You're second to none von Ryo (NaNoWriMo 2012) ================================================================================ Kapitel 17: Kapitel siebzehn ---------------------------- Die Landschaft zog an uns vorbei, als wir am nächsten Tag im Zug zurück nach Hause waren. Ich schaute aus dem Fenster und dachte an den gestrigen Tag. An jeden Moment, den ich mit Jay genoss. Vor allem an den Abend. Ich versuchte ein Pokerface aufrecht zu erhalten, doch wurde mit Sicherheit schon wieder rot. „Woran denkst du gerade?“ Jay hatte das scheinbar bemerkt. „An... uns. Irgendwie.“ „Hätt ich mir denken können. Du blushed.“ „Hmh.“ Ich sah wieder aus dem Fenster. Diesmal waren mehr Leute im Zug anwesend, so dass wir ein bisschen mehr aufpassten mussten, was wir machten. Darum saßen wir uns auch nur gegenüber. „Jay?“ „Ja?“, er sah von seinem Buch auf, welches er für die Schule lesen musste und deswegen mitgenommen hatte. „Ich... also... ach egal.“ Er schlug das Buch zu. „Na, nun sag schon.“ „Was gestern passiert ist... also... du weißt was ich meine.“ Ich wurde wahrscheinlich noch röter, als ich eh schon war und schaute verlegen zur Seite. „Ja? Bereust du es?“, fragte er leicht ängstlich. „Was? Nein!! Nein... im Gegenteil. Ich... würde gerne weiter gehen. Demnächst.“ „...Oh!“ Nun war er es, der rot wurde. Irgendwie war es schon lustig. Selbst damit ergänzten wir uns ganz gut. „Dem... das muss vorbereitet sein, das weißt du?“ „Natürlich weiß ich das. Ich wollt nur wissen wie du dazu stehst. Ob es... nun ja... okay wäre?“ „Und das fragst du, nachdem ich dir gestern einen geblasen habe?“ „Jay!! Nicht so laut!!“ Ich hatte ernsthaft angst, dass die Leute in unserem Abteil etwas mitbekommen könnten. Doch niemand drehte sich zu uns um. Überhaupt, so einen Satz aus dem Mund meines Sonnenscheins zu hören war ich auch gar nicht gewöhnt. Normalerweise sprach er nicht so... harsch. Jay fing an zu lachen. „Sorry. Nein, mal im Ernst. Ich... möchte schön. Aber...“ „Hast du Angst?“ „...Vielleicht. Doch, ein bisschen. Lassen wir es einfach auf uns zukommen, okay?“ „Ja, gut. Ich werde auf jeden Fall nichts machen, was du nicht möchtest.“ „Danke.“ Den Rest der Zugfahrt saßen wir uns schweigend gegenüber und genossen einfach nur die Anwesenheit des jeweils anderen. Als wir nach Hause kamen war Mom gerade dabei Essen zu machen. Der Geruch vom frisch Gekochten strömte durch das ganze Haus und machte mich nur noch hungrig. „Da seit ihr ja wieder.“, begrüßte sie uns. „Hattet ihr Spaß?“ „Yap. Sehr.“ Wenn sie wüsste, wie doppeldeutig ihre Frage klang... ich musste innerlich grinsen. „Rufst du uns, wenn das Essen fertig ist? Wir sind dann oben.“ Wir zogen die Jacken und Schuhe aus und gingen in unser Zimmer. Ich schmiss meine Tasche in die Ecke und ließ mich aufs Bett fallen. „Alles okay?“ Jay schaute besorgt, stellte seine Tasche ein wenig sachter auf sein Bett und setzte sich daneben. „Ich hab nur gerade daran gedacht, dass jetzt für mich der Ernst des Lebens ansteht. Diese dumme Klausur... ich muss ab morgen wirklich mit dem Lernen anfangen, wenn ich sie gut schreiben will.“ „Aber du bist doch gut in Physik. Das sollte doch eigentlich kein Problem sein.“ „Schon...“ Ich seufzte. „Aber wenn ich weniger als 12 Punkte schreibe macht sich das nicht so schön in meiner Endnote. Immerhin möchte ich gerne einen guten Schnitt haben, um später für mein Studium auch angenommen zu werden.