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Morsmordre

HG x DM
von

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Hermine

Morsmordre
 

Hermine
 

Todesser hatten den Zeltplatz gestürmt und plötzlich war das Chaos losgebrochen. Die Menschen liefen schreiend durcheinander. Von überall wurden Namen gerufen. Ich glaube, ich schrie auch welche: die meiner zwei besten Freunde, Harry und Ron.

Irgendwo brannte es. Durch den ganzen Rauch und die Menschenmassen verlor ich die Orientierung. Ich konnte die einzelnen Gesichter nicht auseinander halten, also sah ich auch niemanden, den ich kannte. Ich lief einfach in irgendeine Richtung und hoffte, dass ich irgendwo ankam.

Doch ich hatte das Gefühl, dass ich im Kreis lief. Hatte ich dieses Zelt nicht gerade schon mal gesehen? Ich wusste es nicht. So langsam beschlich mich die Ahnung, dass ich hier nie wegkommen würde. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen und Hoffnungslosigkeit stieg in mir auf. Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen schossen, und ich wollte mich einfach nur auf der Stelle hinsetzen und warten, bis alles vorbei wäre. Ob ich sterben oder überleben würde, war mir in diesem Moment völlig egal.

Ich blieb einfach stehen. Mitten in der Menschenmenge. Zauberer, Zauberinnen und Kinder rannten an mir vorbei, ohne mich zu beachten. Mehrmals wurde ich angestoßen und geschubst. Der letzte Stoß war so stark, dass ich der Länge nach hinfiel. Jemand trat mir gegen das Knie, das sofort zu schmerzen anfing.

Doch kaum war ich auf dem Boden aufgeschlagen, zogen mich schon zwei kräftige Hände wieder auf die Beine.

„Granger, verdammt nochmal, was machst du denn da? Komm schon!“, sagte eine tiefe Stimme, die mir irgendwie bekannt vorkam.

Ich hoffte, Harry oder einen der Weasleys zu sehen. Aber wer mich stattdessen anstarrte, war Draco Malfoy. Er hielt mich an den Schultern fest, damit ich nicht wieder hinfiel. Doch als ihn erkannte, wich ich vor ihm zurück. Sein Gesicht war wirklich das allerletzte, das ich jetzt sehen wollte.

Als er meinen trotzigen Gesichtsausdruck sah, rollte er nur mit den Augen und sagte: „Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um rumzuzicken. Du wirst hier tot getrampelt. Komm jetzt!“

Er legte seine Hand auf meinen Oberarm und zog mich mit einem wirklich festen Griff hinter sich her. Ich hatte keine Ahnung, wohin er wollte, aber er steuerte zielsicher durch das Chaos. Und ich musste zugeben, dass er recht hatte: Jetzt war nicht der Zeitpunkt für Zickereien.

„Wo gehen wir hin?“, fragte ich nach einer Weile. Ich hatte immer noch keine Orientierung, obwohl die Masse an Menschen sich schon ausgedünnt hatte.

„Hier ganz in der Nähe ist ein Portschlüssel. Mein Vater hat mir davon erzählt.“

„Dein Vater. Klar“, antwortete ich mit vor Sarkasmus triefender Stimme. Natürlich hatte sein Vater alles arrangiert, damit seinem Lieblingssohn bloß nichts passierte.

Malfoy schaute mich mit einem vernichtenden Blick an, verzichtete jedoch auf eine Erwiderung. Er zog mich immer weiter, bis wir einen kleinen Hügel erreichten. Hier waren wieder mehr Menschen unterwegs. Die Panik hatte sich zwar etwas gelegt, trotzdem liefen die Leute immer noch durcheinander, suchten ihre Sachen, ihre Verwandten, ihre Freunde.

Wo waren meine Freunde? Seit die Todesser aufgetaucht waren, hatte ich sie nicht gesehen. Ich konnte nur hoffen, dass sie sich in Sicherheit bringen konnten und dass es ihnen gut ging.

Meine Gedanken wurden plötzlich von einem lautstarken Knall unterbrochen. Von rechts erfasste mich eine unbeschreibliche Hitzewelle, die mich auf den Boden warf. Malfoy warf sich auf mich. Wollte er mich etwa beschützen? Wirklich vorstellen konnte ich es mir nicht.

