Weiße Rosen von Robinchen_ (Abschied nehmen bedeutet immer ein wenig sterben.) ================================================================================ Kapitel 12: Großes Piratenehrenwort -----------------------------------     Ich bin mir zu neunundneunzig Komma neun Prozent sicher, dass das ein Traum eine Einbildung ist. Erstens sieht Kano viel jünger und gesünder aus als ich sie das letzte Mal in Erinnerung habe und sie ist, zweitens, schon seit sechs Jahren tot. Den Kopf an der Hand abgestützt sieht sie mich immernoch mit ihrem breiten Grinsen an, während ich unfähig bin, mich zu bewegen. Ich atme tief durch, versuche, wieder Fassung zu bekommen. "Du... bist nur... Einbildung, hab ich Recht?", stammle ich. "Nicht direkt. Eher Teil deiner Erinnerung." Sie schaut langsam zu den Strohhüten und Ace. "Wie ich sehe, ...hast du Freunde gefunden.", bemerkt sie lächelnd. "Allerdings. Sie sind alle schwer in Ordnung." Mein Blick wandert zu Luffy, Usopp und Chopper, die sich am meisten zu amüsieren scheinen. Sie tanzen, lachen und albern rum. Ich schaffe es sogar, meinen Mund zu einer Art Lächeln zu verziehen. Sie kichert. "Das glaub ich dir auf's Wort." Ich blicke wieder zum Buch, was zugeklappt auf meinem Schoß liegt. Das Buch trägt den Titel Arthur Reisegans. Kano hat mir daraus immer vorgelesen. Die teilweise losen, völlig vergilbten Seiten, die selbst vom Wasser nicht verschont wurden und leicht gewellt sind, sind Beweis genug dafür, dass es schon viele Jahre auf den Buckel hat. Ich hab sämtliche Dinge in meinem Rucksack eingepackt, von denen ich keine Ahnung habe, dass ich sie tatsächlich eingepackt habe. Weitere Opfer meiner Vergesslichkeit. Im Buch Arthur Reisegans handelt es sich -wer hätte es gedacht?- um eine Gans, die sich auf gefährliche Reisen begibt und nach Mitstreitern sucht. Er ist seine Reise deshalb angetreten, weil er seinen Traum verwirklichen will: Er möchte in die Geschichte eingehen. Durch seine vielen Reisen musste er auch viele Kämpfe ausfechten und Treffer einstecken. Doch der letzte war zu viel für den Heden. Er starb an inneren Verletzungen und Erschöpfung, jedoch mit dem guten Gewissen, dass er seinen Traum verwirklichen konnte und Freunde und Familie hatte, die ihn liebten. Das Buch ist Teil meines Lebens geworden und musste es unbedingt auf die Reise mitnehmen. "Sag mal,... ist dir nicht kalt?" Kano deutet mit dem Zeigefinger auf meinen Oberkörper, der nur mit einem gestreiften Bikinioberteil bedeckt ist. Dafür habe ich eine lange Hose an und wie immer Sandalen. "Wenn mir kalt wäre, würde ich nicht so rumlaufen.", entgegne ich keck. "Du bist genauso frech wie früher. Aber,... was ist eigentlich mit deinen...Narben?" Das letzte Wort kann sie nur mit Mühe aussprechen. Ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, bereut sie es sofort wieder, nachgefragt zu haben. Doch ich antworte trotzdem: " Genauso scheußlich wie vorher." Ich presse die Lippen zusammen und lege meine Hand an den Nacken, der ebenso von feinen Narben gezeichnet ist. "Du kannst sie nicht ewig verstecken und solltest lernen, dass man sich für sowas nicht schämen muss" Nun beiße ich mir auf die Unterlippe. So fest, dass ich den warmen, metallischen Geschmack meines Blutes schmecke. Momo Nach dem Besuch beim Alten, betrete ich wieder mein Zuhause. Mama ist nicht da. Wahrscheinlich einkaufen oder sie arbeitet noch. Ich gehe in die Küche, um mir was zu Essen zu machen. Vor dem Küchentisch entdecke ich den Mistkerl, wie immer mit der Zeitung in den Händen. "Wo bist du so lange gewesen?",fragt er ruppig, ohne aufzusehen. "Ich hab jemanden besucht. Was geht dich das eigentlich an?", blaffe ich ihn an. Er steht wie in Zeitlupe auf und tritt auf