Ich bin nicht mehr der Hobbit, der ich einst war von Rausgepickt ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel Zwei, in dem eine neue Reise beginnt. -------------------------------------------------------- Der Aufbruch fiel ihm schwerer, als er erwartet hatte. Von vielen Leuten hatte er sich zum Glück bereits in der vergangenen Nacht verabschiedet und so blieben nur noch wenige traurige Gesichter übrig, in die er blicken musste, bevor er gehen konnte. Nachdem sein Gepäck bereit war, verließ er das Haus und machte sich auf den Weg zu seinem Pony. Unterwegs entdeckte er eine allzu vertraute Gestalt. Lächelnd winkte er Fram zu, der scheinbar auch vor hatte, eine längere Reise zu unternehmen. Er war ebenfalls mit größerem Gepäck unterwegs. »Guten Morgen, Fram«, rief Bilbo dem Holzfäller zu, der den Gruß erwiderte und lächelte. Kurz besah der Hobbit das Gepäck des anderen. »Du scheinst ebenfalls eine lange Reise vor dir zu haben.« Unruhig biss sich der Blonde auf die Unterlippe und sah überall hin, nur nicht in Bilbos Gesicht. »N-nun, ich... ich wollte Euch fragen, ob i-ich vielleicht... mit Euch k-kommen darf.« Überrascht hob der Halbling die Augenbrauen und musterte den jungen Mann vor sich. »Du weißt doch gar nicht, wohin ich reise, oder?«, fragte er irritiert. »Außerdem kann ich dich auf keinen Fall zurück nach Hause begleiten. Dies ist eine Reise, die man nicht leichtfertig auf sich nehmen sollte. Du wärst hier viel besser aufgehoben.« »Ich habe mich e-entschieden, Meister T-tuk. Ich möchte E-euch begleiten, e-egal, wohin der Weg f-führt.« Trotz der Tatsache, dass er stotterte, lag in seinen Worten eine ungeheure Entschlossenheit, der Bilbo nichts entgegen bringen konnte. Mit einem matten Lächeln seufzte er leise. »Ich habe keine Zeit dafür, es dir auszureden und ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich deine Gesellschaft nicht schätzen würde. Trotz allem ist mir nicht wohl dabei, dich in-« Es schien zur Gewohnheit zu werden, dass die beiden von Éoman unterbrochen wurden. Der Schmied kam rasch auf die beiden zu und klopfte Bilbo auf die Schulter. »Du bist wie immer an mir vorbei geschlichen, doch so leicht kommst du mir nicht davon, mein Lieber.« Der Halbling schmunzelte leicht. »Wir haben uns doch bereits gestern verabschiedet, Éoman. Erinnerst du dich nicht mehr daran?« Der Mensch lachte laut und stupste Bilbo mit dem Ellbogen an. »Ich war voll bis oben hin, Bungo!«, begann er. »Denkst du wirklich, dass ich mich da noch an irgendwas erinn're?« »Du hast recht. Was habe ich mir nur dabei gedacht?« Éoman tippte ihm mehrmals gegen die Stirn. »Gar nichts. Genau das war dein Fehler!« Als er endlich Fram wahrnahm und ihn kurz musterte, runzelte er die Stirn. »Wo willst du denn hin?« »I-ich werde M-meister Tuk begleiten.« Als Bilbo von einem fragenden Blick getroffen wurde, hob er abwehrend die Hände. »Es war nicht meine Idee«, versicherte der Hobbit. Noch immer war er von Frams Entscheidung nicht angetan, doch er hatte nun wirklich keine Zeit mehr, zu diskutieren. Nachdem er sich ein weiteres mal von Éoman verabschiedet hatte, konnte die Reise endlich beginnen. Zumindest dachte er das. »Warte noch einen Augenblick, Bungo. Ich muss noch kurz mit Fram sprechen«, erklärte der Schmied und zog den jungen Mann mit sich. Irritiert sah der Hobbit den beiden nach, entschied sich dann aber dafür, nicht weiter darüber nachzudenken, da ihn die Sache wohl ohnehin nichts anging. Nachdem die beiden Männer weit genug entfernt waren, stemmte Éoman die Hände in die Hüfte. »Was genau versprichst du dir von dieser Reise, Kleiner? Denkst du wirklich, du kannst Bungos Gunst gewinnen, wenn du ihm wie 'n Hund hinterher läufst?« »I-ich verspreche mir ü-überhaupt nichts davon«, versicherte Fram. »I-ich möchte einfach nur mit Meister T-tuk auf Reisen gehen. I-ist das falsch?