Als er mich wieder auf die Beine zog, konnte ich sehen, dass nicht weit entfernt mehrere Zelte explodiert waren. Die Panik kehrte zu den Menschen zurück und befiel jeden Einzelnen. Auch ich schaute hilflos zu Malfoy, in der Hoffnung, dass er einen Plan hatte. Doch er schaute nur mit weit aufgerissenen Augen in Richtung des ausgebrochenen Feuers. So stellte ich mir die Hölle vor.

„Verdammt“, sagte Malfoy nach einer Weile. „Da geht unser Portschlüssel dahin.“

„Willst du damit sagen, dass das der Portschlüssel war?“, fragte ich ungläubig.

„Er war da hinten. Er muss direkt im Zentrum der Explosion gewesen sein“, antwortete er.

„Bist du sicher? Vielleicht ist er noch da?“

„Ich gehe ganz bestimmt nicht nachschauen. Du etwa?“

Er hatte recht. Schlechte Idee. Ganz schlecht.

„Also, was machen wir jetzt?“, fragte ich.

„Wir müssen erstmal abwarten, bis die meisten Leute verschwunden sind. Aus diesem Chaos finden wir nie heraus“, antwortete er.

„Willst du hier einfach stehen bleiben und warten?“

„Im Gegensatz zu dir vorhin will ich das mit Sicherheit nicht. Wir brauchen ein Versteck.“

Suchend schaute er sich um, bis sein Blick auf einer Gruppe von Bäumen hängen blieb.

„Da rein“, sagte er nur, griff wieder meinen Oberarm und zog mich mit sich.

„Ich kann alleine laufen, weißt du?!“, sagte ich patzig.

„Das hab ich gesehen, als ich dich aufgegabelt hab. Ich gehe lieber kein Risiko ein“, gab er zurück.

Ich schmollte. Wieder einmal hatte er nicht ganz unrecht.

Unter den Bäumen war es dunkel und kalt. Mir war nicht bewusst gewesen, dass das Feuer nach der Explosion für Helligkeit und Wärme gesorgt hatte. Bis zu den Bäumen reichte das Feuer nicht.

Malfoy lief zwischen den Bäumen umher und sah sich ein paar Minuten um, bevor er zu mir zurückkehrte.

„Niemand in der Nähe“, sagte er und ließ sich gegen einen Baum fallen. Er setzte sich auf eine der Wurzeln und lehnte sich gegen den Stamm. Anscheinend wollte er unsere Situation tatsächlich aussitzen. Eine Weile ging ich noch auf und ab wie ein Tiger im Käfig und beobachtete die Menschen auf dem Zeltplatz. Viele suchten in ihren Zelten nach ihrem Hab und Gut, um bloß nichts zu verlieren. Unser Zelt war mir als letztes in den Sinn gekommen. Meine Gedanken kreisten immer wieder um Harry und die Weasleys, ob es ihnen gut ging und wie ich sie wiederfinden sollte. Statt etwas unternehmen zu können, saß ich mit Draco Malfoy fest.

„Setz dich hin oder bleib ruhig stehen. Du machst mich total nervös“, riss er mich plötzlich aus meinen Gedanken.

Ich warf ihm einen finsteren Blick zu, ließ mich dann aber ihm gegenüber an einem Baum nieder und verschränkte die Arme. Ich ließ meinen Blick über die Gruppe von Bäumen schweifen, unter denen wir Schutz gesucht hatten. Die Bäume waren groß, die Stämme kräftig. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre ein Spaziergang bestimmt schön gewesen.

Als meine Augen zurück zu Malfoy wanderten, bemerkte ich, dass er mich anstarrte. Nein, nicht anstarrte, eher interessiert beobachtete.

„Was?“, fragte ich.

Er schüttelte nur den Kopf und sah weg. Dabei kam mir ein anderer Gedanke.

„Warum hast du mich nicht einfach stehen lassen?“, fragte ich. „Warum hast du dich nicht selbst gerettet?“

Er seufzte. „Genau dasselbe frage ich mich auch die ganze Zeit. Ohne dich hätte ich es vielleicht zum Portschlüssel geschafft, bevor er in die Luft geflogen ist.“

Seine Stimme troff vor Sarkasmus, und ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Er hätte schon von hier verschwunden sein können. Er hätte in Sicherheit sein können. Wenn ihm irgendetwas zustieß, dann war das meine Schuld.

