You're second to none von Ryo (NaNoWriMo 2012) ================================================================================ Kapitel 8: Kapitel acht ----------------------- Am nächsten Morgen saßen wir am Frühstückstisch und nach einer gefühlten Ewigkeit war diese Zeit nicht mehr von Geschweige umrahmt. Jay erzählte mir von seinen letzten Klausur- und Testergebnissen. Was bei Troy und Lucas so Neues anstand und natürlich von Summer, auch wenn mich diese Details nicht wirklich interessierten. Doch ich hörte aufmerksam zu. Er interessierte sich sogar für mein Training und so war es nun mein Part zu erzählen wie es mir in letzter Zeit auf der Bahn ergangen war. Auch wenn er mit den meisten Begriffen nichts anfangen konnte, fragte er interessiert nach, wenn er etwas nicht verstand. Es war cool jemanden mit völliger Begeisterung davon erzählen zu können. Unser Gespräch setzte sich während des Schulweges fort und ich hörte erst auf zu erzählen, als die Schulglocke die erste Stunde verkündete – Philosophie. Wie ironisch. Ich setzte mich auf meinem Platz neben Chris. „Wieder gesund?“, flüsterte sie mir zu. „Ohja. Könnte nicht besser sein.“ Ich grinste. „Echt? Was ist passiert?“ Die Stunde verbrachte ich damit ihr alles im Flüsterton zu erzählen. Der doch recht alte Lehrer bekam davon zum Glück nichts mit und versuchte der Klasse mühevoll den Leviathan verständlich zu machen. „Dann ist jetzt alles wieder okay zwischen euch?“ „Nun ja... ja. Irgendwie schon. Ich hab gemerkt, dass ich die ganze Situation mit meinem Verhalten nicht besser, sondern eher schlechter gemacht habe. Aber bis man das erst mal realisiert vergeht ja bekanntlich eine Weile.“ „Ja, da hast du allerdings recht. Und was hast du jetzt vor?“ „Was sollte ich vorhaben?“ „Na... bleibt es trotzdem ein Geheimnis?“ Einen Moment lang überlegte ich diesbezüglich. Hatten sich meine Ansichten jetzt beändert? Nein, das hatten sie nicht. Nur weil er mir gesagt hat, dass ich in seinem Leben an erster Stelle stehe heißt das noch nicht, dass er erfahren sollte, dass ich ihn mehr mag als nur einen Bruder. Viel mehr. Ich stand an erster Stelle, was wollte ich eigentlich mehr? Summer würde das akzeptieren müssen und wenn sie es nicht konnte dann war es ihr Pech. Das hatte Jay doch gesagt, nicht wahr? Er würde sich doch daran halten, oder? Wenn er vor die Wahl gesetzt würde... er würde mich wählen, oder? Zweifel überkamen mich. Sie war seine Freundin, ich war sein Bruder. Aber mich kannte er schon viel länger und Freundinnen kamen und gingen mit der Zeit. Meistens zumindest. In dem Alter zumindest. Ich atmete tief durch. Zu wissen unersetzbar zu sein bedeutete mir so viel. Es würde mir genügen müssen. „Bleibt es. Würde ich etwas sagen würde sich unsere Beziehung automatisch ändern.“ „Das würde sie. Aber es kann doch auch sein, dass sie sich positiv verändert?“ „Ja, und zu wie viel Prozent besteht diese Chance? Zwei? Ich riskier das nicht, Chris...“ Sie nickte. In der Pause begab ich mich nach langer Zeit wieder auf den Pausenhof. Jay winkte mir zu als er mich sah und hatte sein zuckersüßes Grinsen aufgesetzt. Ich hätte dahinschmelzen können. Summer verschränkte die Arme und zog eine Schnute als sie mich auf sie zukommen sah. Ich hatte nie viel mit ihr zu tun gehabt in der Vergangenheit. Es war nicht so, dass ich sie nicht mochte. Sie freundete sich mit Jay an als wir neun und zehn Jahre alt waren. Wir besuchten damals recht oft einen Spielplatz in der Nähe und dort haben wir sie zum ersten Mal getroffen. Schon damals ist mir aufgefallen, dass sie ihm verhältnismäßig oft hinterher lief und nur mit ihm spielen wollte. Ich wurde von ihr gerne mal ignoriert, doch Jay ließ nie zu, dass man mich komplett ausschloss. Wir waren oft zu dritt, aber nicht weil wir zu dritt gut befreundet waren. Jay war das Bindeglied zwischen uns, ohne ihn hätten wir wohl kaum so viel Kontakt gehabt. Und so war es auch jetzt. Sie war nett, doch sie war eines der Mädchen mit denen ich von selbst nie etwas zu tun haben wollte. So ein typisches Mädchen-Mädchen eben. Grace war genauso. Wenn Grace nicht meine Schwester wäre, hätte ich mit ihr sicher auch nie Kontakt gehabt. Chris war da so ganz anders. Sie war auch hübsch, keine Frage, aber ihr machte es auch nichts aus mal im Dreck zu spielen und