Wintermond von royalbelial (Herz des Frostdrachen) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 – Von einer, die Auszog, einen Frostdrachen zu finden -------------------------------------------------------------------------- Der silberne Mond über Atali tauchte die eis- und schneebedeckten Frostmeer-Hügel in ein unwirkliches Licht. Die hohen Schneeverwehungen und Berge zeichneten Schatten in das ewige Weiß und der Wind lies einige Schneekristalle in der Luft tanzen. Es war still. Einzig und allein Atalis leise Schritte waren zu hören, Nim neben ihr, verursachte keinen Laut. Es nützt nichts, dachte Atali. Sie war schon seit Tagen in dieser eisigen Welt unterwegs, nur mit Nim als ihrer Begleitung. Nim war eine Schneehündin und reichte der vierzehnjährigen Atali bis zur Hüfte. Ihr Fell lag dicht an ihrem muskulösen Körper an und bis auf eine rotbraune Maske um die Augen war es schneeweiß. Ihre Ohren waren aufmerksam aufgerichtet und sie lauschte angestrengt in das karge Hügelland. Sie waren auf der Suche nach einem Frostdrachen, um ihm sein Herz zu nehmen. In einem alten Buch, dass sie tief verborgen in der Hochzeitstruhe ihrer Großmutter gefunden hatte, stand geschrieben, dass das Herz des Frostdrachens selbst den strengsten Winter in die Knie zwingen würde. Die Klauen des Winters hatten Atalis Dorf schon viel zu lange in seiner Gewalt und aufgrund des schlechten Sommers wurden die Vorräte bereits knapp. Doch keiner wollte auf sie hören, als sie von dieser Legende berichtete. Keiner der Männer wollte sich auf die Suche nach einem Frostdrachen machen. Also hatte sie sich selbst auf den Weg gemacht. Heimlich war sie zusammen mit Nim aufgebrochen. Sie konnte einfach nicht die Hände in den Schoß legen und darauf warten, dass sie der Hungertod ereilte. Wenn es so sein sollte, dass sie diesen Winter nicht überlebte, dann wollte sie wenigstens das Gefühl haben, alles für sich und ihr Dorf getan zu haben. Doch jetzt war sie schon so lange unterwegs und von einem Frostdrachen fehlte jede Spur. Vielleicht hätte sie ihr vorgehen genauer Planen sollen, sie wusste ja nicht einmal, wie so ein Frostdrache aussah und ihre wenigen Vorräte, die sie mitgenommen hatten, neigten sich bereits dem Ende zu. Auf einer Anhöhe blieb Sie stehen und stützte sich auf ihren Speer. Nim war noch einige Meter weitergelaufen. Sie drehte sich zu Atali um und sah sie abwartend und, sofern ein Tier das konnte, mütterlich an. So lange Atali denken konnte war Nim an ihrer Seite. Selbst wenn sie gewollt hätte, sie hätte die Hündin nicht zurücklassen können. Sie wäre ihr gefolgt, sie hätte sie gesucht und, sie hätte sie auch gefunden. Außerdem hätte sich Atali allein in dieser weißen Weite ziemlich verloren gefühlt. Zudem hätte sie alleine auch Angst gehabt, sich einem Frostdrachen zu stellen. Nim hatte es schon immer verstanden ihr Mut zu machen und sie würde ihr beistehen, egal was kommen sollte. Auch jetzt spürte Atali, wie Nim ihr Kraft gab. Ihre braunen Augen ruhten auf dem Mädchen und schienen zu sagen: Nur Mut! Hinter der nächsten Schneeverwehung könnte schon ein Frostdrache auf uns warten, soll er sich etwa totlachen, wenn er so eine traurige Gestalt wie dich erblickt? „Ach Nim“, murmelte Atali in die Tücher, die ihr Gesicht verhüllten und sie vor der Kälte schützten. Sie ließ ihren Blick über das Gelände schweifen, doch es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass es außer ihr und der Schneehündin auch nur irgendetwas lebendiges hier gab. Sie wandte ihren Blick dem zunehmenden Mond am Winterhimmel zu, den er sich in dieser Nacht mit einigen versprengten Wolken teilte. Wenn sie jetzt umkehren würde, könnte sie zum Vollmond zuhause sein. Sie könnte am warmen Feuer sitzen und ihrer Großmutter zuhören. Sie hatte ihre Großmutter nach dem Frostdrachen gefragt. Doch diese meinte, sie könne ihr nichts weiter dazu sagen, nur dass es eine sehr alte Legende sei und es noch niemand geschafft hätte mit dem Herzen eines Frostdrachen den Winter zu beenden. Ein kalter Windstoß riss Atali aus ihren Gedanken. Irgendjemand muss ja die erste sein, wieso nicht sie? Nim hatte sich keinen Zentimeter gerührt, während sie einfach nur den Mond angestarrt hatte. Erst als sie sah, dass sich nun auch Atali wieder in Bewegung setzte, machte auch sie sich daran, die Erhöhung hinabzusteigen. „Wo soll es den hingehen?