Love Candy von _Haruka-chan_ ================================================================================ Kapitel 6: Runaway ------------------ Also hier ist das 6.Kapitel. Eine Szene ist eine kleine Rückblende, ich habe sie mit [ und ] gekennzeichnet. Viel Spaß :) ------------------------------------------------------------------------------------------------- Ich bin noch nie weggelaufen. Noch nie. Nicht nur von zu Hause oder so, sondern auch im bildlichen Sinne. Ich habe mich niemals vor irgendetwas gedrückt, habe nie geschwänzt oder bin nicht gekommen. Ich bin noch nie davongelaufen. Doch genau das tue ich jetzt. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen, als ich zurückdenke. [Ich stehe in der Küche, ein Glas Wasser in der Hand. Mit leerem Blick starre ich vor mich hin, als L das Zimmer betritt. Ich habe soeben einen Entschluss gefasst, doch ich werde ihn ihm nicht mitteilen. Er würde es nicht verstehen. Also schweige ich und sehe zu Boden. L stellt sich zu mir und sieht mich an. „Wie geht es dir?“, fragt er leise. „Es geht schon. Ich wurde ja nicht verletzt. Es ist nur...“ Ich beende den Satz nicht und er nickt. „Du solltest dich ausruhen.“ Auch ich nicke, stelle das Glas auf die Spüle und folge L. Was würde er sagen, wenn er wüsste, was ich vorhabe? Ich will es nicht herausfinden. Auf dem Sofa liegt eine Decke und ein Kissen. „Wir suchen noch nach Spuren, deshalb müsstest du noch etwas warten, bis du wieder in dein Zimmer kannst.“ sagt er und ich nicke. „Ist gut.“ „Ich bin nebenan, falls du etwas brauchst.“, sagt er, dreht sich um und verschwindet im Nebenzimmer. Ich warte zwei Minuten, lausche meinem Atem, bis ich ganz sicher bin, dass sie nichts merken werden. Dann stehe ich leise auf und schleiche zur Wohnungstür. //Es tut mir leid//, denke ich, drücke sie auf und renne.] Vielleicht könnt ihr mich jetzt nicht verstehen, aber ich musste das tun. Ich konnte nicht anders. Und jetzt stehe ich hier, mitten in der Nacht, auf dem Hauptplatz der Shopping-Straße in Tokoi mit nichts als meinen Klamotten und meinem Handy, welches ich ausgeschaltet habe, aus Angst sie könnten versuchen es zu orten, wenn sie mein Verschwinden bemerken. Damit sie nicht denken, dass ich entführt wurde oder so, habe ich eine Nachricht zurückgelassen. „Dad, es tut mir leid. Auch wenn du denkst, dass es deine Schuld ist, liegst du falsch, es ist meine. Ich bin aus freien Stücken gegangen, weil ich dich und die anderen nicht weiter in Gefahr bringen will. Sucht nicht nach mir. L, auch bei dir möchte ich mich entschuldigen. Es tut mir leid, Cat“ In meiner Eile ist mir nicht mehr eingefallen, als diese paar Zeilen, und ich weiß genau, dass sie nicht rechtfertigen, was ich getan habe, aber ich kann es nicht ändern. Ziellos laufe ich die Straße entlang. Die Geschäfte sind noch offen und das grelle Licht scheint auf die Straße. Ob sie mein Verschwinden wohl schon bemerkt haben? Ob sie schon nach mir suchen? Ich schaue in den Himmel. Die Sterne glitzern. Vielleicht war es doch die falsche Entscheidung? Aber jetzt kann ich nicht mehr zurück. Also laufe ich weiter, kreuz und quer durch Tokio, an Orten, an denen noch ein paar Menschen sind und starre ins Leere. Ich habe mich entschieden, und muss jetzt mit den Konsequenzen dieser Entscheidung leben. Um 2.00 Uhr beschließe ich, in meinen Lieblingsladen zu gehen. Ich weiß, dass das ein Risiko ist, aber ich weiß einfach nicht wohin ich gehen soll. Das Geschäft heißt „Music's Life“ und ist mitten in der Innenstadt. Es ist eigentlich kein allzu großer Laden, doch ich komme schon hier her, seit ich vier Jahre alt war. Als ich zum ersten Mal hier war, hat mich meine Mum mitgenommen. Ich war faszieniert von den vielen CD's, den Kassetten, der Instrumenten und den blinkenden Lichtern. Immer wenn meine Mum hier her kam, um