„Schau nicht so, Granger“, sagte Malfoy. „Jetzt siehst du genauso verloren aus wie vorhin auf dem Zeltplatz. Es war meine Entscheidung, dich mitzunehmen, okay? Dich trifft keine Schuld, das kannst du auch schriftlich haben.“

Ich sah ihn an. „Das klingt aber nicht sehr nach Slytherin“, sagte ich.

Er schnaubte. „Lass Slytherin mal meine Sorgen sein.“

„Danke“, sagte ich leise.

„Was?“

„Danke, dass du mal nicht wie ein Slytherin gehandelt hast.“

„Erzähl es keinem, dann sind wir quitt.“

Bei dieser Aussage musste ich kichern. Danach sagten wir eine Weile nichts mehr. Gedämpft hörten wir immer noch die panischen Schreie der anderen Zauberer. Es wunderte mich ehrlich gesagt, dass nicht noch mehr Leute auf die Idee gekommen waren, unter den Bäumen Schutz zu suchen und abzuwarten. Es wurde immer dunkler und kälter. Ich zog meine Knie an meinen Körper und schlang die Arme herum. Ich hoffte, so würde es wärmer werden, aber ich konnte mein Zittern trotzdem nicht unterdrücken. Malfoy entging das nicht.

„Du frierst.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.

Er stand auf und kam zu mir herüber. Im Laufen ließ er seine Jacke von den Schultern fallen, während ich ihn beobachtete. Unter der Jacke trug er nur ein T-Shirt. Mir war nie aufgefallen, wie definiert seine Oberarme waren, ohne übermäßig muskulös zu sein. Malfoy setzte sich neben mich, legte mir seine Jacke über die Schulter und zog mich mit einem Arm nah an sich heran.

In Malfoys Armen zu sitzen war mehr als komisch. Es war nicht unangenehm. Er strahlte eine angenehme Wärme aus und außerdem roch er gut. Ich war ihm noch nie so nah gewesen, um das zu bemerken. Wieso auch? Aber nun bemerkte ich es, und es sendete einen angenehmen Schauer meinen Rücken hinab. Obwohl ich eigentlich sofort hätte wegrücken und aufspringen müssen, tat ich es nicht. Zwar hatte ich Malfoy nie gemocht, doch er hatte sich um mich gekümmert, mir geholfen, mich beschützt und hielt mich gerade warm. Die Welt war wirklich übergeschnappt und das nur wegen ein paar durchgeknallten Idioten, die Angst und Schrecken verbreiten wollten.

Ich merkte erst, dass sich mein Körper komplett verkrampft hatte, als Malfoy mir „Entspann dich, Granger.“ ins Ohr flüsterte. Ich gehorchte. Es brachte mir ja auch nichts, wenn mir nachher jeder einzelne Muskel wehtat. Ich lehnte mich an Malfoys Schulter, um meinen Nacken zu entspannen, und er legte seinen Kopf auf meinen.

Um uns herum war es still geworden. Nur noch wenige Menschen liefen umher, und auch die Todesser schienen verschwunden zu sein. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Malfoy bei der erstbesten Gelegenheit aufspringen und verschwinden würde, um mich loszuwerden und sich in Sicherheit zu bringen. Doch das tat er nicht. Tatsächlich machte er überhaupt keine Anstalten, sich zu bewegen.

„Ähm… ich glaube, wir sollten langsam los“, sagte ich also.

Er verkrampfte sich.

„Wow, du weißt echt, wie man die Stimmung ruiniert“, sagte er. Seine Stimme war kalt wie Eis und auch sein Körper schien nicht mehr diese angenehme Wärme auszusenden. Als wäre ein Schalter umgelegt worden.

„Entschuldige“, beeilte ich mich zu sagen. „Ich wusste nicht, dass wir eine Stimmung hatten.“ Ich kicherte und hoffte, die Situation ein wenig zu entspannen.

Tatsächlich entkrampfte Malfoy sich ein wenig und lachte leise auf. Dann zog er mich noch ein bisschen näher an sich heran.

„Du bist echt anstrengend, weißt du das?“, sagte er leise.

„Ja, ich weiß. Du bist nicht der erste, der das sagt“, antwortete ich.

Erinnerungen an Harry, Ron, Ginny, Fred und George liefen wie ein Film vor meinen Augen ab. Wo waren sie? So ruhig und schön es unter den Bäumen war, ich musste hier weg und sie finden!

Langsam hob ich meinen Kopf von Malfoys Schulter. Auch er hob seinen Kopf und wir schauten uns an, sein Gesicht nur Zentimeter von meinem entfernt.

