Bananeneis von Raija ================================================================================ Kapitel 6: Dinner on Board -------------------------- https://www.youtube.com/watch?v=gGgakt3niys Die Tage vergingen wie im Flug und endlich war es Mittwoch. Mara stand in der Mitarbeitergarderobe und betrachtete ihr Spiegelbild. Sie hatte ihre schwarzweiße Uniform gegen ein jadegrünes trägerloses Kleid getauscht. Ein silbernes Bettelarmband, das ihr einst ihr Bruder geschenkt und jedes Jahr zu ihrem Geburtstag mit neuen Anhängern versorgte, lag um ihr rechtes Handgelenk, während ebenso silberne Stecker in ihren Ohrläppchen funkelten. Unsicher strich sie ihr knielanges Kleid glatt und atmete einmal tief durch. Noch nie war sie so aufgeregt gewesen. Mit einem letzten prüfenden Blick, ob ihre Hochsteckfrisur auch wirklich saß, schnappte sie sich die Sporttasche, in der sie ihre normalen Kleider verräumt hatte und trat hinaus in den sonnigen Nachmittag. Das Geräusch ihrer Absätze auf dem betonierten Parkplatz verfolgte sie, als sie auf das Auto ihres Bruders zuging. Sie hob mittels Knopfdruck die Zentralverriegelung des BMWs auf und öffnete den Kofferraum. Eigentlich wollte Erwin sie von Zuhause abholen, um sie auszuführen, doch war dies mit ihrer Arbeit nicht vereinbar gewesen. Zu knapp war die Zeit zwischen Feierabend und der ausgemachten Zeit, weswegen sie beschlossen hatte, sich auf der Arbeit herzurichten und Erwin sie von dort abholen konnte. Damit sie das Kleid unversehrt bis dorthin schaffen konnte, fuhr sie mit dem Auto. Da Levi meinte, es wäre peinlich, wenn sie so herausgeputzt in ihren schäbigen Trabi einsteigen würde, hatte er ihr seinen Wagen überlassen. Der Anruf bei Erwin war für Mara eine peinliche Nummer gewesen. Sie hätte bei dem Klang seiner tiefen Stimme beinahe aufgelegt, als er das Gespräch annahm. Isabel hatte wild gestikuliert, damit sie es nicht tat, was sie total aus dem Konzept gebracht hatte. Sie hatte gestottert und sich mehrfach verhaspelt. Selbst jetzt konnte sie die Schamesröte spüren, die ihr während des Gesprächs ins Gesicht gestiegen war. Sie verriegelte gerade wieder den BMW, da erschien Erwins Volvo auf dem Parkplatz. Er hielt neben ihr und stieg aus. Natürlich sah er umwerfend aus, in seinem schwarzen Anzug, dem gepflegtem blondem Haar und dem Spiegelbild des wolkenlosen Himmels in den Augen. „Auf die Minute genau", lächelte Mara ihm zur Begrüßung entgegen. Erwin ging um sein Auto, wobei er Mara mit hochgezogenen Augenbrauen musterte. „Welch wunderschöner Anblick", schmeichelte er ihr und hielt ihr die Wagentür auf. „Danke das ist lieb von" „Dir", unterbrach er sie. Überrascht sah sie in das helle Blau seiner Augen. Dann bildete sich ein Schmunzeln auf ihren Lippen. „dir", beendete sie ihren Satz, ehe sie auf den Sitz glitt. Während der Fahrt unterhielten sie sich angeregt, bis sie den Hafen von Trost erreichten. Als sie dort ankamen und Mara die anderen Gäste der Maria Cruises in Augenschein nahm, fühlte sie sich erbärmlich und lumpig. Verunsichert umfasste sie ihre Oberarme und schien zu schrumpfen. „Stimmt etwas nicht?", fragte Erwin, der neben ihr stand und die Karten aus seinem Jackett zog. „Ich fühle mich ein wenig fehl am Platz", sprach Mara ihre Gedanken aus und warf einen Blick auf die lokale Prominenz. Bürgermeister, Nachrichtensprecherin, Polizeichef, Lottofee, Staranwalt, Schriftsteller... Überall