Senbonzakura's Song von yezz ================================================================================ Kapitel 6: A Business Arrangement --------------------------------- „Ich werde dafür sorgen, dass Kommandant Kyōraku den Weg hinausfindet. Schau nach Daisuke, Renji.“ Warte, was? Byakuya ließ Renji alleine mit dem… mit Daisuke? Renji begann, gehetzt, die Decke zur Seite zu werfen. „Whoa! Warte eine Minute, denkst du nicht, dass du besser…?“ Doch Byakuya war bereits blitzschnell durch die Tür. Der einzige Beweis, dass der Kommandant ihn passiert hatte, war das leichte Flattern der Säume von Daisukes Kimonos. Derweil war Renjis eigener Shunpo weitaus weniger elegant, hauptsächlich weil er nur ein Taumeln aus dem Bett in Höchstgeschwindigkeit geschafft hatte. Er kam nur bis zur Frisierkommode, seine Hand schloss sich um die Leere, die vor einer Sekunde von Byakuyas Ärmel hinterlassen worden war. Der Wind, den Renjis Blitzschritt verursachte, verteilte die Papiere auf dem Schreibtisch überall im Raum. „Ah, Scheiße“, murmelte Renji, kniete sich hin und begann, sie aufzusammeln, bevor die Papiere von dem schmelzenden Schnee, der sich im Eingang sammelte, durchnässt wurden. „Kann ich ihnen dienen, mein Herr?“, fragte Daisuke. Er hielt seinen blonden Kopf gebeugt, doch er krabbelte über die Türschwelle und begann die Dokumente aufzusammeln, die der Wind versuchte, nach draußen zu befördern. „Uh, ja, danke“, nickte Renji. „Und schließ die Tür für uns, ja? Ich friere mir den Arsch ab.“ Seinen nackten Arsch. Daisuke tat, was ihm gesagt wurde und schob die Tür mit einem dumpfen Geräusch zu. Ohne ein Wort sammelte er danach weiter die Papiere auf. Renji setzte sich im Schneidersitz auf den Tatami und tat so, als würde er die Papiere sortieren. Während er die Dokumente mischte, sah er Daisuke prüfend an. Von dem, was Renji sehen konnte, war Daisuke wohl ein gutaussehender Typ, doch wegen all seiner Unterwürfigkeit musste er erst einmal richtig den Kopf heben, dass Renji das vollständig beurteilen konnte. Doch er hatte kunstvoll arrangierte, unordentliche blonde Locken, jedoch von der weichen Sorte, wenn man seine Finger dadurch gleiten ließ. Oder seidig, wenn man sie für einen Ruck in die Hand nahm. Es beunruhigte Renji, dass er den letzten Gedanken hatte. Er schob es grunzend zur Seite. Renji wollte niemals so ein Kerl sein, einer der sich in dem Moment, in dem er ein wenig Macht hatte, einen Vorteil daraus machte. Besonders nicht da, wenn das Schicksal nicht eingeschritten hätte, die Person, die dort kniete Rukia oder Ozuru hätte sein können. Hatte Daisuke friedlich geschlafen, als diebische Teehaus-‚Anwerber‘ ihn ergriffen haben? Sind seine Freunde und Familie wach geworden und mussten feststellen, dass er weg war? Vielleicht hatte Daisuke sich auch selbst in dieses Leben verkauft. Renji kannte einige Leute, die bereitwillig unterschrieben hatten. Alles schien besser als Inuzuri und die Zuhälter ließen die Teehäuser wie das gelobte Land gefüllt mit Seide, Süßigkeiten und so viel Sake, wie man trinken konnte, klingen. Was war ein bisschen Fleisch im Handel gegen das Leben eines schönen Prinzen oder Prinzessin, beschützt von der harschen Welt im Inneren eines goldenen Käfigs? Doch es war nicht annähernd so, als Renji und seine Truppe eingebrochen waren, um zu versuchen, Rukia und Ozuru da rauszubekommen, nicht wahr? Nein, da waren verschlossene Käfige mit Dreck auf dem Boden, die gefüllt waren mit verzweifelten, verhungernden Seelen – hauptsächlich Frauen, doch ein paar Jungs. Manche von ihnen krank, alle von ihnen hungrig. Das Einzige, was wirklich in Massen zu fließen schien, war Opium… und Tränen. Vermutlich hatten die