Nähe von Ruka_S_Orion ================================================================================ Kapitel 10: Akt 10 - Letzter Abschied ------------------------------------- „Alles Gute zum Geburtstag, Usagi!“, hallte es im Chor und sofort schlossen sich mehrere Arme um das Geburtstagskind, Gläser klirrten gegeneinander und Glückwünsche wurden ausgerufen. Fast hätte sich Usagi in dem Anblick der sanften Gesichtszüge Setsunas verlieren können. So wirkte sie beinahe überrascht, als sie so stürmisch bejubelt wurde. Von ihrer eigenen Ungeduld verwirrt duldete sie die vielen Umarmungen, bis endlich die Letzte der Runde auf sie zukam. Usagi biss sich unbewusst auf ihre Lippe. Als sich Setsunas Arme um sie legten, schloss sie ihre Augen. Ganz eng schmiegte sie sich an den warmen Oberkörper, wie hypnotisiert lauschte sie den Worten, die ihr leise ins Ohr gesäuselt wurden: „Ich weiß, Michiru, Haruka und ich hatten es anders vereinbart, aber ich habe noch ein Geschenk für dich, das ich dir gern unter vier Augen geben würde.“ Unweigerlich beschleunigte sich Usagis Herzschlag. Nur zögernd löste sie sich ein Stückweit von Setsuna, verlegen lächelnd sah sie zu Boden. „Jetzt aber Schluss mit dem Geschmuse!“ Minako riss Usagi aus ihrer Welt, als sie sie stürmisch an sich zog. „Jetzt feiern wir!“ Für Haruka schien das das Kommando dafür gewesen zu sein, die Musik wieder aufzudrehen und sofort schnappte Michiru nach ihrer Hand, um sie zur kleinen Tanzfläche hinter dem Sofa zu ziehen. Gute drei Stunden später hatten sich Rei, Minako und Ami nach und nach verabschiedet, nur Makoto hatte darauf bestanden, den anderen noch beim Aufräumen zu helfen. Usagi hatte gerade ein paar Teller in die Küche getragen, als sie merkte, dass sie beobachtet wurde. Überrascht sah sie zu Setsuna. Mit verträumtem Blick stand die neben dem abgeräumten Buffet. Langsam machte Usagi einige Schritte auf sie zu. Als sie direkt vor ihr zum Stehen kam, blinzelte Setsuna ein paarmal, bevor sie leicht lächelnd die Brauen hob. „Habe ich dich aus einem Tagtraum gerissen?“ Setsuna schüttelte den Kopf. „Nein, eher aus einer Erinnerung.“ Mit einem einzelnen Nicken deutete sie in Richtung Terrasse. „Ich würde gern ein wenig frische Luft schnappen. Kommst du mit?“ Sie wartete keine Antwort ab. Usagis zuckende Mundwinkel reichten ihr. Draußen angekommen reckte sie ihr Gesicht gen Himmel. Das spärliche Licht des Halbmonds untermalte ihre schlanken Gesichtszüge und ein warmer Nachtwind spielte mit den dünnen Strähnen, die über ihrer Stirn hingen. „Ohne sie zu kennen, waren es diese Nächte, die ich wohl am meisten vermisst hatte.“ Nach einem kurzen Augenblick fügte sie an Usagi gewandt hinzu: „Na ja, nur eine Sache habe ich noch mehr vermisst.“ Nicht im Stande, den Blick abzuwenden, verstand die Blondine nur langsam, was ihre Freundin damit meinte. Aber als sie es endlich tat, legte sich ein Rotschimmer auf ihre Wangen und sie wandte sich verlegen ab. „Warte hier“, sprach Setsuna plötzlich. Kurz verschwand sie nach drinnen. Mit einem kleinen Päckchen in der Hand kam sie zurück. „Ich habe lange überlegt, ob ich sie dir wirklich geben soll, oder ob sie dich zu sehr an ihn… Happy Birthday, Princess.