The Girl who was forgotten von Rumiko- ================================================================================ Kapitel 5: Zerschlagene Träume ------------------------------ „Hör auf, so etwas zu sagen und fang an zu kämpfen! Wo ist dein alter Kampfgeist?!“ „Gestorben.“ „Nein! Ist er nicht. Komm schon, Amai. Steh auf.“, Zero nahm meine Hand und zog mich auf die Füße, „Lass dir von denen nichts einreden.“ „Sie haben doch recht...“, murmelte ich, „Was soll ich mir da noch einreden lassen?!“ Plötzlich lagen seine Hände auf meinen Schultern. Ich fuhr etwas zusammen und senkte den Kopf. „Komm wieder zu dir, Amai. Das bist nicht du. Merkst du das nicht?“, seine Stimme war leise aber eindringlich. „Woher willst du wissen, wer ich bin? Du kennst mich nicht. Kein bisschen. Bis jetzt war ich dir egal. Wir haben nie mehr als 2 Sätze in normaler Lautstärke gewechselt und dennoch glaubst du zu wissen, wie ich bin und vor allem WER ich bin? Du weißt gar nichts!“, sagte ich leicht wütend und wunderte mich darüber. Dieser Junge brachte mich wirklich dazu, noch wütend zu werden, auch wenn ich schon aufgegeben hatte... „Du hast recht, ich weiß nicht, wer du wirklich bist, aber ich weiß, wie ich dich sehe. Ich habe dich beobachtet. Willst du wissen, was ich gesehen habe?“ Ich nickte unsicher. Irgendwie hatte ich angst vor dem, was ich hören könne. „Ich habe eine starke junge Frau voller Stolz und Mut gesehen. In gewissen Situationen auch eine große Cholerikerin....“ „Ich bin also jähzornig und hitzköpfig?!“, unterbrach ich ihn. „Unter Anderem. Aber das sind Eigenschaften, die deinen Charakter prägen und dich zu der machen, die du bist.“, er lachte nicht, war mehr als ernst, „Außerdem wird der Charakter von Cholerikern auch durch Willensstärke und Entschlossenheit gekennzeichnet.“ „Dennoch überwiegt Jähzorn!“, zischte ich und seufzte dann. Ich hatte einfach keine Lust mehr zu Kämpfen. Weder gegen ihn noch gegen die Welt. „Momentan sehe ich ein gebrochenes Mädchen, das mit dieser Welt abgeschlossen hat und jeden Tag nur auf den Tod wartet. Deine Augen sind trüb und leer.“ „Das ist normal bei Blinden.“, antwortete ich trocken. „Ich bin aber davon überzeugt, dass dieses Feuer, das sonst immer in deinen Augen gebrannt hat und all diesen Ärschen wie Masao Respekt eingeflößt hat, immer noch da wäre, wenn du nicht aufgegeben hättest.“, ich hörte deutlich aus seiner Stimme heraus, dass er voll und ganz an die Wahrheit seiner Worte glaubte. „Nein, die hält nichts auf.“, sagte ich und löste seine Hände von meinen Schultern, „Weder damals noch heute. Egal, wie sehr meine Augen gebrannt haben oder auch nicht. Egal, wie sehr ich mich verändert habe. Ich habe keinen Platz in der Welt dieser elenden Aasgeier...“ Mir wurde schmerzlich bewusst, das auch Zero nur eine Stimme in der Dunkelheit war. Weit von mir entfernt in der Welt des Lichts und der Farben. Ich hatte keine Ahnung mehr, wie er aussah. Er war ein fremdes Wesen aus einer anderen Welt. Ich seufzte und schloss die Augen. Meine Erinnerungen nach einem noch nicht verschwommenen Bild von ihm durchsuchend, dachte ich noch einmal über seine Worte nach. Er hatte recht. Ich war dabei, mich selbst zu verlieren und das durfte nicht sein! Ich habe ein Versprechen gegeben. Ich streckte die Hände nach ihm aus: „Wo stehst du grade?“ Er hatte lange geschwiegen, während ich in meinen Gedanken gewesen war und ich wusste nicht, ob er überhaupt noch da war. „Ich bin hier.