Seelensplitter von Lunatik ((Puppyshipping)) ================================================================================ Kapitel 3: Schatten ------------------- Mokuba hatte – wie er es vorausgesehen hatte – nicht sehr erfreut auf die Nachricht über das erneute Verschwinden seines Bruders reagiert. Er war zwar nicht in seinen komplett desinteressierten Zustand zurückgefallen und war ohne Widerworte zur Schule gegangen, jedoch hatte er noch wochenlang schlechte Laune. Ab und an hörte Katsuya, während er abends an Mokubas Zimmer vorbeiging, leise Schluchzer. So weh es auch tat, musste sich der Blonde gestehen, dass er an dieser Situation nichts ändern konnte. Er gab sein Bestes, um den Jugendlichen von seinen Sorgen abzulenken und führte ihn an freien Tagen an verschiedene Orte, wie Autorennen und Schießstände. Jedoch war der Blonde weiterhin sehr stark eingenommen von seiner Arbeit und dem vielen Lernen. Sein Vater hatte den Wunsch geäußert, dass Katsuya einen Abschluss an einer renommierten Universität machte (ohne jemals dort anwesend gewesen zu sein). Dafür war eine lange und gut ausgearbeitete Abschlussarbeit notwendig, an der der zukünftige Erbe momentan in der meisten seiner Arbeitsfreien Zeit saß. Er spürte sehr deutlich, wie ihm der Bezug zu Mokuba, der sich ihm gegenüber recht verschlossen hielt, entglitt. Doch mehr als die Unternehmungen und ein gemeinsames Frühstück konnte er ihm nicht bieten. Er war sehr erleichtert, als sein persönlicher Assistent ihm berichtete, was er vom Chauffeur Mokubas gehört hatte: der junge Master Kaiba hatte sich gut in der Schule eingelebt und hatte schon viele Kontakte geknüpft. Der Blonde war erfüllt von Dankbarkeit darüber, dass Johnson ihm diese Mitteilung machte. Er stellte aufs Neue fest, was für gutes Personal im Haus angestellt war. Es waren alles sehr nette und herzliche Menschen. Johnson war aber noch ein Stück mehr als bloß ein Angestellter. Er war ein guter Berater und sehr aufmerksam. Er war einer der wenigen Menschen in Amerika, mit denen Katsuya eine Art freundschaftliche Beziehung pflegte und dem er ab und zu ein wenig von seinen Sorgen erzählte. Über Mokubas Schulerfolg wunderte Katsuya sich nicht, denn der Jugendliche war neben der Sache mit seinem Bruder ein heiterer Bursche, der zudem einwandfrei die englische Sprache beherrschte. Das bewunderte Mokubas Chauffeur auch sehr besonders, hatte Johnson ihm gesagt. In diesem Moment stellte Katsuya zum ersten Mal bewusst fest, dass das Auto, in dem man immer gefahren wurde, eins der wenigen Orte war, an dem man wirklich ehrlich sein konnte. In dem man sich meist sicher fühlte. Der Fahrer wurde nicht als eine fremde Person angesehen, sondern als ein vertrauter Zusatz zu dem Auto. Ein guter Zuhörer und Ratgeber. Vielleicht hätte er doch Taxifahrer werden sollen, dachte Katsuya etwas besser gelaunt.   Es war schon später Abend und Katsuya saß noch an seinem Arbeitstisch als ihm dieser Gedanke kam. Er musste schmunzeln und legte daraufhin den Stift zur Seite. Er fühlte sich erschöpft und müde, trotzdem war das Gefühl die Arbeit wäre nicht weniger geworden, weiterhin vorhanden und trieb ihn zu mehr und mehr Überstunden an. Sogar wenn er daheim ankam, arbeitete er weiter. Aber die Arbeit war nicht das einzige, was ihm keine Ruhe ließ. Vorsichtig, Schritt für Schritt. Leise wie eine erfahrene Jagdkatze. Zuerst versteckt hinter anderen Masken, schlich sich etwas in seine innere Welt. Es war ein Gefühl und es dauerte fast zwei Monate, bis er es endlich bemerkt hatte. Doch er wollte nicht darüber nachdenken und schob es immer wieder zur Seite, versuchte es zu ignorieren. Vielleicht sollte er auch eine Fahrt unternehmen und endlich ehrlich zu sich selbst sein? Der Blonde sah zur Wanduhr auf, dessen Stundenzeiger auf der Elf stand und seufzte. Schon? Trotzdem stand er auf und ging Richtung Ausgang des Hauses, auf dem Weg noch seine Jacke und den Autoschlüssel holend. Selbst fahren war zwar nicht so effektiv wie rumkutschiert zu werden – aber es war ein Anfang. Er sagte am Eingang Bescheid, dass man ihn erst in einigen Stunden wieder zu erwarten hatte.   