Panem Adventskalender von District_13_rising ================================================================================ Kapitel 7: 10.12 - Alar Mackney ------------------------------- Weihnachten im Jahr der 73. Hungerspiele Das schönste Geschenk “Wir hätten die Avoxe behalten sollen”, muffelte Seneca, während er schon wieder Alars dunkelrotes Haar aus ihrem Nacken strich und ihr einen Kuss unter den Haaransatz hauchte. “Dann könnten wir die Zeit viel besser nutzen.” Genervt wandte Alar sich zu ihm um. “Du denkst auch wieder nur an Sex!”, nörgelte sie. “Ist jetzt nicht langsam mal genug für heute?” “Genug gibt es nicht”, erwiderte er grinsend und küsste sie, wobei seine Hände sich schon wieder auf Erkundungstour über Alars Dekolleté machen wollten. Rigoros schob Alar seine Grabbelfinger beiseite. “Seneca! Wir haben zu tun!”, vertrat sie stur ihren Standpunkt. “Wir haben einen Zeitplan! Deine Familie kommt um 17 Uhr!” Ihren Ehemann schien es gar nicht zu kümmern, dass Alar so gar nicht nach trauter Zweisamkeit war. “Prima, wir haben also noch viiiiel Zeit für viiiiele schöne Dinge …” Alar reichte es jetzt. Sie stürmte zum Kühlschrank, in dem die tiefgefrorene Gans mittlerweile aufgetaut war und legte den fleischigen Brocken vor Seneca auf die Arbeitsplatte. Dann begann sie, inbrünstig mit der Hand in der Öffnung im Hinterteil der Gans herumzukramen und zog die Innereien des Tieres heraus. Seneca verzog angewidert das Gesicht. “Alar, nicht … bitte … Das ist doch … Das macht meine … Ach verdammt.” Ungerührt klatschte Alar die Organe der Gans in eine Schüssel und suchte die Nierchen heraus, die sie dann kleinschnitt und das gleiche anschließend mit ein paar Kräutern tat. Seneca stand hilflos neben ihr und beobachtete sie beim Kochen. “Kann ich dir irgendwie helfen?”, fragte er dann versöhnlich und hielt ihr Handgelenk fest, das gerade das Messer hielt, mit dem sie die Kräuter schnitt. “Gern, Schatz!”, strahlte Alar, denn darauf hatte sie nur gewartet. “Magst du mir das Glas mit den Preiselbeeren aus dem Schrank holen?” “Aus welchem Schrank?” “Oben rechts.” Der oberste Spielmacher tat, wie ihm geheißen, und kehrte mit einem großen Glas voll köstlich süßer Preiselbeeren zurück. “Also, Schatz, ich liebe Beeren, das weiß du ja, aber zu Gans? Schmeckt das denn?” “Du wirst sehen”, antwortete Alar selbstbewusst. “Das ist köstlich. Altes Rezept von meiner Großmutter. Wir haben das Zuhause immer an Weihnachten gegessen.” “Ich vertrau’ dir da voll und ganz”, gab Seneca zurück und hob abwehrend die Hände. Alar mischte unterdessen die Beeren unter die Nierchen mit den Kräutern und stopfte das ganze nun in die Gans hinein. “Jetzt hab’ ich noch eine Aufgabe für dich”, sagte sie lächelnd und drückte ihrem Mann den Kochpinsel und ein Schüsselchen voll Honig in die Hand. “Wenn du die Gans bitte einpinseln würdest.” Seneca starrte auf den Pinsel und den Honig, als habe er beides noch nie in seinem Leben gesehen. “Mal ehrlich, wer kommt denn auf solche Ideen?”, fragte er verwirrt. “Das kocht doch kein normaler Mensch!” “Du würdest dich wundern!” Alar musste lachen. “All die Sachen, die du hier im Kapitol kaufen kannst, sind genau so zubereitet. Man mischt verschiedene Geschmacksrichtungen, damit man eine schöne Gesamtkomposition bekommt. Süßes und herzhaftes zusammen zum Beispiel. Aber da du bisher in deinem Leben nur gegessen und nie gekocht hast, weißt du so was natürlich auch