruhige regelmäßige Atmung, welche ihm die Sicherheit gab, dass sie noch lebte, dass sie wieder Ok sein würde. Lautes Husten erfüllte die dunklen Marmorhallen, als sich Hades ein seinem Getränk verschluckte. Das übertraf seine kühnsten Träume! Er strich sich sein, nach dem waschen und schneiden wieder, seidiges Haar zurück. Er musste erst einmal verdauen, was das alles bedeutete. Es war auf jeden Fall viel größer als er anfangs gedacht hatte. Sehr viel größer sogar. Das leise Rascheln eines Umhangs ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken. „Hast du schon die ganze Zeit zugesehen?", fragte er und wandte sich der vermummten Gestalt zu. Es war ein großer, schlanker Mann, welcher einen schwarzen Umhang trug. Die obere Hälfte seines Gesichts war von einer schwarzen Venezianischen Pestmaske verhüllt und über seinem Kopf blitzte die Schneide einer riesigen Sense auf, welche er auf dem Rücken trug. Die meisten nannten ihn Plague. „Ich habe genug gesehen." antwortete er mit karg, und gesellte sich zu Hades.„Sie hat Essentiae erschaffen, eigenständige Wesen, die nur ihre Feinde angreifen. Das ist -“ „Ziemlich beeindruckend für einen einfach Menschen?“, beendete der Totengott den Satz. „Denkst du nicht, es steckt mehr dahinter?“ „Nein“, erwiderte Plague bestimmt. Seine Stimme war von eisiger Kälte durchzogen, die deutlich machte, dass er nicht weiter über dieses Thema reden wollte. „Wieso hast du mich hergerufen?“ Ein leichtes schmunzeln legte sich auf Hades Lippen. „Erkennst du diese beiden?“, er deutete auf Grace und Gabriel. Plague besah sich die beiden genau, ehe er antwortete: „Ich habe sie noch nie gesehen – aber sie haben sich einen guten Kampf geliefert, ich hätte gerne mehr davon gesehen.“ Der Totengott nickte. „Sie sind ziemlich talentiert, Azraels Tochter, Grace, und Gabriellas Sohn, Gabriel. Ich beobachte sie schon lange.“ „Hm, hast du sie auf die Erde geschickt?“, erkundigte sich Plague. „Als Teil eines deiner Spiele?“ Hades lachte. „Ich kann nicht leugnen, dass ich durchaus darüber nachgedacht habe“, gab er zu, „Aber leider bin ich nicht für diese Zusammenführung verantwortlich.“ „Dann soll diese Begegnung Zufall sein?“, Plague klang nicht ganz überzeugt, „Weiß sie, dass seine Mutter Azrael umgebracht hat?“ „Ich denke nicht einmal, dass sie weiß, wie ihr Vater gestorben ist – geschweige denn, dass sie sich erinnert, wer genau er war“, erklärte Hades. „Ich meine wie oft hat sie ihn gesehen? Ein zwei mal in ihrem Leben? Er war immer an vorderster Front, einer der besten Kämpfer.“ „Wenn ich mich recht erinnere hasste er den Krieg.“ „Ja das tat er, aber das, und sein Verständnis der Notwendigkeit des Krieges machten ihn gerade zu so einem ausgezeichneten Krieger. Zudem besaß er Köpfchen, ich bin offen gesagt immer ein Fan seiner Strategien gewesen.“ Er nahm einen Schluck aus seinen Glas. „Damals war dieser Krieg noch interessant gewesen“, fügte er seufzend hinzu. „Und nun geht er in die nächste Generation“, mutmaßte Plague. Hades stieß ein dunkles Lachen aus. „Sagen wir, es gibt durchaus ein paar neue Hauptdarsteller, aber, so vielversprechend sie auch sind, die alten möchte ich nicht missen.“ „Darsteller wie mich? Einem Phantom, dem das alles nicht egaler sein könnte. Oder, denkst du eher an jemanden wie Asriel, einen verlausten Säufer mit Gedächtnisproblemen? Nicht zu vergessen die Erzengel: Verschrobene Politiker, die Tag ein Tag aus langweilige Schreibtischarbeiten erledigen und trockene Diskussionen führen“, erkundigte sich Plague. „Oh bitte, du wärst nicht mehr hier, würde dich das ganze nicht interessieren. Und genau deswegen wirst du mir helfen, unseren Säufer wieder aufs Spielfeld zu bringen“, erklärte Hades. „Und keine Sorge, die Erzengel sind schon mitten drin.“ „Eine Sorge weniger“, entgegnete Plague trocken. „Hast du eine Idee, wie ich den Trinker wieder auf die Beine bekommen soll? Es ist nicht so, als würde er sich am nächsten Tag noch an etwas vom Vortag erinnern.“ „Oh, keine Sorge, sein Kurzzeitgedächtnis funktioniert ohne größere Einschränkungen. Es sind andere Sachen, die er vergessen will“, beruhigte Hades ihn. „Welchen Grund hätte er auch sonst gehabt an den Fluss Lethe zu ziehen“, entgegnete Plague. „Ich hoffe das Grace nicht zu den Dingen gehört, die er vergessen wollte.“ Hades bewegte seinen Kopf abwägend hin und her. „Naja, da wäre ich mir nicht zu sicher. Aber das wird schon wieder, so oder so steht er in meinen Diensten. Er hat keine andere Wahl.“ „Einen Auftrag des Herrn der Unterwelt weist man nicht zurück“, stellte Plague missbilligend fest. „Sag bloß du würdest mir gerne einen Korb geben?“, bemerkte Hades belustigt. „Vergiss nicht, dass ich dir erst deinen freien Willen gegeben habe.