“, sagte er und führte meine Hand an seine Schulter. Ich nickte und tat einen kleinen Schritt auf ihn zu. Ich will nicht, dass er mir fremd vorkommt. Er hat mich vor Masao verteidigt und mir sinnbildlich die Augen dafür geöffnet, dass ich fast der Melancholie verfallen wäre. Blinde „sehen“ mit den Händen, so heißt es. Langsam ließ ich meine Hand über seine Schulter wandern, bis meine Finger auf seinen Hals trafen. Dort zögerte ich kurz, ließ meine Hand dann aber seinen Hals hinauf gleiten, bis sie an seiner Wange lag. Ich versuchte mich an Farben zu erinnern, was mir gar nicht so leicht fiel. Dennoch wollte ich Farben mit in dem Bild haben, das ich mir grade mühsam zusammenstückelte. Die einzige Farbe an die ich mich noch deutlich erinnerte war das Violett seiner Augen, das die Emotionen dahinter wie eine Wand versteckte und sich so selten wie ein Vorhang im Theater aufschob und den Blick in einen Teil seiner Seele freigab. Ich würde alles dafür geben, ihm jetzt in die Augen schauen zu können, sehen zu können, ob diese Wand momentan immer noch da war, oder ob sie Emotionen gewichen war. „Weißt du, das einzig gute daran blind zu sein, ist die Tatsache, dass es einem egal wird, wie man aussieht und in anderer Leute Augen dasteht.“, murmelte ich, während ich die Informationen, die ich über seine Gesichtszüge durch meine Finger bekam, zu einem Bild zusammensetzte. Ich war fasziniert von der Makellosigkeit seiner Haut. Die Stimmung in diesem Moment war wundervoll ruhig. Doch dann kippte die Stimmung. Zeros Atem war schnell und flach. „Geh...geh weg von mir...“, keuchte er. Sein Körper zitterte fiebrig. „Was hast du auf einmal? Bist du krank?“, fragte ich und drückte meine Hand gegen seine Stirn. Er glühte regelrecht. Er nahm meine Hand. Sein Griff war eisern und schmerzte, genau wie vor vielen Wochen. Allerdings ließ er diesmal nicht los und schubste mich weg. Im Gegenteil. Er festigte seinen Griff und zog mich zu sich. Unter normalen Umständen hätte ich nichts gegen eine Umarmung von ihm gehabt, aber ich wusste nicht, was mit ihm los war. Diese Unsicherheit machte mir Angst. Zero sank zu Boden, zog mich mit sich und legte den Kopf auf meiner Schulter ab. Vampir!!, schrie alles in mir. Ich war wie erstarrt. Erst, als seine Zähne sich in meine Haut bohrten und warmes Blut über meinen Hals rann, erwachte ich aus der Starre. Trommelnd schlug ich mit den Fäusten gegen seine Schultern. „Lass mich los!“, schrie ich ihn an. Schlagartig wurde mir klar, warum seine Aura Violett war. Sie bestand aus der blauen Aura eines Hunters und der roten Aura eines Vampirs. Er reagierte gar nicht. „Bist du taub?! Lass mich los, elendes Monster!“ Schließlich löste er sich ruckartig von mir. „Amai...es tut mir leid...“, Reue war deutlich in seiner Stimme zu hören, genau wie Selbsthass. Ich schüttelte langsam den Kopf, bekam meine Gedanken einfach nicht geordnet. Immer noch rann das Blut meinen Hals hinab. Zitternd hielt ich mir die Wunden am Hals zu. „Jetzt sag doch was! Geht es dir gut?“, er klang verzweifelt und hilflos. Als seine Hand sich auf meine Schulter legte wich ich zurück. „Fass mich nicht an, Blutsauger!“, da war wieder diese rohe Wut, die tief in meinem Inneren brodelte wie ein Vulkan. Es war die geballte Wut aus 7 Jahren voller Schmerz und Leid und sie würde nun über Zero hereinbrechen wie ein Tsunami. „Du bist ein Lügner! Jeden hast du belogen! Wagst es, mich zu bedrohen, ich solle in die Nightclass gehen, aber du bist selbst nichts besser! Du sagtest doch, du könntest keine weiteren Vampire hier gebrauchen. Dann geh doch! Jeder Vampir weniger ist ein Fortschritt! Und...“, so wurde aus meiner Wut eine ellenlange Hasstirade, die er stumm ertrug. „Du hast recht.