Teehäuser des ersten Distrikts eine glänzendere Fassade, doch da drunter war es dieselbe Scheiße. Sie hätten beinahe Rukia an dieses Leben verloren… Armer Ozuru hatte sein Leben für einen Fluchtversuch aus diesem fürchterlichen Höllenloch gegeben. Mit einem kaum unterdrückten Knurren stand Renji auf und stampfte hinüber zur Frisierkommode. Er schob die Papiere zurück in ihre jeweiligen Ordner. Renji war auf sich selbst wütend, dass er nicht stark genug gewesen war, um alle zu retten. Wieder. Es schien, als wäre er nie stark genug. Renji schnaubte über seine Schulter: „Wenn du die Beine in die Hand nehmen willst, solltest du das jetzt tun. Ich werde dich nicht aufhalten.“ Mit einem zischenden Atemzug schien Daisuke es doch in Erwägung zu ziehen. Als Renji ihm einen Blick zuwarf, saß Daisuke Seiza, kerzengerade, die Papiere in seinem Schoß waren vergessen und starrte fest zur Tür… oder vielmehr zu dem Platz direkt daneben, an dem Zabimaru gegen die Wand lehnte. Renji schüttelte den Kopf. „Wenn du auf deinem Weg raus nach dem Zanpakutō greifst, ist unser Deal nichtig. Das ist mein Zabimaru.“ Als Renji sich hinunterbeugte und ein paar verbliebene Papiere aufsammelte, stupste er Daisukes Oberschenkel leicht an. „Hörst du mich?“ Als Daisuke seinen Kopf drehte, schoss Renjis Hand nach oben, um Daisukes Gesicht fest am Kiefer zu packen. Mit einer alten Angst, die sich in seinen Eingeweiden wandte, untersuchte er Daisukes Augen nach verräterischen Anzeichen. Pupillen sahen normal aus. Zumindest nicht geweitet. Nicht, dass es immer so einfach war, zu sagen, ob sie auf Opium waren. Daisuke erstarrte unter Renjis Berührung, als würde er sich auf Gewalt vorbereiten. „Ich würde mich niemals wagen, das Zanpakutō eines Shinigamis anzurühren, mein Herr.“ Renji ließ ihn los. Er wandte sich ab und versuchte, sein hämmerndes Herz zu beruhigen und erinnerte sich selbst daran, dass es nicht Rukia und auch nicht die Vergangenheit war. „Geh einfach, wenn du willst, huh? Byakuya wird in einer Sekunde zurück sein.“ „Aber ich… ich habe keinen Ort, wo ich hingehen könnte“, wisperte Daisuke wie zu sich selbst. Bebende Hände umfassten die Papiere in seinem Schoß. „Und die Personenschützer… sie würden mich verfolgen.“ Oh, richtig. Renji hatte vergessen, dass der Junge von mindestens einem Personenschützer eskortiert werden musste. ‚Personenschützer‘, dachte Renji mit einem Schnauben. ‚Wache‘ würde es eher treffen. Außerdem war Daisuke ein Ryoka. Auch wenn Renji kein Kidō-Band um seinen Hals oder Handgelenk sah, musste es dennoch einen verzauberten Gegenstand an ihm geben, der dafür sorgte, dass die Tore sich nicht schlossen und ein Alarm ertönte. Vermutlich war das, was auch immer er hatte, auch als Gegenstand zum Aufspüren nützlich. Warf er es weg, würde der Alarm ausgelöst, behielt er es, wussten sie sofort, wo er war. „Scheiße“, sagte Renji deprimiert. Er ging wieder zu Byakuyas Frisierkommode und steckte die übrigen Papiere in die entsprechenden Akten. Nun waren nur noch die übrig, die Daisuke in den Händen hielt. Renji schaute wieder zu ihm herüber. Daisuke war ein solch langgliedriges Ding – bestand nur aus Beinen und Armen und einer Menge ‚noch nicht ganz vorhanden, aber es begann zu einem strammen, jungen Mann heranzuwachsen‘. Er vermutete, dass es das war und das verrückte Chaos von widerspenstigen Haare, die Renji so stark an Ichigo erinnerte. Daisuke musste Renjis Blick auf sich gespürt haben, denn er blickte auf und ihre Augen trafen sich. Renji hatte den plötzlichen Drang, sich dafür zu entschuldigen, dass er ihm überhaupt eine Flucht vorgeschlagen hatte, obwohl es keinen Ausweg für ihn gab. Doch als Renji den Mund aufmachte, um das Daisuke zu sagen, platzte aus diesem heraus: „Warum sorgen sie sich? Ich meine, entschuldigen sie meine Dreistigkeit, mein Herr, aber warum schlagen sie so etwas überhaupt vor? Ich dachte, sie wären mit meinem Herrn, den Kommandanten.