Aus dem Nichts heraus, legte er seine Hand an meine Wange und küsste mich. Zu überrascht, um anders zu reagieren, erwiderte ich seinen Kuss. Seine Lippen waren weich, der Kuss zärtlich. Sein Daumen strich über meine Wange, während er mein Kinn mit seiner Hand hochhielt. Ich legte eine Hand auf seine Brust, krallte mich in seinem Shirt fest.

Irgendwann löste Malfoy den Kuss und sah mich an. In seinen Augen lag etwas, was ich nicht definieren konnte. Verlangen? Zuneigung? Begehren? Vielleicht eine Mischung aus alldem.

„Lass uns gehen“, sagte er und strich ein letztes Mal zärtlich über meine Haare. Dann stand er auf und half auch mir auf die Beine. Ein wenig enttäuscht stand ich neben ihm und wartete auf seinen nächsten Schritt. Auch er schien nicht sehr erpicht, unseren kleinen Rückzugsort zu verlassen, doch wir beide wussten, dass wir nicht ewig hierbleiben konnten. Wir mussten die Menschen finden, um die wir uns sorgten und die sich sicherlich auch schon Sorgen um uns machten.

Es tröstete mich ein wenig, dass er genauso enttäuscht war wie ich, und als er meine Hand nahm, hob sich meine Laune noch mehr.

„Wir müssen über die Grenze von diesem magisch abgesperrten Gebiet. Von da aus können wir Hilfe rufen“, sagte Malfoy und lief los.

Was er sagte, klang logisch, also machten wir uns auf den Weg über den Zeltplatz. Wir erreichten die Grenze ohne weitere Zwischenfälle, doch direkt dahinter sah ich Harry stehen. Er blickte zum Himmel hinauf. Ich folgte seinem Blick, und was ich dort sah, ließ mich sofort die Hand vor meinen Mund schlagen. Neben mir hörte ich Malfoy scharf einatmen. Oben am dunklen Himmel war das Abbild eines Totenschädels zu sehen, aus dessen Mund eine Schlange kroch. Das war das Zeichen der Todesser. Voldemorts Zeichen. Harry stand immer noch wie versteinert darunter. Was war da nur passiert?

Ich konnte mich gerade noch beherrschen, zu Harry zu stürzen. Stattdessen drehte ich mich zu Malfoy um.

„Ich muss zu ihm“, sagte ich.

„Ja, ich weiß“, antwortete er. Er hielt immer noch meine Hand fest.

„Wir sehen uns in Hogwarts.“

Er nickte und sah mich mit festem Blick an.

„Ab jetzt wird alles anders“, sagte er und küsste mich noch einmal. Dann ließ er meine Hand los und ich begann, in Harrys Richtung zu laufen. Auf halbem Weg drehte ich mich noch einmal um. In der Dunkelheit konnte ich nichts mehr erkennen.

Malfoy war verschwunden.
 


 

Ende

Draco

Morsmordre
 

Draco
 

Verdammt, wieso musste das gerade jetzt passieren?

Ich hatte mich wochenlang auf die Quidditch-Weltmeisterschaft gefreut. Und nun musste mein Vater alles ruinieren. Jeder andere Tag wäre genauso geeignet gewesen, doch die Todesser mussten gerade heute auftauchen und Angst und Schrecken verbreiten. Ich würde es natürlich niemals zugeben, doch ich hatte genauso viel Angst vor der Rückkehr des dunklen Lords wie alle anderen. Und dass mein Vater so tief drinsteckte, ängstigte mich noch viel mehr.

Bevor er aufgebrochen war, hatte er mir den Weg zu einem nahegelegenen Portschlüssel beschrieben. Falls dieser nicht funktionieren sollte, gab es auch noch einen zweiten. Natürlich hatte der erste nicht funktioniert. Er war bereits nicht mehr aktiv, als ich ihn berührte.

Deswegen musste ich mich jetzt durch die Menge panischer Zauberer kämpfen, um den anderen Portschlüssel zu finden. Mit ausgefahrenen Ellenbogen stieß und schubste ich mich an den Menschen vorbei. Wie konnte man nur in so ein Chaos ausbrechen? Die meisten konnten doch apparieren. Nur die größten Familien mussten Portschlüssel aufsuchen. Also wo war das Problem?

