Galaxy Credit von -Kuraiko ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Es dauerte eine geschlagene halbe Stunde, bis die Journalistin den ersten Schock einigermaßen überwunden hatte. Aber wer hätte ihr das in der derzeitigen Situation auch schon verübeln können? Dem sicheren Ende sprang man nun mal nicht jeden Tag gerade noch so von der Schippe. Kurz fiel ihr Blick zur geschlossenen Badezimmertür. Das leise Prasseln der Dusche war auch hier im Wohnbereich zu hören. Nachdem Reiko nach dem Treffen mit der Chefin und dem kurzen Gespräch im Badezimmer, Akane wieder losgelassen hatte, hatte diese sie rüber in den Wohnbereich des Zimmers gebracht und sie auf den Sessel verfrachtet. Mit den Worten, sie sollte erstmal versuchen sich zu beruhigen und sich Gedanken um die derzeitige Situation machen, hatte die Brünette Reiko für's Erste allein gelassen und war ihrerseits im Bad verschwunden, um zu duschen und sich umzuziehen. Nach und nach gelang es der Journalistin wieder klare Gedanken zu fassen. Es war schon unglaublich, wie knapp sie den Kopf noch einmal aus der Schlinge hatte ziehen können. Blieb nur noch die ungeklärte Frage, warum Akane dieses Risiko für sie in Kauf nahm. Zwar hatte sie vorhin gesagt, dass sie eine Diebin aber keine Mörderin seie, doch trotzdem fand die junge Frau es sehr gewagt, für eine fast Fremde so ein Risiko in Kauf zu nehmen. Gerade bei dieser Chefin. Was hatte die Blondine noch gleich gesagt? Sie würde Crow dafür zur Rechenschaft ziehen, wenn die Journalistin irgendetwas anstellen sollte. So, wie sie Galaxia eben erlebt hatte, glaubte Siren ihr das Gesagte aufs Wort. Aber trotz diesem Risiko hatte die Andere es nicht in Kauf genommen, ganz einfach den leichtesten und sichersten Weg zu wählen und die junge Frau mit den hellblauen Haaren unschädlich zu machen. Reiko hatte so viele Fragen an ihre momentane Mitbewohnerin, wenn sie es sich recht überlegte. Es würde sie ja schon interessieren, wie lange die Brünette nun schon Teil dieser Bande war und was sie dazu bewegt hatte, sich diesen Kriminellen anzuschließen. Auch fragte sie sich, wo genau sie hier eigentlich waren. In welcher Stadt und in was für einem Haus? Die Journalistin stand von ihrem Platz auf, lief rüber zum Fenster und blickte hinaus. Das Gebäude war wirklich riesig, so viel stand fest. Wenn sie so aus dem Fenster sah, dann kam sie zu dem Schluss, dass sie sich mindestens in der fünften Etage befanden. So genau konnte sie das jedoch nicht sagen. Wenn man nun also bedachte, dass sie sich in einem so riesigen Bürokomplex befanden, dann konnte das Gebäude doch gar nicht so unbekannt sein, oder? Doch wenn sie aus dem Fenster blickte, sah Reiko leider nur einen verlassenen Hinterhof und Brachland. Trotz diesem nicht gerade vielversprechenden Ausblick, ging sie jedoch davon aus, dass das Haus irgendwo in der Nähe einer belebten Straße stehen musste, denn selbst von hier aus war Autolärm zu hören.   „Hast du dich wieder beruhigt?“, riss sie Akanes Stimme aus den Gedanken. Die Brünette hatte sich inzwischen umgezogen und das Bad wieder verlassen. Die junge Journalistin drehte sich zu der Anderen um, ehe sie antwortete : „Ja, halbwegs, wenn man es so nennen kann.“ „Das ist gut.“ Als einen Moment Schweigen herrschte, beschloss Reiko die derzeitige Ruhe zu nutzen, um Crow einige Fragen zu stellen, welche ihr hoffentlich helfen würden, die Gesamtsituation ein wenig besser zu überblicken. „Sag mal, wo genau sind wir hier eigentlich?“, erkundigte sie sich. Mit hochgezogener Augenbraue blickte die Brünette sie an, ehe sie sich neben sie stellte und sich an die Fensterbank lehnte. „Immer noch in Niigata, Siren. Wenn auch in einem Randbezirk der Stadt.“ „Immer noch in Niigata? Diese Ecke der Stadt ist mir noch nie aufgefallen.“ „Kein Wunder, du kannst schließlich nicht sämtliche Häuser der Stadt kennen.