“, sagte er schließlich. Seine Stimme war nüchtern und sachlich, „Ich bin ein Monster. Eine Bestie in Menschengestalt. Du tust gut darin, wenn du dich von mir fernhältst. Meine Nähe ist wirklich gefährlich. Ich könnte dich töten, wenn du mir zu nahe kommst.“ „Das ist ja nicht einmal das schlimmste!“, blaffte ich, „Ich hasse dich, weil du Vampir UND Hunter bist! Ihr Hunter tut, als seid ihr Helden, aber in Wahrheit seid ihr nur ein Haufen Mörder! Genau wie Vampire! Ihr seid keinen Deut besser als die! Wegen Leuten wie dir musste mein Vater sterben! Wegen Leuten wie dir wurde mir mein Bruder genommen! Wegen Leuten wie dir werde ich nie ein richtiges Leben haben!“, ungewollt liefen Tränen über meine Wangen. Da sieht man es mal wieder. Vertraue niemandem, sei wachsam. Alleine ist man besser dran. Wenn einem Nichts bedeutet, kann man nichts verlieren. Lässt man niemanden an sich heran, kann man nicht verletzt werden. All diese Gründe fielen mir dafür ein, einfach aufzustehen und zu gehen, dennoch ging es einfach nicht. Mir wurde klar, dass ich ihn nicht hasste. Ich hasste mich selbst. Dafür, dass ich nicht in diese Welt passte. Dafür, dass ich nie wie die anderen sein würde. Ein leises Wimmern drang aus meiner Kehle und die Tränen wollten einfach nicht versiegen. Jede der Tränen, die von meinem Gesicht perlten, war wie Salz, das in wieder aufgerissene Wunden meiner Seele rieselte. „Das mit deinem Vater tut mir leid. Ich...“, setzte Zero an „Halt die Klappe! Du kanntest ihn nicht einmal!“, schnitt ich ihm das Wort ab. Er fuhr einfach fort: „Ich habe von ihm gehört. Er soll ein guter Hunter gewesen sein...“ „Er war der Beste!“, zischte ich, allerdings verloren meine Worte durch mein Gewimmere an Druck. „Findest du allein zum Wohnheim?“, überging er mein jämmerliches Gezische einfach. „Wie denn?! Mein Blindenstock ist hinüber und sehen tu ich immer noch nichts!“, mir tat der Hals durch das viele Schreien und Weinen weh. Außerdem war mir durch den Blutverlust, den ich durch Zeros Biss erlitten hatte, schwindelig und meine Beine wollten, wie so oft, auch nicht so richtig. Dennoch quälte ich mich hoch. Schließlich stand ich mit stark zitternden Knien und drohte jeden Moment wegzuklappen. Ich hörte Zero nur seufzen und wenige Sekunden später wurde ich angehoben und getragen. Irgendwie war das ja schon süß.... Nein! Das tat er bestimmt nur, weil ich keine 2m mehr geradeaus laufen konnte, ohne über meine eigenen Beine zu stolpern. „Lass mich runter, wenn ich dir zu schwer werde.“, sagte ich genervt. Ich hasse es, durch die Gegend getragen zu werden. Noch mehr hasste ich es, dass ich mir grade sozusagen Schulden gemacht hatte. Schulden im Sinne von Hilfestellungen, die er mir gab und für die ich mich notgedrungen irgendwann bedanken musste. „Geht schon. Du bist nicht schwer.“, antwortete er knapp, „Mach mal die Tür zum Wohnheim auf. Direkt vor dir.“ Ich tat wie mir geheißen. Je eher ich in meinem Zimmer war, desto eher verschwand er und ich hatte meine Ruhe. „Ich bin mit bei Yuki uns Sayori im Zimmer. Sei bloß leise! Wenn eine der Beiden aufwacht, kriegst du ärger mit mir!“, meine Stimme war nicht mehr als ein heiseres Krächzen. „Ich bin leise. Wenn die Beiden aufwachen, liegt es an dir.“ „Hmpf.“, machte ich nur. Am Zimmer angekommen, öffnete ich wieder die Tür und Zero trug mich hinein. Er setzte mich vorsichtig auf meinem Bett ab. „Ab hier kommst du alleine Klar?“, fragte er „Nee, weißte?!“, erwiderte ich barsch. „Gut.“, murmelte er nur und wenige Sekunden Später hörte ich wie die Tür ganz leise zugezogen wurde Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)