Während ich mich noch über die Dummheit der Leute ärgerte und mich weiter voran kämpfte, sah ich vor mir plötzlich ein Mädchen stehen. Sie rührte sich nicht und schien allein zu sein. Von allen Seiten wurde sie angerempelt und trotzdem blieb sie einfach stehen. Moment mal, war das etwa Granger? Die zierliche Figur und die riesige Masse an braunen Locken konnten eigentlich nur zu ihr gehören. Was tat sie denn da bloß?

Ein weiterer panischer Zauberer drängte sich an ihr vorbei und schubste sie mit solcher Wucht, dass sie der Länge nach hinfiel. Oh man, so eine dumme Nuss. Ich wollte an ihr vorbeirennen und weiter nach dem Portschlüssel suchen. Doch sie rührte sich einfach nicht. Die Leute würden sie tottrampeln, wenn sie liegen blieb. Verdammt, ich konnte sie doch dort nicht einfach liegen lassen!

Ich verdrehte die Augen vor mir selbst, rannte zu ihr hin und kniete mich vor sie.

„Granger, verdammt nochmal, was machst du denn da?“, schrie ich, fasste sie und zog sie hoch. „Komm schon!“

Ihre Beine waren wacklig, als ich sie hinstellte. Ich musste sie an den Schultern festhalten, damit sie nicht wieder hinfiel. Als sie sah, wen sie vor sich hatte, stieß sie mich weg. Was sollte das denn jetzt? Klar waren wir mit Sicherheit nicht die besten Freunde, aber das hier war eine Ausnahmesituation.

Trotzig sah sie mich an, als wollte sie sich nicht von mir helfen lassen. Wieder rollte ich mit den Augen, dieses Mal allerdings ihretwegen.

„Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um rumzuzicken“, schrie ich sie an. „Du wirst hier tot getrampelt. Komm jetzt!“

Ich griff ihren Oberarm, lief los und zog sie einfach mit mir. Erstaunlicherweise kam sie mit, ohne sich zu wehren. Ich steuerte uns zwischen die Menschenmenge hindurch, immer in Richtung des zweiten Portschlüssels. Zumindest hoffte ich, dass das die Richtung war.

„Wo gehen wir hin?“, fragte Granger zu allem Überfluss.

„Hier ganz in der Nähe ist ein Portschlüssel“, sagte ich überzeugter, als ich in Wahrheit war. „Mein Vater hat mir davon erzählt.“

„Dein Vater. Klar.“

Ich wirbelte herum und bedachte sie mit einem – wie ich hoffte – vernichtenden Blick. Sie hatte überhaupt keine Ahnung, wovon sie sprach, also was nahm sie sich da heraus? Sollte sie mal mit einem Controllfreak als Vater leben. Ich ließ mich nicht einmal dazu herab, ihr eine Antwort auf ihren Kommentar zu geben, obwohl mir etwas Saftiges auf der Zunge lag. Stattdessen zog ich sie einfach weiter.

Endlich erreichten wir den kleinen Hügel, den mein Vater beschrieben hatte. Also hatte mich mein Orientierungssinn nicht getäuscht. Auch hier liefen die Menschen panisch durcheinander. Sollten diese Leute nicht schon längst verschwunden sein? Es nervte mich, dass wir uns immer noch zwischen so vielen Leuten hindurch drängen mussten.

Plötzlich gab es rechts von uns eine gewaltige Explosion. Schutt und Erde flog durch die Luft, Menschen schrien und Zelte fingen Feuer. Die Hitzewelle schleuderte Granger und mich auf den Boden. Instinktiv kroch ich zu hier und bedeckte ihren Körper mit meinem, damit sie nicht von umherfliegenden Gegenständen verletzt werden konnte. Sie zitterte unter mir. Sie musste unbeschreibliche Angst haben.

Ich stand auf und zog auch Granger wieder auf die Beine. Ich konnte meinen Blick nicht von dem ausgebrochenen Feuer losreißen. Das war’s dann wohl mit einer schnellen Flucht.

„Verdammt“, sagte ich. „Da geht unser Portschlüssel dahin.“

„Willst du damit sagen, dass das der Portschlüssel war?“, fragte sie und ihre Stimme klang leicht hysterisch. Das konnte ich jetzt nicht auch noch brauchen.

