Panem Adventskalender von District_13_rising ================================================================================ Kapitel 8: 11.12 - Feeloya Hendricks ------------------------------------ Weihnachten im Jahr nach der Rebellion Jack und Feeloya Fee saß auf ihrem Bett und starrte an die Decke. Eben noch hatte sie einen Stift in der Hand und Papier vor sich gehabt. Zwei Stunden lang hatte sie an Entwürfen gezeichnet, bis ihr Kopf plötzlich einfach komplett leergefegt war. Zuerst wusste sie nicht genau, was los war. Was war denn jetzt passiert? Die Ideen, die sie hatte, konnten doch nicht einfach so verschwunden sein! Vor allem waren es Ideen gewesen, die tatsächlich nicht einfach so verschwanden, sondern schon seit Ewigkeiten darauf drängten, zu Papier gebracht zu werden. Doch dann waren sie weg gewesen, einfach weg. Dann war ihr Blick kurz auf die Entwürfe mit der Kleidung zu Weihnachten gefallen. Weihnachtskollektion hatte sie das Ganze genannt. Da waren Kleider bei gewesen und Blusen und einfache Shirts und Hosen. Ihren Favoriten hatte sie vor etwa einer Woche komplett fertiggestellt, sprich den Entwurf in ein Nähmuster umgewandelt und dieses dann auf Stoffe angewandt, die Stoffe zusammengenäht und so weiter. Sie trug das Outfit. Es war schlicht. Ein schwarzen Pullover mit Ärmeln, die bis zu den Ellbogen gingen. Am Saum waren goldene Tannenbäume in den Stoff gestickt. Dazu trug sie einen kurzen, grauen Rock und Overknees, die, wie der Pullover, schwarz war und oben mit goldenen Tannenbäumen verziert. Sie mochte das Outfit sehr, auch wenn es sehr unauffällig war, weil es sehr unauffällig war. Doch jetzt gerade nervten sie die Klamotten irgendwie. Alles nervte. Alles war blöd. Sie stieß ein tiefes Seufzen aus. Was zum Teufel war los mit ihr? Der Krieg war vorbei, die Rebellion gewonnen, es war Weihnachten. Vieles musste sich erst noch verändern, aber das würde es. Mit einiger Geduld und Anstrengung würde es das. Das war der Hauptgrund, warum sie zurück ins Kapitol gegangen war. Sie wollte hier etwas verändern, den Menschen hier zeigen und lehren, was freier Wille war. Sie selbst war eins der Paradebeispiele dafür. Es war sozusagen ihre Pflicht. Aber Pflicht nervte. Pflicht war nicht das, was sie jetzt wollte. Pflicht war weit entfernt von Freiheit. Jener Freiheit, nach der sie sich so sehr sehnte. Es gab nichts, dass sie mehr wollte. Nichts, dass... Seufzend setzte sie sich auf, fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und durch die Haare. Ihr Blick glitt zum Fenster. Wie vor der Rebellion betrachtete sie den Himmel. Irgendwo dort draußen war die Freiheit. Sie konnte sie sehen, hatte sie schon einmal geschmeckt. Sie könnte frei sein. Sie könnte jetzt und hier aufstehen, das Kapitol verlassen, in irgendein Distrikt gehen, untertauchen, sich verändern und dort leben und frei sein, einfach frei sein. Doch sie konnte sich nicht erlauben, diesen Gedankengang weiter auszuführen. Nicht jetzt. Irgendwann – Irgendwann würde sie sich ihren innigsten Herzenswunsch nach Freiheit erfüllen. Wenn die Arbeit getan war. Wenn sie ihre Pflicht erfüllt hatte. Jack hatte ihr das beigebracht. Also Pflichtgefühl hatte sie auch vorher schon besessen. Aber an andere hatte sie nicht viel gedacht. Im Grunde war es immer nur um sie selbst gegangen, auch wenn sich das langsam geändert hatte, als sie Teil der Rebellion wurde. Die Menschen im Kapitol waren immer mehr in den Vordergrund gerückt. Zuvor hatte sie vor allem die Distriktler gesehen. Doch die Kapitoler waren genauso wichtig, das hatte Jack sie gelehrt. Jack, der Rebellensoldat, der ihr zugehört, ihr geglaubt, sie verstanden hatte. Jack, den sie liebte und den sie in 13 zurückgelassen hatte. Hart biss sie sich auf die Unterlippe und trat ans Fenster. Überall waren bunt geschmückte, funkelnde und leuchtende Tannenbäume und anderer Weihnachtsschmuck zu sehen. In ihrem Zimmer