“ Ich wusste noch nicht genau auf welcher Uni ich studieren wollte, aber mein Schnitt sollte mir die Wahl letztendlich nicht versauen. Und selbst wenn ich nicht studieren würde, aus welchen Gründen auch immer, war ein guter Notendurchschnitt nie verkehrt. „Das bekommst du schon hin. Wann hast du denn mal weniger geschrieben?“ „Mhm.“ Er hatte zwar Recht, aber trotzdem war ich mir unsicher. Darum lieber auf Nummer Sicher gehen. „Zumindest ist das bald vorbei. Dann hab ich meinen Abschluss.“ Jay antwortete darauf nicht. Ich schaute in seine Richtung, er hatte den Blick abgewandt. „Jay?“ „Hm?“ „Alles in Ordnung?“ Er fiel nach hinten und legte sich auf sein Bett. „Ich hab nur gerade daran gedacht... wenn du deinen Abschluss hast... was passiert dann?“ „Wie, was passiert dann?“ „Naja... wirst du dann hier wohnen bleiben? Wirst du wegziehen? Ich will nicht, dass du gehst...“ Seine Stimme wurde zum Ende hin immer leiser. „Jay I-“ „Egal, vergiss es. Es ist egoistisch das zu denken. Wir können uns schließlich trotzdem noch sehen, nicht wahr? Es gibt Züge und Busse und es ist ja nur ein Jahr, dann bin ich auch fertig und alles ändert sich wieder.“ Ich stand auf und ging zu ihm herüber, legte mich neben ihn, strich ihn durch die Haare. „Ich habe überlegt ein Jahr zu überbrücken. Dann könnten wir zeitgleich mit dem Studium anfangen. Vielleicht sogar auf der selben Uni, wenn sich die Möglichkeit ergibt.“ Seine Augen wurden großer, er setzte sich auf. „Meinst du das im Ernst?“ „Natürlich. Es gibt doch viele Möglichkeiten. Freiwillige Jahre zum Beispiel, oder bezahlte Praktika.“ „Dem...“ Seine Augen füllten sich mit Tränen. Ich zog ihn zu mir runter und nahm ihn in die Arme. „Sch~~ Ist schon gut. Ich werde dich nicht alleine lassen. Nicht, solange es Mittel und Wege gibt es zu verhindern, Sweetheart.“ „Danke. Der Gedanke spukte mir schon so lange im Kopf herum... schon viel länger als wir zusammen sind...“ Ich musste zugeben, dass ich mir auch immer wieder Gedanken darum gemacht hatte, doch bis jetzt konnte ich sie entweder verdrängen oder gute Lösungen finden, wie jene, die ich vorgeschlagen habe. Wir hörten meine Mutter von unten unsere Namen schreien und standen auf, um zum Essen zu gehen. Es war fast so wie letztes Mal. Auf einmal wollten Mom und Richard, dass wir wie eine fröhliche Familie zusammen am Tisch saßen. Wie lange hatten wir das jetzt schon nicht mehr gemacht? Ich hatte aufgehört zu zählen. Wir brachten dieses erzwungene Beisammensein so schnell es ging hinter uns. Grace hörte ich etwas von ‚Ich glaube, ich esse ab sofort nur noch bei David’ murmeln, als sie die Treppen hochging. Ich konnte sie voll und ganz verstehen. Sie hatte wenigstens jemanden zu dem sie flüchten konnte. Das war einer der Nachteile an Stiefgeschwistern – die Eltern waren die Gleichen. Ich seufzte, als ich mich an meinem Schreibtisch niederließ und meine Hausaufgaben begann. Am Montag in den ersten beiden Stunden hatte ich Sport. Das kam mir sehr gelegen, da diese Woche die Mädchen und Jungen zusammen Unterricht hatten und ich so Chris von meinem Wochenende erzählen konnte. Irgendwie war es mir ja schon ein wenig peinlich mit meiner besten Freundin über mein Sexleben zu sprechen... aber ich war froh sie zu haben. Sie konnte die Sache relativ objektiv betrachten. „Hört sich nach einem wirklich tollen Wochenende an.