Ruhig antwortete ich: „Er war da hinten. Er muss direkt im Zentrum der Explosion gewesen sein.“

„Bist du sicher? Vielleicht ist er noch da?“

Immer diese Leute, die die Hoffnung nicht aufgeben wollen. Ich habe noch keine Situation erlebt, in der diese Hoffnung nicht absolut unbegründet war. So auch in diesem Fall.

„Ich gehe ganz bestimmt nicht nachschauen. Du etwa?“, schnauzte ich genervt.

Sie zuckte zurück und ihr Blick wurde nachdenklich. Wahrscheinlich sah sich jetzt auch ein, dass ihre Idee total bescheuert gewesen war.

„Also, was machen wir jetzt?“, fragte sie.

„Wir müssen erst mal abwarten, bis die meisten Leute verschwunden sind. Aus diesem Chaos finden wir nie heraus“, antwortete ich.

„Willst du hier einfach stehen bleiben und warten?“, fragte Granger ungläubig.

„Im Gegensatz zu dir habe ich das mit Sicherheit nicht vor“, gab ich zurück. „Wir brauchen ein Versteck.“

Ich ließ meinen Blick suchend über das Gelände schweifen. Die Zelte brannten lichterloh, und irgendwo dazwischen musste der zerstörte Portschlüssel liegen. Ein Stück entfernt sah ich eine Gruppe hoch gewachsener Bäume.

„Da rein“, sagte ich, griff wieder Grangers Arm und zog sie mit mir.

„Ich kann alleine laufen, weißt du?“, sagte sie.

„Das hab ich gesehen, als ich dich aufgegabelt hab. Ich gehe lieber kein Risiko ein.“ Ich fragte mich sowieso, warum ich das hier machte. Sie hatte drei Jahre mit Potter und Weasley überlebt, da würde sie das hier ja wohl auch schaffen. Doch als ich vorhin ihre Hoffnungslosigkeit gesehen hatte, konnte ich einfach nicht anders. Verdammtes Mitgefühl.

Unter den Bäumen angekommen, ließ ich Granger los und lief eine Weile umher, um zu sehen, ob sich noch andere Menschen hier versteckten. Soweit ich es überblicken konnte, waren wir allerdings die einzigen hier.

„Niemand in der Nähe“, sagte ich, als ich zu Granger zurückging. Da ich nicht wusste, was ich sonst mit mir anfangen sollte, ging ich zu einem der Bäume, setzte mich und lehnte mich gegen den Stamm. Wir mussten erst einmal warten, bis sich das größte Chaos gelegt hatte, bevor wir aufbrechen konnten. Bis dahin bestand keine Notwendigkeit herumzustehen oder umherzulaufen. Granger kam allerdings noch nicht zur Ruhe. Sie ging auf und ab, beobachtete die Leute auf dem Zeltplatz und ging weiter. Das machte mich total fertig.

„Setz dich hin oder bleib still stehen. Du machst mich total nervös“, sagte ich.

Sie blickte mich böse an, ließ sich gegen einen anderen Baum mir gegenüber fallen und verschränkte die Arme. So sah sie aus wie ein bockiges Kind. Ihr Gesicht entspannte sich aber gleich wieder und sie blickte sich um. So sah sie viel hübscher aus. Mir war nie wirklich aufgefallen, wie gut sie aussah. Ihr Gesicht war ebenmäßig und ihre braunen Haare umrahmten es vorteilhaft.

„Was?“, fragte sie und riss mich aus meinen Gedanken.

Ich schüttelte den Kopf und sah weg. Was machte ich hier eigentlich? Einen Augenblick schien sie nachzudenken. Dann fragte sie weiter: „Warum hast du mich nicht einfach stehen lassen? Warum hast du dich nicht selbst gerettet?“

Ich seufzte. „Genau dasselbe frage ich mich auch die ganze Zeit. Ohne dich hätte ich es vielleicht zum Portschlüssel geschafft, bevor er in die Luft geflogen wäre.“

Ihr Gesicht fiel in sich zusammen. Warum hatte ich das jetzt gesagt? Gerade dachte ich noch darüber nach, wie hübsch sie eigentlich war und im nächsten Moment beleidigte ich sie. Natürlich hätte ich sie vorhin ignorieren können, aber ich habe mich entschieden, es nicht zu tun. Granger blickte traurig zu Boden. Klasse gemacht, Draco, wirklich.

