Zeit zum Verlieben von Raitoki ================================================================================ Kapitel 12 - Zeit zum Gestehen ------------------------------ In den Tagen nach der Aufführung war zuerst alles ganz normal, bis ich bemerkte, dass Conner mehr und mehr Abstand zu mir nahm. Ich dachte er wäre immer noch sauer wegen der Kuss-Sache, aber sich so zu haben war schon übertrieben. Jedoch benahm sich nicht nur er seltsam. Unsere Klassenkameraden waren viel zu still, was vor allem bei manchen Exemplaren ein wahres Weltwunder war. Selbst Shina und ihre Kolleginnen kümmerten sich hauptsächlich um ihren Kram und gaben kaum noch dumme Kommentare ab. Wann immer ich Conner darauf ansprechen wollte oder selbst, wenn ich irgendetwas anderes von ihm wollte, wiegelte er mich entweder ab oder war so gedankenverloren, dass ich kein Wort aus ihm heraus bekam. Sogar abends oder morgens in unserer Freizeit oder auf unserem Zimmer herrschte eine eisige Stille. Ich dachte mir schon bald, dass es damit mehr auf sich haben musste, als einfach nur Wut über meinen Nicht-Filmkuss. Schließlich fiel mir in einer Mathemathikstunde auf, dass Conner Zettel von anderen Klassenkameraden zugeschossen bekam. In jener Stunde konnten sie es sich leisten, denn der Lehrer war der Meister der Schnarchnasen. Normalerweise würde Conner nie mit anderen im Unterricht Zettel schreiben, dafür ist er viel zu sehr Streber. Aber er antwortete sogar und warf die Zettel immer wieder zurück. Ich versuchte ein Auge drauf zu werfen, aber ich konnte nicht erkennen, um was es bei dem Zettelkrieg ging. Conners Gesichtsausdruck war total gleichgültig, also konnte es nichts Wichtiges sein. Trotzdem fragte ich flüsternd: „Hey sag bloß du hast jetzt 'nen Haufen Verehrer, die auch mal ran wollen?“. Ich grinste schelmisch, weil es natürlich nur ein Scherz war. Conner stutzte, warf mir einen bitterbösen Blick zu und sagte nur: „ Das geht dich nichts an!“. Dieser Blick verbunden mit seinen Worten traf mich bis ins Mark. Es war nicht sein üblicher Halt-Die-Klappe-oder-du-bist-tot-Blick, sondern eher ein richtig verbitterter Blick. Was genau war es nur, dass ihn so fertig machte? Vorerst hoffte ich weiterhin, dass er es mir irgendwann erzählen würde und beschloss das Ganze weiter zu beobachten. Doch auch in den Tagen darauf wurde die Situation nicht besser. Im Gegenteil, Conner kapselte sich immer mehr von mir ab und ging immer öfters seiner Wege. Er war manchmal stundenlang verschwunden, ohne dass ich sagen konnte, wo er sich aufhielt. Tauchte er dann wieder auf, ignorierte er mein Nachfragen entweder oder kam mir mit Gleichgültigkeit und Sarkasmus entgegen. Schließlich musste ich ihm einmal folgen. Ich kam mir dabei absolut schmutzig vor, weil ich den wichtigsten Menschen in meinem Leben beschattete, aber ich musste einfach wissen was vor sich ging. Überraschenderweise ging Conner aber einfach nur über das Gelände des Internats, suchte sich eine ruhige Ecke und verbrachte dort einige Zeit. Er starrte dabei immer mal wieder gen Himmel oder schaute den Vögeln zu, die auf dem Boden nach Futter suchten. Ich fragte mich was wohl in ihm vor ging, denn sein Blick war nun ganz und gar nicht mehr gleichgültig, sondern viel mehr nachdenklich bis traurig. War ich bei diesem blöden Theaterstück vielleicht einfach zu weit gegangen? Sah er nur so traurig aus, weil ich mich für einen Moment nicht unter Kontrolle hatte? Die Szene, die ich beobachtete, wurde unterbrochen durch Shina und ihre Freundinnen. Sie kamen des Weges und hatten Conner gesehen. Doch diesmal reagierten sie so, wie man sie kannte. Sie brachen in Gelächter aus und gingen zu Conner hin. Was genau sie sagten, konnte ich von meiner Beobachterposition nicht hören, aber so teuflisch wie Shina grinste, konnte es nichts Gutes sein. Das Seltsamste an dieser Situation war aber Conner. Er wehrte sich nicht, sondern stand nur auf und ging mit gesenktem Kopf weg, während die Weiber ihn weiterhin beschimpften. Das war nicht normal, selbst, wenn er schon immer eher ein ruhiger Mensch gewesen ist, würde er sich so etwas nicht einfach gefallen lassen ohne ein Wort dazu zu sagen. Das alles gab mir sehr zu denken. Etwas ging im Verborgenen vor sich und ich war entschlossen heraus zu finden was es war. Doch schon etwa eine Woche später sollte