Naomi von Lyraci (Weg in die Schatten) ================================================================================ Kapitel 9: Ein Stück Freiheit ----------------------------- Der Alltag im Hause de Avillon war sehr deutlich definiert. Aufstehen, essen, Lernen, essen, lernen, essen, schlafen. Freizeit war dazwischen nicht vorgesehen und erst Recht nicht, dass Naomi sich aufmachte, um in der Gilde ihre Freunde zu treffen und ihrer Arbeit nachzugehen. Man hatte sie auf unbestimmte Zeit abgemeldet. Etwas was man aufgrund des Zustands ihres Vaters verstanden hatte, aber was deutlich nur ein Vorwand war. Doch woher sollte man das in der Gilde wissen? Die kleine Magierin genoss das Leben in ihrem goldenen Käfig allerdings gar nicht. Frühstück im Bett, das war eine Seltenheit gewesen, als sie noch zu Hause gewesen war, nun hatte sie es jeden Morgen. Das nahm dem Ganzen seinen Zauber. Sie durfte so Vieles nicht mehr, was vorher selbstverständlich gewesen war. Selbst kochen, oder Gartenarbeit machen, selbst aussuchen welche Kleider sie trug, oder wie sie ihr Haar wachsen ließ. Was sie am Tag wann erledigte und ob sie es überhaupt machen wollte. Der Unterricht war allerdings positiv zu bewerten, immerhin lernte sie eine Menge Dinge, die sie sonst wahrscheinlich nie hätte lernen können, doch auch da waren Dinge von ihr erwartet, welche ihr den Genuss schmälerten. Niemals durfte sie besser sein, als ihr Cousin, damit dessen Selbstbewusstsein nicht litt, aber dennoch erwartete man von ihr Fortschritte zu sehen, doch in diesem Fall war Akira ihr Verbündeter. Es fiel ihm so leicht von der Hand, das Mädchen schlechter darzustellen, als den jungen Jonathan, dass sie manchmal Angst hatte, er wäre wirklich so gegen sie. Doch in stillen Abendstunden, die er manchmal mit ihr allein verbrachte, lobt er ihren Fleiß und die Ergebnisse, die dieser zu Tage brachte. Dennoch war sie einsam. Von so vielen Menschen umgeben und dennoch alleine. Etwas was sie leiden ließ, nachts wenn sie versuchte zu schlafen und leise ihr Kissen mit Tränen tränkte. Masaru, der durch diese Nächte hindurch ihre Hand hielt und diese liebevoll streichelte hatte sich vorgenommen etwas dagegen zu tun und so sandte er einen Brief aus dem Haus, welcher einen alten Freund von Naomi auf den Plan rief. Es war Nachmittag, nach dem Essen, wenn Naomi mit ihrem Cousin das Kampftraining absolvierte. Jonathan konnte zwar immer daraus schöpfen, dass er körperlich einfach kräftiger war als seine Cousine, aber diese war magisch einfach mehr begabt als er. Doch immer musste sie verlieren, sich von ihm erniedrigen lassen, damit er zufrieden war, damit sein Vater zufrieden war. Nun allerdings wurde das Training gestört, durch ein Klingeln an der Tür. Kurz darauf kam eines der Hausmädchen in den Trainingsraum und bat Akira an die Tür zu kommen. "Ihr macht weiter, ich bin gleich wieder da." Mit diesen Worten verließ der Lehrer den Raum und ging mit dem Mädchen an die Tür. Dort erwartete ihn Seraphim. Dieser war gar nicht begeistert darüber, dass man ihn warten ließ, aber nun schien es sich zu lohnen. Das Hausmädchen war schon ein Leckerbissen gewesen, aber dieser Lehrer war wirklich etwas, was er gerne vernaschen wollte. Doch dafür war er heute nicht hier. Der Brief hatte ihm Sorgen bereitet, hier hin war sein Engelchen also verschwunden und es ging ihr hier nicht gut. Etwas was er unterbinden wollte. Er war der Einzige, der sie necken und über sie herziehen durfte. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Lehrer, was nur darauf hinaus lief, dass er hier nicht erwünscht war, stieß er diesen einfach zur Seite und machte sich auf den Weg den Raum zu erreichen, aus dem dieser gerade gekommen war. Keine Sekunde zu spät wie es schien, denn gerade hatte Jonathan Naomi auf den Boden gedrückt, ihr etwas ins Ohr geflüstert und leckte nun an der Ohrmuschel entlang. Das Gesicht zu einem nicht gerade einladenden Grinsen verzogen. Eine Luftkugel stieß ihn von seinem Opfer herunter und schon war der ältere Magier da, hob ihn an seinem Kragen nach oben und sah ihn grimmig an. "Was glaubst du, was du da tust?!" Wie ein Fisch zappelnd hängt der Junge in der Luft, unfähig sich zu verteidigen. "Mein Vater wird dich...", doch noch bevor er zu Ende sprechen konnte, hatte sein Angreifer ein Fenster aufgestoßen und hielt den zappelnden Spross hinaus. "Was willst du sagen? Wenn du weiter zappelst kriege ich noch einen Krampf und lass dich fallen." Grimmig glühten die grünen Augen des Jungen: "Das wagst du nicht!" Falsch gedacht, Seraphim ließ ihn los. War im nächsten Moment aber schon hinterher und fing ihn im letzten Moment ab, um ihn einfach auf den Boden plumpsen zu lassen. Er selbst ließ sich von der Luft getragen wieder in den Oberen Raum schweben und gesellte sich zu seiner Gildenkollegin. Rieb ihr sanft den Rücken: "Du bist doch stärker als das Engelchen." Ohne weitere Worte drückte sie sich an ihn, vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und schloss die Augen. Der weißhaarige Magier legte die Arme schützend um den zitternden Körper seiner Freundin und legte seinen Kopf auf dem ihren ab. Mit zitternder Stimme und unter Tränen berichtete sie ihm, was seit ihrem letzten Zusammentreffen vorgefallen war. Während der Erzählung streichelte er ihr über Kopf und Rücken, liebkoste sie zärtlich und trocknete ihre Tränen. Auch wenn er sehr eingebunden gewesen war, so hatte er das kleine Mädchen doch sehr vermisst, immerhin war sie einer der wenigen Menschen, die er selbst als Freunde betrachtete. Diesen Status hatte nicht jeder und den bekam man nicht leichtfertig verliehen. Dass ihr nun ein so fragwürdiges Schicksal zuteilwurde, war von ihm weder gewollt noch befürwortet. Dennoch fand er sich hilflos dem gegenüber. Doch etwas was er tun konnte war, sie zumindest für den Moment aus dieser Umgebung zu reißen. "Weißt du was Engelchen, wir machen einen Ausflug." Das meinte er wörtlich. Luftige Flügel formten sich auf dem Rücken des Retters und er nahm sie auf seiner Arme. Wie ein Engel erschien er ihr nun, etwas was ihr schon oft passiert war, aber nie hatte sie gedacht, ihn wirklich als solchen zu erleben. Nun erhob er sich vom Boden und mit kräftigen Schlägen seiner Flügel trug er sie davon. Unter ihnen konnte sie die Stadt sehen, die vorbeiflog wie Traum und Naomi fühlte sich frei. Der Wind stob in ihr nun langes Haar und ließ es flattern. Die langen Zöpfe zogen hinter ihnen her wie Kondensstreifen. Fröhlich lächelte sie und hielt ihre Arme um seinen Hals. Leicht lachte sie als er begann hin und her zu schaukeln und Albernheiten zu machen. Er schien zufrieden, er hatte sie lachen hören wollen, immerhin war dies ein schönes, glückliches Lachen, nichts daran war falsch oder aufgesetzt, nein wenn Naomi lachte, dann weil sie glücklich war. Mochte sein, dass sie oft lächelte, auch wenn es ihr schlecht ging, aber wenn sie so herzlich lachte wie jetzt gab es keinen Zweifel, sie war aufgeheitert. Bei jedem anderen Menschen wäre dies gänzlich egal, nun gut vielleicht nicht bei jedem, aber den meisten. Das Ziel ihres kleinen Flugs war Seraphims Wohnung, auf seinem Balkon setzte er sie vorsichtig ab und landete ebenfalls. Leise flüsterte er in ihr Ohr: "Fühle dich geehrt Naomi-chan, du bist die erste, die in mein Schlafzimmer darf, ohne die Kleidung ablegen zu müssen." Da war er wieder ganz der Alte und seine Scherze waren immer noch leicht verstörend für das noch junge Mädchen. Bis auf ihn sehr verwirrtes: "Danke", sagte sie nichts und betrat das