schöne Menschen, die ihren Reichtum prunkvoll zur Schau stellten. „Lass dich von ihrer Eleganz nicht beeindrucken, das ist alles nur gekauft, während du die einzig wahre Schönheit heute Abend bist." Er bot ihr seinen Arm an. Maras Herz klopfte energisch gegen ihren Brustkorb, indes versuchte sie seine Worte zu verarbeiten. Seine Augen funkelten sie aufmunternd an und seine Mundwinkel wanderten nach oben. „Danke", flüsterte sie und hakte sich bei ihm unter. Ihre Boardkarten wurden kontrolliert, dann betraten sie das luxuriöse Schiff. In der Zwischenzeit, in der die anderen Gäste aufs Schiff kamen, spazierten sie über das Deck und beobachteten den Sonnenuntergang, ehe sie ins Restaurant gingen, wo ihnen ein Tisch zugeteilt wurde. Das Schiff legte ab und wiegte sanft auf den Wellen hin und her, wovon die Passagiere allerdings nichts mitbekamen. Livemusik spielte, während ihnen ein sechsgängiges Menü serviert wurde. Das Essen war das Köstlichste, was Mara je gegessen hatte, und von dem Wein, den Erwin ausgesucht hatte, konnte sie auch nicht genug kriegen. Sie musste sich zusammenreißen, dass sie ihn nicht in sich hineinschüttete, wie Limonade. Derweil führen sie eine abwechslungsreiche und gelegentlich witzige Unterhaltung über Gott und die Welt. Erwin war äußerst intelligent, zuvorkommend und geistreich. „Wie wäre es mit noch einem?", fragte er und deutete auf die leere Weinflasche. „Willst du mich etwa betrunken machen?", stellte Mara die Gegenfrage, wobei sie nach ihrem Glas griff, in dem sich noch etwas Wein befand. „Nein, gefügig reicht vollkommen", zwinkerte er ihr zu und grinste schelmisch, bevor er eine Kellnerin herbei winkte. Mara lachte, um ihre Unsicherheit zu überspielen. Meinte er das ernst oder war sie zu aufgeregt, um den Witz als solchen zu erkennen? Sie beobachtete, wie er mit der Servicekraft sprach und nippte an ihrem Glas. Dabei wanderte ihr Blick auf die Weinkarte, die halb versteckt unter dem Menü lag. Als sie den Preis pro Flasche ablas, verschluckte sie sich an ihrem Getränk und der Wein brannte in ihrer Nase. Sofort stellte sie das Glas ab und hielt sich hustend die Hand vor Mund und Nase. Erwin sprang von seinem Stuhl auf, doch bedeutete Mara ihm, ihr ginge es gut und er solle sich wieder setzen. „Kacke, wie peinlich", murmelte sie, als sie wieder zu Atem gekommen war. Scheu blickte sie zu Erwin auf und erwartete, dass er sie angeekelt oder erbost ansehen würde, doch lag Besorgnis in seine Augen. „Alles in Ordnung?“, fragte er vorsichtig nach. „Ja“, räusperte sie sich. „Tut mir leid, ich bin manchmal ein Vollpfosten.“ Erwin lachte, während Mara verlegen seinem Blick auswich. Sie sah, wie zwei neue Sänger die Bühne betraten, die sich auf Hocker niederließen. „Als ich das erste Mal auf solch einer Veranstaltung war, habe ich vor Aufregung mit den Stuhl gekippelt“, begann Erwin, weshalb Mara ihr Augenmerk von dem Geschehen auf der Bühne los riss. „Irgendwann habe ich es übertrieben und mit dem Stuhl umgekippt. Dabei habe ich mich vor Schreck an der Tischdecke festgeklammert.“ Er pausierte, denn die Kellnerin brachte den bestellten Wein. Als sie wieder gegangen war, führte er seine Erzählung fort. „Ich habe den kompletten Tisch abgeräumt und meine damalige Freundin hat Tomatensuppe auf ihr cremefarbenes Kleid bekommen. Meine Eltern waren auch dabei gewesen. Du kannst dir sicher vorstellen, welches Gesicht sie gemacht haben.