nicht.” Ein bisschen unglücklich sah Seneca seine junge Frau an. “Du sagst das schon wieder, als wäre das was schlechtes”, sagte er betreten, und sofort tat er Alar leid. Sie lächelte, so lieb sie nur konnte und strich ihm mit der Hand über den Bart. “Es ist nicht schlecht, es ist nur schade. Du hast noch viel zu lernen”, erklärte sie und fand, dass sie sich dabei anhörte wie ein Großmütterchen. Dann machte sie sich auf den Weg in den Wohnbereich, um schon einmal den Tisch einzudecken. Zufrieden sah sie sich um und betrachtete ihr Dekorationswerk, das sie in den letzten Tagen zustande gebracht hatte. Dass Seneca aber auch so ein Deko-Muffel sein musste! Er hatte sich anfangs gegen alles gesträubt, aber hinterher doch klein beigegeben. Alar wusste ganz genau, dass er ihr nichts ausschlagen konnte, und das machte sie sich öfter zunutze, als fair gewesen wäre. Alar faltete Servietten und platzierte Gläser und Besteck an den dafür vorgesehenen Orten. Seneca steckte den Kopf durch den Türrahmen, als sie gerade die Kerzen auf der gedeckten Tafel entzünden wollte. “Ich bin fertig”, unterrichtete er sie wie ein kleiner Junge. Dann hellte sein Blick sich auf. “Und wir haben noch Zeit! Da könnten wir -” “Nein!”, gab Alar lachend zurück. “Können wir nicht. Du kennst doch Persi, die kommt immer zu spät, außer, wenn wir gerade beschäftigt sind. Außerdem bezweifle ich, dass du die Gans auch in den Ofen geschoben hast. Und du denkst doch nicht ernsthaft, dass es keine Beilagen gibt?” Verdattert fuhr sich ihr Mann mit beiden Händen über die Augen. “An wie viele Sachen muss man denn denken, wenn man kocht?”, fragte er verzweifelt. “An jede Menge. Aber am Ende wird’s dafür gut. Dann kannst du richtig stolz auf dich sein. Komm’, ich zeig’ dir, wie man Kartoffeln schält!” Tatsächlich war Persi, die es sonst nie schaffte, pünktlich zu sein, diesmal natürlich überpünktlich. Vor Freude quiekend stürmte sie in die Wohnung. “Hallooooo, meine Lieben! Ich hab’ Geschenke für euch dabei!” Sie warf ihre Handtasche in die Ecke und die Geschenke unter den Baum, der ganz in weiß geschmückt war. Dann umarmte sie ihren Cousin und ihre beste Freundin stürmisch. “Mama, Papa und Tante Kore sind auf dem Weg, sie haben mir vorhin noch geschrieben. Aber sie konnten nicht früher weg, weil Mama noch nicht wusste, was sie anziehen sollte.” Die drei setzten sich aufs Sofa und Persi erzählte von ihrem Tag und von Jasper Pearl, dem Kerl aus Distrikt 1, der im Jahr vor Alar die Spiele gewonnen hatte und in den sie ganz vernarrt war. Seneca versuchte sich wieder einmal an einer Fummelattacke, indem er seine Hand auf Alars Rücken legte und sie dann immer tiefer wandern ließ. Glücklicherweise wurde sein Annäherungsversuch vom Erscheinen seiner Mutter, seiner Tante und seines Onkels unterbrochen.Schwungvoll erhob sich Alar vom Sofa und begrüßte die Gäste. Dann zog sie sich wieder in die Küche zurück, um die letzten Kleinigkeiten vorzubereiten, und bald danach rief sie alle zum Essen zusammen. “Also Alar, du hast wieder einmal vorzüglich gekocht!”, lobte ihre Schwiegermutter Kore. “Keiner meiner Avoxe bekommt es so köstlich hin. Wo hast du das nur gelernt?” “Von meiner Mutter”, erklärte ALar nicht ohne ein wenig stolz zu sein. “Und sie hat es von ihrer Mutter gelernt und diese wiederum von ihrer Mutter … das ist so eine Art Tradition in unserer Familie.” “Eine wunderbare Familientradition”, befand auch Persis Mutter Anina. “Und