Petrichor von Raindrop21 (~Der Geruch von Regen auf trockener Erde) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Hitze. Nichts anderes als brennende Hitze. Mit jedem Schritt hatte ich das Gefühl, ich würde meinem Tode näher kommen. Seit Tagen hatte ich nichts mehr zu trinken bekommen, weil diese furchtbaren Menschenhändler selber alles wegsaufen wollten und das im Überfluss. Ich verfluchte sie und diesen für mich unnötigen, runden, heißen Feuerball namens Sonne. Ich hatte nicht viel Bildung, aber das war in unserem kleinen Dorf schon normal. Aber kein Mensch mit noch so viel Bildung könnte verstehen, wie es ist, von seiner Familie weggenommen zu werden... Und dann zu erfahren, dass der eigene Vater einen verkauft hat. Für ein paar mickrige Taler. Mehr scheine ich ihm nicht wert gewesen zu sein. Ich war die einzige, die aus unserem Dorf mitgenommen wurde, weil ich noch nicht älter als 18 war. Die Familien hatten irgendwann aufgehört, Kinder zu bekommen. Es hatte einfach keinen Sinn für sie. Verständlich... "Hey, Kleine. Wie ist dein Rufname?", fragte einer von den Männern auf den Kamelen. Ich wollte ihm meinen Namen nicht sagen. Ich wollte Stärke zeigen und ihnen nicht gehorchen, wie ein dummer Hund. Außerdem wusste ich nicht, wozu das gut sein sollte. Sein Blick wurde stechend. "Antworte!" Seine Stimme war sehr tief und er hatte einen mir unbekannten Akzent. Ich wurde ängstlich und meine erhoffte Stärke verabschiedete sich. Leise brachte ich ein "Imanti" hervor. Er und der Rest der Karawane fingen an zu lachen. Der Reiter des Kamels, hinter dem ich angebunden war und hinterher gehen musste, drehte sich zu mir um und flüsterte: "Keine Sorge, ...Imanti. Sie müssen nur ein paar Sachen über dich wissen, um einen Preis festzulegen." Ich musterte ihn nur nickend von unten. Ich kam mir so hilflos vor. Schnell wischte ich mir getrocknete Tränen aus den Augenwinkeln und schreckte wieder auf, als der Mann schließlich nach meinem genauen Alter fragte. "Ich bin 17.", antwortete ich dieses Mal brav. "Ich sagte, dein genaues Alter!" Langsam stieg Wut in mir auf. "Ich bin 17 Jahre und 10 Monate alt. In genau 2 Monaten bin ich 18!" Er lachte wieder sein bescheuertes Lachen und stellte noch eine Frage. "Jungfrau?" Ich verstand nicht und schaute ihn nur fragend an. Was er damit meinte, wusste ich wirklich nicht. "Meine Güte, hast du deine Jungfräulichkeit schon verloren, hattest du schon Gechlechtsverkehr, hast du schon mit jemandem geschlafen?" Jetzt verstand ich und schüttelte den Kopf. So etwas war normal bei uns. Bis zur Hochzeit. Eigentlich hätte ich schon längst verheiratet werden müssen, aber niemand wollte mich annehmen, weil ich so helle Haut hatte. Er grinste zu den anderen. "Eine Jungfrau... Und dann noch so eine Schönheit. Das wird viel Kohle einbringen!" Ein unwohliges Gefühl verbreitete sich in mir und ich wollte nur noch zurück. Auch wenn ich nicht wusste, wo das war. Natürlich hatte ich schon oft versucht zu flüchten, aber ich scheiterte jedes Mal. Also hatte ich die Hoffnung aufgegeben. Als es endlich dunkel wurde, machten wir Rast an einem alten Brunnen. Natürlich bekam ich nur wenige Schlucke Wasser. Ich genoss es trotzdem und merkte, wie gut es tat. Je dunkler es wurde, desto kälter wurde es auch. Am Tag hatte ich das Gefühl, ich würde vertrocknen und in der Nacht das Gefühl, ich würde erfrieren. Auf dem harten Sandboden konnte man nur schlecht schlafen, aber wenigstens hatte ich mein mittlerweile schäbiges Kleid an. Es war mein Lieblingskleid. Es