“ „Nun ja, ich bin mit ihm. Vermutlich auch auf der ganzen Weise, wie du es meinst, doch wir haben dem nicht zugestimmt, ok?“, sagte Renji. Er blickte einen langen Moment sauer auf Daisuke hinab, bevor er mit den Achseln zuckte. „Schau, es hat nichts mit dir zu tun. Aber einer meiner Brüder wurde getötet, als ich versucht habe ihn aus einem Teehaus zu befreien. Es hat sich ungefähr so zugetragen, wie du es erwartest, vor allem, weil ich damals nicht viel größer war, als du jetzt und nichts zum Kämpfen hatte, außer diese“, Renji hob seine Fäuste, um sie Daisuke zu zeigen, doch ließ sie seufzend wieder sinken. „Oh“, Daisukes Stimme war leise, aber neugierig. Die Augen, die jede von Renjis Bewegungen beobachteten, waren groß. Renji fragte sich, was er sich dachte, wenn er ihn so anschaute, doch war vermutlich zu gut trainiert, um ‚was für ein Idiot warst du, um zu denken, dass du gegen Yakuza kämpfen könntest‘ hinaus zuplärren. Renji wandte sich wieder den Akten zu, sortierte sie, während er seine Gedanken sammelte. „Eh, zumindest war es kein kompletter Fehlschlag. Einer von uns ist davongekommen. Und ich bin auch ziemlich gut damit weggekommen, dass ich nur für den Diebstahl von Teehausbesitz öffentlich verprügelt wurde und diese bekommen habe“, sagte er und deutete auf die beiden kreisförmigen Tattoos auf seinem Arm. „Oh!“, sagte Daisuke. „Ich hätte sie niemals als Bestrafungstattoos erkannt.“ Daisukes Hand flog zu seinem Mund, als versuche er, die Worte wieder hineinzustecken. Huh, sollte er eigentlich unschuldig gegenüber Tattoos agieren? Er musste schon einen Haufen Straftäter, Gangs und – nun ja – vermutlich alles Erdenkliche gesehen haben. Renji lachte freundlich über Daisuke und erklärte mit einer Gestik über den vollständigen Arm und dem Rest der Tinte: „Ja, das ist irgendwie der Sinn hinter dem Rest davon. Zumindest am Anfang“, sagte Renji mit einem Blick zu Zabimaru. „Zuerst brauchte ich ein wenig, um sie zu verdecken, damit ich auf die Akademie konnte und aus dem Höllenloch raus kam.“ Renjis Augen glitten schuldbewusst über Daisuke und murmelte: „Nichts für ungut.“ Als Daisuke die Luft einsog, dachte Renji, dass er vielleicht ein wenig zu grob war, dem Jungen die Akademie so unter die Nase zu reiben. Er wandte sich um, bereit sich zu entschuldigen, so ein Arsch gewesen zu sein, als er sah, wie Daisuke eines der Dokumente mit einem angehangenen Foto in den Händen hielt. Er schaute mit geweiteten Augen zu Renji auf. „Ihr habt ihn gefunden, den König der Banditen?“ „Der wer, was?“, fragte Renji und nahm das Papier, das Daisuke ihm anbot und sah auf das Foto. Renji blickte auf Daisuke hinab und war sich plötzlich darüber bewusst, dass er immer noch nackt in der Gegend rumstand, während Daisuke in seiner feinen Seide auf dem Boden kniete. Renji drehte sich ein wenig zur Seite, um nicht so… vor seinem Gesicht zu stehen und sagte: „Ich verstehe nicht, was du meinst.“ „Ich habe dem Herrn Kommandant Kuchiki von einem meiner Liebhaber erzählt, der sich selbst der König der Banditen nennt und mir Tee und Versprechen über andere wertvolle Geschenke aus dem Lager des Kommandanten gegeben hatte“, erklärte Daisuke. „Das ist er.