Bananeneis von Raija ================================================================================ Kapitel 4: Mein miesepetriger Bruder ------------------------------------ Schrill erklang das Kreischen der Klingel in der Wohnung. Genervt schlug Mara die Lider auf. Das war nun schon das zweite Mal, an diesem jungen Tag, dass sie aus dem Schlaf gerissen wurde. Sie hatte die letzte Nacht gearbeitet und war erst vor ein paar Stunden nach Hause gekommen. Vor etwa einer halben Stunde hatte Hannah angerufen, wollte unbedingt Levi sprechen, was Mara nicht zugelassen hatte, und verkündet, dass sie vorbeikommen würde. Sie befürchtete ganz stark, dass es nun eben diese war, die vor der Tür stand. Am Liebsten hätte sie sich einfach umgedreht und weiter geschlafen, doch würde Hannah sicher keine Ruhe geben, bis ihr jemand öffnete. Wie auf Kommando schrie die Klingel erneut auf. Knurrend schlug Mara die Bettdecke beiseite und stampfte aus dem Zimmer. Sie kam am Wohnzimmer vorbei, in dem Levi, wahrscheinlich kochend vor Wut, die Zeitung las. Seit dem Anruf von seiner Ex war seine Laune schlimmer als nur miserabel. Levi wollte mit Hannah nichts mehr zu tun haben, also ging er nicht ans Telefon, wenn ihre Nummer auf dem Display stand, und öffnete auch nicht die Tür, wenn sie sich angekündigt hatte. Also war Mara diejenige, die Hannah abwimmelte, was ihr heute besonders auf den Zeiger ging. Zornig schritt sie zur Tür. Diesmal würde sie dieser blöden Kuh die Meinung geigen. Wutentbrannt riss sie die Tür auf. „Hast du blödes Miststü-", sie brach ab, als sie erkannte, dass nicht Hannah vor ihr stand, sondern Erwin. „Ich nehme an, Sie haben jemand anderes erwartet", feixte er. „Zumindest nicht Sie", sagte Mara hörbar verwirrt. „Ich kann wieder gehen, wenn es unpassend ist", bot er an. „Nein, nein. Ich bin nur etwas durch den Wind." Sie trat einen Schritt zur Seite. „Kommen Sie doch rein." Erwin schob sich an ihr vorbei in den Flur. Sie führte ihn Richtung Küche, wobei sie am Wohnzimmer vorbei kamen und er Levi entdeckte. Er machte Anstalten, auf ihren Bruder zu zugehen - wahrscheinlich wollte er sich höflichkeitshalber vorstellen - doch fasste Mara nach seinen Handgelenken und zog ihn weiter mit sich. „Sprechen Sie ihn lieber nicht an, seine Laune ist heute im Keller, da kann er ganz schön giftig sein", erklärte sie flüsternd, als sie die Küche betraten. „Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?" „Gerne", nahm er an und ließ sich auf einen Stuhl am Esstisch sinken. Er beobachtete sie dabei, wie sie die Kaffeemaschine bediente. „Habe ich Sie aufgeweckt?", wollte er von ihr wissen. Irritiert wandte sie sich zu ihm um und bemerkte, wie er sie musterte. Da fiel ihr auf, dass sie in karierter Schlafanzughose und Top, mit zerzausten Haaren knittriger Miene, vor ihm stand, während er gepflegt, wie eh und je, aussah. „Naja ich wurde schon von jemand anderem geweckt", sagte sie und versuchte Ordnung in ihr Haar zu bringen. „Sie schlafen wohl gerne lange?" „Nein, ich hatte Nachtschicht", erklärte sie, während die Kaffeemaschine kreischend ihrer Tätigkeit nachkam. Sie holte zwei Tassen aus dem Schrank und füllte diese mit dem bitteren Getränk, als die Maschine ihre Arbeit beendete. Levis Gestalt tauchte im Türrahmen