“ Nun war es an der jungen Frau mit den hellblauen Haaren, ihre Gesprächspartnerin groß anzusehen. „Warum hast du das vorhin gemacht? Ich meine, warum hast du diese Entscheidung getroffen? Das ich jetzt hier bleibe, stellt für dich doch ein ziemliches Risiko dar, oder nicht?“, wollte Reiko wissen. Der Grund der Anderen, diese gewagte Entscheidung zu treffen, interessierte sie wirklich. „Dummkopf, das habe ich dir vorhin doch schon gesagt!“, murrte die Brünette, verschränkte die Arme und bemühte sich um den typischen, mies gelaunten Gesichtsausdruck. „Ja schon, aber war das wirklich alles?“, hakte die naive Journalistin erneut nach. Akane seufzte genervt, entfernte sich etwas weiter von der Fensterbank und wandte sich wieder der anderen zu. „Was denn noch?! Sei doch einfach froh, dass ich mich für die dämlichere der beiden Möglichkeiten entschieden habe und dich jetzt so lange ertragen muss, bis du irgendwas anstellst, was uns beiden das Genick brechen wird!“ „So wie du das sagst, scheinst du ja wirklich davon auszugehen, dass ich irgendetwas tun werde, was deine Chefin dazu veranlasst uns zu bestrafen. Wie gemein.“, schmollte Siren, denn obwohl sie sich sicher war, das Crow vieles was sie sagte gar nicht so böse meinte, verletzend konnten ihre Worte trotzdem manchmal sein. „Jetzt zieh nicht so ein Gesicht. Damit, dass du irgendwas Dummes tust, muss ich schließlich rechnen! Ich würde an deiner Stelle auch versuchen von hier abzuhauen oder mich zumindest irgendwie bemerkbar zu machen!“,schimpfte Akane auch schon los. Spontan vermutete Reiko, dass die Brünette so mies gelaunt war, weil ihre Chefin sie vorhin dazu verdammt hatte, von nun an erstmal in der unfreiwilligen WG zu leben. „Ich verstehe ja was du meinst, aber...du hast eben den Kopf für mich hingehalten, da werde ich dir doch nicht sofort zum Dank in den Rücken fallen.“, versuchte die junge Frau mit den hellblauen Haaren ihrem Gegenüber zumindest eine Sorge zu nehmen. „Das wird sich dann wohl zeigen.“, antwortete diese ihr gerade skeptisch.   Die Brünette lief rüber zu ihrem Schreibtisch, setzte sich auf den Schreibtischstuhl und schlug einen Ordner auf, welcher sich in einem Rollschränkchen unter dem Tisch befunden hatte. „Sag mal, jetzt wo ich dich eh am Hals habe : was kannst du eigentlich?“, erkundigte sie sich. Die Frau mit den hellblauen Haaren blinzelte irritiert und blickte ihr Gegenüber etwas ratlos an. „Eh? Ich verstehe nicht ganz.“, gab sie ehrlicherweise zu. „Was war daran bitte so schwer zu verstehen?!“, schnappte Crow. „Es muss doch irgendetwas geben, was du gut kannst, oder nicht?“ Ihrem Gesicht war deutlich anzusehen, das sie bereits jetzt schon wieder ziemlich genervt war. Siren ab jetzt die ganze Zeit über zu ertragen würde ihrem Nervenkostüm einiges abverlangen. „Ach so, na sag das doch gleich.Ich kann beispielsweise ganz annehmbar kochen und meine Kollegen behaupten immer, ich könnte gut singen.“, antwortete die Journalistin der anderen schließlich und fand es positiv, dass diese sie scheinbar etwas besser kennenlernen wollte, nun wo sie in dieser WG leben müssten. Dementsprechend verwundert war sie, als Akane nur seufzte und noch eine Spur genervter wirkte als ohnehin schon. „Wirklich schön das du gut singen kannst, aber kannst du mir bitte mal verraten, was das bringen soll?!“ „Was hast du denn? Du hast mich doch eben nur gefragt, worin ich gut bin. Aber das es etwas Nützliches sein soll hast du nicht erwähnt.“, äußerte Reiko mit Unschuldsmiene und fügte reichlich naiv hinzu :“Außerdem finde ich schon, das es beispielsweise praktisch ist kochen zu können. Also wenn du es nicht kannst, dann ergänzt sich das doch ganz gut, oder?“ Auf der Stirn der Brünetten begann eine Ader zu pulsieren. Hier gerade noch ruhig zu bleiben fiel ihr immer schwerer. „Wer hat bitte behauptet, dass ich nicht kochen könnte?!