Leuchtende Schatten von ReWeJuIs ================================================================================ Kapitel 1: Das Licht -------------------- Sebastian Mir ist so schrecklich langweilig. Müßig wandere ich durch die leeren Straßen Londons, sehe Ratten dabei zu wie sie sich um einen Ranken Brot streiten, und überlege ob ich nicht vielleicht etwas essen soll. Ein leises Stöhnen lockt mich, es klingt nach einer Seele, die im Begriff steht ihren Besitzer zu verlassen. Raues Husten und Würgen weist mir den Weg zu einer schmalen, erbärmlichen Gestalt die zusammengekauert auf dem verdreckten Boden hockt. Ein Kind. Zumindest sieht es danach aus, aber der Geruch seiner Seele ist alt. Viel zu alt. Ich sauge die Luft tief in meine menschlichen Lungen und muss fast würgen, das Aroma das einst sicherlich süß nach Hoffnung und Träumen gerochen hat wird überlagert von Traurigkeit und Verlust, von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Eine unter Umständen anregende Mischung, aber nicht, wenn der Wirt sich dem gefügt und alle Menschlichkeit verloren hat. Ich kann den Schmutz auf meiner Zunge fühlen. Nein, ich denke darauf kann ich getrost verzichten und außerdem nehme ich an, dass in den nächsten Minuten ohnehin ein Schnitter Tod auftauchen wird. Um so eine schmutzige kleine Zwischenmalzeit lohnt es nicht zu kämpfen, so hungrig bin ich dann auch wieder nicht. So schlendere ich weiter durch die Straßen, und biege nach einigen Kreuzungen in das Rotlichtviertel ein. Ab und an verschlägt es selbst einen Teufel wie mich hier her, immerhin bin ich Herr über die Versuchung und als Sohn Luzifers fröne selbst ich ab und an der Wollust, allerdings nicht in dem Maße, wie man es jemandem wie mir zutrauen würde. Nein… ich bin ein Genießer. Ich schlendere also von Bordell zu Bordell, lächle den vollbusigen Mädchen zu die in den Fensterrahmen sitzen und den Freiern zuwinken, sie verführen und in ihr Freudenhaus locken wollen, aber die sind mir alle zu vulgär. Ich bin auf der Suche nach etwas Reinem. Zugegeben, das hier ist wohl der falsche Ort für so etwas, da würde ich auf den Bällen der oberen Gesellschaft wahrscheinlich mehr Glück haben, aber die Saison ist zu Ende und auf dem Land wird es nur allzu schnell allzu langweilig. Plötzlich spüre ich etwas. Ein leises Ziehen am Rande meines Bewusstseins. Ein Leuchten, wie ich es noch nie zuvor gesehen oder gespürt habe. Von wo kommt das? Suchend drehe ich mich um die eigene Achse, so dass die weiten Schöße meines Mantels im Wind flattern. Und dann sehe ich es. Zwei Häuser weiter, im dritten Stock des ‚Bloody Diamond‘ sitzt ein Junge am Fenster. Zuerst hätte ich ihn fast für ein Mädchen gehalten, denn er trägt ein sehr eng geschnürtes dunkelblaues Korsett mit schwarzer Spitze, dazu ein gleichfarbiges Höschen und schwarze Strümpfe die an einem Gürtel um seine schmale Hüfte befestigt sind, aber ich fühle ganz deutlich, dass dort ein Junge sitzt und einem zweiten Blick hält auch dieser lächerliche Aufzug nicht stand. Er sitzt mit seitlich angewinkelten Beinen auf dem Fenstersims, lehnt sich mit einer Schulter gegen den Rahmen und blickt mit seinen unglaublich großen, unglaublich blauen Augen unbeteiligt in den Nachthimmel hinauf. Soviel Traurigkeit… Und doch… Er leuchtet. Den Menschen um mich herum mag es entgehen, sie können nicht sehen was ich sehe. Dort oben sitzt ein gefallener Engel, so rein wie