The Girl who was forgotten von Rumiko- ================================================================================ Kapitel 6: Der Mann, der ihr alles nahm --------------------------------------- Am nächsten Morgen ging alles seinen gewohnten Gang. Ich ertrug die Schikane meiner Mitschüler wie immer stumm. Unser Ethik-Lehrer, Yagari, betrat den Raum in disziplinierten Militärschritten, die die Schüler sofort verstummen ließen. „Guten Morgen.“, begrüßte er die Klasse, welche kurz darauf mit einem weiteren „Guten Morgen“ antwortete. „Korime-kun, ich möchte dich nach dem Unterricht sprechen.“, verkündete Yagari und begann den Unterricht. Vor mir tuschelten einige meiner Mitschülerinnen. „Was wohl jetzt wieder mit Korime ist?!“, murmelte die Eine „Bestimmt wird sie von der Schule genommen, weil sie blind ist.“, mutmaßte die Andere. „Ich bin blind, aber dafür sind meine Ohren sehr gut.“, stoppte ich das Kaffeekränzchen der beiden und zog so die Aufmerksamkeit des Lehrers auf mich und die zwei Quatschtanten vor mir. „Ruhe da hinten! Ansonsten könnt ihr Freitag zum Nachsitzen bleiben.“, rief Yagari in einem sehr genervten Ton. „J-ja, Sensei...“, piepsten die Quatschtanten. Die Aura der beiden, die ich wahrnahm, sprach von großem Respekt und Angst vor den Konsequenzen, die weitere Störungen des Unterrichts nach sich ziehen könnten. Ich lachte leise, dachte aber die ganze Stunde nur darüber nach, was Yagari wohl von mir wollen könnte. Ich wusste, was er war, aber wusste er auch, was ich war? Ich wusste nicht, wie er meine Aura wahrnahm. Wahrscheinlich ordnete er sie einem Level E oder D zu. Mir fiel auf, dass ich keine Ahnung hatte, welche Farbe meine Aura hatte. Farben... Ich vermisse die Farben irgendwie. Früher habe ich mir nie Gedanken darum gemacht. Sie waren einfach da gewesen, aber jetzt.... Ich vermisse es, meine geliebten weißen Rosen zu sehen, genau wie das Blau des Himmels oder die zarte Farbe der Kirschblüten, die grade überall auf dem Schulgelände blühen. Früher war meine Welt auch dunkel gewesen, allerdings konnte ich da noch sehen. Jetzt war wirklich alles schwarz.... Ich rutsche schon wieder in die Melancholie ab... Immerhin sind meine anderen Sinne jetzt geschärft und verfeinert. Ich schloss seufzend die Augen und ließ die warme Frühlingssonne, die durch das Fenster in den Raum fiel, mein Gesicht etwas wärmen. Ich schlief fast ein und erst das schrille Klingeln der Schulglocke ließ mich hochschrecken. Lustlos packte ich meine Sachen zusammen und ging zum Pult. „Sie wollten mich sprechen, Sensei?“, fragte ich, um das Gespräch in Gang zu bringen. „Richtig.“, sagte Yagari einfach nur. „Und worüber wollen Sie mit mir sprechen?“ „Erstmal weiß ich, was du bist und auch, wer deine Eltern waren.“ „Und weiter?“, das brachte mich nicht weiter. Er weiß, wer meine Eltern sind. Na und?! Keine Antwort. Vielleicht wollte er, dass ich von selbst drauf komme. „Nein, lassen Sie mich raten! Ich wurde auf die Exikutionsliste gesetzt und soll noch heute abgeholt werden! Na dann ist ja alles gut. Ich geh sterben, Sie gehen weiter Ihrer Arbeit nach. Alle froh!“ „Darum geht es momentan nicht. Noch nicht.“, Hass schwang als Unterton in seiner Stimme mit, „Es geht um deinen Halbbruder, Jou.“ Ich wurde misstrauisch: „Was soll mit ihm sein?“ „Er hat zugegeben, dich in Tötungsabsicht angegriffen zu haben.“, Ein weiterer Unterton schlich sich in die Stimme des Hunters. Ein Unterton, der aussagte >Ich hätte ihm geholfen, dich um die Ecke zu bringen!< „Schön für ihn. Hat er großes Lob bekommen?!“ Etwas kratzte über die hölzerne Tischplatte des Pultes. „Nein.“, Yagari wurde wütend. Er wäre bestimmt dafür gewesen, hätte man Jou für den Mordanschlag auf mich einen Orden oder so verliehen. „Was wollen Sie dann von mir?“ „Ich geb dir den Tipp, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Du verwirrst die Leute hier nur und hinterlässt eine Spur aus Chaos.“ „Sie müssen schon etwas präziser benennen, was Sie meinen. Ich bin des Gedankenlesens leider nicht mächtig.“ Schlagartig berührte kalter Stahl meine Kehle. „Werd nicht frech, Kleine!“, Yagaris Stimme war vor unterdrückter Wut ganz leise, allerdings presste er seine Worte mit viel Druck heraus, sodass sie zischend klangen. „Na los. Bringen Sie es zu Ende. Ein kleiner Schnitt und alles ist vorbei.