“ Etwas warnendes lag in seinem Tonfall. „Keine Sorge, selbst wenn ich von Lethes Wasser tränke, würde ich dieses kleine Detail nicht vergessen“, versicherte Plague zähneknirschend. „Sehr gut. Dann kann ich davon ausgehen, dass du mit deinem Auftrag noch heute beginnst?“, vermutete Hades zufrieden. „Selbstverständlich – Erfahre ich auch, auf welche Aufgabe ich Asriel vorbereiten soll?“, hakte Plague nach. „Das werde ich noch früh genug entscheiden. Aber eines ist sicher: Er wird kämpfen müssen, und das sicher nicht gegen irgendwelche kleinen Engel“, verkündete der Gott. „Gabriella?“, mutmaßte Plague. Die dünnen Lippen des Gottes verzogen sich zu einem feinen Lächeln: „Exakt.“ Es riss Gabriel von den Füßen, als der Vogel gegen sein Schutzschild aus Wasser prallte. Das Vieh, das ihn attackierte war riesig, fast so groß wie er selbst. Es hackte mit dem Schnabel nach ihm, schlug mit seinen riesigen Flügeln und versuchte ihn mit seinen scharfen Krallen zu erwischen. Gabriel musste seine gesamte Kraft aufbringen um es fort zu schleudern. Doch nach ein paar Metern fing es sich in der Luft, nur um sich erneut auf den Engel zu stürzen, und jetzt war es nicht mehr allein. Mehrere der Essentiae griffen Gabriel nun an. Er zerschnitt sie mit einen Strahl komprimiertem Wasser, für einen Moment schienen sie sich aufzulösen, doch dann setzten sie sich einfach wieder zusammen, als wäre nichts gewesen. Er konnte nichts gegen sie machen. Im letzten Moment erschuf er einen Kokon aus Wasser um sich, der ihn vor den Schnäbeln und Krallen seiner Angreifer schützte, doch lange würde diese Barriere nicht halten. Er hatte keine andere Wahl, er musste fliehen. Aber er wusste noch nicht, was mit Alexander war. Bestimmt hatte dieser mit den selben Wesen zu tun und steckte in der selben Klemme wie Gabriel, nur, dass Alexander mit Sicherheit kein Spatium Phylakterium besaß. Ein leiser Fluch kam über Gabriel Lippen, ehe er seine gesamte Konzentration zusammen nahm, um mehr Wasser um sich herum zu sammeln. Mit einer enormen Welle sprengte er die Vögel von sich und schoss selbst im gleichen Moment davon, in Richtung Dach. Die Lichtwesen verfolgten ihn auf der Stelle, doch er hatte einen Vorsprung. Er konnte Luca sehen, der seine Schwester im Arm hielt. Sarah wirkte blass und kraftlos, war aber noch am Leben. Etwas Schlaf und sie wäre wider vollkommen fit. Etwas weiter abseits des Daches konnte Gabriel sehen, wie sich Alexander mit den Essentiae herumschlug. Er versuchte sie mit seinem Schwert abzuwehren, doch jedes Mal, wenn er eine zerschlagen hatte, setzte diese sich wieder zusammen und griff den Engel erneut an. Gabriel hörte einen Flügelschlag schräg über sich. Schnell schlug er einen Haken um dem Vogel auszuweichen, der ihn eingeholt hatte. Wie ein Lichtblitz schoss das Tier an ihm vorbei in die Tiefe. Der junge Engel verlor keine Zeit. Mit einer geschickten Drehung um sich selbst schichte er einen Regen aus Eisnadeln den Vögeln entgegen, der diese zumindest für einen Moment zersetzte und ihm genug Zeit verschaffte um zu Alexander zu gelangen. „Wir müssen hier weg“, rief er dem älteren zu, welcher sich verbissen gegen die Angreifer wehrte. „Nein! Ich gebe nicht auf!“, schrie dieser, ein wildes Funkeln lag in seinen Augen, das Gabriel nicht sonderlich gefiel. „Es hat keinen Zweck, wir können diese Essentiae nicht besiegen!“, redete Gabriel auf ihn ein. „Doch, wir brauchen nur Schattenmagie“, widersprach Alexander und zerschlug mehrere der Vögel mit einem Streich seinen Schwertes. „Die haben wir aber nicht!“, brüllte Gabriel erbost. Wollte Alexander sie etwa beide umbringen? Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie müde wurden und die Essentiae sie besiegten. Sie waren eine Inkarnation des Lichtes, erfüllt von dem Willen die Feinde ihrer Beschwörerin zu vernichten. Sie wurden nicht müde, schwächer oder langsamer. Und die einzige Chance sie zu besiegen bestand darin, ihnen durch ihr gegenteiliges Element ihre Kraft zu entziehen. In diesem Fall war es die Schattenmagie, doch leider verwendete diese keiner von ihnen. „Das ist mit egal!“, erklärte Alexander, „Ich finde einen anderen Weg!