« Der Schmied seufzte und schüttelte den Kopf. »Er verlässt uns, weil er diejenige wiedersehen will, die er liebt, Fram. Willst du dich da einmischen? Es ihm ausreden? Ihm weismachen, dass du die bess're Wahl bist?« Der Blonde wurde rot und wandte den Blick ab. »Ich weiß n-nicht, wovon d-du sprichst, Éoman.« Wütend packte Éoman den Jüngeren am Kragen und zog ihn näher zu sich. »Du weißt sehr genau, wovon ich spreche!«, zischte er. »Denk' nur mal einen Augenblick drüber nach, wie dumm deine Idee eigentlich is'! Du wirst ihm irgendwo hin folgen und dann mit ansehen, wie er seine Liebste in den Armen hält. Dann bist du das fünfte Rad am Wagen und irgendwo verloren, weit weg von deinem Zuhause!« Trotzig sah Fram ihm in die Augen. »I-ich möchte einfach n-nur mit Meister T-tuk auf Reisen gehen«, wiederholte er, diesmal mit Nachdruck. Der Schmied atmete tief ein und aus, bevor er den anderen losließ. »Du dämlicher Sturkopf«, murmelte er. »Dann lauf' doch in dein Verderben. Viel Spaß dabei.« Für einen kurzen Augenblick herrschte Stille zwischen den beiden, die letztlich von Fram durchbrochen wurde. »I-ich weiß deine S-sorge zu schätzen. A-aber... ich muss e-es tun. V-verstehst du das?« »Nee, tu' ich nich'.« Seufzend wandte sich der Jüngere ab und blickte zu Bilbo, der gerade auf sein Pony stieg. »D-danke für alles, Éoman.« Noch lange hörten die beiden Reiter die Rufe der Dorfbewohner, die ihnen Glück für ihre Reise wünschten und zum Abschied winkten. Erst, als das Dorf außer Sichtweite war, begann Fram zu sprechen: »W-wie lange wird die R-reise dauern, Meister Beutlin?« Wie hatte er ihn gerade genannt? Beunruhigt tat Bilbo so, als hätte er nichts gehört und ritt stumm weiter, den Blick nach vorn gerichtet. »M-meister Beutlin?« Da, schon wieder. Der Hobbit biss sich auf die Unterlippe und sah seinen Begleiter an. »Können wir uns darauf einigen, dass du mich Bungo nennst?« »I-in Ordnung, B-bilbo.« Er seufzte schwer. »Wie lange weißt du schon davon?« Der Holzfäller zuckte kurz mit den Schultern. »I-ich habe es ziemlich früh b-bemerkt«, erzählte er. »Wenn I-ihr Eure Geschichte erzählt h-habt, sah m-man Euch einfach a-an, dass Ihr s-sie nicht nur g-gehört, sondern auch selbst e-erlebt habt.« Bilbo sah wieder nach vorn. »Du bist wirklich ein kluger Bursche.« Fram war sich nicht sicher, ob der Halbling beeindruckt oder verärgert war. »I-ich habe es n-niemandem erzählt!«, sagte er deshalb schnell. Zu seiner Erleichterung lächelte der Hobbit, während er antwortete: »Danke.« Für eine halbe Ewigkeit, wie es dem Blonden erschien, herrschte Stille zwischen den beiden Reitern. 'Vielleicht ist er doch böse auf mich, weil ich ihn mit seinem richtigen Namen angesprochen habe', überlegte Fram und unterdrückte ein Seufzen. 'Hätte ich doch bloß meinen Mund gehalten.' »I-ich... wollte Euch nicht v-verärgern...«, begann er, als ihn das Schweigen zu sehr belastete. »Es t-tut mir sehr l-leid.« Bilbo sah ihn verwundert an. »Weswegen sollte ich verärgert sein?« »I-ich habe Euch e-einfach mit Eurem r-richtigen Namen angesprochen, o-obwohl Ihr das wohl g-gar nicht wollt...« Der Hobbit lächelte sanft. »Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen musst. Ich habe meinen richtigen Namen nur abgelegt, weil ich einen Neuanfang brauchte. Es kränkt mich nicht, mit diesem Namen angesprochen zu werden. Es ist einfach nur... Vergangenheit.« »A-aber warum?« »Warum was?«, wollte Bilbo wissen und runzelte die Stirn. »W-warum wolltet Ihr e-einen Neuanfang?« Er blickte in die Ferne, während er antwortete: »Weil Bilbos Taten, Fehler und Entscheidungen nicht länger meine sein sollten. Und ich hatte gehofft, dass seine Gefühle ebenfalls verschwinden würden.« Fram verstand es nicht ganz. »A-aber nach allem, w-was ich gehört habe, habt I-ihr so viel Gutes g-getan, Bilbo. Warum s-solltet Ihr das w-wegwerfen wollen?« Traurigkeit war in den Augen des Halblings zu sehen. »Du kennst nicht die ganze Geschichte, Fram.« »D-dann erzählt sie m-mir. Erzählt mir E-eure Geschichte.