“, meinte sie zwischen zwei Liegestützen. „Oh, das war es. So viel Spaß hatte ich lange nicht mehr.“ „Das glaube ich gerne. Und jetzt heißt es reinhauen für Physik?“ „Jap. Leider.“ Ich seufzte. „Da bleibt nicht viel Zeit für Jay.“ „Das kriegst du schon hin. Man muss als Pärchen auch nicht jede freie Minuten aufeinander hocken.“ „Würde ich aber gerne.“ Der Lehrer pfiff und kündigte eine neue Übung an. Ich bildete mit Chris ein Team bei den Dehnübungen. „Moah, Sport ist echt nicht meine Welt.“, hörte ich sie meckern. Chris war nicht gerade unsportlich, sie mochte das Fach einfach nicht. Ich lächelte. Aus den Augenwinkeln konnte ich einige unserer Klassenkameraden sehen, die uns frech angrinsten. „Dein Plan scheint ganz schön aufzugehen, Chris.“ „Ja, es scheint fast so. Ist doch super.“ „Jap.“ Ich schenkte unseren Stalkern einen freundlichen Blick und widmete mich dann wieder den Übungen. Am Ende der Stunde ging ich zu unserem Sportlehrer. Ich wollte ihn fragen, ob er Sportvereine in der Nähe wusste, die Freiwilligenhilfe bräuchten. Je eher man sich erkundigte, desto besser. Mein Lehrer schaute mich erstaunt an. „Du willst ein Jahr pausieren, Hazard? Ich war eigentlich der Annahme, dass du auf jeden Fall studieren würdest. Und mit deinen Noten nimmt dich auch jede Uni auf. Wieso willst du denn jetzt noch ein Jahr warten?“ Warum mussten Lehrer eigentlich so neugierig sein? Da stellt man eine normale Frage und wird gleich ausgefragt. „Ich hab meine Gründe.“, entgegnete ich nur. Er musste gar nicht mehr darüber wissen. Immerhin war er nur mein Sportlehrer und nicht mein Tutor. „Mann mann, Hazard. Aber gut, ich kenn tatsächlich ein paar. Ich werd dir eine Liste an deine Emailadresse schicken.“ Ich bedankte mich und eilte in die Umkleide, um rechtzeitig in die Pause zu kommen. Ich fragte mich immer wieder, warum ich an einem Montag sieben Stunden haben musste. Das vertrug sich nicht so richtig mit dem Wochenende. Gleich am Montag so lange durchzustarten... Das machten Sport und Musik auch nicht wett. Als ich nach Hause kam war Jay bereits da und hatte eine Lasagne in den Ofen geschoben, die in wenigen Minuten fertig sein musste. Ich brachte meine Tasche nach oben und kam dann zurück in die Küche. „Niemand da außer uns?“ „Nope. Grace ist noch auf der Arbeit und Susan und Richard sind mal wieder weg. Ich glaube die kommen auch vor Morgen nicht wieder.“ Die Info war doch mal erfreulich. Wenn wir alleine waren mussten wir uns nicht zusammen reißen und verstellen. Ich umarmte Jay von hinten und küsste ihn auf die Wange. „Schade, dass ich gleich lernen muss, sonst würde ich dich glatt als Dessert vernaschen.“ „Dem!“, er drehte sich in der Umarmung um, lächelte jedoch. „Too much? Ich meins ernst.“ „Nicht too much, nur... ungewohnt.“ Der Ofen meldete sich und piepe, was bedeutete, dass unser Essen fertig war. Jay füllte je eine Portion auf jeden der zwei Teller und brachte sie in die Stube, wo wir sie vorm Fernseher begannen zu essen. Grace kam nach Hause kurz nachdem wir fertig waren, huschte kurz in ihr Zimmer und kam dann bereits wieder runter. „Ich übernachte heute bei David. Mom und Richard sind bis morgen auf Geschäftsreise. Lasst das Haus stehen.