sah es nicht viel anders aus. Einige kleinere Sachen hatte sie selbst gemacht, weil ihr vieles, was es im Kapitol an Weihnachtsdekoration gab, zu kitschig und übertrieben war. Auch in diesem Punkt stand sie auf Schlichtheit. Doch lieber als jeder Schmuck wäre ihr Schnee. Die unschuldig weißen Flocken, die aus den Wolken kamen und alles zudeckten. Im Kapitol war das weiße Zeug nicht sonderlich gerne gesehen, aber sie liebte es. Es war für sie eins der schönsten Dinge, die die Natur hervorzubringen fähig war und ihr gefiel fast alles an der Natur sehr. Sie wünschte sich in einen Wald mit vielen Tannen. Dort gab es eine kleine Hütte, aus dessen Schornstein Rauch herausquoll. Draußen war es bitterkalt und es lag meterhoher Schnee und es fielen noch immer dicke Flocken vom Himmel. Aber im Inneren der Hütte war es kuschelig warm. Der Kamin war an und sie saß auf dem Sofa davor und wärmte Füße und Hände. Neben ihr saß Jack und lächelte sie an und- Sie schüttelte heftig mit dem Kopf, als sie Tränen schmeckte. Sie wollte ihn wiedersehen, bald. So bald wie möglich. Unbedingt. Sie drehte sich zur Tür, wollte hinausstürmen, zu ihm, einfach nur zu ihm. Aber sie konnte ja nicht. Sie konnte nicht. Genau in dem Moment hörte sie hinter sich ein Klopfen. Erschrocken wirbelte sie herum. Hinter der Glasscheibe auf dem kleinen Balkon stand jemand. Nicht jemand. Nicht einfach nur irgendjemand. Wie...? War er direkt ihren Gedanken entsprungen? Einfach so? Aber das hatte doch vorher auch nicht funktioniert. Das... War er eine Wahnvorstellung? War es schon soweit mit ihr? Egal. Egal. Das war alles egal. „JACK!“, stieß sie den Tränen nahe hervor, stürzte zum Fenster und nachdem dieses geöffnet war, in seine Arme. Durch das Glas des Fensters hatte sie sein strahlendes Gesicht, sein überglückliches Grinsen gesehen und gedacht, dass es nur Einbildung sein konnte. Er konnte doch nicht... Aber doch, er konnte. Er konnte sehr wohl. Er war hier. Sie spürte es. Sie spürte ihn, seine Arme um sie, seine Brust, gegen die sie ihren Kopf drückte, seinen Rücken, wo sie in seinem Oberteil ihre Hände festkrallte. „Shhh, nicht so laut“, mahnte er sie mit einem Lächeln in der Stimme. Spielte doch keine Rolle. Er war hier! Sie wollte ihn fragen, wie und warum und überhaupt, aber zumal einige Fragen absolut überflüssig wären, wollte sie diesen Moment nicht zerstören. Er kam ihr so flüchtig, so kostbar vor. Und das war er. Jack war es – kostbar. Er bedeutete ihr so viel. Sie liebte ihn so sehr. „Du hast mir so gefehlt“, sprach er ihre nächsten Gedanken aus, während er durch ihr Haar streichelte. „Du mir auch“, schluchzte sie und krallte sich noch fester in sein Oberteil. Nie, nie wieder wollte sie ihn loslassen. Niemals wieder. Sie würde ihn nicht gehen lassen, nirgendwohin und sie selbst würde auch nirgendwohin gehen. Niemals. Niemals niemals nie. Sie lachte fast über ihre eigenen Gedanken, weil sie so glücklich war ihn zu sehen, ihn berühren zu können, ihn hier zu wissen. Das war so überwältigend. Behutsam zog er sich leicht von ihr zurück. Eine Strähne, die ihr ins Gesicht hing, nahm und küsste er. Dabei sah er gedankenverloren aus und doch galten seine Gedanken komplett hier. Vielleicht sah er deshalb gedankenverloren aus. Verloren in den Gedanken an sie. Sie war auf jeden Fall verloren in den Gedanken an ihn und in seinen Augen, seiner ganzen Person. Sie hatte ihr Herz an ihn verloren. „Ich... hab was für dich“, meinte er und zog etwas aus seiner Jackentasche. Sie wusste nicht recht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte, als sie sah, dass es nicht diesen eine ominöse Kästchen war. Was für blödsinnige Gedanken. Sie waren noch jung. Er würde sie doch jetzt nicht fragen, ob sie seine Frau werden wollte. Wobei sie sicherlich ''Ja'' gesagt hätte. „Kein teurer Schmuck oder Seide.. aber es kommt von Herzen“, fügte er noch hinzu und jetzt war sie erleichtert. Was sollte sie denn auch damit? Teuren Schmuck und Seide und was nicht noch alles, hatte sie doch schon. Er war es, der fehlte. „Ich will auch nur haben, was von Herzen kommt“, lächelte sie. „Alles andere interessiert mich nicht, denn es wäre tot, leblos. Leidenschaft, Hingabe – das ist das, was Bedeutung hat.