“, meckerte sie los, funkelte ihre Gesprächspartnerin wütend an und verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber darum geht es auch gar nicht! Irgendetwas musst du doch können, was der Organisation nützlich ist. Dinge wie Buchhaltung, Datenbanken hacken, oder einfache Verwaltungsaufgaben...?“ Abwartend blickte die Brünette sie an und langsam verstand Reiko, dass man ihr die Frage nach den persönlichen Fähigkeiten nicht einfach aus Interesse an ihrer Person gestellt hatte. „Aber ich bin Journalistin, keine Buchhalterin...!“, beschwerte sie sich. „Außerdem ist es doch illegal Datenbanken zu hacken, oder nicht?“ „Also vollkommen nutzlos.“, stellte Akane fest, ohne auf Reikos Frage einzugehen. „Ich hätte es wissen müssen.“ Nun begann die junge Frau mit den hellblauen Haaren nachzudenken. Eben noch hatte Akane vor Galaxia den Kopf für sie hingehalten und irgendwie wäre es doch jetzt nur gerecht, wenn sich doch noch irgendetwas finden ließe, um sich dafür zu revanchieren. Natürlich hatte sie kein besonders großes Interesse daran Aufgaben in einer Verbrecherbande zu übernehmen und vermutlich könnte sie das meiste auch gar nicht, doch irgendetwas musste es doch geben, womit sie zumindest Crow ein wenig Arbeit abnehmen könnte, oder nicht? Arbeit abnehmen...ach, halt Moment, hatte die Chefin der Organisation der Brünetten nicht vorhin erst noch einen neuen Auftrag erteilt? Was auch immer es war, vielleicht könnte sie dabei ja eine sinnvolle Aufgabe übernehmen? „Ah, jetzt weiß ich etwas!“, rief sie daher aus und blickte ihre unfreiwillige Mitbewohnerin an. „Ach ja?“, ergriff diese das Wort und sah skeptisch in Reikos Richtung. „Du hast doch vorhin irgendeinen Auftrag bekommen, richtig? Könnte ich dir dabei nicht ein wenig unter die Arme greifen? Möglichst mit irgendetwas, was nicht illegal oder gefährlich ist?“ Mit jedem Satz, den sie da hören musste, litt das Nervenkostüm der eh schon temperamentvollen Brünetten ein wenig mehr. Sie konnte und wollte nach wie vor noch nicht recht wahrhaben, dass die Journalistin wirklich so naiv sein konnte, musste jedoch langsam aber sicher einsehen, dass Siren sich höchst wahrscheinlich nicht einfach nur dumm stellte, sondern wirklich so arglos war. „Da gibt es nichts, was auch nur ansatzweise ungefährlich oder halbwegs legal wäre! Wie oft muss ich dir noch sagen, dass die Organisation nicht die Wohlfahrt ist?!“ Crow verschränkte die Arme vor der Brust und rollte ein Stück mit dem Drehstuhl nach hinten. „Vergiss ganz einfach, was ich eben gefragt habe.“, murrte sie. „Am nützlichsten machst du dich wahrscheinlich, wenn du einfach nur versuchst keine weiteren Dummheiten anzustellen.“   Für einen Moment spielte Reiko mit dem Gedanken sich über die wenig freundlichen Worte der anderen zu beschweren, doch war selbst der naiven Journalistin klar, dass das nicht all zu viel bringen würde. Stattdessen versuchte sie lieber das Thema in eine andere Richtung zu lenken. „Sag mal Akane, warum hast du dich dieser Gruppe eigentlich angeschlossen?“, wollte sie wissen. Für einen Augenblick sah Angesprochene sie ehrlich überrascht an, bevor ihre Mimik wieder genervter wurde. Diesmal hatte Reiko jedoch das Gefühl, dass die miese Laune nur eine Art aufgesetzte Maske war, um irgendetwas zu überspielen. Da war etwas in Akanes Blick, was nicht so recht zur restlichen Mimik passen wollte und was die junge Frau nicht einordnen konnte. „Warum interessiert dich das?“, antwortete Crow lieber mit einer Gegenfrage. „Weil ich nicht glaube, dass du wirklich so gemein wie die Chefin bist.“ „Ach ja? Und was macht dich da so sicher? Täusch dich nicht. Nur weil ich mich eben dazu entschieden habe, dich am Leben zu lassen, macht mich das noch lange nicht besser als die Anderen hier.“ Reiko öffnete den Mund um noch etwas zu sagen, doch da war Akane auch schon wieder von ihrem Sitzplatz ausgestanden und ging rüber zur Zimmertür, welche die ganze Zeit über verschlossen gewesen war. Mit einem der Armreifen wischte sie über das Kästchen des Sicherheitssystems und das Schloss sprang klickend auf. „Eh? Wo willst du hin?