Über die Laterne, die keine Laterne mehr sein wollte von Roter_Panda ================================================================================ Kapitel 1: ----------- An einer einsamen Straße, die sich am Rande eines kleinen Dörfchen befindet, stand ganz allein eine einzige Straßenlaterne. Wie jeden Abend erwachte sie bei Sonnenuntergang und entzündete ihre Glühbirne, um den Nachtschwärmern Licht in der Dunkelheit zu spenden. Sie sollte spät heimkommenden Passanten helfen, nach Hause und schließlich den richtigen Schlüssel für die Haustüre aus dem Schlüsselbund zu finden. Sie sollte für viele Alkoholliebhaber eine Stütze zum Festhalten sein, wenn sich alles zu sehr drehen sollte. Sie sollte Hunden eine Möglichkeit bieten, das Bein zu heben, wenn kein geeigneter Baum in der Nähe sein sollte. Sie sollte ein Treffpunkt für Motten, Maikäfer und andere Insekten sein, die zu ihrem Licht finden. Doch… wie schon erwähnt: Sie stand in einer einsamen Straße. Keine Nachtschwärmer, keine Alkoholliebhaber und keine Hunde verirrten sich in diese Straße – und Insekten fanden die Meeting-Points in der Innenstadt interessanter und kultureller. Wieder begann eine Nacht, in der der Wille der Laterne zu helfen da war, sich jedoch kein Hilfsbedürftiger zu ihr verirrte. Sie seufzte. Was war das nur für ein Leben? Seit Jahren versuchte sie Gutes zu tun und erhielt keine Gelegenheit dazu. Es war nicht leicht, eine Straßenlaterne zu sein. Schon oft hatte sie Gedanken, die einen Selbstmord in Erwägung zogen. Sie stellte sich vor, eine Sicherung durchbrennen lassen zu können. Sie könnte auch ein vorbei fahrendes Auto – das das Licht der Laterne nicht benötigt, da es ja selbst Scheinwerfer besitzt – mit flackerndem Licht irritieren, sodass der mobile Metallkasten gegen den Laternenpfosten fährt. Schon viele solche Ideen kamen ihr in den Sinn, doch hatte sie noch nie den Mut dazu gehabt, sie auch auszuführen. So warf sie ihr gelborangenes Licht eine weitere Nacht in die Dunkelheit hinaus und hoffte auf einen Hilfsbedürftigen. Als es Mitternacht wurde und das Leuten der Kirchturmglocken aus der Innenstadt bis in die einsame Straße am Stadtrand klang, geschah dort etwas Eigenartiges. Der Gullideckel in der menschenleeren Straße fing an, zu beben. Interessiert betrachtete unsere verzweifelte Straßenlaterne, wie Funken stoben und der schwere Eisendeckel zu explodieren drohte. Ein Zischen wie bei einem Feuerwerk ertönte und der Deckel kippte mit einem lauten ‚PLONG‘ zur Seite. Aus einer Rauchwolke erschien ein engelsgleiches Wesen mit zarten Flügeln – gekleidet in einem Tutu und bewaffnet mit einem winzigen Zauberstab. Das weibliche Wesen schüttelte anmutig ihr goldenes Haar und schaute mit einem selbstgefälligen Seufzen zur Straßenlaterne auf. Sie vollführte eine geschmeidig gewollte Handbewegung mit dem Zauberstab und sprach: „Liebe Straßenlaterne. Erschrick nicht! Ich bin deine gute Fee. Und bin hier, um dir zu helfen.“ Misstrauisch betrachtete die Laterne die erschienene angebliche Fee, die wohl sehr auf ihr äußeres Erscheinungsimage achtete, und antwortete: „Sind Feen nicht irgendwie … kleiner? Für mich scheinst du eher eine Elfe zu sein.