“ Etwas verunsichert übergab sie ihr Geschenk. Neugierig zog Usagi das Papier von der unscheinbaren Schachtel. Dann öffnete sie auch die. Ihre Brauen zogen sich zusammen, bevor sie fragend aufsah. „Aber… Sie war stehengeblieben…“ Nachdenklich schüttelte sie ihren Kopf. „Wie hast du…“ „Kurz nachdem du bei uns eingezogen bist, war ich bei deiner Mutter. Sie hat mir dabei geholfen, sie zu finden. Ihr Leben war mit seinem verbunden. Darum blieb sie stehen, als er starb. Ich wollte nicht, dass sie dich immer daran erinnert, dass… Von nun an soll sie dich daran erinnern, dass deine Zeit weitergeht. Dass du eine Zukunft hast. Und dass ich dich dahin begleiten werde. Immer.“ Usagis Finger wischten vorsichtig über die Scheibe der leise tickenden Spieluhr. Die Blondine überlegte. Schließlich sah sie zu Setsuna und sagte: „Ich will ihn besuchen.“ Bis zum Nachmittag zeigte sich Usagi geduldig. Nach dem Mittagessen zog sie sich um – dieses weiße Sommerkleid hatte Mamoru immer am besten an ihr gefallen – richtete ihre Frisur und wartete, bis Setsuna sie endlich abholte. Die ganze Fahrt zum Friedhof über starrte Usagi auf die Spieluhr in ihren Händen. „Ich warte hier auf dich“, sagte Setsuna leise, nachdem sie geparkt und den Motor abgestellt hatte. Doch Usagi antwortete bestimmt: „Ich will, dass du mich begleitest.“ Ihre älteste Freundin nickte verstehend. Zum ersten Mal seit Monaten setzte die Prinzessin einen Fuß vor den anderen auf dem schmalen aber gepflegten Pfad über den Friedhof, in der Rechten die Spieluhr fest umklammernd, mit der Linken Setsunas Hand haltend. Das Urnengrab war ganz in Mamorus Stil gehalten – schlicht aber irgendwie elegant. Weiße Lilien umrahmten einen kleinen Rosenstrauch, dessen rote Blüten in voller Pracht erstrahlten. Schweigend starrte Usagi auf sie herab. Sie löste ihre Hand von Setsunas und hob die Spieluhr bis vor ihre Brust. „Haruka hatte recht“, sprach sie leise vor sich her. „Meinen Schmerz zu überwinden brauchte nur genug Zeit. Vergessen werde ich dich aber nie, Mamo-chan. Du warst meine Vergangenheit und meine Gegenwart. Bis heute. Du solltest meine Zukunft sein, mein Schicksal. Aber das Leben lehrte mir, dass wir eben nicht alles selbst bestimmen können. Auf unseren Wegen in die Zukunft können wir nur wählen, welchen Fuß wir als nächstes setzen. Auch wenn ich noch nicht weiß, wie ich das anstellen soll, werde ich Chibiusa retten. Das verspreche ich dir. Trotzdem wird ein Teil meines Herzens immer dir gehören.“ Usagis Stimme wurde brüchig. Vereinzelte Tränen tropften auf die Uhr in ihren Händen. „Verzeih, dass ich ohne dich weiterleben werde. Dieses Mal konnte ich dir nicht folgen! Ich konnte einfach nicht, Endymion!