Das Buch - OS von Akio21 (Extrakapitel zu "Das Buch") ================================================================================ Kapitel 1: Oder so ------------------ Das Buch - OS Ich lief im Wald der Liebe dicht neben dem sandigen Pfad entlang. Das ich nicht unbedingt auf ihm laufen wollte, hatte seinen Grund. Man war dann nämlich praktisch nackt. An meinem Arm baumelte ein Korb und auf dem Kopf hatte ich ein Tuch. Ein wenig kam ich mir wie Rotkäppchen vor. Vor mir schüttelte gerade einer der Bäume seine Krone und kleine Ästchen, sowie Blätter fielen herunter. Genau darum trug ich auch ein Kopftuch. Ich blieb stehen. Der Baum hinter jenem, der sich geschüttelt hatte streckte einen Ast nach ihm aus und ich wollte sehen, wie der andere darauf reagierte. Hm, eher ungehalten. Er fuhr herum, als er gepiekst wurde und beugte sich dann weiter nach vorne, als wolle er ausser Reichweite kommen. Für mich waren solche Bewegungen immer wieder aufs Neue faszinierend. Ich selbst hatte diese Bäume schon berührt und sie waren eindeutig genau wie die auf der Erde aus Holz. Aber ihre Bewegungsfreiheit erinnerten mich mehr an Gummibäume. Der zweite Baum ließ nicht so schnell locker. Er war größer und beugte sich ganz nach vorne um den anderen mit der Spitze einer seiner Äste wieder zu berühren. Diesmal hatte er anscheinend eine kitzlige Stelle erwischt, denn der kleinere Baum bewegte sich zuckend als würde er lachen. Für den Größeren wohl die Einladung. Er fuhr gleich vier seiner Äste aus und streckte sie nach vorne um die kitzlige Stelle des anderen noch mehr zu reizen. Die beiden erinnerten mich an einen Casanova und ein sich zum Schein zimperlich gebendes Mädchen. "Das wird nicht lange dauern und sie halten sich umschlungen", dachte ich mir und ging weiter. Manchmal hatte ich Bäume mit sehr charakteristischen Merkmalen an anderen Stellen gesehen, als sie zuvor standen. Ich fragte Naruto danach und er sagte mir, das die Bäume im Wald der Liebe tatsächlich ihren Standort wechseln konnten. Allerdings taten sie das nur, wenn auch wirklich überhaupt niemand zusah. Aber hatten sie einen Gefährten gefunden, den sie wirklich mochten, waren sie treu über viele Jahrhunderte lang. Kurz, für immer. Oft neckten sie mich auch, indem sie einen Ast unter mein Tshirt schoben. Ja, sie hatten auch Humor. Mittlerweile waren schon zwei Jahre vergangen, seit Naruto und ich uns gefunden hatten. Ich verbrachte mehr Zeit an diesem Ort, also in der Anderswelt, als auf der Erde. Im Moment lebte ich mit meiner Familie in Irland, in einer Straße in der einzelne Bäume etwa fünf Meter auseinander standen und ich hatte mich schon dabei erwischt, wie ich den einen oder anderen davon voller Mitleid umarmt hatte. Himmel, wie peinlich. Zwei Jahre. Und zwischen mir und Naruto hatte es bisher nur Küsse und Zärtlichkeiten gegeben. Mehr durfte nicht sein. Nicht solange ich Bewohner beider Welten war. Aber ich fand es an der Zeit, endlich einen Platz für mich zu wählen und der war hier. An Naruto, obwohl ungleich viel älter als ich, war die Zeit spurlos vorbei gegangen. Und er war der Meinung, ich solle meine Entscheidung erst treffen, wenn ich auch wirklich reif dazu sei. Damit ich sie nicht bereue. Ärgerlich schwenkte ich den Korb hin und her. Ich war mir sicher. Konnte oder wollte er das nicht begreifen? Endlich kam ich aus dem Wald heraus und vor mir erstreckte sich eine grüne saftige Wiese. Ein Grün, das es auf der Erde nicht gab. Pferde mit Flügeln grasten hier. In einem Buch hatte ich mal gelesen, das ein Gott, es könnte Zeus gewesen sein, diese Pferde erschaffen hatte. Nur eines sei übrig geblieben. Pegasus. Und der diente Herkules als Reittier. Aber hier gab es jede Menge davon. Pegasus war auch kein Name, sondern diese Spezies hiess eben so. Wären die Flügel nicht gewesen und die ungewöhnlichen Farben und Markierungen würden sie wie ganz normale Pferde aussehen. Nur etwas größer. Ein paar trugen sogar ein Horn auf der Stirn, so das ich mich fragte, ob wohl ein Einhorn seine Finger im Spiel bei der Zeugung gehabt hatte. Ein Zaun trennte die Pegasusse von den kostbaren Kamelien. Man sollte meinen sie seien scheu oder aggressiv. Aber meiner Meinung nach waren es nur dumme geflügelte Pferde. Ich sollte ihnen mal süsse Bananen und Nektar bringen, schließlich wollte ich mich nützlich machen, wenn ich hier war. Und ich war sehr vorsichtig. Ich hatte geplant, das Futter langsam auf den Boden zu legen um sie nicht scheu