You're second to none von Ryo (NaNoWriMo 2012) ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel drei ----------------------- Am nächsten Morgen wachte ich auf, weil sich neben mir etwas bewegte. Oder besser gesagt: Jemand. Ich begann zu murren und schlug die Augen auf. „Oh, tut mir Leid, Dem. Ich wollte dich nicht wecken. Ich spring nur eben unter die Dusche.“ Mit den Worten war mein Sonnenschein auch schon aus dem Zimmer verschwunden und nahm all seine Wärme mit sich. So klischeehaft es sich auch anhört, aber nun verstehe ich so manche Schnulzgeschichte sehr viel besser. Ich rappelte mich auf und ging zum Kleiderschrank, um meine Sachen für den Tag herauszusuchen. Jay war ein Frühduscher, doch ich zog es vor, abends zu duschen. Da Grace, Mum und Richard auch lieber morgens duschen, hatte ich das Bad abends für mich alleine. Das war doch recht angenehm. Ich kramte meine Schulsachen zusammen, zog mich an, machte meine Haare zurecht, die mittlerweile schon wieder so lang waren, dass es für einen kleinen Zopf reichte und ging nach unten in die Küche. Auf dem Tisch war eine kleine Notiz: „Sind schon unterwegs, im Kühlschrank ist noch ein Rest Schinken, ansonsten nehmt euch Kellogs. Sind pünktlich zum Abendessen wieder da. S & R“ Sie unterschrieben immer mit ihren Anfangsbuchstaben. Sie hätten auch Mum & Dad schreiben können, immerhin war Susan meine Mutter und Richard Jays Vater, doch das wäre irgendwie komisch gewesen und mir unangenehm. Ich hab mich stets geweigert, Richard als Vater anzusehen. Er ist nicht mein Vater und wird es nie sein. Er ist klasse und ich mag ihn sehr, aber ich habe nur einen Dad, und das wird immer so bleiben, auch, wenn dieser im Himmel ist. Jay hat unsere Mum auch nie als Mutter angesehen, auch, wenn er sie genauso sehr schätzt wie ich seinen Vater. Unsere Eltern akzeptieren das. Und auch, wenn die beiden nun den Nachnamen ‚Cudney-Hazard’ tragen, blieben Grace und ich bei Hazard und Jay bei blieb bei Cudney. Ich holte die Milch aus dem Kühlschrank und ein paar Kellogs aus dem Board und begann zu essen. Meine Portion war schon fast leer, als Jay in die Küche kam, voll bekleidet und mit Schultasche. „Susan und Dad sind nicht da?“ Ich schob ihm den Zettel hin, da ich gerade den Mund mit Smacks voll hatte. Er bediente sich ebenfalls an den Kellogs. „Schreibst du heute den Test?“, fragte er, bevor er einen großen Löffel in den Mund stopfte. Er meinte den Mathetest, wegen dem ich die letzten beiden Tage bei Chris war, um ihr zu helfen. Ich nickte. „Ja, aber ich mach mir da keine Gedanken drum.“ „Na wenn man’s kann.“, er grinste. Jay war naturwissenschaftlich nicht gerade begabt, gleiches galt für Mathe. Seine Stärken waren Sprachen und Geschichtliches. Ich war das genaue Gegenteil. Meine Leistungsfächer waren Mathe und Physik, dafür konnte ich Geschichte vergessen. Dennoch waren wir beide nicht gerade schlecht in der Schule, wir gehörten sogar zu den besten unseres jeweiligen Jahrgangs. „Wann hast du heute Schluss?“, fragte ich, während ich meine Schüssel in die Spüle stellte. „Nach der 8. Du?“ „Nach der 6. Soll ich auf dich warten?“ Es kam gelegentlich vor, dass einer von uns auf den jeweils anderen wartete, damit wir zusammen nach Hause laufen konnten. „Brauchst du nicht, ich wollte nach der Schule noch mit Troy und Lucas in die Bücherei, um für eine Klausur zu lernen. “ „Achso.“ Ich sah leicht enttäuscht zu Boden, schnappte mir dann meine Tasche und meine Jacke und zog mir die Schuhe an. Jay tat es mir gleich und wenige Minuten später verließen wir die Haustür. Es war zwar hell draußen, aber wahnsinnig kalt. Ich packte meine Hände in die Taschen und zog den Kopf ein. Jay hatte Recht, Handschuhe und Schal würden wirklich gerade ganz praktisch sein... Wir erreichten unsere Schule nach 15 Minuten. Ich verabschiedete mich von Jay und begab mich zu meinem Matheraum, wo Chris schon sehnsüchtig auf mich wartete. „Dem! Ich hab die Aufgaben gestern noch gelöst, kannst du noch mal schnell drüber gucken?