“ Gabriel verdrehte die Augen. Er verstand nicht, wie man so versessen auf etwas sein konnte, dass man jeglichen Realitätssinn verlor. Doch offenbar war es bei Alexander soweit, und nichts was Gabriel noch sagen würde könnte den Engel umstimmen. Ein Lächeln legte sich auf die Züge des jungen Engels. Wenn Alexander nicht freiwillig mit wollte würde er ihn eben zwingen. Er holte das kleine Amulett mit dem violetten Edelstein hervor. Sein Onkel hatte es ihm eigentlich aus einem anderen Grund gegeben, aber das hier war ein Notfall. Fest schloss er die Finger um den Stein und konzentrierte sich auf sein Ziel. „Spatia Curvaturae”, murmelte er. Er merkte das ziehen und zerren, das vibrieren, als sich die Beschaffenheit der Umgebung änderte und sich der Raum für ihn krümmte. Die Sicherheit der Kriche war nun nur noch einen Schritt entfernt. Er packte Alexander fest am Arm, er spürte, wie dieser sich losreißen wollte, doch noch eher er dies konnte ließ Gabriel die nassen Kleider des älteren in sekundenschnelle gefrieren, so dass dieser sich nicht mehr Bewegen konnte. So konnte er ihn ohne Probleme durch die Raumkrümmung in Sicherheit ziehen. Sie lösten sich einfach in Luft auf, von einem Moment auf den anderen. Und kaum waren sie aus der Mitte der Vögel verschwunden, lösten sich auch diese auf. Luca sah zu wie das letzte Licht der Wesen erlosch und das Geräusch des Kampfes durch das des Regens ersetzt wurde, welcher auf das Dach fiel. Sie hatten gewonnen. Kapitel 6: Lethes Trunk ----------------------- Energisch riss Asriel die Tür auf und hielt einen Moment inne, als er die Person vor sich erkannte. „Was willst du?“, fragte er skeptisch. „Nur mit dir reden“, erwiderte Plague ruhig. „Darf ich eintreten?“ „Verschwinde.“ Er wollte die Tür gerade wieder schließen, als sie durch einen Fuß blockiert wurde. „Müssen wir das auf diese Art regeln?“ Asriel war das Kämpfen zwar leid, doch schaffte er es nur schwer aus seiner Haut. Er hielt die Tür eisern fest und starte in die schwarzen Löcher der Pestmaske, hinter denen sich Plagues Augen versteckten, deren warmes Leuchten schon lange erloschen war. Plague war genauso müde wie er selbst. „Also gut“, gab er nach und ließ Plague hinein. Dieser sah sich in dem kleinen Haus um. „Ziemlich herunter gekommen.“ „Hm …“ Kurz ließ auch Asriel selbst den Blick über die hellgetäfelten Wände gleiten, von welchen die Farbe abblätterte. Die alten Landschaftsbilder an der Wand waren verblichen. Doch das war egal, durch den Staub konnte man so oder so nicht viel erkennen. Der Spiegel, der auf einer Kommode stand, gab ihr Spiegelbild wie durch einen milchigen Schleier wieder und verpasste ihnen etwas Gespenstisches. Die weißen Spitzendeckchen, die Tische und Sofa im Wohnzimmer schmückten waren mittlerweile vergraut und starrten vor Dreck. Die Polster der tannengrünen Sofagarnitur waren verstaubt, so dass es unmöglich war, sich hier mit einem Gast hinzusetzen. Sie setzten ihren Weg durch das Wohnzimmer in die Küche fort. Auch hier blätterte die weiße Farbe von den Schränken ab, deren Türen träge in den Verankerungen hingen. Ein Haufen dreckigen Geschirrs sammelte sich in der Spüle und schien schon seit Jahren darauf zu warten abgewaschen zu werden. Plague hatte Recht, es war ziemlich heruntergekommen. Aber Asriel hatte keine Lust etwas daran zu ändern – wozu auch? „Setz dich“, wies er seinen aufgezwungenen Gast an und machte sich auf die Suche nach sauberen oder zumindest halbwegs sauberen Tassen. „Wie geht’s der alten Lady?“, erkundigte sich Plague, während Asriel die Tassen mit etwas Wasser ausspülte. „So wie immer.“ Er stellte Plague eine Tasse hin, und setzte sich ihm gegenüber an den wackligen Tisch. „Was willst du?“ „Erstmal wissen, wie es dir geht.“ „Mir geht es gut, danke, und selbst?“, entgegnete Asriel aus dem letzten Rest Höflichkeit heraus, den er noch besaß. „Sehr gut“, antwortete Plague, und ein breites Lächeln zierte seine unverdeckte Gesichtshälfte. Asriel konnte nicht erkennen, ob es auch seine Augen erreichte. Doch, als er sich den eingefallenen und zierlichen Körper besah, war er sich sicher, dass sein Gegenüber gelogen hatte. Er nahm ein Schluck Wasser. „Du hast ganz schön abgebaut.“ „Genau wie du ... Wir werden wohl langsam alt.“, erklärte Plague mit einem gequälten Lächeln, auf seiner jugendlichen Gesichtshälfte. Wie sehr das Äußere täuschen konnte. „Du bist wohl kaum hier, um über alte Zeiten zu plaudern.“, versuchte Asriel Plague auf den eigentlichen Grund seines Besuchs zu bringen. „Nein, allerdings nicht.“ Plague legte eine Pause ein, in welcher er seine Position veränderte, in dem er sich etwas zurücklehnte. „Hades hat einen Auftrag für dich.“ Asriels Blick verengte sich. Wenn Hades im Spiel war, hatte es nie etwas Gutes zu bedeuten. „Und was für einen Auftrag?“ „Ich wusste, du wärst interessiert. Also, gestern tauchte eine Dämonin auf der Erde auf. Sie wurde von den Engeln entdeckt«, begann Plague. »Und was haben wir mit einem toten Dämon zu tun? Es gibt doch immer wieder Verrückte, die versuchen, auf die Erde zu kommen«, entgegnete Asriel. Sonst interessierte es Hades reichlich wenig, was mit diesen Idioten geschah. »Sie ist nicht tot, ein Mensch hat sie gerettet«, fuhr Plague fort. Und Asriel lachte schnaubend. »Armer Teufel. Ich verstehe aber immer noch nicht, was du nun für einen Auftrag hast.« »Hades will, dass du sie rettest. Er schickt dich auf die Erde, dort wirst du sie suchen und sicher zurück begleiten.