“ Damit war sie auch schon wieder aus der Tür raus. „Für was hält sie uns? Als ob wir das erste mal alleine zu Hause wären.“ Ich verzog leicht schmollend meinen Mund. Manchmal bildete sie sich auf diese 3 Minuten, die sie älter war ganz schön was ein. Aber so war sie halt. Ich kenne es ja auch nicht anders. Ich brachte unsere Teller in die Küche in den Geschirrspüler und machte mich auf den Weg nach oben. „Ich setz mich mal an Physik.“ „Tu das. Ich bin gleich noch mal weg, muss Lucas was vorbeibringen.“ „Jetzt noch? Es ist schon dunkel draußen.“ „...Dem... ich bin kein Kind mehr. Die 10 Minuten werde ich schon laufen können.“ Er drückte mir einen Kuss auf die Lippen und ging zur Gradrobe um seine Schuhe anzuziehen. „Na gut... aber vergiss dein Handy nicht.“ Jay zeigte auf seine Hosentasche und deutete so, dass er es dabei hatte. Ich vergaß völlig die Zeit, als ich mich hinter meinen Aufgaben setzte. Sie waren nicht allzu schwer, doch die Lösungswege wurden immer länger und es gab immer mehr Formeln zu merken. Da war es besser, wenn man so viele Übungsaufgaben wie möglich löste, einfach nur um eine gewisse Routine hinein zu bekommen. Immerhin musste ich die gesamten Wege und Formeln nächste Woche Montag im Kopf haben. Ich bemerkte einen Fehler, der sich bei einer bestimmten Stelle immer wieder einschlich und versuchte mich auf diesen zu konzentrieren, damit er sich nicht doch wiederholte. Erst als ich irgendwann auf meine Uhr schaute und bemerkte, dass es schon kurz nach neun war realisierte ich, wie lange ich schon lernte. Jay war immer noch nicht wieder da. Ich entschloss ihn anzurufen. Es klingelte dreimal bis er ranging. „Dem? Sorry, ich hab mich ein bisschen verquatscht. Mach mich jetzt auf den Weg nach Hause.“ „Alles klar, bis gleich.“ Die Zwischenzeit konnte ich nutzen, um mich unter die Dusche zu verziehen. Ich stand etwas länger unter der Dusche als ich wollte, aber das heiße Wasser tat nach diesem langen Tag einfach zu gut. Jay saß auf seinem Bett als ich ins Zimmer kam und hatte sich bereits umgezogen. „Na, wieder da, Schatz?“ Er lächelte und nickte als Antwort. „Gut voran gekommen?“ „Es geht... wenn ich ne Vorlage habe kann ich die Aufgaben alle lösen, aber ohne Wegweiser fällt es mir manchmal noch schwer.“ Ich trocknete mir die Haare mit einem Handtuch ab. „Ich bewundere dich überhaupt dafür, dass du dieses Fach so gut kannst.“ „Dafür kannst du Geschichte, das ist viel bemerkenswerter. Ich kann dir nur Stresemann, Adenauer und Brandt runterdichten. Die hatte ich nämlich mehr als genug.“ Jay musste lachen. Ich hatte ihm die Story mit meinem Lehrer erzählt und selbst im LK wurden die nicht so durchgenommen. Völlig fertig schmiss ich mich neben ihm aufs Bett. „Hat jemand was von Schlafen gesagt? Gott, ich bin so müde...“ Jay stand auf um das Licht aus zu machen, krabbelte dann wieder neben mich. „Wir sind allein zu Hause.“ „Mhm.“ Ich hatte die Augen bereits geschlossen. „Es ist niemand da, der uns hören könnte.“ „Jup...“ Langsam aber sicher driftete ich ins Reich der Träume ab. „Wir könnten alles machen, wozu wir Lust hätten.“ Ich bemerkte die Doppeldeutigkeit nicht. „Jo...“ Wenige Sekunden später war ich eingeschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)