zu machen und leise zu verschwinden. Aber kaum das sie mich sahen und vor allem das, was ich vorbei brachte stürzten sie auf mich zu. Mit einem Sprung über den zwei Meter hohen Zaun konnte ich mich mal eben so retten. Ich wunderte mich selbst, das ich da drüber kam. Aber wer vor sich den Anblick einer Meute von großen Pferden mit ausgebreiteten Flügeln hatte, die mit donnernden Hufen auf einen zustürmten, schaffte sogar einen unmöglichen Sprung. Seither war meine Sympathie für die Pegasusse – nun ja, sie hielt sich irgendwie in Grenzen. Zum Glück kam keines der Tiere auf die Idee ganz schlicht und einfach über den Zaun zu fliegen. Ich ignorierte sie und lief weiter zum Zaun. Wenn man ihn freundlich darum bat, zog er einige seiner Pfähle ein und ließ einen anstandslos durch. Beim ersten Mal war ich schon sehr überrascht gewesen. Ich hatte tausende von Kameliensträuchern erwartet, aber es waren nur wenige. Natürlich kam mir auch irgendwann in den Sinn, das Naruto es war, der meine Seele in eine der weißen Kamelien setzte und sie den Fluss entlang schickte. "Ja. Stimmt," antwortete er mir. "Ich wusste auch damals schon, wer du bist. Obwohl ich ja eigentlich mit einem Mädchen gerechnet hatte." Es war schon im Voraus geplant gewesen, das ich genau deshalb in meine irdische Familie kam, um irgendwann in Narutos Schule zu landen und sein Buch zu finden. Ein wenig verärgert fragte ich ihn: "Weißt du überhaupt wie einsam ich war? Hättest du dich dann nicht etwas früher zeigen können, wenn du es ohnehin schon wusstest?" "Nein. Das ist gegen die Regeln. Ausserdem, so sicher war ich mir ja auch wieder nicht. Freier Wille. Schon vergessen?" Die Pferde ignorierend stand ich vor dem Zaun. "Lässt du mich bitte rein?" Auch das war mir auf der Erde schon passiert. Zwar nur einmal, aber alle Nachbarn hatten mitbekommen, wie ich unsere Gartentür fragte, ob sie mich wohl hineinlassen würde. Der Zaun machte mir Platz und ich ging zu einem der weißen Kameliensträucher. Ihm hielt ich meinen Korb entgegen und sofort ließ er seine Blüten fallen. Diese Blumen waren mal klug. Die wussten, wer mich schickte und auch wer ich war. "Vielen Dank." Ich sah in den Korb. Nur sechs Stück. Es wurden immer weniger. Als ich mich später durch den Weg der Höhle zum Kamelienfluss gekämpft hatte, saß Naruto auf einem Stein wie ein König und erwartete mich schon. "Es sind schon wieder weniger, Naruto. Nur sechs neue Seelen." "Ja," er seufzte und sah auf den Fluss, der von roten Kamelien nur so wimmelte. "Und wo führt das hin, weißt du das? Immer weniger Kinder und die Menschen werden immer älter?" "Da mach dir mal keine Sorgen, Sasuke. Es läuft alles nach Plan. Ist völlig in Ordnung, wenn Menschen älter werden, solange sie einer neuen Seele keinen Platz wegnehmen." "Ah. Verstehe." Wenn eine Seele, deren Zeit eigentlich gekommen war nicht gehen wollte, aber eine neue auf Reisen geschickt wurde, konnte sie nicht auf der Erde bleiben. Möglicherweise noch nicht mal geboren werden. "Apropos Zeit. Ich bin jetzt 18 Jahre alt." "Tatsächlich? Sieht man dir gar nicht an." Ich wusste, in der Anderswelt gab es keine Zeit, aber darauf hatte ich nicht hinausgewollt und ich ärgerte mich. Schwungvoll presste ich ihm den Korb gegen die Brust, den er überrascht an sich nahm. Die Kamelien flogen heraus und umkreisten ihn wie leuchtende Kugeln. "Das habe ich nicht gemeint," fuhr ich ihn an. "A-ach so." Er wandte sich ab. Wie immer, wenn es um dieses Thema ging. "Meine Entscheidung steht. Ich dachte, du wolltest es auch so." Seine blauen Augen sahen mich traurig an. "Will ich ja auch, aber du weißt doch, das du als Mensch hier nicht leben kannst?" "Klar. Ich muss nur von dem Wasser trinken, aus dem See da hinten und ich kann bleiben." "So einfach ist das nicht." "Wieso nicht? Ich kann mir nichts einfacheres vorstellen, als einen Schluck Wasser zu trinken." "Sasuke. Auf der Erde musst du sterben. Drei Jahre lang." "Drei Jahre lang? Wieso – warum so lange?" "Du wirst eine Krankheit bekommen. Blutkrebs." "Leukämie also." Ich dachte an Chemo und Stammzellen. "Keine Sorge, du würdest nicht so viel leiden." "Okay, warum aber dann drei Jahre." "Weil deine Familie diese Zeit braucht, um sich von dir zu verabschieden." "Oh." Meine Familie. Ich setzte mich neben Naruto auf die Erde. "Na ja, vielleicht kann ich doch noch etwas warten. Bis ich zwanzig bin, oder so." Naruto grinste. "Oder so." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)