so nützlich!” Alar und Seneca unterhielten sich noch eine Weile mit der lieben Verwandtschaft, aber Alar fand die Gespräche mit Kapitolern immer so schrecklich oberflächlich. Sie träumte sich nach hause zu ihrer Familie nach Distrikt 4. Morgen schon würde sie da sein, aber es kam ihr noch wie eine Ewigkeit vor bis dahin. Sie würde zusammen mit ihrer Mutter kochen und dann würde Tennar erzählen, was er die ganze Zeit über so trieb und sie würden sich alle gegenseitig Anekdoten aus ihrer Kindheit oder von vergangenen Weihnachtsfesten erzählen. Sie kannten zwar alle diese Geschichten auswendig, aber es war immer wieder schön, in diesen Erinnerungen zu schwelgen. “... nicht wahr, Schatz?”, fragte Seneca irgendwann an Alar gewandt und riss sie somit aus ihren Gedanken. Sie hatte keine Ahnung, worum sich das Gespräch eigentlich drehte, aber sie nickte einfach und lächelte höflich. Das konnte ja nicht falsch sein. “Toll, dann lasst uns loslegen!”, freute sich Persi. Sie sprang von ihrem Stuhl auf und stürmte zum Weihnachtsbaum, um sich eines der Geschenke zu greifen. Offensichtlich hatte sich das Gespräch um die Bescherung gedreht. Freudig hielt Persi Alar ein Päckchen hin. “Hier Mausilein, das hab’ ich für dich geholt!”, quietschte sie. Vorsichtig löste Alar das knallblaue Papier vom Geschenk und schon hielt sie eine Pelzmütze in den Hand. “Danke, Persi!”, strahlte sie. Die ist wunderschön.” “Ich wusste doch, dass sie dir gefällt”, erwiderte Persephone und warf ihr langes, schwarzes Haar mit einer eleganten Kopfbewegung auf den Rücken. Weitere Geschenke wurden ausgepackt, meistens kleine Aufmerksamkeiten, weil man nicht wirklich wusste, worüber sich der andere freuen würde. Dann jedoch kam das Geschenk dran, das Seneca für Alar besorgt hatte und um das er schon seit Wochen einen geheimnisvollen Wirbel gemacht hatte. Er hatte es gar nicht unter den Baum gelegt wie alle anderen, und als Alar es nun sah, verstand sie auch, wieso. Es war riesig! Es war flach, rechteckig und unglaublich groß. Aber offensichtlich leicht genug, dass Seneca es einfach so tragen konnte. “Was ist das?”, flüsterte Alar andächtig. Ihr Mann beugte sich zu ihr herunter und küsste sie. “Das ist das beste Geschenk, das mir für dich eingefallen ist”, antwortete er lächelnd. “Ich hoffe, es gefällt dir.” Persi half Alar dabei, das Packpapier von dem übergroßen Geschenk herunterzureißen. Alle Augen ruhten Gespannt auf den beiden jungen Frauen und vor allem auf dem mysteriösen Geschenk. Als Alar es endlich in Gänze betrachten konnte, fiel ihr beinahe die Kinnlade herunter. Es war ein Gemälde. Ein wunderschönes, riesengroßes Gemälde, das das Meer zeigte. Die Küste. Alars Heimat. “Distrikt 4”, wisperte Alar tonlos. Mit verschleiertem Blick wandte sie sich zu Seneca um. “Danke”, sagte sie leise. “Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe.” “Ich dachte, wir hängen es im Schlafzimmer an die Wand. Dann ist das erste, das du morgens siehst und das letzte, das du abends siehst, bevor du einschläfst.” Alar musste lachen. “Hör’ auf, so romantisch zu sein, du weißt, dass ich das nicht mag!”, meckerte sie. Aber diesmal war es irgendwie angebracht, so romantisch zu sein. Senecas Idee war wundervoll. Und Alar hatte tatsächlich noch nie ein derart perfektes Geschenk bekommen. “Scheiße”, sagte Persi enttäuscht. “Und ich dachte, meine Mütze wäre ‘ne tolle Idee.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)