“, erkundigte Siren sich sogleich, anstatt das Gespräch von eben weiterzuführen. „Ein paar Unterlagen weitergeben und dann in die Küche.“, entgegnete Crow und warf noch einmal einen Blick in den Raum. „Worauf wartest du? Du kommst natürlich mit. Oder willst du in diesem Zimmer vergammeln? Durchs Gebäude zu laufen ist immerhin besser als nichts.“ „Ist ja gut.“ Mit diesen Worten begab auch die junge Journalistin sich rüber zur Tür und war in gewisser Weise froh, endlich den Raum verlassen zu können. Vielleicht würde sich ja irgendwo im restlichen Gebäude die Möglichkeit ergeben auf sich aufmerksam zu machen? Immerhin war dieses Haus so groß, dass sie sich nur schwer vorstellen konnte, dass die Verbrecherbande den ganzen Bürokomplex ihr Eigen nannte. Gerade war sie auf dem Flur angekommen, da griff die Brünette plötzlich nach ihrem Arm und sah sie noch einmal warnend an. „Mach jetzt bloß keine Dummheiten, nur weil wir den Raum verlassen haben. Dieses Gebäude verlässt niemand, der es nicht soll.“ „Ich hab doch gar nichts-“, begann die junge Frau mit den hellblauen Haaren, wurde jedoch von ihrer unfreiwilligen Mitbewohnerin unterbrochen :“Aber man sieht dir an der Nasenspitze an, worüber du nachgedacht hast.“ Während sie den Flur entlangliefen, schmollte die Journalistin ein wenig und fragte sich, ob es für die andere wirklich so leicht war ihr anzusehen, was sie gerade dachte.   Erneut liefen die beiden Frauen einen der Flure entlang und erneut musste Reiko feststellen, wie gleich hier alles aussah. Inzwischen war es fast Abend und die Hoffnung auf Hilfe, nur weil sie den Raum verlassen hatten, war nach und nach geschmolzen wie das Wachs einer brennenden Kerze. Den Vormittag über hatte Akane sie durchs Haus mitgeschleift und ihr zwangsläufig auch die ein oder andere Person vorgestellt, da sie ein paar Unterlagen von A nach B hatte schleppen müssen. Mindestens 15 Personen hatte die Journalistin den Tag über hier gesehen, doch alle schienen zu den Kriminellen zu gehören. Besonders wohnlich sah es auch nirgendwo in dem merkwürdigen Bürokomplex aus, doch zumindest eine kleine Küche und eine Art Aufenthaltsraum gab es hier. Nach wie vor fragte Reiko sich, ob die Mitglieder der Verbrecherbande tatsächlich hier wohnten, oder ob es nur eine Art Notlösung war, ab und an am Arbeitsplatz zu bleiben. Doch die Wohnsituation der Kriminellen war nun wirklich nicht ihr Hauptproblem. Eine Tür, welche nach draußen in die Freiheit führte, hatte die Entführte den ganzen Tag über nicht finden können. Genau so wenig wie Leute, die so aussahen, als hätten sie nichts mit dieser seltsamen Organisation zu tun. Inzwischen waren die beiden zumindest wieder auf dem Weg durchs Haus. Da sämtliche Flure hier große Ähnlichkeit miteinander hatten, bemerkte Siren erst, dass sie auf dem Rückweg zu Akanes Zimmer waren, als sie fast schon vor der Tür standen. „Oh, wir sind ja wieder zurück. In diesem Gebäude verliert man wirklich wahnsinnig schnell die Orientierung.“ „Ach, findest du? Das ist nur eine Sache der Gewohnheit.“, antwortete die Brünette ihr kühl und öffnete die Zimmertür mit Hilfe ihres Armreifs. Nach wie vor fand die junge Journalistin es faszinierend und irritierend zugleich, dass einige der Türen in diesem Haus nur mit den Armreifen geöffnet werden konnten. Waren Schlüssel denn nicht irgendwie praktischer? „Deine Armreifen funktionieren wie Schlüssel, richtig?“, erkundigte Reiko sich und folgte Akane in das Zimmer, welches die Kriminelle und sie derzeit bewohnten. „Wäre es nicht leichter, ein ganz normales Schlüsselbund für das Haus mit sich herumzutragen?“ Crow schloss die Tür hinter den beiden wieder, musterte kurz einen der Armreifen mit einem seltsamen Gesichtsausdruck und blickte dann rüber zu ihrer unfreiwilligen Mitbewohnerin. „Unter anderem funktionieren sie wie Schlüssel, ja.