etwas zu kaufen, oder wenn eine Saite ihrer Gitarre gerissen war und sie sie reparieren lassen wollte, bin ich mitgekommen und durfte mich an einen der Computer setzten, und mir die neuesten Lieder anhören. Eigentlich gibt es 10 kleine Computer, an denen die Kunden, etwa eine Minute des Liedes anhören konnten. Ich durfte immer an den Geschäfts-PC, wo ich die Lieder in voller Länge hören konnte. Seit dem Tod meiner Mutter bin ich noch sehr oft hier her gekommen, es ist wie ein Zufluchtsort für mich. Ich kenne alle dort und ich kann kommen, wann immer ich will. Ich betrete den Laden und mit einem leisen „Kling“, kündigt die Tür mich an. Sofort kommt mir Joey entgegen. Joey arbeitet seit zwei Jahren im „Music's Life“ und wir verstehen uns recht gut. „Cat! Schön dich zu sehen!“, grinst er fröhlich, kommt auf mich zu und umarmt mich kurz. „Hey Joey, na wie geht’s dir so?“ frage ich und muss lächeln. Hier bin ich zu Hause. „Der Boss ist nicht da, aber ich hoffe, ich stelle dich auch zufrieden“ lacht er und führt mich ins Hinterzimmer. Das Hinterzimmer war ursprünglich ein Büro. Doch als ich fast jeden Tag in den Laden kam, hat Tony, der Geschäftsführer, beschlossen, das Hinterzimmer zu meinem persönlichen Raum umzubauen. Ich durfte ihn selber streichen und einrichten und habe dort auch viele persönliche Sachen. „Ich hör ein bisschen Musik, okay? Stör mich aber bitte nicht.“, sage ich und betrete das Zimmer. „Alles klar.“, grinst Joey und verschwindet zwischen den Regalen. Ich schließe die Tür und lehne mich erschöpft dagegen. Der Raum ist nicht besonders groß, aber er ist gemütlich und hat einen weichen Teppich. Die Wände sind weiß gestrichen und es hängen viele Fotos daran. Fotos von mir und Alice, von meinem Dad und auch von meiner Mum. In der Mitte des Raumes steht ein Sofa und an der Wand ein Fernseher mit einer Playstation und einer Wii. Diese Geräte haben wir nur wegen der Sing- und Tanzspiele angeschafft. In der Ecke steht eine große Stereoanlage und nebendran eine Komode mit mehreren Kopfhörern und CD's. Ich lasse mich aufs Sofa fallen und nehme mir einen der Kopfhörer. Ich drehe die Musik auf und schließe die Augen. I'm not a perfect person There's many things I wish I didn't do But I continue learning I never meant to do those things to you And so I have to say before I go That I just want you to know I've found a reason for me To change who I used to be A reason to start over new And the reason is you I'm sorry that I hurt you It's something I must live with every day And all the pain I put you through I wish that I could take it all away And be the one who catches all your tears That's why I need you to hear I've found a reason for me To change who I used to be A reason to start over new And the reason is you. Während ich so daliege und der Musik lausche, kommen Zweifel in mir auf. War es wirklich richtig abzuhauen? Mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher. Was soll ich tun? Die Musik hüllt mich ein und ich merke, dass ich eigentlich todmüde bin. Ich kann nicht mehr. Es ist einfach zu viel in den letzten paar Stunden passiert. Ich weiß nicht mehr weiter. //Ich hoffe sie suchen nicht nach mir...//, denke ich während mir langsam die Augen zufallen. Ich will doch nur, dass sie in Sicherheit sind. Ich will nicht, dass sie meinentwegen in Gefahr geraten. Ich will sie doch nur beschützen. Ist das so falsch? Als ich die Augen öffne, weiß ich zuerst nicht wo ich bin, doch dann fällt mir alles wieder ein. Ich bin weggelaufen. Und ich bin im „Music's Life“. Ich setzte mich auf und sehe auf die Uhr. 4.30, morgens. Ich habe wohl ein bisschen geschlafen. Ich stehe auf, richte mir die Haare ein bisschen und öffne die Tür. Ich sehe Joey, wie er CD's einsortiert. Ich sehe die Menschen draußen auf der Straße, die jetzt schon unterwegs sind. Ich sehe Tony, wie er Anweisungen gibt und ich sehe mich in einem Spiegel. Ich sehe ein Mädchen, mit langen braunen Haaren. Sie ist bleich und sieht müde aus. Sie trägt eine schwarze Hose und ein schlichtes rotes Top, darüber eine kurze, schwarze Lederjacke. Das Mädchen bin ich. Ich sehe wirklich schlimm aus. Tony bemerkt mich und kommt auf mich zu. „Cat! Schön dich zu sehen! Aber du siehst mitgenommen aus. Ist alles klar?