Er fuhr über den Highway und ließ seinen Gedanken endlich freien Lauf. Katsuya hatte schon in seiner Mittelschulzeit festgestellt, dass er nicht an Frauen interessiert war. Tristan hatte oft genug nicht jugendfreie Hefte und Videos mitgebracht, doch sie hatten niemals eine sexuelle Wirkung auf Katsuya gezeigt. Im Gegenteil, einige davon stießen bei ihm auf sehr heftige Ablehnung. Um es auszutesten schleifte Tristan ihn eins zu sich und zeigte ihm einen Schwulenporno. Er konnte nicht behaupten, dass er überschwänglich begeistert und sofort gekommen war – aber er fand das Video ganz angenehm. Auf jeden Fall besser als die sonstigen Videos, die ihm Tristan zeigte. Ab da brauchte er einige Zeit, um es zu realisieren und noch etwas länger um es zu akzeptieren – aber er war schließlich Katsuya, nicht wahr? So hatte er die Tatsache, dass er vom anderen Ufer war, einfach hingenommen. Auch Tristan (der einzige seiner Freunde, der davon wusste) tat es und dafür war er ihm immer sehr dankbar gewesen. Seitdem hatte er nie Probleme mit seinen Neigungen gehabt und hier in Amerika hatte er zeitweilig sogar einen Partner gefunden – mehr für das Bett als für die Seele, aber das war ihm auch genug gewesen. Doch nun hatte er eindeutig Schwierigkeiten. Angefangen damit, dass sie sich schon so lange kannten und früher sich gegenseitig verabscheuende Rivalen gewesen waren. Auch wenn von dem Hass, den er damals gespürt hatte, kaum mehr als eine verblasste Erinnerung übrig geblieben war. Mokuba stand ebenfalls zwischen ihnen – er war immerhin nun sein Pflegekind. Zudem war Kaiba ein Mann der Öffentlichkeit. So vieles sprach gegen die Anziehung, die dieser Mann auf ihn ausübte und trotzdem fühlte er sie ganz deutlich. Seit Kaibas Einbruch regte sich jedes Mal bei dem Gedanken an ihn etwas in Katsuya. Es war kein ernstes oder tiefes Gefühl – eine Beziehung mit Kaiba konnte er sich auch nicht vorstellen. Aber es war ein nicht weiter zu verleugnendes Interesse. Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn sie keine gemeinsame Vergangenheit hätten. Wenn sie sich in der Nacht in der Villa zum ersten Mal getroffen hätten. Dann hätte es eine sehr viel längere Nacht werden können. Dann würde er sich nicht immer wieder bei der Frage erwischen wie wohl Seto nackt aussah – er würde die Antwort darauf schon wissen. Resigniert seufzte der Blonde. Vor seinem Auge tauchte ein großer Schatten auf und Katsuya trat die Bremse durch. Nach einigen Sekunden voller quietschender Reifen blieb das Auto stehen. Gott sei Dank hatte er das Lenkrad nicht umgerissen und war angeschnallt gewesen, ging es ihm durch den Kopf. Schwer atmend sank sein Kopf auf das Lenkrad. Das war ein Schock gewesen. Es verstrichen einige Momente, in denen er nur auf seine Atmung achtete. Was war das? Es gab keinen Aufprall, also hatte er nichts überfahren. Er löste den Gurt und stieg langsam aus, um sich umzuschauen. Er konnte nichts Auffälliges erkennen. Er stieg noch ein Mal ins Auto und holte eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach. Er ging einige Schritte weg vom Wagen und leuchtete in verschiedene Richtungen. Auf beiden Straßenseiten befand sich weitläufiges Nichts. Vertrocknete Felder, die langsam zur Wüste wurden, mit vereinzelten Sträuchern viele Meter von der Straße entfernt. Es war eine klare Nacht, so dass er auch viel ohne das Licht der Taschenlampe hätte erkennen können. Trotzdem suchte er mit ihrer Hilfe die Straße aufmerksam ab. Er fand nichts. Er versuchte