“ „Glaub mir, du wärst schon längst tot, würdest du nicht unter dem Schutz des Rektors stehen!“, der Druck auf die Klinge an meiner Kehle wurde etwas verstärkt, ehe die Klinge langsam entfernt wurde, „Und du wirst auch sterben, sobald der Rektor nicht mehr so auf dich aufpasst!“ Ich zuckte unberührt die Schultern: „Kann ich jetzt gehen? Ich hab noch was zu tun.“ Ein widerwilliges „Von mir aus“ erklang und ich verließ den Raum. „Yuki?“, fragte ich, als ich auf dem Flur stand. „Ist nicht da. Der Rektor hat gemeint, sie bräuchte mal eine Pause. Heute bin ich für dich zuständig.“, meinte eine mir nur zu bekannte Stimme. Ich seufzte leise: „Meinetwegen.“ Ich war wirklich nicht sehr angetan davon, dass Zero heute meinen Aufpasser spielen sollte. Dennoch kam mir das auf eine Art und Weise recht gelegen. „Hey Zero, ich hab da mal ne Frage. Als Hunter kannst du dir doch jede Akte im Archiv der Hunterorganisation ansehen, oder?“, fragte ich. „Ja, warum fragst du?“ „Kannst du die Akten auch mitnehmen?“, überging ich seine Gegenfrage einfach. Er schaltete allerdings schnell: „Willst du etwa, dass ich eine Akte für dich mitgehen lasse?“ Ich biss mir auf die Lippe und nickte. „Warum?“ „Weil ich den Mörder meines Vaters finden will. Er wurde von einem Hunter im Auftrag der Organisation ermordet. Darüber muss es doch einen Bericht oder so etwas geben, oder?“ „Theoretisch ja. Du willst deinen Vater rächen oder?“ „Blöde Frage! Natürlich will ich ihn rächen. Dann will ich das Schwein finden, das meine Mutter auf dem Gewissen hat und dann kann ich endlich mit der Vergangenheit abschließen.“ „Hm. Da hast du nur eine Sache übersehen. Wofür lebst du, wenn du dein Ziel erreicht hast, oder willst du dich dann einfach umbringen?“ Meine Stimme war eisig, als ich ihm antwortete: „Und wenn dem so wäre?! Das wäre für die Welt doch ein Segen, wenn ich weg wäre. Was interessiert es dich dann, was ich mache?!“ „Wir sind uns ähnlich, Amai. Wir haben fast das selbe Schicksal. Du musst wissen, ich habe meine Eltern auch verloren. Und meinen Bruder...“ „Dann weißt du, wie es mir geht. Ich bitte dich, Zero. Besorg mir die Akte über Kirei Korime. Ich will den Kerl, der meinen Vater ermordet hat wenigstens einmal sehen und ihn fragen, warum er das getan hat und was er mit Jou gemacht hat, dass er mich heute so hasst...“, etwas flehendes trat in meine Stimme. Ich flehte zu Gott, oder was auch immer da oben war und mich wohl mit Vorliebe leiden ließ, es ein einziges Mal in meinem Leben gut mit mir zu meinen. „Ich kann es versuchen.“ Ich strahlte und umarmte ihn stürmisch. „Danke...“, hauchte ich. Vielleicht war er doch gar nicht so übel. Ausnahmen soll es auf beiden Seiten ja immer geben. Zwei Tage später nannte Zero mir den Namen des Hunters, der meinen Vater auf dem Gewissen hatte. „Laut Akte hieß der Kerl Raidon Higurashi. Er lebt sogar in der Stadt. Wenn du willst, begleite ich dich dorthin.“, meinte Zero. Ich nickte stumm. Bald würde es ernst werden. Ich würde dem Mann gegenüberstehen, der meinen Vater vor meinen Augen erschossen hat und dessen Stimme mich fast jede Nacht in meinen Albträumen jagte. Ich würde ihm endlich begegnen und ihm heimzahlen, was er mir angetan hatte. Als ich mit Zero aufbrach, regnete es, als würde der Himmel spüren, was in mir vorging. Ich schwieg den ganzen Weg über und erst Zeros Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Wir sind da. Bist du bereit?“, fragte er „Nicht wirklich...“, murmelte ich. Ich hörte eine Tür aufgehen und wieder ins Schloss fallen. „Was wollt ihr denn hier?!“, erklang die Stimme, die ich meinen Lebtag nicht vergessen werde. Wie ein Eissturm hüllte ihr Klang mich ein und ließ mich frösteln. „Erinnern Sie sich noch an Kirei Korime und seine Kinder Jou und Amai?“, fragte ich leise. Stille. Es waren unendliche Sekunden bis er antwortete: „Ja, ich erinnere mich. Kirei war einer meiner Kollegen und Jou mein Schüler. Tragische Sache, was Kirei sich da geleistet hat. Fängt was mit nem Blutsauger an. Und dann nicht mit irgendeinem, sondern mit Naomi Inochiru, der Reinblüterin schlechthin! Und dann hat der auch noch ne Tochter mit ihr! Aber warum fragst du?“ „Weil ich diese Tochter bin!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)