“, erklärte sie. „Die Methode ist sicherer als ein Schlüsselbund. Man kann die Armreifen immerhin nirgendwo liegen lassen und Unbefugte kommen nicht in die Räume, in denen sie nichts verloren haben.“ Während Akane zielstrebig in Richtung Schreibtisch lief und etwas aus einer der Schubladen holte, setzte die junge Frau mit den hellblauen Haaren sich auf den einzigen Sessel hier im Raum. „Ach, so ist das also. Also gibt es Räume in diesem Gebäude, die niemand sehen darf?“, hakte sie naiverweise nach. „Dummkopf! Als wenn dich das etwas angehen würde!“, brauste die Brünette auf. Im ersten Moment blinzelte Siren ein wenig irritiert. Aus ihrer Sicht hatte sie der anderen doch nur eine ganz normale Frage gestellt. Warum regte sie sich also darüber auf? Die einzig logische Erklärung dafür war vermutlich, dass sie Recht hatte und es hier durchaus Räume gab, welche nicht von jedem betreten werden durften. Fragte sich lediglich, was wohl hinter besagten Türen war. Inzwischen hatte Crow gefunden, was sie in der Schreibtischschublade gesucht hatte – ein Blatt Papier, welches sie genau studierte und dann für einen guten Moment lang aus dem Fenster blickte. Sie schien über irgendetwas nachzudenken, bevor sie schließlich nickte und mit dem Blatt in der Hand zur Tür lief. „Erinnerst du dich an den Auftrag, den die Chefin mir vorhin gegeben hat? Ich werde jetzt gehen.“, stellte sie fest. „Denk nicht mal daran in meiner Abwesenheit irgendetwas Dummes anzustellen. Galaxia würde uns beiden dafür den Kopf abreißen.“ Überrascht blickte Reiko Akane an. Sie waren doch gerade erst zurückgekommen, nachdem sie den ganzen Tag über im Gebäude hin und hergelaufen waren und nun wollte die Brünette schon wieder aufbrechen? „Warte mal.“, hielt sie ihre Mitbewohnerin zurück, welche in der offenen Tür stehen blieb und sie abwartend ansah. „Was ist denn noch?“, erkundigte Akane sich in ihrem typischen, leicht gereizten Tonfall. „Musst du bei deinem Auftrag irgendwas illegales machen? Ich meine, hast du gar keine Angst, dass die Polizei dich erwischt?“ Auch wenn ihre Gesprächspartnerin sich darüber vielleicht nicht den Kopf zerbrach, Siren tat es. Einerseits hielt sie nichts von Dingen, die gegen das Gesetz verstießen, andererseits war selbst die naive Journalistin vorausschauend genug um zu wissen, dass sie ganz allein mit dem Rest dieser Kriminellen hier wäre, wenn Akane von der Polizei geschnappt werden würde, Einerseits könnte dies zwar bedeuten, das man der Bande auf die Art und Weise auf die Schliche kam, doch eine Garantie dafür war das nicht. Besonders der Chefin dieser Organisation wollte sie so schnell nicht mehr begegnen! Irgendetwas sagte ihr, dass es sicherer für sie wäre, wenn Crow in diesem Gebäude in ihrer Nähe war. Und nachdem sie vorhin, aus welchen Gründen auch immer, den Kopf vor Galaxia für sie hingehalten hatte, war Siren sich recht sicher, dass die Brünette gar nicht so gemein sein konnte, wie der Rest dieser Kriminellen. „Es gibt keinen legalen Diebstahl, Siren.“, entgegnete Akane derweil und verdrehte die Augen. „Und ungefährliche Aufträge erteilt die Chefin mir nie. Berufsrisiko, würde ich sagen.“ „Aber...aber warum nimmst du solche Aufträge dann überhaupt an?“, wollte Reiko verständnislos wissen. Angesprochene blickte sie für einen Moment einfach nur an, seufzte schließlich genervt und klatschte sich die Hand gegen die Stirn. „Ist das dein Ernst?“, wollte sie wissen. „Du hast Galaxia vorhin selbst kennengelernt.“ Damit hatte sie allerdings recht. Wenn die junge Journalistin nun ein wenig weiter dachte, dann kam selbst sie zu dem Schluss, dass es nicht gesund sein konnte, der Chefin dieser Bande zu widersprechen. „Mach einfach keine Dummheiten und warte bis ich wieder zurück bin.