“, ertönte eine Stimme eines Mannes hinter den beiden, gerade als sie den Fuß des Hügels erreicht hatten. Dort, wo zuvor noch Atali gestanden hatte, stand nun ein Mann. Er war noch jung möglicherweise gerade erst dem Jungendalter entwachsen. Seine Gestalt schien im Mondlicht sacht zu leuchten und seine Haare schienen weiß wie der Schnee um sie herum. Ungläubig starrte Atali zu ihm hinauf. Sie hatte nicht gehört, dass jemand hinter ihr und Nim den Hügel hinaufgegangen wäre. Außerdem war die Kleidung des Mannes für diese Jahreszeit, überhaupt für diese Gegend vollkommen ungewöhnlich. Während Atali schwere Pelzstiefel samt passendem Mantel trug, war dieser Mann lediglich mit einer leichten Hose bekleidet und einem Sommermantel ohne Ärmel. Auf dem Stoff hatte man funkelnde Kristalle angebracht, die ihn ebenso glitzern ließen wie den Schnee. Nim hatte ihr Nackenfell aufgestellt und auch ihre Rute glich mehr einem Besen als dem Schwanz eines Hundes. Atali umklammerte ihren Speer fester. „Wer will das wissen?“, fragte sie und schaffte es sogar, dass ihre Stimme dabei nicht zitterte und damit ihren Schreck über sein plötzliches Auftauchen verriet. „Wer das wissen will?“, fragte er und in seinem Tonfall klang eindeutig Spott mit angesichts des Kindes mit seinem kümmerlichen Speer und seinem Hund, „Salis ist mein Name“ Seine grün-blauen Augen hafteten an den beiden Gestalten vor ihm, die sich schon so lange vergeblich durch diese eisige Hölle schlichen, die kaum etwas lebendiges auf ihrer Oberfläche zuließ. Salis? Was für ein merkwürdiger Name. Woher er wohl kam und was er hier machte? Atali war sich sicher, dass er unmöglich ein Mensch sein konnte. Er müsste tot sein, bei seiner spärlichen Bekleidung, erfroren und starr wie ein Brett. Doch die Kälte schien ihn gar nicht zu stören. „Und was machst du hier?“, fragte sie weiter und musterte ihn weiter. „Nein, so funktioniert das nicht“, sagte er und seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, „Jetzt stelle ich eine Frage, nämlich wer du bist.“ Diese einfache Frage traf Atali vollkommen unvorbereitet, sie hatte immer noch nicht ganz verdaut, dass sie hier, mitten in der Einöde einen Menschen getroffen hatte, der offenbar nicht fror und überhaupt ein ganz seltsamer Geselle zu sein schien. Nim neben ihr wollte sich einfach nicht entspannen, angesichts dieses Salis’. Er hob eine Augenbraue und sah das Mädchen weiterhin spöttisch und herablassend an. Sollte sie ihm ihren Namen verraten? Doch was sprach schon groß dagegen. „Atali“, antwortete sie ihm also, „und neben mir, das ist Nim. Sieh diese Information als Zugabe. Also, was machst du hier?“ Sie hoffte einfach, dass die Antwort darauf nichts davon enthielt, dass er sie verfolgt hatte und verhexen würde. Sie wusste nicht, ob Salis zauberkundig war, aber sein merkwürdiger Name und seine Ausstrahlung erweckten bei ihr zumindest den Eindruck, dass es nicht ganz auszuschließen war. „Ah, Atali und Nim also? Dann kommt ihr aus einem der Dörfer westlich des Sonnensees?“, stellte er fest und registrierte zufrieden den überraschten Ausdruck in den Augen des Mädchens. Ja, ihr Dorf lag am Sonnensee, der seinen Namen aufgrund seiner Form bekommen hatte und um den es einige Siedlungen gab. Wieder schmerzte sie die Sehnsucht nach ihrem vertrauten Zuhause. Außerdem war es ihr gar nicht recht, dass dieser Mann so viel über sie herausgefunden hatte, nur aufgrund ihres Namens. „Erst beantwortest du meine Frage“, sagte sie zerknirscht. Sie wusste, dass er bereits durchschaut hatte, dass er einen Treffer mit seiner Antwort gelandet hatte, aber sie wollte ihn einfach partout nicht bestätigen. Er grinste nur noch breiter und antwortete: „Ich wohne hier in der Gegend und du und deine Hündin, ihr seid mir eben ins Auge gefallen während ich umherzog.