« Bilbos Mund öffnete und schloss sich mehrere Male. Er wusste nicht genau, was er sagen sollte. »Es... geht nicht, Fram. Es ist nicht mehr meine Geschichte«, erwiderte er leise und ließ den Kopf hängen. Erneut herrschte eine erdrückende Stille zwischen den beiden, mit der der Blonde nicht zurecht kam. »Dann erzählt mir seine Geschichte. Noch einmal von vorne.« Der Hobbit sah zögerlich zu seinem Begleiter und wandte den Blick wieder ab, als dieser ein »Bitte« hinzufügte. Bilbo brauchte eine Weile, um die richtigen Worte zu finden. »In einer Höhle in der Erde, da lebte ein Hobbit.«* --------------- Er konnte nicht einschlafen. Das beständige Knurren seines Magens ließ ihn keine Ruhe finden. Nachdem sich nun die ganze Aufregung des Abends gelegt hatte und endlich Stille in Beutelsend eingekehrt war, musste sich Bilbo daran erinnern, dass er im Gegensatz zu seinen unerwarteten Gästen kaum etwas Essbares in die Finger bekommen hatte. Er stieß einen Fluch aus und schwang sich aus seinem Bett. Leise, wie es nur ein Hobbit sein konnte, bewegte er sich durch seine Höhle und schlich zur Speisekammer, die beängstigend leer war. Doch nicht alles war den Zwergen zum Opfer gefallen. Ein paar Reste hatten sie dem hungrigen Hobbit gelassen, die er auf einen Teller packte, um ein verspätetes Abendessen in seinem Schlafzimmer einzunehmen. Auf dem Rückweg hielt er inne, als er ein bekanntes Lied vernahm, das er erst vor ein paar Stunden gehört hatte. Er folgte dem Klang, musste dabei auf schlafende Zwerge achten, die im ganzen Haus verteilt waren und fand Thorin in einem der wenigen Räume, die nicht als Schlafplatz dienten. Er versuchte sich ihm unauffällig zu nähern, war allerdings so sehr auf das Lied konzentriert, dass er gegen einen Stuhl stieß. Das Geräusch reichte aus, um Thorins Aufmerksamkeit zu erregen und ihn verstummen zu lassen. »Verzeihung, ich wollte nicht stören«, sagte Bilbo leise und ging einen Schritt auf den Zwerg zu, der sich nicht von der Stelle bewegte und aus dem Fenster sah. Als er keine Erwiderung bekam, sprach der Hobbit weiter: »Ihr... seid erst nach dem Abendessen angekommen und habt nur eine Suppe bekommen, nicht wahr?« Wieder keine Antwort. Bilbo atmete tief durch und stellte den Teller mit dem Essen auf den Tisch, der sich neben Thorin befand. »Bedient Euch doch bitte.« 'Bilbo Beutlin, was tust du da? Du hast doch selbst Hunger!', kritisierte er sich selbst, doch was getan war, ließ sich jetzt nicht mehr ändern. Da dem Zwerg die dunkle Nacht außerhalb der Höhle scheinbar wichtiger als der Halbling war, nutzte Bilbo die Gelegenheit und schnappte sich wenigstens ein Stück Brot, um nicht vollkommen leer auszugehen. Er blieb noch einen Moment stehen, um auf eine Erwiderung Thorins zu warten, doch die blieb erneut aus. Bilbo runzelte leicht verärgert die Stirn. »Darf ich noch auf ein 'Danke' hoffen?«, fragte er provokant. »Ich habe Euch nicht darum gebeten, mich zu bedienen, Herr Beutlin«, kam die gemurmelte Antwort. Der Hobbit stemmte die Hände in die Hüfte. »Sind alle Zwerge so?« »Wie bitte?« »Sind alle Zwerge so undankbar?« Thorin wandte sich nun vom Fenster ab und musterte den Halbling. »Was genau ist Euer Problem?«, wollte er wissen. Bilbo hielt seinem kalten Blick stand und atmete tief durch. »Mein Problem ist, dass ich den ganzen Abend den Gastgeber für Eure Freunde gespielt habe und von Euch nicht ein Wort der Dankbarkeit zu hören war!« »Danke.« Es klang nicht einmal ansatzweise dankbar, aber Bilbo hatte keine Geduld, um weiterhin mit diesem sturen Zwerg zu diskutieren. Also drehte er sich um und blieb erst wieder im Türrahmen stehen. »Daran solltet Ihr noch arbeiten«, sagte er, bevor er in sein Schlafzimmer zurückkehrte. Es folgt: Kapitel Drei, in dem Freunde zum Greifen nah sind. * aus Der Hobbit oder Hin und zurück (englischer Originaltitel: The Hobbit or There and Back Again) von J. R. R. Tolkien Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)