Zimmer durch die Balkontür, die der Besitzer scheinbar offengelassen hatte. Das Zimmer war hell, viele der Möbel waren weiß oder aus hellem Holz, weshalb es fast schien als würde er leuchten. Es passte irgendwie ganz gut zu dem was sie erwartet hatte. Dennoch begab sie sich schnell ins Wohnzimmer, dieser Raum machte sie nervös, weil sie sich immer vorstellen musste, was in diesen vier Wänden passieren musste. Schnell war sie also im Wohnzimmer ihres Freundes und wird dort aufs Sofa gebeten, wo er sich neben sie setzt und beginnt ihr den Kopf zu streicheln. "So Engelchen was hältst du von dem Plan. Ich mache uns jetzt was leckeres zu Essen und dann sehen wir weiter? Wie steht es mit deinem Hunger?" "Das klingt gut, aber ich helfe dir ja?", das Mädchen ließ sich nicht davon abbringen ihm zu helfen. Während sie das Essen vorbereitete klingelte es plötzlich an der Tür. Seraphim gab seiner kleinen Begleitung einen Kuss auf die Wange: "Hast du ein Auge auf den Reis Engelchen." Der Magier ging zu der Tür und öffnete. Herein trat der Grund, dass er sich die meiste Zeit zurückgehalten hatte. Ein neues Gildenmitglied mit welchem er seine Zeit verbracht hatte. Der wirklich hübsche rothaarige junge Mann schenkte ihm ein Lächeln und einen passionierten Kuss zur Begrüßung. Dieser wurde gerne erwidert. "Nicht so heftig Süßer, ich habe Damenbesuch", leicht kicherte er und kuschelte sich in die Arme des anderen während er mit seiner Hand durch sein Haar ging. Ein wenig überrascht sah der Magier ihn an: "Oh komme ich ungelegen mein Lieber? Ich wollte dir da nirgendwo rein pfuschen." Seraphim schüttelte seinen weißen Haarschopf und lächelte: "Nein, nur mein Engelchen, ich hab dir schon von ihr erzählt." Ein unterdrückter Schrei des Entzückens schüttelte den Rotschopf und er lugte sofort um die Ecke in die Küche. Kopfschüttelnd und mit der Hand im Gesicht folgte der andere und lachte leicht. Naomi warf einen recht skeptischen Blick zu dem Rothaarigen Mann, der gerade zur Küche herein sah. "Guten Tag", sie blinzelte verwirrt, "ich bin..." "Naomi-chan, ich habe schon viel von dir gehört, ich heiße Souta, freut mich so dich kennenzulernen", mit Schwung hob der junge Mann das Mädchen auf seinen Arm und knuddelte sie herzlich durch. Zart schmiegte er seine Wange gegen ihre und grinste breit. "Können wir sie behalten, ich wäre sicher eine gute Mami", er hatte nicht nur rote Haare, sondern auch grüne Augen. Kurz musste Naomi blinzeln, aber alles war gut, dieser Mensch war nicht Teil ihres Teufelskreises. "Schön dich kennenzulernen Souta-san." Nun waren sie schon zu dritt und auch Naomi entging es nicht, dass zwischen ihren beiden Begleitern eine gewisse Chemie bestand. Das störte sie allerdings nicht weiter, es war selten Seraphim in so guter Laune zu sehen und das freute sie. Gemeinsam kochten sie zu Ende, deckten den Tisch und dann aßen sie gemeinsam. Die zwei Magier erzählten ihr von einer Schiffsreise die sie begleitet hatten auf der sie von Piraten überfallen worden waren. Naomi im Gegenzug erzählte von ihrem kleinen Abenteuer im Turnier welches sie gehabt hatte. Doch musste dann stoppen als es zu dem Unfall ihres Vaters kam, darüber wollte sie nicht reden. Die Zeit ging viel zu schnell vorbei und schwer seufzend musste sie letztendlich wieder nach Hause. Seraphim war so gut sie noch schnell zu bringen und dann wieder alleine der Löwenhöhle zu überlassen. Ein Gutes hatte die Sache dennoch. Akira und Masaru hatten erwirkt, dass sie demnächst wieder ihre Arbeit aufnehmen konnte. Sie würde also wieder in die Gilde gehen können und dort mit anderen Aufgaben bestreiten. Ein sehr gutes Gefühl wieder eine Aufgabe im Leben zu haben, neben gut aussehen und mehr lernen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)