The Girl who was forgotten von Rumiko- ================================================================================ Kapitel 9: Blühende Rose ------------------------ Ich hörte ihn seufzen, dann wurde die Tür geschlossen. Seid Raidon tot war, war ein knappes Halbes Jahr vergangen. Es war mitten im Winter. Draußen fielen Flocken vom Himmel und hüllten die gesamte Landschaft in ein einheitliches Weiß, allerdings war ein Schneesturm angekündigt worden. Ich seufzte nur, als Yuki herein wirbelte. „Amai! Du weißt, was heute für ein Datum ist,oder?!“, fragte sie aufgeregt. „Nein. Was ist denn heute?“, fragte ich tonlos zurück. Yuki schien etwas geschockt: „Heute ist der 24 Dezember! Heilig Abend!“ Ich seufzte leise. Heilig Abend und mein Geburtstag, den ich schon seit Urzeiten nicht mehr gefeiert habe. „Magst du Weihnachten etwa nicht?!“, fragte dieses nervige Mädchen. „Nein. Ich hasse es wie jeden anderen Feiertag im Jahr. Das ist doch alles nur Schwachsinn. Das macht man nur, damit man Geschenke bekommt. Und bevor du fragst: Nein, ich habe keinen Wunsch.“, bremste ich sie aus und hoffte, sie würde jetzt einfach verschwinden. Letzteres meiner Worte war gelogen. Ich hatte einen Wunsch, der seit der Nacht in mir lebte, in der Raidon gestorben war. Es war der Wunsch nach Zeros Nähe. Es machte mich wahnsinnig, jeden Tag neben ihm zu sitzen und zu wissen, dass da nie etwas war und auch nie etwas sein wird. Es war die letzten Monate sogar so weit gekommen, dass es mir nicht reichte, einfach nur eine Freundin für ihn zu sein. Nein, ich wollte seine Freundin sein. Seine Stimme klang immer noch in meinen Ohren. „Hab keine Angst, Amai. Ich beschütze dich...“ Ich muss zugeben, dass ich ganz der Melancholie verfallen war. Ich verschloss mich vollends vor meinen Mitmenschen. Der Rektor und Yuki machten sich immer mehr Sorgen um mich und drängten immer mehr darauf, zu erfahren was los sei. Deswegen zog ich mich immer weiter zurück. „Kommst du wenigstens mit zur Weihnachtsfeier?“, fragte Yuki. Ich nickte widerwillig. Sie würde mich ohnehin nie in Ruhe damit lassen. So gingen wir zum Büro des Rektors. Dieser rief sogleich mit freudiger Stimme: „Meine geliebten Töchter!“ „Seit wann reden Sie von Yuki im Plural?!“, fragte ich scharf sarkastisch. Damit hatte ich den Rektor wohl sehr ausgebremst: „Ich habe von euch beiden geredet! Amai, sag >Papa< zu mir!“ „Nicht in diesem Leben.“, zischte ich und drehte mich zu Yuki, „Kann ich gehen? Ich hab jetzt schon keine Lust mehr.“ „Bleib doch noch etwas!“, bettelte Yuki, „Wenigstens bis wir gegessen haben!“ Eine Hand legte sich von hinten auf meine Schulter und jemand raunte mir von hinten ins Ohr „Ich hab auch keine Lust. Spiel einfach mit. Dann geht’s am schnellsten vorbei.“, Seine Nähe löste warme Schauer bei mir aus. Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut und bekam sofort eine Gänsehaut. „Was machst du hier, Zero?“, fragte ich mit leicht zittriger Stimme und spürte, wie mir unangenehm warm wurde. „Wurde hergeschleppt. Genau wie du.“, antwortete er und ließ mich los. Ich atmete tief durch: „Kann ich dich gleich mal alleine Sprechen?“ Er hörte sich etwas überrascht an: „Ja...?“ Ich nickte nervös. Jetzt war es an der Zeit, ihm zu sagen, was tief in meinem Innersten verborgen lag. Ich konnte es einfach nicht länger mit mir herumtragen. Ich war das ganze Essen über Stumm. Als ich mit Zero gehen wollte, hielt mich der Rektor noch zurück. „Warte Amai. Hier, das sollte ich dir von deinem Bruder geben“, der Rektor hielt mir einen Umschlag entgegen. Ich nickte nur, konnte das, was im Umschlag war eh nicht lesen. Dann ging ich mit Zero. „Wohin?“, fragte er „Bring mich nach draußen, bitte.“, bat ich ihn. Er schien etwas skeptisch, nahm aber meine Hand und führte mich nach draußen. Ich spürte die Kälte sofort und atmete die kühle Nachtluft ein. Ein zufriedenes Lächeln spielte über meine Lippen. Dann fiel mir der Umschlag wieder ein, den ich in der Hand hatte. „Würdest du mir den Inhalt vorlesen?“, fragte ich Zero leicht verlegen. Er nahm mir den Umschlag aus der Hand. Ich hörte ein reißendes Geräusch, dann das Knistern von Papier. Dann fing Zero an, den Brief laut vorzulesen: „Meine kleine Amai-Chan, Ich schreibe dir diese Zeilen, um mich zu entschuldigen. Ich habe für den Augenblick vergessen, was es bedeutet, eine Familie zu haben. Vater würde mich für das hassen, was ich dir angetan habe. Er hat dich abgöttisch geliebt und ist gestorben, um dich zu schützen. Ich war immer neidisch darauf, wie er dich angeschaut hat, dich in den Arm genommen und getröstet hat. Ich wollte eigentlich immer nur einen Platz in deinem und seinem Herzen haben. Die Jahre bei Raidon waren hart für mich und er hat es geschafft, mir einzureden, all das Schlechte in meinem Leben wäre von dir ausgelöst worden. Er hat diesen Hass in mein Herz gestreut und mich zu dem getrieben, was ich getan habe. Wichtig für dich ist jetzt erst mal, deine Mutter zu finden. Sie lebt. Ebenso lebt noch ihre Schwester, deine Tante. Ihr Name lautet Naemi Sakiyurai. Ich hoffe, sie wird dir eine gute Tante sein. Gib auf deine Mutter nicht allzu viel. Sie ist nicht das, was sie zu sein scheint. Sei vorsichtig, wenn du die Wahrheit finden willst, denn die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, die ihrer nicht begehren: vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, dass selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiss sein darf.