auf. „Ich fahre", verkündete er mürrisch. „Komm nicht zu spät." „Wann fängt der Film nochmal an?", fragte sie vorsichtig nach. „Um zwei." Sein Blick wanderte zu Erwin und er scannte ihn einmal von oben bis unten, jedoch ohne ein Wort zu sagen. Allerdings verengten sich seine Augen zu Schlitzen und die Mundwinkel wanderten weiter nach unten. Mara konnte ihm deutlich ansehen, was er von Erwin hielt. Lackaffe... „Erwin, das ist", setzte Mara an, um beide miteinander bekannt zu machen, doch Levi machte auf dem Absatz kehrt und verschwand im Flur. „Mein miesepetriger Bruder", beendete sie ihren Satz, wobei ihre Schultern nach unten sackten. Der Blonde lachte. „Das versuchen wir vielleicht nochmal, wenn er besser gelaunt ist", sagte sie nachdenklich. „Sie wollen noch also wieder sehen?", er grinste spitzbübisch und für einen Augenblick befürchtete Mara, ihr würde das Herz aus der Brust springen. „Sie mich etwa nicht?", fragte sie und sah ihn von unten herauf an. „Wie wäre es nächsten Mittwoch? Ich muss über das Wochenende zurück nach Shiganshina." „Mittwoch klingt gut", schmunzelte sie und nippte an ihrer Tasse. „Wieso sind Sie eigentlich in Trost? Ist mittlerweile wirklich gruselig, wie Sie immer wieder aus dem Nichts auftauchen", fragte sie dann.Dabei empfand sie es nicht wirklich als gruselig, eher als lustig, dass sie sich in Shiganshina über den Weg gelaufen waren und nun nach Maras Umzug nach Trost sich dort wieder begegneten. „Ursprünglich stamme ich von hier, doch bin ich damals für das Studium nach Shiganshina gezogen. Jetzt kümmert sich mein Freund Mike um die Geschäfte dort und ich möchte hier wieder Fuß fassen", erkläre er. „Die letzten Wochen war ich immer mal wieder hier gewesen, um mir Wohnungen anzusehen.“ „Kommen Sie gut voran?", erkundigte sie sich. „Ich habe gestern ein Appartement in der Innenstadt gekauft." Kurzzeitig stand ihr der Mund offen. Ein Appartement gekauft? Die waren in Trost gar nicht mal so billig, besonders nicht in der Innenstadt. Sie nippte an ihrem Kaffee, um ihr Staunen zu überspielen. In diesem Moment kam sie sich ein klein wenig schäbig vor, in der alten Wohnung, die sie sich nun mit ihrem Bruder teilte. „Und Sie gehen später aus?", wollte er von ihr wissen, wobei er den Kopf ein wenig schief legte. Es hatte die selbe Wirkung, wie ein Welpe, der einen neugierig und verständnislos zugleich von unten herauf ansah. Ihr Herz schmolz restlos dahin. Am Liebsten hätte sie ihn an ihre Brust gedrückt und wäre mit den Fingern durch sein blondes Haar gestrichen. „Ja, wir schauen mit alten Freunden von meinem Bruder einen Kinofilm", erwähnte sie und versuchte den Gedanken an Puppie-Erwin zu vertreiben. „Oh, da fällt mir etwas ein", rief sie plötzlich aus und sprang von ihrem Stuhl. Sie huschte in ihr Zimmer und blieb vor all den Kisten, die sie immer noch nicht ausgepackt hatte, stehen. Grübelnd tippte sie sich ans Kinn, ehe sie den ersten Umzugskarton öffnete und darin wühlte. „Das ist ja mal ein interessanter Anstrich", schmunzelte Erwin, der im Türrahmen auftauchte und neugierig ihr unordentliches Zimmer musterte. Noch immer sah es genauso aus, wie nach dem Tag ihres Einzuges. Die Tiere tanzten noch immer unbekümmert an der Wand, während sich die Umzugskartons stapelten. Hier und