sich die Finger schmutzig zu machen. Schon damals nicht. Als ich in die Pubertät kam und Mädchen langsam interessanter wurden war sie das typische Beispiel dafür, dass man auch mit Mädchen befreundet sein konnte ohne gleich etwas von ihnen zu wollen. Ich kann mich noch genau erinnern wie uns damals immer alle für ein Paar gehalten haben. Natürlich haben sie das. Es war ja auch völlig unmöglich, dass man mit 14 Jahren ohne Hintergedanken miteinander befreundet war. Aber es hat uns nie wirklich gestört, wir haben sie einfach reden lassen. Sie hielt nicht viel von Gerüchten und ich auch nicht. Im Grunde war diese Pause genauso, wie ich mir eine perfekte Pause wünschen würde. Zumindest bis zu dem Moment, in dem Summer ihre perfekten, rosaroten Lippen auf die meines blonden Engels legte. Es war schwer damit klar zu kommen. Ganz ruhig, Demian, versuchte ich mich selbst zu beruhigen. Ich war seine Nummer eins. Ich. Nicht Summer. Und trotzdem! Nummer eins gut und schön, aber sie war diejenige, die das Recht hatte ihn küssen zu dürfen! Seine süßen, dünnen Lippen mit ihren Eigenen berühren zu dürfen. Ich hatte dieses Recht nicht. Ich würde als Bruder dieses Recht auch nicht bekommen. Nie. Chris legte ihre Hand auf meine. Ich schreckte aus meiner Gedankenwelt auf uns sah sie an, unsere Blicke trafen sich. Sie nickte nur. Ich wusste sie verstand was gerade in mir vorging. „Möchtest du weg?“, flüsterte sie so leise, dass nur ich es hören konnte. Ich schüttelte den Kopf. Wenn ich jetzt weggehen würde, würde Jay skeptisch werden. In seinen Augen war unsere Beziehung schließlich nun wieder in Ordnung. Er wusste nicht, dass da noch etwas mehr war als nur die Eifersucht, dass ich nicht mehr eine uneingeschränkte Aufmerksamkeit hatte. Und er sollte es auch nicht wissen. Es sollte nicht noch einmal so ein Chaos zwischen uns kommen. Ich kam damit schon klar. Ich musste. Und doch war ich ein wenig erleichtert als die Schulglocke das Ende der Pause verkündete. Summer, die mittlerweile auf Jays Schoß ihren Platz gefunden hatte, stand auf, ergriff seine Hand und ging mit ihm zu ihren nächsten Kursraum. Ich atmete einfach erleichternd durch. Es war doch irgendwie eine komische Situation so unter Druck zu stehen, wenn man eigentlich die freie Unterrichtszeit genießen sollte. Die nächsten zwei Stunden ging mir dieses Bild von Summer und Jay nicht aus dem Kopf. Es erzählt zu bekommen war die eine Sache, aber es dann live und in Farbe vor sich zu sehen eine ganz Andere. Die nächste Pause war ähnlich wie die Erste. Ich fragte mich, ob ab sofort alle Pausen so verlaufen würden. Mit einer Angespanntheit meinerseits und dem Rumgeturtel des Pärchens vor mir. Es würde wohl wirklich so sein. Bis es mir irgendwann egal werden würde. Nur, dass das nie passieren wird. Bestimmt nicht. Sie sollte verdammt noch einmal die Finger von meinem Jay lassen! Als ich nach der sechsten Stunde zur Halle ging und mich endlich auf mein Bike schwingen konnte, war es eine wahre Wohltat. Ich drehte meine Runden, ließ das Adrenalin durch meine Adern strömen und genoss die Geschwindigkeit wie nichts Anderes auf der Welt. Ja, es war wirklich mein Ausgleich. Es puschte mich innerlich so sehr auf, dass es mich von allen alltäglichen Gedanken runterholte. Wie eine Droge, nur dass meine Gedanken nicht verschwommen sondern klar und deutlich waren – nur eben die Gedanken ans Fahren und an nichts Anderes. Blake war diesmal nicht von Anfang an im Gebäude, sondern betrat dieses erst, als ich meine mittlerweile siebte Runde fuhr. Als ich ihn im Augenwinkel sah, verlangsamte ich die Geschwindigkeit, fuhr zum Startpunkt und verließ dort die Bahn. Ich stellte das Bike ab, nahm meinen Helm ab und begrüßte meinen Kumpel fröhlich. „Demian! Alter, wo warst du gestern? Du hast nicht auf meine Anrufe reagiert und auch nicht Bescheid gesagt. Was sollte das?“ Ich lächelte schuldbewusst. „Tut mir echt leid. Ich... mir gings ziemlich dreckig. Ich hab den ganzen Tag geschlafen und das Handy war auf lautlos.“ Es war mir egal, dass ich ihn anlog. Es war eine Notlüge, schließlich konnte ich schlecht sagen, dass ich stundenlang mit meinem Bruder in seinem Bett rumgekuschelt habe und mich von niemanden stören lassen wollte. Das... nein, das brauchte er nicht zu wissen. „Ahja? Nun gut, zumindest geht es dir heute schon wieder besser. Das freut mich. Ich dachte schon es wäre was schlimmes passiert, so kurz vor dem Rennen...