“ Mara biss sich auf die Unterlippe, damit sie nicht loslachte, doch konnte sie es nicht verhindern, dass ihre Mundwinkel immer wieder nach oben zuckten. Die Vorstellung von einem Erwin, der so perfekt wirkte, wie er sich komplett blamierte, war unglaublich erheiternd und lenkte sie von ihrer eigenen Blamage ab. „Und was ist dann passiert?“, hakte sie nach. „Nach diesem Abend war ich Single und mein Vater wollte mich enterben“, belustigt zuckte er mit den Schultern. Auch Mara konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Sie lachte, bis ihr die Tränen in die Augen stiegen. Es dauerte einen Moment, bis sie sich beruhigt hatte. Als sie verstummte, strahlte sie noch immer Heiterkeit aus, die sich ebenso in Erwins Gesicht wiederspiegelte. Die Zeit und die Menschen um sie herum waren vergessen. In diesem Moment gab es nur sie zwei und die harmonischen Klänge der Musik. When my legs don't work like they used to before And I can't sweep you off of your feet Will your mouth still remember the taste of my love? Will your eyes still smile from your cheeks? Gebannt von dem Blau seiner Augen war sie unfähig den Blick von ihm loszureißen. Voller Faszination beobachtete Mara, wie sich das Kerzenlicht in ihnen spiegelte und als helle Punkte darin tanzten. And, darling, I You and me, we made a vow I will be loving you 'til we're 70 For better or for worse And, baby, my I can't believe you let me down heart could still fall as hard at 23 But the proof is in the way it hurts Ihr Herz schlug plötzlich Purzelbäume und Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch. Erwin nahm ihre Hand, die neben ihrem Glas auf dem Tisch lag, in die seine, was eine Gänsehaut bei ihr auslöste. Angenehm verlief ein Kribbeln von ihrer Hand über ihren Arm hinauf zu ihrem Nacken. And I'm thinking 'bout how people fall in love in mysterious ways For months on end I've had my doubts Maybe just the touch of a hand Denying every tear Me-I fall in love with you Every single day And I just wanna tell you I am So, baby, now „Hey Smith, altes Haus, du bist ja auch hier.“ Eine fette Pranke legte sich auf Erwins Schulter. Augenblicklich brach ihr Blickkontakt ab und Erwin wandte sich dem Störenfried zu. „Jochen“, Erwin bemühte sich sichtlich um ein Lächeln, „Ich wusste nicht, dass du heute Abend anwesend bist.“ „Mein Weib hat darauf bestanden“, verdrehte der Dicke die Augen. „Wir müssen unbedingt über das bevorstehende Meeting reden. Ich habe da noch ein paar Anmerkungen.“ „Gerne“, setzte der Blonde an, wollte Jochen jedoch auf einen anderen Zeitpunkt verweisen. „Dann komm mal mit an die Bar, ich geb dir einen aus.“ Kurz blickte Erwin zu Mara, die kaum merklich nickte. „Ist schon in Ordnung“, lächelte sie, obwohl sie innerlich kochte. Musste dieser Fettsack ausgerechnet jetzt auftauchen? Sie könnte ihm die Augen auskratzen. „Ich bin gleich wieder da“, versprach Erwin, ehe er sich erhob und mit Jochen Richtung Bar ging. Eine Weile sah sie ihnen nach, wandte sich dann wieder zur Bühne und lauschte der Musik. When my hair's all but gone and my memory fades You've been so unavailable And the crowds don't remember my name Now sadly I know why Leider hielt Erwin sein Versprechen nicht und erneut kam sie sich fehl am Platz vor. Sie war die kleine Maus zwischen all den wohlhabenden