“ Und das, was es so selten hier im Kapitol gibt, was die Menschen hier nicht kennen, nicht verstehen, was ich sie lehren muss. Doch diesen Gedanken schob sie beiseite. Jack war hier. Sie durfte egoistisch sein. Jetzt durfte sie egoistisch sein. Jack legte ihr das Säckchen in die Hand. Sogleich öffnete sie es und das, was darin war, fiel auf ihre Hand. Es war ein Anhänger, klein und aus Holz. Ehrfürchtig berührte sie das Holz, strich darüber. Ihr kamen Tränen. „Es ist wunderschön“, flüsterte sie. Als sie aufblickte, schlossen sich seine Finger um ihre Handgelenke und er schaute ihr direkt ins Gesicht. Sie erwiderte ihren Blick und bereute, dass sie nichts für ihn hatte. Doch er schien nichts von ihr zu erwarten. „Frohe Weihnachten, Feeloya“, lächelte er und ihre Lippen fanden zueinander. Es war der schönste Kuss, den man sich nur hätte vorstellen können. Für Fee war es das zumindest. Jeder ihrer Küsse war wunderschön, aber dieser... Nicht nur weil es ein Weihnachts-Kuss war, sondern weil all die Sehnsucht in ihm steckte. Ihre Sehnsucht nacheinander vermischte sich, verschmolz und sie wollte diesen Moment einfrieren, ganz ganz festhalten, sodass er niemals endete. „Frohe Weihnachten, Jack“, erwiderte sie an seinen Lippen und versuchte, nicht zu weinen. Jede Sekunde genießen, jeden Atemzug spüren, jeden Herzschlag zählen. Doch je endete alles. Klirrend zerbrach der Moment. Jack musste es auch hören, den er zuckte deutlich zusammen und drehte sich um. Da erkannte Fee, dass es nicht der Moment gewesen war, der zerbrochen war, sondern eine Tasse. Eine Tasse, die ihre Mutter in der Hand gehalten hatte. Ihre Mutter, die in der Tür stand und aussah, als hätte sie ein ganz fürchterliches Gespenst gesehen. „WACHEN! WACHEN, SCHNELL!“, brüllte sie. Fee wollte auf sie zustürzen und sie aufhalten, sie beruhigen, es ihr erklären. Deshalb war sie hier. Deshalb war sie ins Kapitol zurückgegangen. Doch sie wollte Jack nicht loslassen und so, wie ihre Mutter schaute, sollte sie das auch besser nicht tun, da sie sonst vermutlich selber auf den Jungen losgehen würde. Die Tränen, die Fee dieses Mal in die Augen traten, waren keine Freudentränen. Es waren Tränen der Wut. „Sieht so aus, als sollte ich verschwinden“, meinte Jack leise zu ihr. „Nein! Nein, geh nicht!“, sagte sie erschrocken. „Geh nicht.“ Jetzt war ihre Stimme fester, entschiedener. „Geh nicht, Jack.“ Aber sie wusste selber, dass er keine andere Wahl hatte. Ihn jetzt und hier ihrer Mutter vorstellen, keine gute Idee, absolut keine gute Idee. „Ich liebe dich“, hauchte er, sodass sie es kaum hörte und ihre Lippen berührten sich noch einmal. „Ich dich auch“, erwiderte sie hastig. „Ich dich auch.“ Schnell lief er zum Rand des Balkons, wo er wohl hochgekommen war. Dort drehte er sich allerdings noch einmal um. Das Grinsen auf seinen Lippen war unglaublich, unglaublich frech und seine Worte noch mehr: „Frohe Weihnachten, Mr.s Hendricks.“ Und dann war er verschwunden. Fee konnte nur lächelnd dastehen und auf die Stelle gucken, wo er verschwunden war. Der traute sich was. Na, das musste er auch, er war immerhin mit ihr, Feeloya Hendricks, zusammen. Schon allein, dass er sich in sie verliebt hatte, war sehr mutig gewesen. Neben ihr sagte ihre Mutter aufgebracht etwas, fragte irgendwas, doch Fee hörte ihr nicht zu. Sie hörte nicht zu. Fest umfasste sie den Anhänger, sein Geschenk an sie und versuchte, das Bild von Jack, den Moment eben festzuhalten, abzuspeichern, ihn nicht einmal aus den Augen zu verlieren, bis sie sich wiedersahen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)