“ Setsuna vermied es, ihre Prinzessin während ihrer Rede anzusehen. Sie fühlte sich irgendwie fehl am Platz. Immer mehr Tränen vergoss ihr Schützling. Verunsichert und zögerlich hob Setsuna ihre Hand und legte sie auf Usagis Rücken. Sofort folgte die Reaktion. Usagi wandte sich vom Grab ab und warf sich schluchzend in Setsunas Arme. Vielleicht sollte sie deshalb mitkommen. Vielleicht sollte sie doch hier sein, trotz der intimen Worte. Sie hatte nicht viel Erfahrung im Umgang mit solcher Nähe, nur Chibiusa hatte sie so an sich herangelassen. Sie spürte ihren eigenen kräftigen Herzschlag, fühlte, wie sich der zitternde, zierliche Körper immer enger an sie drückte. Es fühlte sich so anders an… Minuten später beruhigte sich Usagi allmählich. Ihre geröteten Augen sahen auf in das Gesicht ihrer Beschützerin. „Danke“, flüsterte sie heiser. Dann streckte sie sich, um Setsuna einen zärtlichen Kuss auf die Wange zu hauchen. Die Wächterin schluckte. Sich räuspernd ließ sie ihre Arme sinken und flüsterte zurück: „Keine Ursache.“ Auf dem Rückweg sagte niemand ein Wort. Schon im Vorhinein hatten sie verabredet, nach dem Besuch des Friedhofs zu Usagis Eltern zu fahren. Auch wenn sie selbst jetzt viel lieber allein wäre, hielt sich Setsuna an den Plan. Aber bis auf die Begrüßung sprach sie auch im Hause der Tsukinos nicht mehr, als sie musste. Sie war nervös, ihre Gedanken drehten sich im Kreis, konnten das dumpfe Gefühl nicht verarbeiten. Immer wieder warf sie Usagi verunsicherte Blicke zu. Sie hätte Haruka schicken sollen. Oder Michiru. Pluto war nie der richtige Mensch dafür gewesen, Trost zu spenden. Bei Chibiusa war es etwas Anderes gewesen. Eine 21-Jährige ließ sich ganz sicher nicht durch einen einfachen Zaubertrick ablenken. Nach dem gemeinsamen Kaffeetrinken verabschiedeten sich Setsuna und Usagi von Usagis Familie. Ikuko tat sich damit schwer, ihre Tochter erneut verschwinden zu lassen, aber für die war es noch nicht an der Zeit, heimzukehren. Vor der Haustür der Äußeren Kriegerinnen wieder angekommen, sah sich Usagi suchend um. Setsuna stand noch immer an ihrem Wagen und starrte abwesend zu Boden. „Kommst du nicht mit rein?“ Setsuna sah auf. „Prinzessin, ich…“ Sie brach ab. Wortlos sah sie in die vertrauten blauen Augen. Usagi wartete einen Moment, bevor sie wieder auf ihre Freundin zulief und direkt vor ihr stehen blieb. Verunsichert sprach Setsuna weiter: „Mein Leben lang träumte ich davon, an deiner Seite zu kämpfen. Ein wahres Leben zu führen, mit dir, hatte ich nie zu hoffen gewagt. Es herrscht Frieden, keine Finsternis bedroht uns mehr. Man sollte meinen, dich zu beschützen wäre nun ein Leichtes. Trotzdem musstest du so sehr leiden. Als er starb, dachte ich, ich hätte versagt. Ich dachte, ich hätte meine Aufgabe vernachlässigt. Aber vorhin… Als du dich in meine Arme legtest, begriff ich, dass wir noch immer eine Pflicht zu erfüllen haben. Du bist und bleibst unser größter Schatz, unser Heiligtum und unser Licht. Mir fällt es nicht leicht, mit deiner Nähe… mit deiner Liebe… Es ist einfacher für mich, gegen Dämonen zu kämpfen, die ich sehen kann. Dir Trost zu spenden, dafür bin ich ganz sicher nicht die Richtige.“ Ein nachdenkliches Schweigen legte sich über die Frauen. Dann durchbrach Usagis Stimme die Stille. „Ich habe bewusst dich gefragt, mich zu begleiten, Suna. Du siehst es vielleicht nicht, aber du schenkst meinem Herzen die Ruhe, die es zum Heilen braucht. Du hast mir mehr als nur Trost geschenkt.“ Wieder legte sie ihre Lippen zärtlich auf Setsunas Wange. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)