“, wies Crow Siren noch an, bevor sie schließlich den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss. Kaum war die Tür hinter ihr zugefallen, klickte irgendetwas. Das Lämpchen neben der Tür, wechselte von grün zu rot, was nichts anderes bedeutete, als das diese wieder verschlossen war. Reiko seufzte. Die Tür war verschlossen, in diesem Haus wimmelte es ohnehin vor Verbrechern und ein Telefon gab es in diesem Raum auch nicht. An Flucht war wohl nach wie vor nicht zu denken.   Inzwischen war es mitten in der Nacht und das Zimmer, welches die beiden Frauen sich unfreiwilligerweise teilten, war stockdunkel und still. Vor etwa zehn Minuten war die Journalistin aufgewacht und hatte feststellen müssen, dass sie nicht mehr schlafen konnte. Zu sehr beschäftigten sie die Vorfälle der letzten Tagen und die aktuelle Gesamtsituation. Das sie wegen eines Fotos entführt worden war, war schon unfassbar genug, und dass diese Verbrecherbande größer war, als sie ursprünglich vermutet hatte, machte es auch nicht gerade besser. Um es kurz zu fassen : ihre Lage war alles andere als gut. Wie ernst es war, hatte Reiko erst heute morgen noch feststellen müssen, als die Chefin Akane kaltblütig vor die Wahl gestellt hatte, die junge Journalistin weiterhin hier festzuhalten und die volle Verantwortung für sie zu übernehmen, oder aber sie ganz einfach zu töten. Wie konnte ein Mensch nur dermaßen abgebrüht sein? Galaxia hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als sie das gesagt hatte. Ein einzelnes Menschenleben schien der Blondine recht wenig zu bedeuten. Nach wie vor war Reiko ziemlich schockiert, in was sie hier nur reingeraten war, doch ahnte sie – naiv oder nicht - , dass dies erst die Spitze des Eisbergs gewesen war. Die Kriminellen, die sie heute im Haus gesehen hatte, machten ebenfalls einen ziemlich abgebrühten Eindruck. Sirens Meinung nach hatte sie es hier wirklich nur mit Wahnsinnigen zu tun! Und das war wirklich, wirklich schlecht. Nun, vielleicht nicht nur mit Wahnsinnigen... Die junge Frau seufzte leise, drehte sich auf die Seite und zog die Bettdecke ein wenig höher, während sie die Silhouette ihrer Mitbewohnerin musterte, welche mit dem Rücken zu ihr lag und leise und ruhig atmete. Im Gegensatz zu den meisten hier, machte Crow nicht so einen eiskalten und verrückten Eindruck. Gut, Akane besaß Temperament, war leicht reizbar und verhielt sich meist recht abweisend ihr gegenüber, aber irgendeine innere Stimme sagte Reiko, dass die Brünette gar nicht so kratzbürstig war, wie sie immer tat. Wie sagte man noch gleich? Harte Schale, weicher Kern. Schon von Anfang an hatte sie ihre derzeitige unfreiwillige Mitbewohnerin nicht als so bedrohlich wahrgenommen, wie die anderen hier. Die Tatsache, dass sie sich dagegen entschieden hatte sie aus dem Weg zu räumen und stattdessen das Risiko einging, sich auf diese verrückte WG mit einer fast Fremden einzulassen, bestätigte ihre Annahme nur noch. Zu gern hätte Reiko gewusst, was Akane bloß dazu bewegt hatte. Und wo sie gerade schon über ihre Mitbewohnerin, die Verbrecherbande und die Gesamtsituation nachdachte, kam sie zu dem Schluss, das hier irgendetwas merkwürdiges vor sich ging. Die Chefin dieser Organisation war zweifelsohne gefährlich, doch es wunderte sie schon, wie respektvoll alle mit ihr umgingen. Heute morgen schon hatte sie das Gefühl gehabt, jemand hätte Crow heimlich gegen eine andere Person ausgetauscht, als sie kurz nicht hingesehen hatte, doch das war noch nicht alles gewesen. Nachdem Akane von ihrem Auftrag zurück war und wohl gerade das Zimmer betreten wollte, musste sie auf dem Flur Galaxia über den Weg gelaufen sein. Zwar hatte Reiko vom Zimmer aus natürlich nichts sehen können, doch was sie aus dem Gespräch der beiden hatte heraushören können war, dass die Brünette ihrer Chefin das erbeutete Diebesgut direkt ausgehändigt hatte. Reiko hatte keine Ahnung, um was für Diebesgut es sich überhaupt handelte, doch anscheinend war Galaxia der Meinung gewesen, dass Akane zu wenig erbeutet hatte. Die Blondine hatte die andere scharf zurechtgewiesen, während Crow ihr zu erklären versucht hatte, dass