“ Das aufgesetzte Lächeln der „Fee“ verschwand und sie versuchte die Fassung zu bewahren, was wahrscheinlich der Grund für ihre plötzliche Röte im Gesicht war, die eindeutig von extremer Anstrengung berichtete. „Ich bin eine Fee!“, zischte sie aus zusammengebissenen Zähnen hervor und betonte das letzte Wort in einem solchen Tonfall, dass ein Zweifel an dieser fetten Lüge nicht bestehen konnte. „Ich habe einen kräftigeren Körperbau als die anderen, okay?! Ist das soo schlimm? Und ich habe in meiner Jugend zu viele Fruchtzwerge gegessen – da kann ein extremer Körperwuchs schon mal vorkommen, okay?!“ Sie fasste sich wieder, schüttelte abermals anmutig ihr goldenes Haar und sagte nun deutlich gelassener: „Aber das ist ja auch egal. Kommen wir zurück zum Thema: Ich bin deine gute Fee und ich möchte dir helfen, da du hilfsbedürftiges Ding unbedingt meine Hilfe benötigst.“ Sie seufzte erneut selbstgefällig und wartete auf die Reaktion der Laterne. Unsere Straßenlaterne reagierte für die Elfe äh Fee angemessen: „Was? DU willst mir helfen? Kannst du das denn?“ Die „Elfee“ lachte gekünstelt. „Aber natürlich kann ich dir helfen! Ich bin eine Fee und Feen können zaubern, du dummes Ding, du. Ich erfülle dir einen Wunsch!“ Die Straßenlaterne stutze. „Was? Nur einen Wunsch? Sind es sonst nicht drei?“ Die Elfee verwarf diese Bemerkung mit einer Handbewegung. „Papperlapapp. Heute gibt es nur eine Wunscherfüllung.“ Natürlich war das wieder eine fette Lüge. Denn die Elfee war gerade in der Feenausbildung und Azubis dürfen immer nur einen Wunsch pro Wünscher erfüllen. Aber das tut hier nichts zur Sache, also zurück zur Geschichte. Die Straßenlaterne war glücklich. Endlich hatte jemand erkannt, was sie wirklich brauchte. Also überlegte sie sich gründlich einen Wunsch – immerhin hatte sie nur einen frei und da musste das schon ein sehr guter Wunsch sein. Nach einer Weile antwortete sie: „Gute Elfe äh Fee. Ich wünsche mir, anders nützlich zu sein. Was bringt es mir, bereits nützlich zu sein, wenn niemand mich braucht? In diese Straße kommt niemand, der Hilfe benötigt, also brauche ich einen anderen Job.“ Die Elfee nickte. „Und was stellst du dir vor?“ Die Laterne bekam leuchtende Augen. „Ich habe von Zugvögeln Geschichten über das weite Meer gehört und über Wellen, die darin wohnen, die Schiffe und Boote davon tragen. Die das Meer lebendig machen und ohne die es im Meer langweilig wäre. Das fände ich schön. Ich möchte eine Welle sein. Eine schöne Welle. Kannst du mich in eine Welle verwandeln?“ „Eine Welle?“, sprach die Elfee. „Nichts leichter als das.“ Sie krempelte die Ärmel hoch, schwang ihren Zauberstab und mit einem ‚Plopp‘ war die Straßenlaterne verschwunden. Die Elfee stand im Dunkeln und als ihr die Finsternis um sich bewusst wurde, hörte man nur noch ein überraschtes „Oh.“ An einem anderen Ort fand sich eine Sekunde später das Bewusstsein der Straßenlaterne wieder. Als sie sich betrachtete und ihren niegelnagelneuen Wellenkörper entdeckte, war sie überglücklich. Doch… etwas stimmte nicht. Das konnte nicht das Meer sein. Das Meer war doch angeblich viel größer! Warum war sie nun in einem weißen kalten Gefäß, in dem es auch noch komisch roch? Plötzlich kam Leben ins Spiel und jemand zog – so erfuhr sie später – die „Spülung“. Sie hörte nur noch, wie jemand rief: „Klo ist frei!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)