“ Asriels Muskeln verspannten sich. Zurück auf die Erde? Alleine? Und das wegen einer Rettungsaktion? Das war ein Himmelfahrtskommando. „Denkst du, du schaffst das?“ Asriel versuchte, seine angespannten Glieder zu entspannen und sich seine Nervosität nicht anmerken zulassen. „Das ist Selbstmord“, brachte er schließlich so abgeklärt wie möglich hervor. „Wahrscheinlich“, bestätigte Palague und fügte hinzu: „Vielleicht findest du dann endlich deine Ruhe.“ „Ich habe hier genug Ruhe.“ Plagues Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Dann seh es eben als ein letztes Abenteuer.“ Asriel ging nicht weiter darauf ein. Drehte einfach seinen Becher in seiner Hand. Nur Wasser. Er würde sicher etwas Stärkeres brauchen, um den Kloß in seinem Hals loszuwerden.Er stellte seinen Becher weg und begann die Schränke zu durchwühlen, bis er gefunden hatte, wonach er suchte. Einige große Flaschen, gefüllt mit einer goldbraunen Flüssigkeit. Er nahm eine aus dem Schrank und zeigte sie Plague. „Willst du auch?“, fragte er ihn, doch Plague lehnte kopfschüttelnd ab, als er die verstaubte Flasche sah. Asriel wischte den Staub grob ab, und fragte sich, woher er kam. So lange konnte der Whiskey noch nicht im Regal stehen. Immerhin trank er gerne und oft um seine Vergangenheit zu verdrängen. Er wollte vergessen, und Alkohol erschien ihm eine gute Möglichkeit zu sein. Einen Moment überlegte er sich, ein Glas zu nehmen. Dann entschied er sich anders, setzte sich auf seinen Stuhl und trank direkt aus der Flasche. Der Alkohol brannte in seinem Rachen und er musste unwillkürlich Husten; es fühlte sich fast so an, als hätte er schon für lange Zeit nichts mehr getrunken. „Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Plague. Asriel wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ja, super“, gab er krächzend zurück und nahm gleich noch einen großen Schluck, um sich wieder daran zu gewöhnen. Er wollte nicht an den bevorstehenden Kampf denken, denn das erinnerte ihn an die vergangenen Kriege. „Denkst du wirklich, das ist der richtige Weg?“, fragte Plague. „Es ist der einzige.“, entgegnete Asriel und drehte die Flasche in seiner Hand. „Wie kommst du mit den Erinnerungen klar?“ Plague zuckte mit den Schultern. „So wie mit allen anderen auch.“ „Gibt es nichts, was du bereust?“, fragte er, während er aus dem Fenster hinaus zum Fluss sah. Sein Blick war in die Ferne gerichtet. Plague setzte sich gerade hin, und rutschte dabei auf seinem Stuhl umher. „Es gibt nichts, was ich bereue“, erklärte er kühl. „Es gibt Dinge, die ich nicht tun wollte – aber ich hatte keine andere Wahl, ich musste sie tun ... es ist nicht an mir deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben.“ Eine Weile schwieg Asriel und dachte über die Worte des anderen nach. „Weißt du ...“, sagte er schließlich. „Ich kenne kaum jemanden, der so schrecklich ist wie du.“ Plagues Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln, während Asriel fortfuhr. „Du hast dich durch die Reihen geschlagen wie durch einen Blätterwald. Nicht einen Kratzer hast du davon getragen und die anderen auf grausamste Weise niedergemetzelt. Du hast gewirkt wie der Tod persönlich – es war fast so, als hättest du Spaß am Töten.“ Er sah wieder die blutdurchtränkten Schlachtfelder vor sich, den schwarzen Schlamm, die roten Flüsse. Fühlte die Kälte auf seiner Haut und den Tod im Nacken, während die Dunkelheit alles gefangen nahm. Licht. Rotgolden schimmernd wie der Morgen. Wärmend, schützend, heilend, mit dem schönsten Lächeln, das er je gesehen hatte. Der Alkohol brannte in den Schnitten. Blut tropfte auf den Boden. Langsam öffnete Asriel seine Faust, und einige Scherben fielen klirrend zu Boden. Er bis die Zähne zusammen, war froh über den Schmerz, denn er bewahrte ihn vor mehr Erinnerungen. Schlimmen Erinnerungen, schmerzhafte Erlebnisse, deren Gedanken er nicht ertrug. Er schaute zu Plague auf, und spürte auch dessen Blick ernst auf sich liegen. „Ich hatte genauso wenig Spaß am Töten wie du“, sagte er. Und Asriel war sich sicher, dass es das Ehrlichste war, was er je von dem anderen gehört hatte. Langsam wischte er die Scherben und das Blut ab. Mit einem kurzen Räuspern fragte er: »Wieso will Hades diesen Idioten retten?« Plague überlegte einen Moment, bevor er antwortete: »Das hat er nicht gesagt - er hat eigentlich noch nicht mal gesagt, dass du sie zurückholen sollst. Aber ... du kennst ihn ja.« Asriels Augen verengten sich zu Schlitzen. »Wer ist sie?« »Grace.« Sein gesamter Körper verspannte sich. Kalter Schweiß trat auf seiner Stirn aus. »Meine Grace?«, fragte er. »Ja«, antwortete Plague nickend. Für Asriel klang es wie ein Todesurteil. »Das kann nicht sein.