angestrengt sich zu erinnern, was er genau gesehen hatte. Es war groß und dunkel gewesen. Schnell. Ja, es war auch schnell gewesen. Doch weiter kam er nicht – es kam ihm nur eine Fratze in den Sinn, die er als Kind auf einem Festival gesehen hatte, wenn er weiter darüber nachdachte. Seufzend gab er auf und kehrte zum Auto zurück. Vielleicht hatte er es sich einfach eingebildet? Katsuya verstaute die Lampe wieder an ihren Platz und schnallte sich an. Er atmete tief ein und aus eher er den Motor startete. Eins bewies dieser Vorfall – es war doch nicht sehr ideal im Auto nachzudenken, wenn man selbst am Steuer saß.   „Wie war die Fahrt?“, hörte Katsuya die Frage sobald er das Haus betreten hatte. Verwundert drehte er sich zu der Gestalt einige Meter entfernt. Es war ein breitschultriger, großer Mann – mindestens einen Kopf größer als der Blonde – mit schwarzen Haaren und großen grünen Augen, die momentan einen leicht besorgten und sanften Ausdruck hatten. Der Mann sah nach Mitte Dreißig aus. „Johnson, Sie sind noch auf?“, fragte Katsuya überrascht, während er die Jacke auszog und diese an ihren Platz hängte. „Mir war nicht wohl bei dem Gedanken, dass Sie alleine um die Uhrzeit unterwegs sind, Master Katsuya.“ Der Blonde lächelte leicht. Er war kein kleines Kind mehr, auf das man aufpassen musste, aber die Fürsorge dieses Mannes rührte ihn mehr als sie störte. „Es ist alles in Ordnung, ich hatte nur eine kleine Auszeit gebraucht.“ Über die Erscheinung schwieg er – es war nicht wichtig und deshalb kein Grund unnötige Sorgen in Johnson zu wecken. Der Schwarzhaarige lächelte sein wissendes Lächeln und Katsuya war sich vollkommen sicher, dass es diesem Menschen nicht entgangen war, dass etwas an Katsuya genagt hatte in letzter Zeit. Neben der Arbeit, versteht sich. „Geht es Ihnen jetzt besser?“ Katsuya grinste. „Jopp.“ In solchen Momenten fühlte er sich wie früher. Gut und frei! Doch solche Augenblicke verflogen ziemlich schnell. So wie jetzt, als ihm die wesentliche Frage in den Sinn kam, die er ganz übergangen war. Wie stand Seto Kaiba eigentlich zu Homosexualität?   ***     Er stand in der Mitte eines Klassenzimmers. An der Tafel waren leicht verwaschene Zeichen zu sehen, doch er konnte nicht entziffern was sie bedeuteten. Die Tische standen unordentlich um ihn herum – als ob sie extra einen Kreis um ihn bilden sollten. Es war später Abend und hier war es halbdunkel. Doch trotzdem konnte er erkennen, dass alles voller Staub war. Auf dem Lehrerpult lagen vertrocknete Blumen und neben dem Tisch erkannte er einige weiße Scherben, als er seinen Blick auf den Boden lenkte. Überall waren trockene Blütenblätter verstreut, am meisten direkt vor seinen Füßen. Ihm war kalt. Obwohl er wusste, dass es Sommer war, ließ ihn der Gedanke nicht los, dass die Temperatur nah am Gefrierpunkt lag. Hinter ihm war jemand. Er brauchte sich nicht umzudrehen um das zu wissen. Er wusste auch genau, wer es war. Er wollte sich auch nicht umdrehen. Er wollte nicht. Er wollte nicht. Doch sein Körper tat es. Sein Blick richtete sich auf braune Haare, von denen er wusste, dass sie dank den vielen verschiedenen Kurmitteln weich waren. Er sah auf den schlanken Körper, der ihn arroganter Haltung an einen Tisch lehnte. Doch diese Gestalt hatte kein Gesicht. Alles unterhalb der Haaransätze bis zum Hals war in merkwürdige Schatten gehüllt. Die Gestalt beugte sich vor und war auf einmal ganz nah an ihm. Er wollte einige Schritte zurückgehen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Stattdessen beugte er sich weiter vor. Aus den Schatten um das Gesicht des anderen kam eine Hand. Es war eine dunkelviolette Hand mit langen Fingernägeln. Finger – von seinem Blick verfolgt – näherten sich seiner Brust und gingen durch seine Kleidung, seine Haut und seine Knochen hindurch. Er