sie keine Zeit mehr gehabt hatte, da ein Streifenwagen auf sie aufmerksam geworden war. Als Akane schließlich die Zimmertür mit Hilfe ihres Armreifs geöffnet hatte, war sie noch ein wenig neben der Spur und ziemlich gereizt. Siren fragte sich wirklich, was es bloß für Aufträge waren, die Galaxia den anderen gab. Zwar hatte die naive Journalistin noch nie in ihrem Leben etwas gestohlen, doch konnte sie durchaus nachvollziehen, dass es das Beste wäre schnell zu verschwinden, wenn die Polizei auf einen aufmerksam geworden war. Warum also war die Chefin der Verbrecherorganisation nicht einfach froh, dass Crow es geschafft hatte sich aus dem Staub zu machen?   Obwohl das Zimmer dunkel war, hatten Reikos Augen sich inzwischen einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt. Schemenhaft konnte sie die Umrisse der im Zimmer stehenden Möbel erkennen. Was die Möbel betraf, so musste sie jedoch einräumen, dass es sich hierbei in diesem Raum um Mangelware handelte. Das Zimmer war eher wie ein Büro eingerichtet, nur dass eine Tür in ein kleines Badezimmer nebenan führte. Den im Raum stehenden Schreibtisch würde sie zur Büroausstattung zählen, genau so wie das Schränkchen, welches direkt darunter stand. Lediglich der Kleiderschrank, der Sessel und das Bett gehörten definitiv nicht in ein Büro. Anhand der Möbel war relativ schnell ersichtlich, dass der Raum eigentlich nur für eine Person ausgelegt war. Bis vor kurzem war das auch kein Problem gewesen, denn bis gestern hatte Crow das Zimmer allein bewohnt. Nun, wo sie zu dieser WG verdammt worden waren, hatte sich dies jedoch schlagartig geändert und sie vor einige Probleme gestellt. Da wäre zum Beispiel die Tatsache, dass ihre Entführer nicht so nett gewesen waren, den Inhalt ihres Kleiderschranks auch gleich mitzubringen. Reiko hatte also keinerlei eigene Kleidung hier her mitbringen können. Dies bedeutete zwangsläufig auch, dass sie sich ab morgen wohl aus Akanes Kleiderschrank würde bedienen müssen. Ob die Brünette davon jedoch so begeistert war, wagte selbst die naive Journalistin zu bezweifeln. Ein weiteres Problem war, dass es in diesem Zimmer nur ein einziges Bett gab und der Platz nicht ausgereicht hätte, um irgendwo ein zweites aufzustellen. Als Crow gestern Abend von ihrem Auftrag zurück war und es langsam an der Zeit gewesen war schlafen zu gehen, hatte die eigentliche Besitzerin des Zimmers es gar nicht lustig gefunden, ihren Schlafplatz mit einer fast Fremden teilen zu müssen. Erst hatte sie verlangt, dass die Journalistin gefälligst auf dem Boden zu nächtigen hatte, doch damit wiederum war diesmal Reiko nicht einverstanden gewesen. Sie war der Brünetten also so lange auf die Nerven gefallen, bis diese schließlich nachgegeben hatte, sie jedoch gewarnt hatte, bloß nicht zu viel Platz zu beanspruchen und ihr nachts nicht die Decke abzuluchsen. Auch Siren erachtete die aktuelle Schlafsituation als ein wenig merkwürdig, doch war es ihr lieber hier zu schlafen, als auf dem unbequemen Boden. Außerdem war ihre Mitbewohnerin ihr irgendwie sympathisch. Eine ziemlich verrückte Tatsache, wenn man bedachte, dass sie genau so zu den Kriminellen gehörte, welche sie entführt hatten. Im Gegensatz zu den anderen, machte Crow jedoch einen weitaus menschlicheren Eindruck und hatte sich sogar für sie eingesetzt, obwohl sie sich kaum kannten.   Gerade wollte Siren sich wieder auf die Seite drehen und versuchen noch ein wenig Schlaf zu finden, als Akane es im Schlaf doch tatsächlich schaffte, ihr einen Großteil der Decke wegzuziehen. //Hey! Hat sie mich nicht gestern Abend extra noch gewarnt, dass ich ihr bloß nicht die Decke wegziehen soll?