“ Er wohnte hier? Atali konnte sich beim besten willen nicht vorstellen, dass hier irgendjemand lebte, abgesehen von einem Frostdrachen. Zumindest hoffte sie das letzterer hier lebte. Außerdem hatte sie beim besten willen niemanden gehört und Schneehunde wie Nim hatten ein sehr feines Gehör. Sicher war Nim schon ziemlich alt, aber das Gehör ihrer Rasse war bis ins hohe Alter exzellent. Log dieser Salis sie an? Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, ging ihr Frage- und Antwortspiel wieder weiter. „Also, kommen wir auf meine erste Frage zurück“, sagte er. Er stand immer noch oben auf der Hügelkuppe und sah auf Atali und Nim herab. „Wo soll es denn hingehen?“ „Ich habe kein bestimmtes Ziel, was den Ort angeht“, gab Atali zur Antwort und überlegte sich die nächste frage, doch das stellte sich als gar nicht mal so leicht heraus. Das Stehen bekam ihr nicht gut und die Kälte machte ihr zu schaffen. Wieso überhaupt hielt sie sich mit diesem Salis auf? Sie sollte doch versuchen einen Frostdrachen zu finden. Genau, das ist es. Salis, der ihre nebulöse Antwort schweigend hingenommen hatte, erwartete ihre nächste Frage. Diese aber überraschte ihn, denn von einem Mädchen wie Atali hätte er sie nicht erwartet. „Gibt es hier Frostdrachen?“, wollte sie von ihm wissen und sie versuchte seinen veränderten Gesichtsausdruck zu deuten. Der Spot war etwas anderem gewichen. Überraschung, ja und noch etwas anderes. Es dauerte einen Moment länger als die male zuvor, bis Salis ihr eine Antwort gab. Sie war kurz und knapp. Ja. Atalis Herz machte einen aufgeregten Hüpfer. Es gab tatsächlich Frostdrachen. Sie waren nicht nur eine Legende! Nim neben ihr spürte ihre Aufgeregtheit, jedoch waren ihre Augen weiterhin auf Salis geheftet, wie schon die ganze Zeit über. Ungeduldig wartete Atali, darauf, dass Salis ihr wiederum eine Frage stellen würde, damit sie schnellstmöglich wieder dran war. „Also Atali, Frostdrachenjägerin“, sagte er und in seinem Gesicht spiegelte sich nun wieder ein spöttischer Ausdruck, doch Atali machte es nichts aus, dass sie mit dieser Frage wieder ein Stück von sich offenbart hatte, „Was hältst du davon, wenn wir unsere kleine Fragerunde auf meinem Schloss fortsetzen, wo es wärmer ist?“ Ein Schloss? Dieser Salis hatte ein Schloss? Hier in den Frosthügeln? Wieso wusste sie nichts von einem Schloss hier in der Gegend? Sie hätte sich wirklich besser auf ihre Reise vorbereiten sollen. Aber wollte sie wirklich mit einem Fremden mitgehen? Doch es war wirklich kalt und ihre Vorräte waren knapp. Wenn sie verhungern oder erfrieren würde, konnte sie den Frostdrachen auch nicht mehr finden. „Ja, ich denke, das wäre vernünftig“, sagte sie, „Ist es weit?“ „Nein, nicht allzu sehr“, antwortete Salis und stieg zu den beiden hinunter, was Nim zu einem tiefen Knurren veranlasste. „Nim“, sprach Atali ihre Hündin flüsternd an. Sie ging neben ihr in die Hocke und streichelte beruhigend über ihre Flanken, „Mir gefällt es auch nicht, aber es ist wirklich das beste so.“ „Na, kein Grund zu knurren werte Nim“, sagte Salis, „Ich werde euch kein Haar krümmen. Im Gegenteil, ich werde euch ein guter Gastgeber sein. Folgt mir.“ Während Atali sich bereits daran machte Salis zu folgen, setzte sich Nim nur widerwillig in Bewegung. Sie trottete neben Atali her und behielt den fremden Salis weiterhin argwöhnisch im Blick. Während sie zum Schloss gingen sprach keiner von ihnen ein Wort. Schließlich erschien in ihrem Blickfeld das Schloss, oder vielmehr eine Burg. „Was ihr hier seht ist Wintermond, mein Zuhause“, sagte Salis in einem feierlichen Tonfall. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)