spürte unvorstellbare Kälte seinen Körper ergreifen. Der Arm zog sich wieder zurück und die Finger hielten etwas. Etwas Schimmerndes. Katsuya schlug die Augen auf. Er lag in seinem Bett, die Decke zur Seite geschlagen. Es war noch dunkel draußen. Der Blonde richtete sich auf. Was war das nur für ein irrer Traum gewesen? Er brauchte einige Momente bis er ganz wach und geistig anwesend wurde. Er blickte zu seinem Digitalwecker, der zwanzig vor fünf Uhr morgens anzeigte. Also nicht mehr lange bis zu seiner Aufstehzeit, da lohnte es sich nicht, sich wieder schlafen zu legen. Außerdem war er hellwach. Der Blonde fuhr sich durch das Haar und seufzte. Letzteres wurde wohl so langsam zu einer Gewohnheit für ihn. Er stand auf und schlenderte Richtung seines persönlichen Bades, welches direkt mit seinem Zimmer verbunden war. Er betrachtete sein Spiegelbild. Auffallend waren die Augenringe, die wieder ein Stück dunkler geworden waren verglichen mit dem letzten Morgen. Aber das war in Ordnung. Er musste nur noch ein wenig durchhalten. Bald würde die Zusatzarbeit wegfallen und er würde zu seiner gewohnten Tagesordnung zurückkehren, in der ganze sechs und manchmal glatt acht Stunden Schlaf vorgesehen waren. Er durfte jetzt nur nicht sich ablenken lassen und nachlassen. Aber das würde er schon schaffen – schließlich war er Katsuya. Seine Gedanken kehrten wieder zu dem merkwürdigen Traum zurück, der ihn vorzeitig geweckt hatte. Sogar seine Träume sagten ihm, dass er kein tieferes Verhältnis als sein jetziges zu Seto Kaiba entwickeln sollte. Er seufzte ein letztes Mal für diesen Morgen und stieg unter die Dusche. Und auf diesen Rat würde er gewiss hören. Er würde diesen Mann aus seinem Kopf werfen – es gab genug andere attraktive Männer.   Ja, ich wollte ihn wirklich nicht als einen erwünschten Partner betrachten und einige Zeit gelang es mir auch. Ich verschwand völlig in meiner Arbeit. An manchen Tagen fühlte ich mich mehr wie eine Maschine als ein Mensch. Ich erledigte alles wie ich sollte. Nur ein Mal kam meine Abteilung in Verzug – in der letzten Woche vor dem Abgabetermin meiner Abschlussarbeit für die Universität. Doch auch diese kleine Krise war nach einer Woche überstanden. Ich bekam meinen Abschluss mit Auszeichnung und wunderte mich darüber wie einfach man gewisse Dinge mit Beziehungen und Geld erreichen konnte. Ich hatte mich immer noch nicht ganz an diese Welt der Einflussreichen gewöhnt. Die erste Phase des neuesten Projektes, an der in der Firma gearbeitet wurde, war abgeschlossen. Es ging um den Bau des größten Flugzeugs. Die Konstruktionspläne waren zu der Zeit voll ausgearbeitet so wie die Logistik- und Bauplanungen. Ab da wurde es wieder ruhiger in meinem Leben – die erste Stressphase war vorbei. Während der Konstruktion als solche hatte ich wenig mit diesem Projekt zu tun – bis auf wenige Besichtigungen mit meinem Vater dorthin. Doch an die Stelle der Überstunden (die zwar immer noch vorkamen, aber nun im vertretbaren Maße) trat die problematische Beziehung zwischen Mokuba und mir. Ich hatte schnell bemerkt, dass er sich im Haus wie auch in der Schule gut eingelebt hatte und freundlich und gesprächig mit den meisten Menschen umging. Doch sobald wir uns gegenüber saßen, war er wie ausgewechselt. Er war entweder desinteressiert oder abweisend. Natürlich hatte ich versucht mit ihm zu reden – ich bin immerhin Katsuya und Aufgeben war nie was für mich – doch so langsam gingen mir die Ideen aus wie ich ihn dazu bringen sollte sich mir wenigstens ein wenig zu öffnen. Ich war mir sicher, dass er in meiner Anwesenheit etwas von seinen Gefühlen offenbarte. Von der Wunde, die Seto in ihm hinterlassen hatte. Doch wie konnte ich sie heilen? Und wie konnte ich seine Ablehnung mir gegenüber mildern? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)