“ Ich nahm das Blatt entgegen, welches sie mir hinhielt und sah über die Lösungen. „Bis auf eine sind alle korrekt.“, grinste ich sie an, „und hier ist nur ein kleiner Rechenfehler an dieser Stelle.“ Ich zeigte ihr den Fehler und riet ihr, ruhig zu bleiben. „Nur nicht die Nerven verlieren, du packst das schon.“ Sie bedankte sich. Es gongte und der Lehrer erschien, um uns die Tür zu öffnen. Wir waren heute über 30 Schüler in diesem Kurs, da der Grund- und Leistungskurs einmal die Woche zusammengelegt wurden. Aufgrund von Lehrermangel. Irgendwie müssen wir neun L.K-ler ja auf unsere Stunden kommen, auch, wenn diese Lösung wirklich sehr bescheiden war. Ohne viele Umschweife wurden die Tests ausgeteilt und ich besah das Blatt gelangweilt und fing an zu rechnen. Es dauerte keine zehn Minuten, bis ich fertig war, meinen Namen aufs Blatt schrieb und abgab. Eigentlich hatten wir 30 Minuten Zeit gehabt. Ich sah zu Chris, die konzentriert auf ihr Blatt starrte und immer wieder etwas hinkritzelte. Schien ganz gut zu laufen. Die restlichen 20 Minuten verbrachte ich damit, aus dem Fenster zu starren und das zu tun, was ich eigentlich nicht tun sollte. Nachdenken. Mal ganz ehrlich: Wann hatte es angefangen? Wann hatte ich mich in meinen Stiefbruder verliebt? Ja verdammt, ich war in ihn verschossen und zwar so richtig. Es war so falsch. Er war mein Bruder. Dass wir nicht blutsverwandt waren, änderte daran gar nichts. Wir sind zusammen aufgewachsen, verdammt. Es war so falsch. Doch wie konnte sich etwas, dass so falsch war, nur so richtig anfühlen? Jay ist für mich das Wichtigste auf der Welt und ich will ihn auf keinen Fall verletzten oder gar verlieren. Und das würde ich, wenn er es herausfinden würde. Es würde sein Vertrauen in mich zerstören. Ich habe schon so oft versucht, meine Gefühle zu ändern, doch es geht einfach nicht. Immer, wenn ich denke, es endlich in den Griff zu bekommen, lächelt er mich an oder macht irgendetwas süßes und ich bin ihm wieder komplett verfallen. Zuerst war ich einfach nur gerne in seiner Nähe, dann fing irgendwann das Herzklopfen an. Erst nur leicht, dann immer heftiger. Und damit kam auch die Nervosität. Anfangs habe ich es einfach auf die Pubertät geschoben, doch the fuck, ich bin mittlerweile 18! Irgendwann ist die Pubertät auch mal vorbei! Der Lehrer erhob seine Stimme und sammelte die Tests ein. Den Rest der Doppelstunde konnte ich mich nicht mehr auf den Unterricht konzentrieren. Wenn man erst einmal anfängt, in seine Gedanken einzutauchen, kommt man da auch nicht mehr einfach so raus. Doch der Stoff dieser Stunde waren eh nur Wiederholungen, darauf konnte ich auch getrost verzichten. Vor allem, da es Mathe war. Es gongte und kündigte die erste Pause an. Chris kam zu meinem Tisch gelaufen „Es lief gar nicht mal schlecht. Ich glaube, der Test war ein persönlicher Erfolg!“, grinste sie mich an. „Freut mich.