ich es noch nie zuvor gesehen habe, so unschuldig und vollkommen, ich kann direkt spüren, wie mir das Wasser im Mund zusammenläuft. Ohne mein Zutun führen mich meine Schritte zu dem Bordell zu dem das Fenster gehört und nur Sekunden später betrete ich das Freudenhaus, das zumindest nach außen hin einen wirklich luxuriösen Eindruck macht, aber selbst das kann nicht darüber hinwegtäuschen, was hier zum Kauf angeboten wird. Schmutziger, unehrlicher Sex. Daran gibt es nichts luxuriöses, aber das war noch nie so und das wird sich auch nie ändern. Menschen sind Tiere, das weiß ich schon lange. „Wunderschönen guten Abend mein Herr!“, werde ich direkt von der strahlenden Besitzerin, zumindest nehme ich an, dass sie das ist, begrüßt. Sie ist von Kopf bis Fuß in leuchtendes Rot gekleidet und sieht nicht danach aus, als würde sie in diesem Etablissement selbst auch zum Kauf angeboten, denn die Damen die sich sonst im Foyer tummeln sind allesamt in einen Hauch von Nichts gekleidet. „Ich bin Madame Red, willkommen in meinem bescheidenen Boudoir!“ Sie lässt sich in einen anmutigen Knicks sinken und lächelt mich kokett von unten herauf an. Es gab einmal eine Zeit, da gehörte sie mit Sicherheit auch zu den Damen die ihre Dienste für Geld anbieten, aber irgendwie scheint sie den Absprung geschafft zu haben, und sich nun ausschließlich um das Geschäftliche zu kümmern. So ein Lächeln lernt man nicht, während man Zahlen addiert. „Guten Abend Madame, es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen“, erwidere ich mit ausgesuchter Höflichkeit und verbeuge mich vor ihr, wobei ich in einer fließenden Bewegung meinen Mantel abstreife und höre, wie sie scharf Luft einzieht als sie die Feinheit der Stoffe erkennt die ich darunter trage. Selbstverständlich kleide ich mich bei meinen Besuchen in der Menschenwelt nicht in Sack und Asche, das würde meinen guten Ruf ruinieren! „Womit kann ich Euch dienen gnädiger Herr?“, fragt sie dann als sie ihre Fassung wiedergefunden hat. Ich erkenne deutlich das gierige Funkeln in ihren Augen. Sie wittert wohl das Geschäft ihres Lebens und hofft, dass ich irgendwelche speziellen Vorlieben habe für die sich mich doppelt und dreifach zahlen lassen kann. „Nun, ich habe dort draußen eines Eurer… Kinder gesehen, das mir zusagt. Viertes Fenster von rechts im dritten Stock. Wenn Ihr so freundlich wärt mich dorthin zu führen Madame, es wird Euer Schaden nicht sein.“ Plötzlich verändert sich ihr Gesichtsausdruck. Einen Moment wirkt sie ungehalten, beinahe genervt, aber dann fängt sie sich wieder, hakt sich bei mir unter und zieht mich zur Treppe. „Mein Herr, ich bringe Euch sehr gerne dorthin, allerdings müsst Ihr eines wissen: Der Junge steht ausschließlich für erotische Tänze und Fellatio* zur Verfügung. Solltet Ihr darüber hinaus noch Wünsche haben, wird Euch eins meiner Mädchen gerne weiter behilflich-“ „Das ist sehr freundlich von Euch Madame, aber ich denke, das wird genügen. Bringt mich zu dem Jungen“, falle ich ihr ins Wort. Das erklärt auch, wie er sich seine Unschuld bewahren konnte. Allerdings frage ich mich, warum die Madame sich mit so jemandem belastet? Die Erträge müssen verschwindend gering sein, ein Freudenmädchen, das sich nicht zum sexuellen Akt anbietet? Sehr seltsam… oder einfach nur eine raffinierte Geschäftsstrategie? Wir steigen drei schmale Treppen hinauf und ich spüre die Blicke der Mädchen die hier überall