es sich relativ deutlich aufklären, ohne dass ich etwas dafür tun musste. Shina schien es geschafft zu haben, dass nun nicht nur ihre Freundinnen, sondern auch die anderen Klassenkameraden anfingen, Conner blöd zu machen und das nun ganz öffentlich. Es versteht sich von selbst, dass ich nicht zuließ, dass diese Idioten meinen Freund herum schubsten, also verteidigte ich ihn. Conner jedoch stand nur auf, ging an mir vorbei und verließ den Raum. Nun stand ich da wie ein Idiot, schließlich hatte ich mich grade mit den anderen Mitgliedern unserer Klasse angelegt. Diese waren mir aber nun völlig egal. Ich eilte Conner hinterher, hielt ihn an der Schulter fest und drehte ihn zu mir herum. „Alter, wieso wehrst du dich nicht? Lass uns diese Spasten zur Schnecke machen, dann halten die auch ihre dämlichen Mäuler.“ schlug ich ihm vor. Conner schaute nur zur Seite und schwieg. Das machte mich wütend. Er wird doch wohl mal normal mir mir reden können, dachte ich mir. „Jetzt sieh mich an und rede endlich mal mit mir, verdammt!!!“ schrie ich ihn an. Ehe ich mich versah, hatte er sich losgerissen und schaute mich vorwurfsvoll an. „Ich hab doch schonmal gesagt, es geht dich nichts an! Kümmer dich um deinen eigenen Müll! Ich kann auf mich selbst aufpassen, okay?!“ zischte er mich an und wandte sich wieder ab. Ich verstand die Welt nicht mehr. Wir hatten uns immer den Rücken gestärkt und egal, wer uns dumm kam, niemals hätten wir uns im Stich gelassen. Als ich Conner nachsah und gerade überlegt hatte, ob es nicht besser wäre, es aufzugeben, kam mir eine Idee. Wenn die eine Partei nicht reden wollte, dann musste ich eben die andere ausquetschen. Ich ging also zurück ins Klassenzimmer, schnappte mir Shina und drückte sie gegen eine Wand, was zugegebenermaßen auf alle Umstehenden ziemlich pervers gewirkt haben muss. Ich schaute sie grimmig an und sagte: „Du wirst mir jetzt sofort erzählen, was ihr Conner angetan habt, ist das klar?!“. Shina war komplett sprachlos und starrte mich fragend an. Da sie aber ihr Ansehen wahren wollte, fing sie sich so schnell wie möglich wieder und antwortete gespielt lässig: „Ach du meinst meinen Ex-Schwuchtelfreund? Was sollen wir dem denn angetan haben? Er sieht doch gesund und munter aus...Naja bis auf seine kranke Sexualität.“. Daraufhin erhob sie ihre fiese kleine Quietsche-Stimme und lachte gehässig wie eine Krähe. Ich musste mich wirklich zusammen reißen sie nicht noch heftiger gegen die Wand zu drücken, das würde sie vermutlich nicht so gut vertragen, aber bevor ich mehr aus ihr heraus kriegen konnte, kam ein Lehrer. Ich ließ schnell von Shina ab, denn ich war nicht scharf drauf wegen dieser Bitch einen Verweis zu bekommen. Sie flüchtete schnell mit ihren Freundinnen und ich war nur noch verwirrter als vorher. Hielten sie Conner jetzt für schwul? Die Logik hinkte allerdings, denn ICH hatte ja auf der Bühne IHN geküsst und nicht umgekehrt. Wieso mobbten sie ihn also augenscheinlich, aber mich nicht? Es war zum Verzweifeln, denn Conner redete auch weiterhin nicht mit mir und Shina passte ab sofort auf, dass sie mir nur nie allein begegnete oder am besten ein Lehrer in der Nähe war. Ich wusste nicht genau, was los war und konnte jeden Tag dabei zusehen, wie Conner immer mehr leiden musste. Das Schlimmste dabei war, dass ich ihm nicht helfen durfte. Jedes Mal, wenn ich irgendetwas tat um ihm beizustehen, bekam ich von ihm eine Portion des reinsten Hasses ab, den er zu bieten hatte. Das Einzige was sich änderte war die Art der Quälereien, denn sie wurden immer schlimmer und unsere Klassenkameraden wurden auch immer dreister. Das reichte von dummen Schulstreichen, wie einer Schwammfalle an der Tür des Klassenzimmers bis hin zu Drohungen und blauen Flecken, die ich an Conner abends entdecken konnte. Er gab sich zwar große Mühe sie zu verstecken, aber als Zimmergenosse kriegt man nun einmal alles mit. Jetzt fingen sie also schon an körperlich gegen ihn vor zu gehen. Wenn ich nur gewusst hätte wer es war, der hätte kein Land mehr gesehen. Eines Tages in der Mittagspause konnte ich dann jedoch Shina belauschen wie sie mit ihren Freundinnen und fast der halben Klasse etwas ausmachte. Ich hörte dabei nur heraus, dass sie sich nachmittags alle auf dem Schulgelände draußen versammeln wollten, allerdings an einer Stelle etwas vom