“ „Nein, nein. Mir geht’s gut, wirklich.“ Er schmiss sich aufs Sofa, öffnete eine Dose Cola. „Soll ich deine Zeit messen?“ „Das wäre super.“ Ich zog mir den Helm wieder an und schob die Maschine zurück zur Bahn. Meine letzten Runden verliefen ausgesprochen gut. Ich freute mich unheimlich auf das Rennen am Samstag. Ich wollte gut abschneiden, ja, aber vor allem wollte ich dieses unbeschreibliche Gefühl der Herausforderung. Den Nervenkitzel. Den Prüfungsdruck. Das Gefühl konnte mir nichts Anderes geben. Gut gelaunt ging ich an diesem Abend nach Hause. Es war bitterkalt und so langsam musste ich mir echt Handschuhe besorgen, sonst würden meine Finger irgendwann sicher noch abfallen. So warm waren meine Jackentaschen nämlich auch nicht. Vielleicht hätte ich Blakes Angebot auf eine Fahrt in einem warmen Auto doch annehmen sollen. Aber ich kam mir vor, als würde ich ihn ausnutzen wenn ich mich jeden Tag von ihm fahren ließe. Des Weiteren fand ich den Gedanken an ein wenig frischer Luft doch ganz verlockend. Auch wenn mir diese Luft heute etwas zu frisch war. Mein Handy begann zu vibrieren und ich konnte mir schon denken wer mich anrief. Ein Blick auf das Display bestätigte meinen Verdacht. „Hey Jay.“ „Bist du schon auf dem Heimweg?“ „Jap, bin in circa 10 Minuten zu Hause.“ „Alles klar. Trödel nicht zu lange, ich hab Essen gekocht.“ Jay hat... gekocht? Hab ich was verpasst? Ich kannte es ja, dass er Pizza oder Pommes in den Ofen schieben konnte aber seit wann kochte er denn bitte? „Du hast was?“ Ich konnte die Verwunderung in meiner Stimme nicht verbergen. „Hast schon richtig gehört.“ Er lachte am anderen Ende der Leitung. „Und nein, es sind keine Nudeln. Also beeil dich.“ „Alles klar, bin gespannt. Bis gleich.“ Ohja. Gespannt war ich wirklich. Jay und Kochen... ich wollte nicht wissen, wie unsere Küche nun aussah. Unbewusst beschleunigte ich meine Schritte, was den netten Nebeneffekt hatte, dass ich schneller aus der Kälte rauskommen würde. Zuhause angekommen lag gleich nach dem Eintreten bereits der Geruch von Essen in der Luft. Ich entledigte mich meiner Jacke und Schuhe und betrat die Küche, die zu meiner Verwunderung allerdings leer war. Sehr viel mehr wunderte mich aber der Fakt, dass sie so sauber war, als wäre hier nie etwas passiert. „Jay?“ „Bin im Wohnzimmer.“, schallte es aus eben diesem. Ich begab mich in Richtung Stube und blieb leicht verdattert im Türrahmen stehen. Jay hatte sich unseren Esstisch zu Nutze gemacht, den wir schon seit mindestens drei Jahren nicht mehr benutzt hatten. Dort aufgetischt waren zwei Teller mit Fisch, Kartoffeln und Gemüse, separat zwei Teller mit einem Stückchen Kuchen und je ein Glas mit Cola. „Gibt’s was zu feiern?“, fragte ich, während ich zu dem Tisch ging, immer noch ungläubig das Menü anstarrend. „Nicht wirklich. Ich dachte nur du freust dich vielleicht.“ Natürlich tat ich das! Ich setzte mich an einen der Plätze und fragte mich, ob man das wirklich essen konnte. Ich hatte nicht gewusst, dass Jay wirklich kochen konnte. Doch das hier sah wirklich essbar aus. Jay holte eine längliche Kerze aus dem Schrank, stellte diese auf dem Tisch und zündete sie an. Das Licht im Raum war gedämmt. Mein Gott. Das hier kam einem Candlelight Dinner gleich! Dank des wenigen Lichtes konnte man nicht sehen, dass ich Rot wurde. Nachdem Jaden sich ebenfalls gesetzt hatte, fing ich mit dem Essen an. Es schmeckte wirklich gut, mindestens so gut wie es aussah. „Wann bitte hast du das gelernt?“, fragte ich zwischen zwei Bissen nach. „Keine Ahnung. Ich hab Susan ein paar Mal zugeschaut. Und Summer kocht auch meistens selbst. Da dachte ich so schwer kann es nicht sein und wollte es probieren.“ Dass er die Inspiration von Summer hatte drückte meine Laune, aber höchstens für ein paar Sekunden. Dafür war das Essen einfach zu gut. Und er konnte nichts dafür, dass ich sie nicht mochte. „Und ich sollte dein Versuchskaninchen sein, ja?“ Ich grinste. Er grinste zurück. „Ja, so in etwa. Schmeckt es denn?“ „Wahnsinnig gut. Könntest du öfter machen.“ „Na mal sehen. Im Grunde hab ich auch nichts gegen Pizza und Nudeln.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)