„Schau nicht so, Granger“, sagte ich. „Jetzt siehst du genauso verloren aus wie vorhin auf dem Zeltplatz. Es war meine Entscheidung, okay? Dich trifft keine Schuld, das kannst du auch schriftlich haben.“

„Das klingt aber nicht sehr nach Slytherin“, antwortete sie und sah immer noch finster drein.

Ich schnaubte bei diesem Kommentar. Sie hatte ja keine Ahnung, was Slytherin wirklich bedeutete. „Lass Slytherin mal meine Sorge sein“, sagte ich.

Granger nuschelte etwas, was ich nicht verstand.

„Was?“, fragte ich deshalb nach.

„Danke, dass du mal nicht wie ein Slytherin gehandelt hast“, sagte sie etwas lauter.

Oh man, jetzt wurden wir wohl auch noch rührselig. „Erzähl es keinem, dann sind wir quitt“, sagte ich und hoffte, dass das Thema damit erledigt war. Granger kicherte, dann waren wir beide ruhig.

Ich schaute auf meine Hände und knibbelte an meinen Nägeln herum. Außerhalb der Bäume herrschte immer noch Chaos. Die Leute rannten wild durcheinander und schrien und riefen Namen. Ich fragte mich, wie lange das noch so weitergehen würde. Ich sah zu Granger hinüber. Sie war komplett in Gedanken versunken, als wäre sie an einem anderen Ort. Unterbewusst zog sie die Knie an ihren Körper und verschränkte ihre Arme. Zitterte sie etwa?

„Du frierst“, sagte ich und stand auf. Ich zog meine Jacke aus und ging zu ihr hinüber. Mir war in der Jacke sowieso viel zu warm gewesen, doch ich hasste es, sie über meinem Arm tragen zu müssen. Jetzt hatte ich wenigstens eine Entschuldigung, sie nicht zu tragen.

Ich ließ mich neben Granger ins Gras fallen, legte ihr die Jacke und einen Arm um die Schultern und zog sie zu mir heran. Sie war wirklich eiskalt, dabei war es ungewöhnlich warm in dieser Nacht. Vielleicht lag das aber auch einfach an der Explosion von vorhin oder an der Hitze, die ich von innen heraus wegen der ganzen Situation mit meinem Vater und den Todessern spürte. Es war schwer zu sagen, spielte im Moment aber keine Rolle. Was hingegen eine Rolle spielte, war, dass Granger sich komplett verkrampft hatte. Was war denn nun schon wieder los? Natürlich waren wir uns noch nie so nah gewesen, aber meine Güte, ihr war kalt und es war nichts dabei.

„Entspann dich, Granger“, sagte ich leise und spürte, wie sie es sofort tat. Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter und ich meinen Kopf auf ihren. Na geht doch!

Ich schloss die Augen und genoss die Ruhe, die um uns herum eingekehrt war. Grangers Haare rochen gut, irgendetwas fruchtiges, ich konnte es nicht genau definieren. Ich hoffte, dass ich normal atmete, damit es nicht auffiel, dass ich ihren Geruch aufnahm. Sie hatte sich mittlerweile komplett entspannt und ihr Körper wurde warm unter meiner Jacke. Sie hatte zum Glück auch aufgehört zu zittern. Ich hasste es, wenn Frauen froren, keine Ahnung warum.

„Ähm… ich glaube, wir sollten langsam los“, sagte Granger plötzlich.

Wo kam das denn jetzt bitte her? Im einen Moment lag sie entspannt an meiner Schulter, im nächsten Moment wollte sie unbedingt weg. Ich merkte, wie sich meine Muskeln bei meinem Widerwillen verkrampften.

„Wow, du weißt echt, wie man die Stimmung ruiniert“, sagte ich daher.

„Entschuldige“, sagte sie schnell. „Ich wusste nicht, dass wir eine Stimmung hatten.“ Sie kicherte und auch ich entspannte mich wieder ein wenig. Die Situation war wirklich seltsam. Nicht nur, dass unsere Häuser verfeindet waren und sie mit der einen Person befreundet war, die ich auf den Tod nicht ausstehen konnte. Ich hatte auch ihre besserwisserische Art nie gemocht. Doch heute hatte das irgendwie keine Rolle gespielt. Sie war jemand, der Hilfe gebraucht hatte und ich hatte mich verantwortlich gefühlt. Unwillkürlich zog ich sie noch ein Stück näher an mich heran. Ich wollte sie um jeden Preis beschützen, wobei ich nicht wusste warum oder wovor.