« Bilder eines brennenden Hauses bildeten sich vor seinem inneren Auge. Eine Frau lag auf dem Boden, der Körper bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt. Unzählige Engel beugten sich über sie. Finsternis. »Wie konnte das passieren?«, fragte er schwach. Er schmeckte das Blut auf seinen Lippen. Sah, wie die rote Flüssigkeit sein Schwert entlang lief. Mit schweren Schritten stieg er über die Leichen der Engel hinweg die Treppe hinauf zum Kinderzimmer. Seine Hände zitterten, als er die Türen des hellen Schrankes aufzog. Aber da saß sie. Ein kleines Mädchen, mit schneeweißen Haaren und Augen, deren Farbe eine undefinierbare Mischung aus Bronze und Silber war. Genau wie die ihres Vaters. »Sie war in Sicherheit. Wie konnte das passieren?«, schrie er Plague an. Dieser hob beschwichtigend die Hände. »Beruhig dich erst einmal.« »Hat er damit zu tun?«, knurrte Asriel bedrohlich. »Hades? Nein! Er weiß selbst nicht, wie das passiert ist - vielleicht hat Mammon-« »Meine Nichte würde niemals einem solchen infantilen Drecksack folgen!« Asriel zitterte am ganzen Körper. Sein größter Alptraum war wahr geworden. »Ich hätte sie nie bei jemand anderen unterbringen sollen - schon gar nicht bei jemandem, der Mammon folgt. Ich -«, ihm fehlten die Worte. Hätte er sie damals nicht zu Mala gebracht, sondern selbst großgezogen, wäre das alles nicht passiert. Aber er hatte es nicht gekonnt. Er hatte es nicht einmal fertiggebracht, sie zu besuchen. »Ist ja gut! Wir finden schon raus, wer daran schuld ist«, entgegnete Plague. »Ich werde dem nachgehen, den Verantwortlichen finden und-« »Aber ich bezweifle, dass du ihm in deiner momentanen Verfassung die Haut abziehen kannst.« Asriel funkelte ihn an: »Was soll das bedeuten: in meiner momentanen Verfassung?« »Du bist ein Säufer, Asriel!«, erklärte Plague. »Du hast dieses Haus schon seit Jahren nicht mehr verlassen, und mindestens so lange keine Waffe mehr in der Hand gehalten. Zudem hast du ein Gedächtnis, wie ein Sieb. Du würdest es zurzeit nicht mal schaffen, einem Baby den Schnuller zu klauen!« Die beiden Männer funkelten sich böse an. »Das hält mich nicht auf. Mala hätte sie beschützen sollen - wenn auch nur die Möglichkeit besteht, dass sie Grace in Mammons krumme Geschäfte gezogen hat ...« Asriel ließ den Satz offen im Raum stehen. Er wusste selbst noch nicht, was er dann tun würde, nur dass es schrecklich blutig würde. Plague betrachtete ihn eingehend. Von der zerschlissenen Kleidung, welche sackartig um den dürren Körper hing; die schwarzen Haare, welche in langen, dreckig verfilzten Strähnen über die mageren Schultern hingen; über das eingefallene bleiche Gesicht bis hin zu den grünen, vor Entschlossenheit glühenden Augen. Er würde sich nicht aufhalten lassen, egal was Plague sagen würde. »Also gut, ich geb dir drei Tage. Danach beginnt dein Training. Wenn ich dich nicht in Form bringe, killt Hades mich persönlich.« »Ego, sicut deus est, custos flammarum,vektor rumpiarum, incanto te: Bellatricem flammae, ex memoriae. Servire mihi, enim ego tuus sanctus dominus sum!« Die Flammen schlugen höher. Erhellten den dunklen Raum mit ihrem warmen Glanz, spiegelten sich aufgeregt in seinen Augen. Diesmal würde es klappen. »Nasce ex reliquia!«, befahl Michael und die Flammen explodierten. Die Wucht schleuderte ihn gegen die Decke, er überschlug sich und kam auf seinem riesigen Schreibtisch zum Liegen. Eine Tür wurde aufgerissen und aufgeregte Schritte kamen auf ihn zu. »Herr! Geht es auch gut?«, fragte die besorgte Stimme seiner Sekretärin. Stöhnend vor schmerz hob er langsam eine Hand. »Mir geht’s super, Eloa. Kein Grund zur Sorge«, beruhigte er sie und unterdrückte ein Husten. Er überlegte sich aufzurichten, entschied sich auf Grund der Schmerzen jedoch noch eine Weile liegen zu bleiben. Die schweren Vorhänge wurden zur Seite gezogen. Sofort durchflutete Licht den Raum und offenbarte das Chaos, das die Explosion angerichtet hatte. Die weißen Wände waren rußgeschwärzt, der Saum der Vorhänge war angesenkt und einige Ordner in den Regalen zu Staub zerfallen. Im Zentrum der Zerstörung lag ein qualmender Stein, welcher geformt war, wie ein menschliches Herz. Viele Risse zogen sich durch seine dunkelrote Oberfläche und es schien, als würde nur das feine Netz aus Silberdraht, dass sich über ihn zog, verhindern, dass er auseinanderbrach. Michael beobachtete, wie der Rauch durcheinanderwirbelte und immer neue Formen bildete. Vielleicht hatte es doch geklappt. Ein Mädchen schob sich in sein Blickfeld. Ihre Finger nestelten nervös an ihrer Kette. Der Blick ihrer blassblauen Augen huschte unruhig über seinen Körper. »Soll ich einen Arzt rufen?«, fragte Eloa und schob sich ein paar verirrte Strähnen ihres himmelblauen Haars zurück. Er schüttelte den Kopf. »Mir geht es wirklich gut.