mich zu. Ich kann die Wutader auf seiner Stirn deutlich pochen sehen. "Hat dir deine Mutter denn keinen Asstand beigebracht?" Er schreit es fast und ich bekomme Angst. Große Angst. Ich renne so schnell ich kann. Doch ich komme nicht weit genug. Ein höllischer Schmerz trifft auf meinen Rücken. Wieder und wieder. Wieder und wieder... Es soll aufhören. Ich stütze den Kopf in die Hände, um die Erinnerung aus meinem Kopf zu verbannen. Es gelingt mir einfach nicht. Warum müssen diese Erinnerungen gerade jetzt auftauchen? Ich habe doch gerade erst angefangen mich wohlzufühlen. Neue Freunde zu finden. Und meinen Vater... "Setz' dich doch mit zu den anderen. Das lenkt dich wenigstens ab" Ich hebe den Kopf und begegne Kanos besorgten Blick. Sie war schon immer so fürsorglich. Ich ziehe mir eine Jacke darüber, um die schmerzenden Erinnerungen auf meiner Haut zu bedecken. Soll ich mich wirklich zu den anderen setzen? Wenn ich noch dazukomme mit meiner Selbstmitleidsleier... "Komm schon, Momo. Lass die Vergangenheit endlich ruhen und fang zu leben an. Bitte hör auf, mir auch noch im Himmel Sorgen zu bereiten. Jetzt geh und lache mit den anderen. Es lenkt dich von der ganzen Scheiße ab." Ich sehe zu Kano, die mich mild anlächelt. Ich erwidere ihr Lächeln, stecke vorsichtshalber den Steckbrief meines Vaters in die Jackentasche und stehe auf. Noch einmal drehe ich mich um, doch sie ist (ziemlich schnell) verschwunden. Sie ist wieder im Himmel. Ich hoffe, es geht ihr gut dort oben. Ich trete zu den Strohhüten. "Darf ich mich vielleicht zu euch setzen?" Nami dreht sich zu mir und antwortet mit einem Lächeln: "Klar." Sie rückt ein Stückchen nach rechts und ich nehme Platz. Links neben mir sitzt Pepper, der weiß, was gerade passiert war, aber Gott sei Dank, Stillschweigen bewahrt. Ich werde ihm alles später noch mal in Ruhe erzählen. Eins weiter sitzt auch Ace. "Cool, das du hier bist, Momo", begrüßt mich auch schon Luffy und grinst dabei breit. Das ist wirklich Dauerzustand bei ihm, dieses Grinsen. Ein schwaches Lächeln umspielt meine Mundwinkel. Ich winke ihm zu. "Momo-Mäuschen, Namileiin" Ich stöhne entnervt. Der hat mir gerade noch gefehlt. Sanji. Schon tänzelt er wieder um mich herum und sieht mich mit Herzchenaugen an. "Soll ich dich wärmen? Dir ist bestimmt kalt.", fragt er mit viel zu hoher Stimme und kichert etwas dümmlich. "Ich hab doch schon eine Jacke an, Sanji" "Ach das macht nichts. Körperwärme ist doch viel schöner." Ich räuspere mich und spüre, wie mir an den Wangen etwas heiß wird. Wie schaffe ich mir jetzt den Kerl vom Hals? Lange brauch ich nicht zu überlegen, als Nami ihm auch schon eine Kopfnuss gibt. Ich bedanke mich, erleichtert, dass sie ihm vor mir eine Kopfnuss gegeben hat und Nami antwortet: "Keine Ursache, so ist er immer, wenn er schöne Frauen sieht." "Aber im Großen und Ganzen ist er eigentlich doch ein netter Kerl." Namis Antwort ist ein Lächeln, was ich erwidere. Mein Blick schweift durch die Runde. Zoro hat die Arme hinter dem Kopf verschränkt und pennt. Luffy, Usopp und Chopper amüsieren sich nach wie vor. Vivi und Nami sind mittlerweile in ein Gespräch vertieft. Pepper ist kurz davor einzuschlafen und Ace beobachtet lächelnd seinen kleinen Bruder. Ich kann mich an ihm nicht satt sehen. Dieses süße Lächeln... Wieder merke ich, wie mein Gesicht heiß wird und ich erröte.   ~ Mittlerweile ist das Lagerfeuer gelöscht und alle haben sich in ihre Schlafsäcke gelegt. Ich habe es mir ebenfalls bequem gemacht, doch ich schlafe nicht. Gedankenverloren beobachte ich, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Sterne. Ich werde mein Versprechen halten, Kano. Großes Piratenehrenwort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)