war komplett rot und ganz schlicht, aber aus irgendeinem Grund liebte ich es. Leider war es zu dünn, um warm zu halten. Aber ich war zu schüchtern, um nach einer Decke oder einer Matte zu fragen. Ich war es eh schon gewöhnt, auf dem nackten Boden zu schlafen. Es dauerte nicht lange, bis ich eingeschlafen war. Am nächsten Morgen war es heißer als die letzten Tage, zumindest kam es mir so vor. Ich lief wieder hinter dem selben Kamel her, wie am Tag zuvor. Und das Kamel hatte denselben Reiter. Ich war irgendwie froh darüber, weil er der am wenigsten unverschämteste von den Männern war. Er drehte sich wieder zu mir um und flüsterte: "Ich habe gute Nachrichten für dich: Wir werden wahrscheinlich noch heute ankommen." Ich versuchte ein Lächeln. Offenbar klappte es, denn er lächelte ebenfalls ein bisschen zurück und drehte sich wieder um. Es stimmte, was der Mann vor mir gesagt hatte. Irgendwann bemerkte ich etwas, was den geraden Horizont unterbrach. Man konnte es nur schwer erkennen, durch die heiße Luft, die aufstieg und alles verschwommen erscheinen ließ. Trotzdem konnte ich Palmen erkennen. Obwohl wir nicht mehr weit entfernt waren, war das Gehen auf einmal schwerer als zuvor. Der unerträgliche Durst machte mir sehr zu schaffen und durch die Hitze war mein Kreislauf am Ende. Ich dachte nur noch an Wasser. Als wir schließlich in der kleinen Stadt ankamen, hatte ich das Gefühl, ich würde jeden Moment zusammenbrechen. Ich schleppte mich nur noch hinterher und versuchte nicht auf die Bewohner zu achten, die mich mit herabwertenden Blicken musterten. Für sie war ich dasselbe wie Dreck. Ein kleines, armes, dreckiges Mädchen. Für nichts zu gebrauchen, außer als Sklavin. Ich hoffte, mein ''Besitzer'' war anders. Wir waren bald an seinem Hof angekommen. Er war sehr groß. Fast so groß, wie unser gesamtes Dorf. Ein Mann aus der Karawane klopfte an das große Holztor und eine etwas ältere Frau als ich öffnete sie uns. Sie war in etwa so groß wie ich, nur etwas kräftiger gebaut. Ihre Haut war dunkler, aber ihr Haar heller als meins. Sie hatte es nach hinten gebunden und schaute uns alle mit ihren grünen Augen an. "Bringt ihr die neue Arbeiterin?" Mir gefiel das Wort ''Arbeiterin'' wesentlich besser, als das Wort ''Sklavin''. Ihre Frage wurde bejaht und wir durften den Hof betreten. Er war noch größer, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Es gab viele Palmen und Stallungen mit Kamelen, Pferden und Rindern. Ein paar Hühner und ein Hahn liefen frei auf dem Hof herum. Sie liefen jedoch gackernd weg, als eine von vielen Türen aufging und ein älterer Herr herauskam. Er hatte schwarze, leicht graue Haare, die so lang waren, dass er sie zu einem kleinen Zopf gebunden hatte. Sein Gesicht sah nicht unbedingt freundlich aus und er hatte einen grauen Stoppelbart. "Ah, eine neue Arbeiterin. Ich hoffe, diese ist zu was zu gebrauchen, nicht so wie die letzte." Die Frau, die uns aufgemacht hatte, senkte den Kopf. Offenbar war sie damit gemeint. Ich sah sie schuldig an und sie lächelte mich aufmunternd an. Der Hausherr ging auf mich zu und packte mich am Kinn er musterte mein Gesicht und wendete sich wieder an die Karawane. "Wie alt?" Der Mann, der mich das alles schon gefragt hatte, erzählte ihm alles über mich. "Sie ist 18, ihr Name ist Imanti und sie ist eine Jungfrau. Nur das Beste. Das wären 40 Taler plus weitere 10 Taler, weil sie so 'ne kleine Hübsche ist." Der Hausherr musterte mich ein weiteres Mal. "45!" "49!" "47 Taler, das ist mein letztes Angebot. Sonst könnt