“ Ich nahm meine Tasche und Jacke und erhob mich, zusammen verließen wir den Raum und begaben uns zum Schulhof. Nur wenige Minuten später kamen Jay und einige seiner Freunde zu uns. Jay und ich verbrachten die Pausen fast immer zusammen. Ich sagte ja bereits, wir waren nicht nur Brüder, sondern auch beste Freunde. In dem Moment realisierte ich, dass ich damit sogar 2 Tabus auf einmal brach. Super, Demian, ganz klasse. Wir redeten über irgendwelche belanglosen Dinge, wie unfair die Lehrer mal wieder waren, wer gestern im Fußball gewann... so was halt. Ich hörte den anderen nur halb zu und verabschiedete mich letztendlich etwas früher als nötig, um zur nächsten Stunde zu gehen. Bei mir stand nun Englisch auf dem Plan, eines der wenigen Fächer, die ich nicht mit Chris gemeinsam hatte. Ich setzte mich auf eine der Bänke vor dem Klassenraum und wartete. Der Schultag zog sich in die Länge, auch, wenn ich nur 6 Stunden hatte. Ich konnte mich auf keines der Fächer konzentrieren, und das nervte mich ganz schön. Gerade jetzt in der 13. Klasse war der Unterricht echt wichtig und ich wollte es mir nicht leisten, noch kurz vor dem Abschluss etwas wichtiges zu verpassen. Als ich nach Hause ging, war es ein wenig wärmer geworden, aber immer noch viel zu kalt für mich. Ich stöpselte meine Kopfhörer in die Ohren und drehte die Musik voll auf. Es war langweilig, alleine nach Hause zu gehen. Ich mochte es, Jay zuzuhören, wenn er von seinem Tag erzählte. Ich mochte es einfach, seine Stimme zu hören. Doch stattdessen lauschte ich nun den Tönen von Linkin Park. Zu Hause angekommen, kramte ich mir eine Pizza aus dem Tiefkühlfach und stellte den Ofen an, bevor ich den Fernseher anmachte und mich auf der Couch niederließ. Ich zappte durch die Kanäle, aber fand nichts was sich wirklich zu gucken lohnte. Ich war auch nicht gerade der Typ Mensch, der viel TV schaute, aber alleine zu Hause hatte ich nicht wirklich große Lust auf etwas anderes. Ich blieb bei irgendeinem Film stehen, einer Liebesschnulze wo ein Mann seiner Freundin gerade die Zunge in den Hals steckte. Ein Klingeln sagte mir, dass der Ofen vorgeheizt war. Perfektes Timing! Ich flüchtete in die Küche, schob die Pizza in den Ofen und stellte den Timer auf 17 Minuten. „Versteh doch, Jack. Wir können nicht zusammen sein!“, hörte ich den Fernseher aus der Stube. Ich lauschte. „Aber ich liebe dich, Sarah!“ „Versteh doch, unsere Eltern würden das nie erlauben!“ „Das ist mir egal, dann brennen wir eben durch!“ Ich seufzte, ging zurück und wechselte auf einen Musiksender. Die hatten es gut. Die liebten sich wenigstens gegenseitig. Eine einseitige Liebe war doch echt das Dümmste, was einem passieren konnte. Warum konnte ich mich nicht in einen anderen Jungen verlieben? Oder in ein Mädchen? Warum nicht in Chris? Warum, du blödes Herz, musstest du von allen Menschen auf der Welt ausgerechnet meinen Bruder wählen? Du entscheidest doch sonst immer richtig. Warum denn nicht diesmal? Ich seufzte erneut. Das würde nichts bringen. Ich schlug gegen ein Kissen und versuchte, die Musikvideos zu verfolgen. Den Rest des Tages verbrachte ich mit meinen Hausaufgaben, gefolgt von auf dem Bett liegen, Musik hören und die wahnsinnig spannende Zimmerdecke anstarren. Irgendwann hörte ich die Haustür und wusste, dass Grace nach Hause gekommen war. Doch das interessierte mich nicht sonderlich. Auch, dass Mom und Richard wieder da waren und kurz in mein Zimmer schauten, um Hallo zu sagen, nahm ich nur am Rande wahr. Erst, als Jay abends ins Zimmer kam, sah ich auf. „Warum liegst du denn hier im Dunkeln?“, fragte er, während er das Licht anmachte. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass es so dunkel geworden war. Ich zuckte mit den Schultern. „War das Lernen erfolgreich?“ Ich drehte mich um, um in seine Richtung gucken zu können. „Jaah... es geht...“ Er legte seine Schultasche auf sein Bett, setzte sich dann daneben. „Summer kam noch vorbei. Troy hat mir erzählt, dass wir uns zum Lernen treffen wollten und wo wir sind.“ Er wurde leicht rot. Ich zog eine Augenbraue nach oben. „Dann hat sie mitgelernt?“ „Nicht... so ganz...“ „Was dann? Habt ihr was ausgefressen?