« Sie biss sich auf die Lippe und sah ihn besorgt an. Offensichtlich glaubte sie ihm nicht. »Wirklich«, versicherte er ihr erneut und schenkte ihr ein Lächeln. Doch sie wirkte noch nicht recht überzeugt. »Würdest du mir einen Gefallen tun?« »Natürlich Herr«, antwortete sie pflichtbewusst. »Ich hätte gerne ein Glas Wasser.« »Kommt sofort!«, antwortete sie. Und schien sichtlich erleichtert zu sein, eine Aufgabe zu haben. Sie eilte aus seinem Büro, um seiner Bitte nach zu kommen. Michael schaute zu dem Stein hinüber. Der Qualm hatte sich verzogen. Es hatte wieder nicht funktioniert. »Wieso willst du mir nicht dienen?«, fragte er frustriert. Doch der Stein gab keine Antwort. Erschöpft schloss er die Augen und fragte sich, was er falsch gemacht hatte. Er hörte, wie Eloa mit dem Wasser kam. »Danke«, murmelte er, ehe ihn das kalte Nass ins Gesicht traf. Prustend fuhr er auf und schaute in die zornfunkelnden Bernsteinaugen seiner Schwester. Ihre feinen Züge waren zu einer Maske aus Wut verzerrt. Die rotblonden Haare hingen ihr wild um den Kopf. »Hey Ella, schön dich zu sehen. Was bringt dich her?«, fragte er, während er sich das restliche Wasser aus dem Gesicht wischte. Zur Antwort hielt ihm Gabriella nur eine Kette vor die Nase. Er schnappte sich die Kette, richtete sich auf und besah sich den lavendelfarbenen Stein. Ein tiefer riss zog sich durch ihn hindurch, damit war die Monilis Metamorphosis für nichts mehr zu gebrauchen. »Die ist kaputt ...« »Ist das alles?«, wollte sie mit durchdringendem Blick wissen. Kurz fuhr er sich durch die rötlichen Haare. »Es tut mir leid, was deinem Sohn passiert ist. Aber du solltest froh sein, dass er sie hatte -« »Er ist halb tot!«, fuhr sie ihm über den Mund. »Und ohne die Kette wäre er es ganz.« Einen Moment starrten sie sich wütend an. Dann fuhr er fort: »Hör zu, du hast ihn in einen Kampf geschickt, ohne etwas über die Gegner zu wissen. Und-« »Hätte ich einen Dämon frei rumlaufen lassen sollen? Er ist gefährlich, das Mädchen hat Kontakt zu Hic et Illic und der Jung hat Alexander Steward verletzt. Je mehr Zeit sie gehabt hätten, umso eher hätten sie sich Waffen besorgen können - Es war nicht vorhersehbar, dass sie einen solchen Zauber wirken können. Ich meine, wie ist es möglich, dass ein Mensch zu so etwas fähig ist?« »Genau das hättest du vorher herausfinden müssen. Jetzt bringt dir das nicht mehr viel.« »Was soll das bedeuten?« Michael sah seine Schwester grimmig an. »Es wird einen Prozess geben.« »Aber ... Ich habe nur das getan, was getan werden musste!« »Ihr habt ein Erdbeben verursacht, bei dem unschuldige verletzt wurden. Ihr habt für ein riesen Aufsehen in den Medien gesorgt - auch wenn die sterblichen es nur eine Naturkatastrophe halten. Isabelle und Alexander wurden schwer verletzt, dein eigener Sohn ist noch nicht aufgewacht. Denkst du wirklich, dass all das nötig war?« Gabriellas Augen leuchteten vor Zorn. »Es ist nicht meine Schuld«, zischte sie durch zusammengebissene Zähne. »Du-«, sie zögerte kurz. »Es war nie meine Aufgabe unser Heer zu führen, das ist deine. Gott hat dich zum Herrn des Feuers, zum Führer unserer Scharen und zu ihrem Stellvertreter ernannt. Nicht mich. Und trotzdem mach ich das alles. Alles, Mika! Und du- was machst du hier eigentlich?« Ihr Blick wanderte über die Brandflecken und das Chaos aus Unterlagen. »Für unsere Zukunft sorgen«, antwortete Michael wie selbstverständlich und fügte auf den fragenden Blick seiner Schwester hin hinzu: »Für den Kampf gegen Luzifer.« »Luzifer ist tot« Michael zog eine Braue hoch und schenkte ihr einen das-glaubst-du-doch-nicht-wirklich-Blick. »Er wurde nur versiegelt.« »Und die Schlüssel sind verloren.« »Das bedeutet nicht, dass sie nicht gefunden werden können. Bis dahin muss ich seine Kräfte beherrschen«, erklärte Michael. »Seine Kräfte?«, fragte Gabriella alarmiert. »Mika, was treibst du hier?« Michael zögerte kurz. Dann ging er zu der Schüssel, hob den roten Stein auf und zeigte ihn ihr. Gabriella zog scharf die Luft ein. »Das Phönixherz.« Fassungslos schüttelte sie den Kopf, dass ihre ihre langen Haare über ihre Schulter fielen. »Mika, es ist schon seit Jahrhunderten kaputt. Schau es dir doch nur mal an! Es wird nur noch durch den Silberdraht zusammengehalten - Hast du den dadrum gewickelt?« Bevor er antworten konnte, fuhr sie fort. »Du kannst den Phönix nicht beschwören - er ist tot. So wie die anderen Thiada.« »Er ist nicht tot!«, rief Michael wütend aus. »Ella, ich bin kurz davor, ihn zu beschwören. Und wir werden ihn brauchen. Das letzte Mal brauchte es alle Thiada um Luzifer zu besiegen ... Jetzt ist dies die Letzte, die wir haben. Ich hoffe, dass der Phönix mir zeigen kann, wie ich die anderen finden oder selbst solche Waffen schaffen kann.« »Das ist verrückt! Nur Luzifer weiß, wie man sie kontrolliert.« »Ich werde es lernen«, beharrte Michael. »Ich werde Luzifer in nichts nachstehen.