Gothika von RoterAquamarin (Redcap, Blackcap & der böse Wolf) ================================================================================ Kapitel 1: Blackcap: Was ist das für ein Schönling? --------------------------------------------------- Lauf! Lauf! Blicke nicht zurück, sonst trifft es dich! Es holt dich ein, erbarmungslos. Du kannst nichts dagegen tun, so sehr du dich auch wehrst. Hach, verstehst du nicht, dass es sinnlos ist? 'Nein! Nein! Nein!' Dein Atem wird immer schwerer, deine Brust schmerzt, deine Beine werden nicht mehr lange mithalten können. Das saftgrüne Gras unter deinen Füßen sieht für dich aus, wie ein zusammengehäufter Haufen unerträglich spitzer Nadeln. Der blaue Himmel spiegelt sich in deinen sich mit Tränen füllenden Augen. Wieso schiebst du die Schuld für deine Verzweiflung auf diese wunderschöne Natur, die dich umgibt? Bleib doch einfach stehen! 'Ich darf nicht stehenbleiben! Sonst holt es mich ein!' Was denn? Weißt du, wovor du da wegrennst? 'Es ist gefährlich, das ist alles, was ich weiß und wissen muss!' Ich verstehe dich nicht. 'Ich muss nach Hause! Ich muss es schaffen!' Nur zu schade, dass du nicht weit kommen wirst, wenn du weiterhin den Grund unter deinen Füßen ignorieren wirst. "Ah!" Du wolltest ja nicht auf meine Warnung hören. Sieh nur, jetzt hast du dir dein Knie aufgeschürft. Hast du nicht bemerkt, dass die Wiese dem harten Waldboden Platz gemacht hat? "Aua, aua, aua!" Ich dachte, du wolltest unauffällig wirken und entkommen, dabei machst du hier jetzt einen Radau. Deine Arme schlingst du um deine Beine und versuchst, den Schmerz durch leichtes Anpusten zu lindern. Aber schau, wer kommt denn da? 'Oh nein!' Schau ihn dir doch an, deinen furchterregenden Verfolger. Sieht er so angsteinflößend aus? Du hättest stehenbleiben können. "Wer bist du? Wieso hast du mich verfolgt?" Deine Lippen geben fast lautlos diesen Satz preis. Du blickst ihn an. Verwunderung und Aufregung werden durch deine Adern gepumpt. Dein Kreislauf wird mit jedem Herzschlag schneller, wieso denn? "Nenn mich einfach Wolf, edles Fräulein." "Wolf?" Klingelt da nicht etwas in deinem Unterbewusstsein? Ich würde es als eine Alarmglocke deuten. Du erinnerst dich doch, deine fürsorgliche Mutter hatte dir ausdrücklich befohlen, sich von solchen Wesen fernzuhalten. Wesen, die ein falsches Lächeln aufsetzen, um dich in die Irre zu leiten, um das zu bekommen, was sie wollen. "Ganz recht, Wolf heiße ich. Ich weiß, es ist kein geläufiger Name, aber damit wurde ich nun mal gesegnet und solange ich ihn trage, werde ich auch stolz auf ihn sein." Du schaust ihn seine graugetönten Augen und findest keine passende Erklärung für deine pulsierenden Emotionen. Er sieht wirklich atemberaubend aus, das findest du doch? Sein im Sonnenlicht glänzendes, silber funkelndes Haar, seine feinen Gesichtszüge, seine außergewöhnliche Bekleidung. So ein schwarzer Anzug ist nichts Besonderes und doch hat es an ihm eine vielsagende Ausstrahlung. 'Er ist wunderschön.' Galant reicht er dir seine mit einem weißen Handschuh überzogene Hand entgegen. Mit einem höflichen Lächeln ermutigt er dich, seine Hilfe anzunehmen. "V-vielen Dank." Du ergreifst seine Hand und lässt dich vorsichtig hochziehen. "Ich hoffe doch, dass du dir keine allzu schlimmen Verletzungen zugezogen hast, Fräulein." 'Was ist das für ein Mensch?' Hmm, woher die Überzeugung, er sei ein Mensch? Du klopfst dir verlegen mit der freien Hand die Erde und den Schmutz von deinem schwarzen, mit Rüschen verzierten Lieblingskleidchen. Ich glaube das ist nicht das, was er gemeint hatte. "N-nein, nichts allzu Schlimmes." "Die Wunde an deinem Knie sieht aber nicht gerade harmlos aus. Lass mich dir helfen." "Es geht, keine Sorge." Doch, sein besorgtes Gesicht lässt dir keine Ruhe. Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so schnell um den kleinen Finger wickeln lassen würdest. "Ich kann doch nicht einfach zusehen, wie das Fräulein humpelnd seinen Weg fortsetzt und dabei bei jedem Schritt qualende Schmerzen erleiden muss." Er lässt deine Hand los und hebt dich, mit einer überzeugten Bewegung, in seine Arme. Dein Herz zeigt keinerlei Ermüdung, so schnell, wie es an Tempo annimmt. "Das muss wirklich nicht sein!" "Das glaubst du doch nicht einmal du selbst." Seine Augen beobachten dich mit einer liebevollen Fürsorge. Die Zeit scheint still zu stehen. Während du resigniert deinen Kopf an seine Brust lehnst und seinen Schritten lauschst, fließt seine Körperwärme auf dich über. Die Blätter der umherstehenden Laub- und Nadelbäume haben eine wirklich schöne Farbe, wenn sie so im Sonnenlicht glänzen, glaubst du nicht auch? "Herr Wolf..." Er hat seine Arme schützend um dich geschlungen und sein fester Halt deutet auf keinerlei Schwierigkeiten mit deinem Gewicht. "Was möchtest du wissen, mein Fräulein?" "W-wieso hast du mich verfolgt?" Deine Wangen glühen, du solltest dich etwas im Zaum halten. "Ich denke, dies hast du als ein kleines Missverständnis wahrgenommen. Ach, ich sah diese hübsche, zarte Mädchengestalt auf der blühenden, grünleuchtenden Lichtung, umgeben von gewaltigen Bäumen und anderen Gewächsen... Sie passt doch gar nicht in diese raue Umgebung, dieses zerbrechliche Ding, dachte ich." Du wirst förmlich von seiner netten Sprache, seiner sanften Stimme eingesogen. "Aber diese Natur ist doch etwas Wunderschönes!" Wieso würde er so ein Wunder als rau bezeichnen? "Durchaus. Das ist es nicht, was ich meinte. Es ist nur schwierig zu beschreiben, Fräulein. Weil du, so wunderhübsch du doch bist, viel mehr Eindruck hinterlässt." Mindestens jetzt solltest du doch begreifen, dass diese Worte einzig und allein unbedeutendes Gesäusel sind. "Das i-ist nicht wahr!" "Ich fühlte einen engen Drang, dich anzusprechen, doch da bist du auch schon davongeflitzt." Wieso bist du denn so verwundert? "Das tut mir sehr Leid, diese Unannehmlichkeit." Ein nett anzusehendes Lächeln umringt seine Lippen. "Jetzt, da dies geklärt ist, ist doch wieder alles in bester Ordnung. Ich denke, diese Hütte vor uns ist dein Zuhause." Du folgst seinem Blick und erblickst in der Ferne, nicht allzu weit entfernt, deinen über Jahre gleichgebliebenen Wohnort. "Ja, das ist es." Obwohl du mehrere zig Minuten zu der Wiese brauchtest, kommt es dir jetzt so vor, als hätte dein eleganter Gentleman nur in wenigen Sekunden diese Strecke zurückgelegt. "Übrigens, ich kann mich nicht entsinnen, des Fräuleins Namen gehört zu haben." "Schwarzkäppchen ist mein Spitzname." 'Sein Lächeln ist im äußersten Sinne zauberhaft.' "Ein sehr passender, hübscher Name." "D-dankeschön." Als er dich von seiner Trageposition erlöst, entfährt dir fast schon ein Seufzer der Enttäuschung. "Hier sind wir. Du solltest dich auf jeden Fall verarzten lassen. Dein Knie sieht nicht gut aus." Da du solange von seinem Auftreten geblendet warst, hattest du den brennenden Schmerz ganz vergessen, der jetzt wieder aufkam. "Ja, das werde ich. Vielen herzlichen Dank, Herr Wolf!" Voller Eifer verbeugst du dich vor ihm und setzt dein ehrlichstes Lächeln auf. "Aber nein, Fräulein, es war mir geradezu eine große Ehre." Du beobachtest, wie sich der Schönling mit einem charmanten Lächeln verabschiedet. Der Wind lässt das Laub auf-und abwirbeln und so aussehen, als ob die Blätter miteinander spielen würden. Genauso, wie die Strähnen deines dunklen, marinblauen Haares, die verlangend von den Böen in die Richtung geweht und gezerrt werden, in der der Wolf verschwand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)