“ Er verhielt sich echt merkwürdig. „Nein, sie...“ Er atmete einmal tief durch. „Sie hat mich zur Seite genommen... und mir gesagt, dass sie in mich verliebt ist. Und gerne... mit mir ausgehen würde.“ NEIN! Nein, nein, nein... es fühlte sich an, als ob ein Messer in mein Herz gerammt wurde. Ich hätte heulen können. Nur nicht die Nerven verlieren, Dem. Ganz ruhig. „Was hast du geantwortet?“ Ich versuchte, meine Stimme so normal wie möglich klingen zu lassen, doch so ganz gelang mir das nicht. Bitte sag Nein, bitte... „Dass ich es mir überlege.“ Ich schloss die Augen. Sie waren nicht zusammen. ‚Noch’ nicht. „Ich mein, ich mag sie ja. Sie ist eine klasse Freundin. Aber ich weiß nicht, ob ich sie SO mag. Sie meinte wir könnten es zumindest einmal versuchen.“ Ich ballte meine Hände zu Fäusten, versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. „Sie hat ja irgendwie Recht. Ich kann nicht viel verlieren, wenn ich es versuche, oder? Was meinst du, Dem?“ Ich schluckte. „Ich...“ Meine Stimme brach ab. Ich wollte das nicht! „Ich geh duschen.“ Damit stand ich auf und flüchtete mich ins Bad, einen verwirrten Jay zurücklassend. Ich schmiss die Kleider auf den Boden und stellte die Dusche auf kalt. Das Wasser brannte auf meiner Haut, doch das brauchte ich gerade. Ich konnte ein paar Tränen nicht zurückhalten, lehnte mich gegen die Duschwand. Ich wollte das nicht. Jay sollte mit niemanden zusammen sein. Ich wollte... ihn für mich... In dem Moment realisierte ich, wie egoistisch ich gerade dachte. Ich hatte kein Recht dazu. Ich war sein Bruder und mehr nicht. Ich war zu feige, um die Klappe aufzureißen, weil ich wusste, dass ich ihn dadurch verlieren würde. Ich konnte ihn nicht festhalten. Irgendwann würde ich mit dem Gedanken leben müssen, dass er zu jemand anderem gehört. Und Summer ist nun wirklich kein schlechter Fang. Sie ist hübsch, klug, beliebt und sie mag Jay wirklich sehr. Ich stellte das Wasser ein wenig wärmer. Trotzdem konnte ich mich mit dem Gedanken nicht anfreunden. Doch ich konnte nur da sein und zugucken. Ich fasste mir an die Brust. Mein Herz pochte schnell, doch es war unangenehm. Es war das stechende Gefühl der Eifersucht. Ein Gefühl, das ich nicht haben wollte. Doch gegen das ich nichts tun konnte. Es gehörte dazu. Und da sag noch mal, jemand verliebt sein wäre ein schönes Gefühl. Ha! Dass ich nicht lache. Es tat weh. Es tat nur weh. Und es brachte nichts als Ärger. Es machte alles kaputt. In diesem Moment wünschte ich, er wäre nicht mein Bruder. Dann gäbe es zumindest eine Chance. Aber ich wusste auch, wie unsinnig dieser Gedanke war. Schließlich war ich auch unglaublich froh über diese besondere Beziehung, und ich könnte ihm nie so nah sein, wären wir keine Brüder. Ich drehte mich im Kreis. Was ich auch machte, die Situation war scheiße und ich konnte nichts daran ändern. Ich war wohl dazu verdammt, einen Weg des Schmerzes zu gehen und durchzuhalten. Irgendwie. Es war paradox. Ich wollte Jay für mich und ich wollte, dass er glücklich wird. Nur vertrug sich beides zusammen nicht. Insgeheim wusste ich, dass ich die Person sein wollte, die Jay glücklich machte. Aber das würde ich nicht sein. Irgendwann musste ich loslassen. Ich würde in wenigen Monaten meinen Abschluss machen und wer weiß, ob ich dann noch hier wohnen würde? Ich wollte studieren und es stand noch nicht fest, welche Uni mich aufnehmen würde. Und Jay hat noch ein Jahr Schule vor sich. Irgendwann würden sich unsere Wege trennen und es wird das Beste sein, wenn er dann jemand besonderes in seinem Leben hat, der für ihn da ist. Ja... ich musste loslassen. So sehr es auch schmerzt. Es würde das Beste sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)