dort war etwas ausgepackt und unachtsam irgendwo abgestellt. Was Ordnung anging war sie das genaue Gegenteil ihres Bruders. Er würde wahrscheinlich einen Herzinfarkt bekommen, wenn er den Raum betreten würde. Maras Wangen brannten vor Scham. „Das sollte eigentlich das Kinderzimmer werden", erklärte sie. „Ich hatte bis jetzt noch keine Zeit es zu überstreichen und auszupacken." „Auf jeden Fall sehr originell." Auch, wenn sie ihn nicht ansah, konnte sie doch das Lächeln, das in seiner Stimme mitschwang, deutlich vernehmen. Noch eine kurze Weile kramte sie in der Kiste, bis sie fand, wonach sie suchte. „Hier, ich habe es nicht vergessen." Sie hielt ihm ein weißes Stück Stoff entgegen, das er als sein Taschentuch erkannte. Dankend nahm er es entgegen. Nachdem sie sich aufgerichtet hatte, standen sie wieder so nah beisammen, dass sie die Wärme des jeweils anderen spüren konnten. Da schrillte die Klingel durch die Wohnung und automatisch entfernten sie sich einen Schritt voneinander. „Wer ist denn das schon wieder", knurrte Mara Richtung Tür. Erwin lachte. „Ich sollte mich langsam mal auf den Weg machen, ich habe heute Nachmittag noch Termine in Shiganshina." Enttäuschung keimte in ihr auf. Wer wollte schon gehen? „Danke für den Kaffee.“ Mit einem Lächeln entblößte er seine weißen Zähne. „Nett, dass Sie vorbeigekommen sind.“ Wiederholt ertönte die Klingel. Sie gingen zur Tür und Mara öffnete. Vor ihr stand Hannah mit einem Säugling im Arm. Als sie Erwin erblickte, wirkte sie einen Moment erstaunt und für Maras Geschmack sah sie ihn einen Tick zu lange an. Skeptisch verengte Lima die Augen zu Schlitzen. „Bis Mittwoch", verabschiedete Erwin sich von ihr, was sie mit einem Lächeln erwiderte, und trat an den zwei Frauen vorbei. Dabei nickte er Hannah höflich zu und stieg die Treppe hinab. „Was willst du?", fauchte Mara die Ex ihres Bruders an. Diese blickte Erwin hinterher, was Mara zur Weißglut trieb. „Ist Levi da? Ich muss unbedingt mit ihm sprechen", sagte sie schließlich, als sie sich endlich zu ihrer noch Schwägerin umwandte. „Selbst wenn er da wäre, würde ich dich nicht zu ihm lassen", murrte Mara, verschränkte demonstrativ die Arme vor dem Oberkörper und machte sich im Türrahmen so breit wie möglich. „Bitte! Das Kind braucht seinen Vater!", flehte die Brünette vor ihr. Mara betrachtete den kleinen Blondschopf in ihren Armen. Der Winzling tat ihr unheimlich leid. In solche Verhältnisse sollte niemand geboren werden. „Dann bist du hier an der falschen Adresse." „Mara, das kannst du dem Kleinen nicht antun." „Du konntest deine Beine nicht zusammen halten, also musst du mit den Konsequenzen klar kommen und schiebe nicht ständig das Kind vor. Hör auf uns Lügen auftischen zu wollen und verpiss dich aus Levis Leben." Damit knallte sie ihr lautstark die Tür vor der Nase zu. Augenblicklich begann der Säugling zu schreien, weshalb Mara sich ungeheuer schrecklich fühlte. Niemals wollte sie dem Kind etwas antun oder es in diesen Streit mit einbeziehen, doch war seine Mutter sowas von hirnverbrannt. Konnte sie ihren Bruder nicht einfach in Ruhe lassen? Sie dachte daran, wie sie Erwin angestarrt hatte. „Lass bloß deine dreckigen Finger von ihm", knurrte sie in Gedanken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)