« »Ist es das, worum es hier geht? Deine kindische Rivalität mit Luzifer ...« »Nein. Es geht um die Sicherheit des Paradieses.« »Unsere einzige Bedrohung ist unser verrückter Oberster Engel«, betonte Gabriella wütend. Michael schüttelte den Kopf. »Überleg doch mal: In letzter Zeit kamen immer mehr Dämonen auf die Erde. Dieser Kampf heute, dass der Dämon ausgerechnet - Irgendwas geht da vor. Und ich muss -« »Mit diesem Kinderkram aufhören und meine Aufgaben erfüllen?«, schlug Gabriella vor. »Ich erfülle meine Aufgaben vollkommen«, betonte Michael. »Und wieso bist du dann bei keiner Versammlung mehr anwesend? Wieso leitest du nicht den Bailays-Fall?« »Das tue ich. Ich war nur noch mit einem anderen Angriff beschäftigt. Ein Dämon in L.A. Aber ein Geführchteter in Witchblade, das ist deutlich wichtiger«, verkündete Michael. »Sie ist kein Geführchteter« »Dann sollten wir sie zu einem erklären. So käme es auch zu keinen unüberlegten Handlungen mehr«, schlug er vor und lächelte seine Schwester spöttisch an. Sie warf ihm einen letzten wütenden Blick zu. »Da das dann geklärt ist, kann ich ja wieder gehen.« »Bis bald, Schwesterherz«, meinte Michael noch zu ihr, bevor sie aus seinem Büro verschwand. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend setzte er sich auf seinen Schreibtisch. Das Phönixherz lag schwer in seinem Schoß. Hatte seine Schwester recht? War all sein Bemühen umsonst, da der Phönix schon lange tot war. Schlugen seine Beschwörungen deswegen immer fehl, weil es gar nichts mehr zu beschwören gab? Vorsichtig fuhr er mit dem Finger über den warmen Stein. Nein. Es war nicht vergebens. Der Phönix lebte. Er war zwar angeschlagen und kaputt, aber er lebte noch. Michael bemerkte einen leichten Luftzug. »Ich habe mich schon gefragt, wann du kommst«, meinte er, während er den Stein zur Seite legte. »Wirst du sie töten?«, wurde er gefragt. Michael konnte die Sorge deutlich aus der Stimme heraus hören. »Was glaubst du denn?«, fragte er belustigt und drehte sich zu dem blassen Arzt um. Nachdem Plague gegangen war, raffte sich Asriel schließlich auf. Er würde der Alten klarmachen müssen, dass sie die nächsten Tage alleine klarkommen musste. Er hoffte nur, dass sie es verstand. Er schritt durch die klapprige Haustür auf die hintere Veranda, welche genauso heruntergekommen war, wie der Rest des Hauses. An sich war es ein Wunder, dass sie noch nicht durch das morsche Holz gebrochen waren. Vielleicht sollte er das Haus doch mal reparieren, schoss es Asriel durch den Kopf. Doch der Gedanke war schneller weg, als er gekommen war, als sein Blick über den nahegelegenen Fluss schweifte, welcher im fahlen Licht unschuldig glitzerte. Dahinter erstreckte sich das Elysium mit seinen Bergen und Tälern. Den majestätischen Wäldern und weiten Wiesen. Es war ein zusammengewürfeltes Sammelsurium an Landschaften; Fragmente einer untergegangenen Welt. »Du bist dran«, begrüßte ihn die zittrige Stimme der alten Frau, welche in einem Schaukelstuhl saß. Ihre feinen, blasslila Haare hingen in ausgedünnten Strähnen an ihr herunter. Ihr eingefallener Körper war in diverse Wolldecken gehüllt. Zusammengerollt zu ihren Füßen lag ein Höllenhund und schlief. In ihren schmalen Fingern hielt sie einige Spielkarten und auf dem Tisch vor ihr lagen weitere. Asriel nahm sich einige und setzte sich der Alten gegenüber. »Was spielen wir denn, Lethe?«, fragte er. »Keine Ahnung. Ich habe es vergessen«, antwortete sie monoton und blickte auf. Ihre moosgrünen Augen wirkten fahl und tot. Sie war alt und tattrig. Doch, obwohl ihr Gesicht eingefallen und knochig war, besaß es noch immer jugendlich angehauchte Züge. Als sei ihr Alter etwas rein Mentales und nichts Körperliches. »Dann brauchen wir auch nicht mehr zu spielen«, entschied Asriel und warf die Karten zurück auf den Tisch. Lethe senkte enttäuscht die Karten und sah Asriel weiterhin mit diesem leeren Blick an. »Hör zu«, begann er. »Es ... es ist etwas Schlimmes passiert, und ich muss für ein paar Tage weg.« Lethe legte den Kopf schief, der Wolf stellte seine Ohren auf. »Aber du gehst sonst nie weg«, bemerkte sie. »Das hier ist ein Notfall«, erklärte Asriel. »Ich bin mir sicher, du kommst so lange alleine klar.« »Kommt mein Drache wieder?« Asriel sank unmerklich in sich zusammen. Er hatte es geahnt. Sie verstand nicht, was er wollte. »Er ging fort ... ich glaube, das ist lange her. Aber ich erinner mich nicht mehr«, erklärte Lethe. »Aber du kommst wieder?« »Ja, ich komme wieder«, versicherte ihr Asriel. »Und während ich weg bin, ist Okia ein braver Schoßhund und passt auf dich auf.« Lethe nickte bedächtig. »Ich bin in Ordnung.« Ihre Augen durchbohrten ihn. »Völlig zerbrochen ...« »Was ist zerbrochen?