* Und auch, wenn du denkst, du hättest nichts, für das du kämpfen kannst, du bist nicht allein. Ich habe den Jungen gesehen, der dich ständig begleitet. Du scheinst ihm seinen Blicken nach zu urteilen sehr wichtig zu sein. Robert Lembke hat mal gesagt >Geliebt zu werden kann eine Strafe sein. Nicht zu wissen, ob man geliebt wird, ist Folter<. Aber ich denke, dieser Junge wird dich glücklich machen. Nun finde deinen Weg und gehe ihn erhobenen Hauptes. Vielleicht kannst du mir ja eines Tages verzeihen. Jou.“ Mir standen schon wieder die Tränen in den Augen. „Der Typ scheint ein Philosophenfanatiker gewesen zu sein.“, Zero klang nachdenklich. „Mach dich nicht über ihn lustig!“, schluchzte ich. „Tu ich nicht, aber es stimmt doch...“, rechtfertigte er sich, „Du wolltest über etwas mit mir reden.“ „Ja, das wollte ich...“, jetzt gab es kein Zurück mehr, jetzt musste ich das durchziehen, „Ich...will dir etwas sagen. Schon seit fast einem halben Jahr. Du musst wissen, die erste Zeit hatte ich große Angst vor dir. Doch dann wurdest du immer wichtiger für mich. Nach einiger Zeit warst du mein bester Freund und ein Bruderersatz für mich. Aber das hat sich auch wieder geändert...“, Ich hielt den Kopf gesenkt. Bestimmt war ich rot wie eine Tomate. Ich atmete tief durch die Nase ein, atmete dabei eine Schneeflocke mit ein und musste deshalb niesen. Das wurde ja immer besser. Also einfach grade heraus. „Ich weiß einfach nicht, wie ich das weiter aushalten soll! Ich will wichtig für dich sein. So wichtig wie du für mich bist! Was ich dir damit sagen will...Zero ich....ich fürchte, ich habe mich in dich...“, das letzte Wort wollte einfach nicht so recht, „...in dich...verliebt...! Ich möchte an deiner Seite sein, egal was passiert! Ich würde alles für dich tun!“ Er schwieg lange, als er sprach war seine Stimme bitter: „Amai, es tut mir leid, aber es geht nicht. Du weißt doch, was ich bin. Ich könnte dich verletzen, vielleicht sogar töten. Ich verstehe nicht, wie du mich lieben kannst...“ Ich schluchzte und sank in den Schnee. Meine Stimme war ein ersticktes Wimmern: „Es ist mir egal, was du bist oder was nicht. Sieh mich doch mal an. Ich bin kein Mensch und kein Vampir. Ich bin etwas, das eigentlich nicht leben darf. Ich bin ein Mädchen, das Angst hat, sich anderen zu öffnen, weil sich die anderen vor dem fürchten würden was sie sehen würden.“ Das stimmte. Würde man sich meine Seele wie eine Landschaft vorstellen, würde man eine zerbombte, verfallene Kleinstadt mit heruntergekommenen, verlassenen Häusern und verdreckten, brüchigen Straßen sehen. Nirgends würde man Leben finden. Bis auf eine kleine, zerbrechliche Rose, die mitten auf einer Straße blühte, wäre alles trist. Aber selbst die Rose drohte zu verwelken. „Bitte, es ist das erste Mal seit so langer Zeit, dass es eine Person schafft, die Schwärze zu erleuchten und mich in diesem Eissturm zu wärmen. Lass mich jetzt nicht alleine. Ich sterbe sonst endgültig.“, meine Wangen schmerzten bereits durch die vielen heißen Tränen. Ich zitterte stark und spürte meinen Körper nur noch als einen riesigen Eisklotz. Ich hörte den Schnee knirschen und befürchtete, Zero sei gegangen. Doch Sekunden später spürte ich eine warme Umarmung. „Ich bin ja hier. Beruhige dich...“, flüsterte Zero. Ich schlang die Arme fest um ihn: „Bleib bei mir, bitte....“ „Schließ die Augen. Ich will dir noch etwas schenken...“, wies er mich an. Seine Stimme war immer noch nur ein Flüstern. Ich schloss die Augen, obwohl es eigentlich unsinnig für mich war. Schließlich bin ich blind. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und legte die Lippen vorsichtig auf meine. Ich spürte, dass er leicht zitterte, allerdings wusste ich nicht, ob ihm kalt war, oder ob das Unsicherheit war. Ich bin ehrlich, es war mir momentan eigentlich auch recht egal. „Alles Gute zum Geburtstag...“, hauchte Zero, als er von mir abgelassen hatte „Woher weißt du das?“, fragte ich erstaunt „Ich informiere mich über Personen, die ich beschützen will.“, antwortete er mir leise _______________________________________________________ * Ein Zitat von Arthur Schopenhauer Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)