Schulgebäude entfernt. Gut, dachte ich mir, dann komm ich da auch mal hin, denn die Gesichter aller Anwesenden verhießen nichts Gutes. Ich ging also gleich nach dem Unterricht zur besagten Stelle, konnte allerdings zuerst niemanden sehen. Vielleicht wollten sie sich ja auch alle zum Rauchen treffen. Ich wusste, dass einige Schüler das manchmal heimlich machten. Nach etwa einer halben Stunde, die ich dort gewartet hatte, sah ich auf einmal Conner des Weges kommen. Mir schwante absolut nichts Gutes und mein schlechtes Gefühl sollte mich nicht täuschen. Sobald Conner noch einige Meter gelaufen war, traten auf einmal Shina und alle unsere Klassenkameraden hinter den Bäumen hervor. Sogar unser kleiner Bryan-Streber war dabei. Sie umzingelten Conner, sodass dieser nicht mehr weiter oder zurück gehen konnte. Er reagierte gelassen und schaute nur in die Runde. „Na du kleine Tunte? Lust auf ein paar Streicheleinheiten? Wir werden auch gaaaaanz sanft sein.“ sagte einer unserer Klassenkameraden grinsend. Shina lachte laut auf und sagte mit gehässigem Ton: „Schau mal, alle hier haben dich total lieb und sind nur für dich hierher gekommen. Sie sind sogar so lieb und wollen dir helfen, deine Schwuchtelei weg zu bekommen, indem sie sie raus prügeln.“. Ich dachte ich höre nicht richtig. Ich bin hier derjenige, der auf Conner steht und sie wollen IHN verprügeln? Das war einfach nicht richtig und ich konnte mir immer noch nicht erklären, warum sie so von ihm dachten. Conner begegnete der Klasse nur mit einem gehässigen Lachen seinerseits und sagte: „Na dann kommt mal Kuscheln, vielleicht bin ich ja ansteckend!“. Es war als würde ich einen Film zum ersten Mal sehen und die Zusammenhänge nicht raffen. Er leugnete nicht einmal, was sie ihm vorwarfen? Nun kamen einige der Schläger auf ihn zu. Ich konnte doch nicht herum stehen und zusehen, wie diese Typen meinen Freund zusammen schlugen, zumal sie ihm Dinge vorwarfen, die auf mich zutrafen, nicht aber auf ihn. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als die erste Faust Conners Gesicht traf. Einer der Kerle hatte ihn von hinten unter den Armen gepackt und hielt ihn fest, sodass Conner, selbst wenn er es gewollt hätte, sich nicht wehren konnte. Jetzt war es vorbei mit dem hin und her überlegen. Ich musste dem ein Ende machen und ich wusste, wenn ich ihm einfach nur durch diese Schlägerei helfen würde, wäre das trotzdem nicht das Ende dieses ganzen Mobbings. Ich musste etwas tun, damit sie endgültig von Conner abließen, koste es was es wolle! Ich ging also zu ihnen und erhob meine Stimme: „Hey ihr Flaschen! Was habt ihr denn für'n Problem? Erkennt eine RICHTIGE Schwuchtel noch nicht mal, wenn sie schon seit Jahren in eurer Klasse ist!!!“. Ich lachte gehässig und hatte die volle Aufmerksamkeit der gesamten Klasse inklusive Conners. Ich wusste, dass es kein Zurück mehr gab, auch, wenn er mich danach erst recht meiden würde. Ich fuhr also fort: „Ihr denkt wirklich, Conner wollte diesen Kuss auf der Bühne? Seid ihr blind oder habt ihr beim Thema Küssen nicht genug Erfahrung? ICH hab IHN geküsst mann!“. Alle schauten mich jetzt extrem verwirrt und fragend an und Conner schüttelte den Kopf, als wollte er, dass ich schwieg. Doch ich ließ mich nicht beirren. „Und ihr könnt auch ruhig wissen warum ich keinen Filmkuss draus gemacht hab, so hatten wir's nämlich eigentlich geplant.“. Während dieser Worte wanderte mein Blick von der Allgemeinheit der Meute auf Conner und ich musste lächeln als ich seinen nun auch sehr verwirrten Blick sah. „Conner, ich liebe dich...Schon seit Jahren.“ Nun war es raus und es herrschte ewiges Schweigen. Alle waren wie zu Salzsäulen erstarrt. Ich beendete meine kleine Ansprache mit den Worten: „Wenn ihr jetzt also irgendwen abstoßend finden wollt, dann mich. Conner...hat damit überhaupt nichts zu tun.“. Ich grinste noch einmal extra frech, wandte mich dann ab und ging wieder Richtung Schulgebäude. Ich wusste, sie würden Conner nun gehen lassen. Mein Herz war voller Schmerz, weil mir klar war, dass unsere Freundschaft nun nie wieder so sein würde, wie sie war. Aber gleichzeitig fühlte ich eine tiefe Erleichterung. All die Geheimnisse, alles, was ich in mir so lange verbergen musste, meine Gefühle, meine Gedanken...Sie waren endlich frei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)