„Du bist echt anstrengend, weißt du das?“, flüsterte ich.

„Ja, ich weiß“, antwortete sie. „Du bist nicht der erste, der das sagt.“

Natürlich war ich das nicht. Ich erinnerte mich, dass Potter und Weasley sie zu Beginn in Hogwarts auch nicht gemocht hatten. Erst nach und nach hatten sie sich angefreundet und waren seitdem unzertrennlich. Sie hatte sich auf jeden Fall verändert in den letzten Jahren. Anfangs hätte ich sie nie als hübsch bezeichnet, aber im Moment fühlte ich mich mehr als zu ihr hingezogen.

Als sie ihren Kopf anhob und zu mir aufblickte, verlor ich mich in ihren dunklen Rehaugen. Ihr Gesicht war nur Zentimeter von meinem entfernt. Ich konnte dem Drang nicht widerstehen. Ich legte eine Hand an ihre Wange, zog sie zu mir heran und küsste sie. Erst versteifte sie sich und ich wollte mich schon zurückziehen, doch dann erwiderte sie den Kuss. Ich spürte, wie sie sich mit der Hand in mein T-Shirt krallte, und ich hielt sie nur noch fester.

Meine Gedanken überschlugen sich. Ich hätte alles gegeben, damit dieser Moment ewig andauerte, doch ich wusste, dass wir nicht ewig hierbleiben konnten. Sie musste ihre Freunde finden und ich musste zu meiner Familie.

Ich löste unseren Kuss, hielt jedoch weiterhin ihre Wange fest, damit sie mir in die Augen schauen musste. Ihr Blick war verschleiert, als wäre sie mit ihren Gedanken woanders. Ich wollte nicht von hier weg. Sie wollte sie noch einmal küssen, wieder und wieder. Doch es ging nicht.

„Lass uns gehen“, sagte ich, strich über ihre weichen Haare, stand auf und half ihr hoch. Enttäuschung machte sich in mir breit. Ich musste mich zwingen, mich von ihr abzuwenden, um sie nicht ansehen zu müssen. Bevor ich länger darüber nachdenken konnte, nahm ich Grangers Hand.

„Wir müssen über die Grenze von diesem magisch abgesperrten Gebiet. Von da aus können wir Hilfe rufen“, sagte ich, ging los und zog sie an der Hand mit mir mit.

Der Zeltplatz hatte sich mittlerweile fast komplett gelehrt, sodass wir keine Probleme hatten, an besagte Grenze zu kommen. Ich schaute mich trotzdem weiter um, angespannt, weil ich fürchtete, dass die Todesser noch irgendwo in der Nähe waren.

Plötzlich hörte ich Granger neben mir erschrocken einatmen. Ich schaute zu ihr und sah, dass sie die Hand über den Mund geschlagen hatte und starr zum Himmel hinaufblickte. Ich folgte ihrem Blick und sog scharf die Luft ein. Oben am dunklen Himmel war das Abbild eines Totenschädels zu sehen, aus dessen Mund eine Schlange kroch. Das Zeichen der Todesser. Das Zeichen des dunklen Lords. Darunter stand wie angewurzelt: Harry Potter. Was hatte er nun wieder damit zu tun?

Granger drehte sich zur mir um und sagte: „Ich muss zu ihm.“

Natürlich musste sie das. „Ja, ich weiß“, sagte ich. Ich hielt ihre Hand immer noch fest und wollte sie auch jetzt nicht loslassen.

„Wir sehen uns in Hogwarts“, sagte sie.

Ich nickte. Ich konnte meinen Blick immer noch nicht von ihr abwenden. Angst kroch in mir auf. Das Zeichen des dunklen Lords. Also waren die Gerüchte wahr. Er würde zurückkehren. Ich wollte mir nicht ausmalen, was das für meine Familie bedeutete.

„Ab jetzt wird alles anders“, sagte ich mehr zu mir selbst als zu ihr. Ich küsste sie noch einmal, dann ließ ich sie los. Als sie in Potters Richtung rannte, ging ich in die andere Richtung. Kaum war ich über die Grenze getreten, apparierte mein Vater auf die Stelle direkt vor meinen Füßen, griff meinen Arm und apparierte zurück. Schwärze umfing mich, als wir zusammengepresst wurden und den Zeltplatz sowie die Quidditch-Weltmeisterschaft hinter uns ließen.

Ab jetzt würde wirklich alles anders werden.
 


 

Ende



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