«, hakte Asriel nach. »Mein Drache«, antwortete Lethe ernst. »Dann kleben wir ihn wieder zusammen, sobald ich zurück bin«, bot er ihr freundlich an. »Du sorgst so lange für dich selbst? Plague wird dir was zu essen bringen.« »Nein!«, entgegnete sie scharf. »Nein?«, fragte er verwirrt nach. Normalerweise stimmte sie allem zu. Wahrscheinlich, weil ihr alles egal war. »Wir können ihn nicht zusammenkleben. Irreparabel«, antwortete sie. Asriel seufzte. Sie war noch immer bei der Drachenfigur - oder was auch immer sie meinte. »Vielleicht kann ich ihn ja reparieren.« Lethe kicherte. »Selbst irreparabel.« Sie schüttelte den Kopf. »Du zerfällst auch, wenn du gehst«, warnte sie ihn. »Ich zerfalle doch nicht so einfach«, protestierte Asriel. An Tagen wie diesen war sein Job wirklich anstrengend. Lethe nickte. »Du wirst noch gebraucht«, bestätigte sie. »Genau, du brauchst mich noch. Da kann ich doch nicht zerfallen«, stimmte er ihr lächelnd zu. Sie erwiderte daraufhin nur ein schmatzendes »Pah! ... Ich nicht. Ich brauch niemanden. Ich nicht ...« Asriel erhob sich mit einem Seufzen. »Gut. Dann brauche ich mir ja keine Sorgen zu machen«, murmelte er und begab sich in den oberen Stock des Hauses. Die Treppe ächzte unheilvoll. Doch sie hielt. Er ging an Lehtes Zimmer sowie dem Bad vorbei zu seinem Zimmer. Durch das dreckige Fenster drangen nur vereinzelt Lichtstrahlen, sodass die meisten Ecken im Dunkeln lagen. Das war ganz gut, denn so blieb das Grauen des Chaos größtenteils unentdeckt. Trotzdem ließ sich sein Ausmaß erahnen. Ein Lichtstrahl fiel durch die staubige Luft wie ein Scheinwerfer auf das ungemachte Bett. Der Boden war unter den Bergen von Kleidern, Büchern und Krimskrams nicht mehr zu erkennen. Der alte Schreibtisch war unter einem Berg aus Müll begraben, die Türen des Schrankes standen ein Stück weit offen, sie waren weder zu schließen, noch weiter zu öffnen. Neben dem Schrank befand sich eine Kommode, Asriels Ziel. Stolpernd kam er an und stützte sich mit den Händen auf dem spröden Holz ab. Seine Finger stießen gegen einige umgekippte Bilder. Asriels Blick fiel auf die Rückseite der Rahmen, die sich durch ihre helle Farbe deutlich vom dunklen Holz abhoben. Zögernd griff er nach einem und drehte ihn bedächtig um. Das vergilbte Bild darin zeigte ein junges Paar. Der Mann hatte den Arm um seine Freundin gelegt und zog sie an sich. Er schien ihr etwas ins Ohr zu flüstern, während sie in die Kamera strahlte. »Du bist verrückt«, hatte sie zu ihm gesagt und gelacht. In ihren Augen hatte ein warmes Leuchten gelegen, dass die Worte: »Und deshalb Liebe ich dich«, überflüssig gemacht hatte. Asriel warf das Bild weg, als verätze es seine Haut. Es rutschte über die Kommode und fiel am anderen Ende hinunter. Er hörte das Glas in der Dunkelheit zerbrechen und atmete tief durch. Er hätte es schon vor langer Zeit vernichten sollen. Er fuhr sich durch die strubbeligen Haare, atmete für einen Moment tief durch. Er musste es endlich vergessen und sich auf das hier und jetzt konzentrieren. Er brauchte Waffen, wenn er in die Goldene Stadt wollte. Asriel zog die mittlere Schublade auf. Das Geräusch von aneinanderstoßendem Metall war zu hören, als die verkleinerten Waffen zusammenprallten. Die Schublade war voller Ringe, Amulette und Anhänger in den verschiedensten Farben und Formen. Alle jedoch mit magischen Eigenschaften. Ein Ring stach grell leuchtend aus dem schwarzen Wirrwarr von Metall und Edelsteinen hervor. Vorsichtig zog Asriel ihn hervor. Er bestand aus hellem Silber, durch welches hier und dort milchiger Kristall in feinen Linien hervorbrach. Wie ein Stern leuchtete der Ring auf Asriels Hand. Vorsichtig fuhr er mit seinem Finger über die ebenmäßige Oberfläche. Er war nicht in der Lage, das verborgene Schwert zu beschören. Das Sternenschwert Libitina; eine Waffe, die nicht jedem diente. Aber seinem Bruder war es gelungen, sie zu bändigen. Im Krieg kämpften Azrael und Asriel Seite an Seite, wie Licht und Schatten. Während Azrael Libitina auf ihre Gegner niederregnen ließ wie einen Meteor, sicherte Asriel seinen Rücken mit Neania. Aber diese Zeiten waren längst vorbei. Sein Bruder war tot und Neania seit langem verloren. Traurig betrachtete Asriel Libitina. Dem einen fehlte die Waffe, dem anderen der Herr. Sie waren jeder eine Hälfte einer Einheit, die nie wieder vollständig sein würde. Ein trauriges Schicksal. Er legte den hellen Ring zurück in die Kommode. Es würde nichts bringen ihn mit zu nehmen. Stattdessen kramte er einige andere, schlichtere Waffen hervor. Ein einfaches Schwert sowie einige Messer (welche keine vereinfachte Form besaßen). Da Asriel sich nicht mehr erinnern konnte, wann er das letzte Mal gezaubert hatte, packte er auch einige Talismane ein. Nur für den Fall. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)