ihr sie wieder mitnehmen." "Einverstanden, verkauft für 47 Taler." Er nickte zufrieden und holte einen Geldbeutel hervor. So einfach war es. Einfach 47 Taler hingegeben und schon gehörte ich jemand anders. Was ist das für ein Leben? Man wird erst dem Vater, der Mutter und den Brüdern weggenommen und dann verkauft. Ich hatte mir mein Leben immer anders vorgestellt. Komplett anders. Der Hausherr nahm das Seil an dem ich festgebunden war und zog mich durch eine der Türen. Er befreite mich von dem Seil und ich konnte endlich meine Hände strecken. Aber ich war immer noch am Ende. Ich hoffte, dass ich jetzt Wasser bekommen würde und brachte nur dieses eine Wort heraus. "Wasser", sagte ich heiser. Er funkelte mich an. "Wasser bekommst du erst, wenn du es dir verdient hast. Erstmal wirst du jetzt eine Schürze bekommen und mich gefälligst mit ''Mein Herr'' ansprechen. Und wasch dir deine Hände. Sie sehen furchtbar aus. Und wage es ja nicht, davon zu trinken. Jasira wird darauf achten." Ich schaute ihm hinterher. Ich hasste ihn jetzt schon. Aber die Frau, Jasira, war glücklicherweise sehr nett. "Komm, wir holen dir deine Schürze. Deine Hände kannst du da vorne waschen." Ich folgte ihr. Meine Schürze gefiel mir gut. Sie passte gut zu meinem Kleid und war aus Lein. Meine Hände waren gewaschen und ich ging in einen Raum, der offenbar eine Küche war. Sie war ziemlich groß. Ich war alleine, aber ''mein Herr'' kam herein. "Du wirst jetzt Tomatensuppe kochen. Ich erwarte, dass sie um 12 Uhr serviert wird. Und ach ja: Sie muss für zwei Personen reichen, mein Sohn isst auch mit." Damit verschwand er wieder und ließ mich völlig überfordert zurück. 'Was sind Tomaten?', fragte ich mich. Ich fing an zu weinen. Woher sollte ich wissen, wie man Tomatensuppe macht? Bei uns zuhause aß man keine Suppe, schon gar nicht welche mit Tomaten. Es war viel zu trocken, um sie anzubauen. Zum Glück kam Jasira in die Küche und erklärte mir schnell, was Tomaten sind. Leider musste sie selber auch weiter arbeiten und ließ mich ebenfalls zurück. Mit zitternden Knien und einem Topf in den Händen ging ich einen Gang entlang. Ich betrat einen riesigen Saal, in dem ein langer Tisch stand. Am Ende des Tisches saßen zwei Personen gegenüber. Ich stellte den Topf zwischen die beiden. Der Mann neben meinem Herren war sicherlich erst 20 bis 25 Jahre alt. Er lächelte mich offen an und wendete sich an seinen... Vater. "Willst du mir denn nicht diese reizende Dame vorstellen, Paps?" Er sah auf und blickte mich von der Seite an und nuschelte mit vollem Mund: "Imanti, 18, Jungfrau und KEINE Dame, sondern meine neue Arbeiterin." Der Mann lächelte mich wieder an. "Freut mich, ich bin Amaniel, aber du kannst mich Aman nennen." Ich nickte mit einem zaghaften Lächeln. Plötzlich passierte etwas, was ich nicht erwartet hatte. Ich fiel einfach so zu Boden. Mein Kreislauf war am Ende. Aber ich hatte meine Augen noch offen und war noch wach genug, um mitzubekommen, was dann geschah. Mein Herr sprang auf und trat mir kräftig gegen den Kopf. Er schrie mich außer sich an. "Erstens: Hier wird erst nachts geschlafen! Zweitens: Wenn ich esse, hast du zu gehen! Und drittens: Diese Suppe ist das widerlichste, was ich je gegessen habe!" Ich merkte, wie Blut an meiner Stirn herunter lief. Ich schaffte es aufzustehen und aus dem Saal zu flüchten. Als ich die Tür geschlossen hatte, merkte ich nur noch, wie mir schwarz vor den Augen wurde und ich fiel auf den harten Steinboden. 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