“ Für einen Moment will ich ihm alles erzählen, alles. Aber ich halte mich im letzten Moment zurück. Das kann ich nicht tun. „Nein, mir geht’s gut, ich bin nur unglaublich müde. Ich muss jetzt los, ich komme in ein paar Tagen nochmal vorbei. Sag bitte niemandem, dass ich hier war. Danke.“ Mit diesen Worten drehe ich mich um und verlasse den Laden. Tony sieht mir hinterher. Er glaubt mir nicht, aber er weiß auch, dass ich ihm nichts erzählen werde, wenn ich es nicht will. Es ist noch dunkel draußen. Inzwischen wissen sie auf jeden Fall, dass ich weg bin. Ich laufe durch die Straßen und die Leute die an mir vorbei laufen, sehen mich kurz an, beachten mich dann aber nicht weiter. Sieht man es mir an? Wie verzweifelt ich bin? Ich konnte meine Gefühle sonst immer verbergen. Warum kann ich es jetzt nicht? Ich habe kein Ziel, laufe einfach immer weiter, will sehen, wohin mich meine Füße tragen. Noch bevor ich angekommen bin, weiß ich es. Der Friedhof. Hier liegt meine Mum begraben. Ich drücke das eiserne, rostige Tor auf und betrete das Grundstück. Der Friedhof ist kalt und leer, und genauso fühle ich mich. Ich laufe zum Grab meiner Mutter. Was wäre aus mir geworden, wenn sie nicht gestorben wäre? Würde ich dann auch hier stehen? Was hätte ich getan? Wäre mein Leben wirklich so anders? Auch wenn ich meine Mutter vermisse, habe ich immer geglaubt, ich sei darüber hinweg. Aber vielleicht habe ich mir das auch nur eingeredet. Der Wind fährt durch die Blätter der Bäume und ich fröstele. Langsam bildet sich ein heller Streifen am Horizont. Bald wird die Sonne aufgehen und ich brauche einen Ort, an dem ich mich ausruhen kann. Ich habe kein Geld bei mir und jetzt zurück zum „Music's“ zu laufen, wäre zu riskant. Mir ist klar, dass mein Dad und L, trotz meiner Bitte nach mir suchen werden, aber ich habe nicht vor, mich finden zu lassen. Ich werde mich verstecken und nicht zurückkommen. Doch die Zweifel quälen mich noch immer. „Woher willst du wissen, dass es richtig war? Wie würdest du dich fühlen, wenn der andere einfach gehen würde?“, flüstert eine Stimme in mir. „Ich weiß es nicht... Ich weiß es nicht.“ flüstere ich zurück und ich fühle, wie die Tränen in mir hochkommen. Doch wenn ich jetzt aufgebe, war alles umsonst. Ich werde mich vorerst im Wald verstecken und warten. Ich stehe im Wald, abseits der Wanderwege, unter einer großen, alten Birke. Der Wind raschelt und ich frage mich wie viel Uhr wir wohl haben, da die Sonne mittlerweile aufgegangen ist. Was L wohl gerade macht? Ob er nach mir sucht? Und obwohl ich mir eigentlich wünsche, dass sie nicht nach mir suchen, hoffe ich doch, dass er sich Sorgen macht. Dieser Wiederspruch macht mich fertig. Ich lehne den Kopf an die kalte, harte Rinde und lausche. Mir fällt ein Lied ein, was meine Mutter immer sehr schön, aber auch traurig fand. Ich fange an zu summen. Und irgendwann singe ich leise. Cause all of this is more than I can take. And you could never understand the despair in my face. So go away and close your eyes and lie right to the world. Losing everything I am, I'm just a little girl. Just a little girl. Es ist eine schöne, und doch auch traurige Melodie, aber dennoch fühle ich mich dadurch getröstet. Und so singe ich weiter, bleibe einfach stehen und versuche die Welt um mich herum zu vergessen. Yeah, I'm just a little girl. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)