/, fragte sie sich in Gedanken. Und nun tat sie es selbst. Na super. Kurzentschlossen zog die junge Frau mit den hellblauen Haaren an der Decke, um sich ein Stück davon zurückzuerobern, musste jedoch feststellen, dass dieses Vorhaben gar nicht so leicht war, wie sie es sich vorgestellt hatte. Reiko legte ihrer Mitbewohnerin eine Hand auf die Schulter und überlegte sie zu wecken, als sie bei der Aktion feststellte, dass die andere am ganzen Leib zitterte. Merkwürdig - hatte sie bis eben nicht noch ganz ruhig geschlafen? Okay, Akane schlief auch jetzt noch, allerdings alles andere als ruhig. „Oh Gott, alles nur das nicht...Ich bringe das nächste Mal mehr mit...“, murmelte die Brünette leise im Schlaf. Ob es das Gespräch gestern Abend mit der Chefin war, welches ihre unfreiwillige Mitbewohnerin bis in die Träume verfolgte und sie so verstörte, fragte Siren sich. Wenn ja, dann fragte sie sich jedoch ernsthaft, was die Strafe dafür wäre, Galaxia zu verärgern. Wollte sie das überhaupt wissen? Akane wirkte nicht so, als wenn sie all zu leicht zu verängstigen wäre, doch was immer sie da träumte, es schien ihr eine Heidenangst einzujagen. „Hey...hey, wach auf.“, sprach die junge Journalistin die andere an und schüttelte sie leicht an der Schulter. Das Vorhaben, die Brünette zu wecken, klappte nicht auf Anhieb, doch als Reiko sie schließlich etwas stärker an der Schulter schüttelte, gelang es ihr, sie aus dem Alptraum zu reißen. Anstatt verschlafen zu blinzeln und einfach liegen zu bleiben, fuhr Akane erschrocken hoch und blickte sich im Raum um, bis ihr Blick schließlich zu Reiko fiel. Mit der Erkenntnis, einfach nur schlecht geträumt zu haben, fiel die Anspannung wieder ein wenig von Crow. „Was war denn los? Hast du schlecht geträumt?“, erkundigte Siren sich derweil und blickte ihre Mitbewohnerin fragend an. Einen Moment lang ließ die Antwort auf sich warten, dann erklärte Crow kurz :“Nur ein Alptraum.“ „Das muss ja ein schlimmer Traum gewesen sein. Kannst du dich noch an irgendetwas erinnern?“ Irgendwie hätte es die junge Journalistin durchaus interessiert, was Akane geträumt hatte, was die Macht hatte sie so zu verstören. So weit sie es in der Dunkelheit beurteilen konnte, schüttelte Angesprochene jedoch nur mit recht ernster Mimik den Kopf. „Irgendein Alptraum eben, ich weiß es nicht mehr. Was immer es auch war, es ist jedenfalls vorbei.“ Mit diesen Worten ließ sie sich zurück ins Bett fallen und starrte die Zimmerdecke an. „Mh, wenn du meinst. Vielleicht ist es auch besser so.“, antwortete Reiko, unterdrückte ein Gähnen und suchte ebenfalls wieder nach einer gemütlichen Liegeposition. „Sag mal, gibt es eigentlich einen besonderen Grund dafür, dass du mir so auf die Pelle gerückt bist?“, hakte Crow derweil mit der typischen, leicht angenervten Stimme nach, die schon wieder sehr viel mehr nach ihr klang. Reiko stutzte, zuckte dann jedoch nur mit den Schultern. „Naja, du hast mir fast die ganze Decke geklaut und hier ist es ziemlich kalt.“ „Dummkopf. Wieso hast du denn nichts gesagt?“,murrte die Brünette und schob ein Stück der Decke wieder zurück in Richtung der Journalistin. Die junge Frau mit den hellblauen Haaren zog die Bettdecke wieder ein wenig höher, rückte jedoch nicht wirklich weg. „Wie denn, wenn du schläfst?“, wollte sie blauäugig wissen. „Mpf, ist ja auch egal.“, grummelte Akane und schloss die Augen. Ein Weilchen herrschte Schweigen, bis schließlich Reiko noch einmal das Wort ergriff. „Gute Nacht.“, meinte sie noch und gähnte. „Jaja, was auch immer.“, war die etwas mürrische Antwort, bevor schließlich wieder Ruhe einkehrte. Bevor sie einschlief, huschte ein Lächeln über die Lippen der Journalistin. Obwohl sie es eben noch kurz angesprochen hatte, hatte Akane sich gar nicht weiter darüber beschwert, dass sie nicht wieder weiter auf ihre Seite des Bettes zurück gerückt war. Obwohl ihre Situation alles andere als gut war und man sie entführt hatte, so war sie doch nicht ganz allein mit den Kriminellen hier. Der Oberarm der Brünetten, der ihren eigenen Arm berührte, war angenehm warm und langsam aber sicher schlummerte die junge Journalistin wieder ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)