herumlungern, spüre ihr Verlangen nach mir, aber sie interessieren mich nicht. Graue verlebte Seelen, nicht mehr als eine schale Beilage für den Hauptgang der dort oben auf mich wartet. Dann stehen wir endlich vor der Tür zu dem Zimmer hinter dem der Junge sitzt. „Wartet bitte einen Moment auf mich“, weist mich Madame Red dann freundlich an und schlüpft ohne zu klopfen ins Zimmer. Ich kann deutlich jedes Wort verstehen das hinter der verschlossenen Türe gewechselt wird und lächle, als die zuvorkommende Dame ihre Maske fallen lässt. „Du hast Kundschaft Ciel, komm vom Fenster weg und leg dich aufs Bett.“ Ich höre ein leises Rascheln, dann Schritte und schließlich das Knarzen der altersschwachen Bettfedern. „Wird er mir wehtun Madame?“ „Das liegt ganz bei dir!“ „Wird er… mehr wollen?“ Ich höre das kurze Stocken, vernehme deutlich den zitternden Atemzug, der Junge scheint vom Schlimmsten auszugehen, fast könnte er mir ein bisschen leidtun. Aber Madame hat gesagt, es gäbe Einschränkungen, warum erwartet der Kleine dann mehr? „Das werden wir noch sehen. Auf jeden Fall solltest du dich mit dem Gedanken anfreunden. Er kam schon fast sabbernd unten zur Tür herein!“ Ein Grinsen drängt sich auf meine Lippen. Ich könnte mich nicht daran erinnern auch nur etwas Ähnliches getan zu haben. Ich schätze mal, Madame will den Jungen unter Druck setzen, also wird dieses Arrangement, dass der Junge für Sex nicht zur Verfügung steht keine ausgeklügelte Marketingstrategie sein. Ich frage mich langsam ernsthaft, was dahinter steckt. „Gut, ich werde…“, weiter kommt er nicht, ich höre ihn schwer atmen und wie seine Nägel über den Stoff des Bettes kratzen, stelle mir vor wie er seine schmalen Hände zu Fäusten geballt hat und sich fest auf die Lippen beißt. Ich weiß nicht, ob das Bild in meinem Kopf der Wahrheit entspricht, aber ich spüre förmlich, wie das Blut in meine Lenden schießt. So viel Unschuld. So viel Reinheit. „Streng dich an Ciel.“ Plötzlich ist die Stimme der Madame ganz weich, fast mütterlich, und ich höre erneut das Bett knarzen, vielleicht hat sie sich zu ihm gesetzt? Vielleicht streicht sie ihm über das blasse makellose Gesicht und sieht ihn aufmunternd und streng zu gleich an? Ich weiß nicht ob ich die Frau für ihre Geduld bewundern, oder für ihre Grausamkeit verachten soll. Menschen sind Tiere, das bestätigt sich immer wieder. Dann höre ich Schritte die sich der Tür nähern. Das Lächeln verschwindet aus meinem Gesicht und weicht angespannter Erwartung. „Ihr könnt jetzt zu ihm mein Herr. Ich wünsche Ihnen beiden viel Vergnügen und was die Bezahlung angeht, ich denke 500 Pfund für eine Stunde wären angemessen. Ciel ist etwas Besonderes, das werdet Ihr noch feststellen“, schnurrt mir die Madame entgegen als sie die Tür hinter sich wieder ins Schloss gezogen hat. 500 Pfund? Das ist kein Betrag der mich in Bedrängnis bringen würde, steht mir doch aller Reichtum dieser Welt offen wenn mir der Sinn danach steht, aber diese Summe ist schon beachtlich wenn man bedenkt, dass man dafür nicht einmal das ganze schmackhafte Gericht serviert bekommt sondern sich mit der Vorspeise begnügen muss. Lächelnd fische ich ein Bündel Geldscheine aus meinem schwarzen Jackett und drücke es Madame ungezählt in die Hand. „Ich hoffe für Euch, dass Ihr Recht behaltet“, gebe ich zurück und betrete dann das Zimmer. TBC *Oralverkehr Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)