Menschen hier. Unwohlsein keimte in ihr auf und sie beschloss, an die frische Luft zu gehen. When my hands don't play the strings the same way Your heart is unobtainable I know you will still love me the same I'm thinking 'bout how people fall in love in mysterious ways Kühle Dunkelheit empfing sie, als sie nach draußen trat. Außer Mara, war niemand auf Deck. Langsam schlenderte sie zum Bug und trat an die Reling. Der Nachthimmel spiegelte sich auf dem schwarzen Wasser und die Sterne tanzten auf den Wellen. Eine Brise zupfte an ihrem Kleid und löste einige Haarsträhnen aus ihrer Frisur. Cause your soul could never grow old, it's evergreen Maybe it's all part of a plan Baby I'll just keep on making the same mistakes Hoping that you'll understand But, baby, now Der Wind ließ sie frösteln und sie bereute es, ihre Jacke nicht mitgenommen zu haben, da spürte sie plötzlich etwas auf ihren Schultern. Erschrocken fuhr sie mit dem Kopf herum und erkannte Erwin, der ihr sein Jackett umlegte. You say I'm crazy Take me into your loving arms Cause you don't think I know what you've done Kiss me under the light of a thousand stars Er trat einen Schritt näher an sie heran, sodass sie die wärme seines Körpers spüren konnte. Mit seinen langen Fingern strich er ihr das Haar aus dem Gesicht, ehe er ihr Kinn umfasste. Als er dann auch noch mit dem Daumen über ihre Unterlippe fuhr, war sie zu keinem einzigen Gedanken mehr fähig. But when you call me baby Place your head on my beating heart I know I'm not the only one I'm thinking out loud Langsam beugte er sich zu ihr vor. Sein warmer Atmen streichelte ihr Gesicht und sie platzierte ihre Hände auf seiner starken Brust. Zaghaft strichen seine weichen Lippen über die ihren, was ihr Herz abermals höher schlagen ließ. Dann spürte sie den sanften Druck seines Kusses und eine Explosion schien von ihrem Mund auszugehen, die sich durch ihren gesamten Körper verlief. Maybe, We found love right where we are ☼◙☼◙☼ Später, als das Schiff wieder im Hafen angelegt hatte, gingen sie von Board, wobei Mara sich wieder bei Erwin untergehakt hatte und kicherte. „Danke Erwin, es war ein wunderbarer Abend“, schwärmte sie. Dieser zeigte lächelnd seine Zähne. „Es hat dir also gefallen?“ „Ja“, erfreut sah sie zu ihm auf. Erwin stoppte, nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und küsste sie erneut. Wie zuvor spielte Maras Herz verrückt und ihr Geist verabschiedete sich. Atemlos sah sie ihm in die Augen, als er sich von ihr löste. Da ertönte plötzlich ein Räuspern nicht weit von ihnen. Beide wandten das Gesicht in die Richtung, aus der das Geräusch kam, und Mara erkannte die Freunde ihres Bruders. „Isabel, Farlan, was macht ihr denn hier?“, fragte sie verwirrt. Mit ihnen hätte sie am wenigsten gerechnet. „Mara, du kommst bitte mit uns“, forderte Isabel, die ernst wie noch nie wirkte. Skeptisch zog Mara die Augenbrauen zusammen. „Was ist los?“ „Levi hatte einen Unfall“, begann Isabel. Das war der Moment, in dem all die Freude und all das Glück, das Mara die letzten Stunden empfunden hatte, verpuffte. Tränen stiegen ihr in die Augen und ihre Unterlippe begann zu zittern. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Mara, dein Bruder liegt im Koma“, mischte Farlan sich nun ein und an seinem Blick erkannte sie, dass sie es nicht leugnen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)