“ Renji blickte auf das Foto. Einer der Läufer? Was war das für verschissenes Glück, dass Byakuya den Typen ausgewählt hatte, um seine Cousine zu bewachen? Er ging zurück zur Frisierkommode und schaute durch die Akten. Scheiße, wenn es nicht dieser Typ gewesen wäre, hätte er seine eigene Theorie darüber. „Er ist eine Versetzung von der Fünften“, sagte Renji und sortierte dem Bild die entsprechende Akte zu. „Ich wollte sie Byakuya zeigen, weil ich nicht herausfinden konnte, warum wir den Typen aufgenommen haben. Ich dachte, dass er vielleicht ein Kidō-Experte sein könnte, doch das ist er nicht. Da ist generell nicht viel. Dann sah ich das“, Renji zeigte Daisuke die Unterschrift zur Versetzung. „Wer hat ihn aufgenommen? Miisho.“ Daisuke nickte, doch Renji bemerkte, dass der Junge keine Ahnung davon haben konnte, was er da gerade sagte. Die Tür schob sich auf und Byakuya kehrte zurück. Sein Gesicht war rot und Schnee hing feucht in seinen Haaren. „Ich schwöre, dieser Mann lebt um mich zu peinigen – er und sein Partner.“ Byakuya blinzelte, schien die Szene aufzunehmen: Renji stand nackt an der Frisierkommode, Akten in der Hand und Daisuke, in seiner tiefgrünen Seide, der seinen Kopf sofort zu Boden drückte. Renji hatte den seltsamen Impuls, seine Haare irgendwie zu richten, da er im Spiegel sehen konnte, dass sie in zotteligen, rostigen Strähnen in seinen Augen hingen. Er musste im Vergleich zu dem perfekt gefassten Daisuke wie ein Wildtier aussehen. Byakuya schaute ihn an, als wollte er eine Erklärung. „Renji?“ „Daisuke hat den Banditenkönig erkannt“, sagte Renji, versuchte professionell zu wirken, während er hochrot wurde. Es war seltsam, doch er hatte seiner Nacktheit nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt, als nur er und Daisuke im Raum waren. Doch nun, wo Byakuya zurück war, fühlte sich Renji äußerst… underdressed. „Oh, tatsächlich?“, sagte Byakuya. Er nahm die Akte, die Renji ihm anbot und schüttelte den Schnee aus seinem Gewand. Byakuya runzelte über die Papiere die Stirn. „Dieser Mann hat noch nicht einmal einen Rang.“ „Und doch ist das mein Liebhaber, mein Herr“, sagte Daisuke, sein Kopf war immer noch auf dem Boden. „Vielleicht ist es nicht überraschend, dass ich ihn nicht erkannt habe“, sagte Byakuya nachdenklich. „Ich habe so wenig mit den Ranglosen zu tun.“ Renji griff nach dem Hakama, der über dem Stuhl hing und schüttelte ihn aus. Zumindest konnte er sich so ein wenig anziehen. Als er im Stoff rumwühlte, um die Vorderseite zu finden, sagte er: „Macht irgendwie auch Sinn, dass es jemand sein musste, den keiner erkennen würde, der nicht im Rang aufsteigen konnte… ein Niemand. So Typen geht vielleicht einen ab, wenn sie der Bonze außerhalb der Mauern sein können.“ „Lass sie“, sagte Byakuya, als Renji gerade in den Hakama steigen wollte. „Ich möchte das Gespräch lieber im Bett fortsetzen.“ Renji zuckte zusammen und warf Daisuke einen Blick zu, der dankenswerterweise sein Gesicht noch auf dem Boden hatte. „Uh, ja, aber falls du es noch nicht bemerkt hast, haben wir einen Gast.“ Byakuya schaute noch nicht einmal zurück, als er zum Bett ging. Seine Nase steckte in den Akten, während er die Unterlagen durchging. „Durchaus. Daisuke kann uns dienen. Falls das Abendessen nicht schon kalt geworden ist“, sagte Byakuya, als er zurück ins Bett kroch. Mit einem leichten Schauder zog er sich die Decken um die Schultern. „Es ist ekelhaft draußen. Viel besser, den Abend eingekuschelt zu verbringen.“ „Was?“, Renji hielt mit halb hochgezogener Hose inne. Sein Hirn war stotternd nach ‚Daisuke kann uns dienen‘ zum Halt gekommen. „Verarschst du mich? Du weißt wie ich mich fühle über… all das.“ „Ja, nun ja, es wird kaum ‚all das‘ sein. Daisuke wird uns einfach Sake ausschenken, während wir drei über die Angelegenheit mit dem Banditen sprechen. Sicher gibt es nichts dabei, bei dem du etwas einzuwenden hättest, oder?“ Außer, dass das Ganze unangenehm war. Geschweige denn, dass das genau das ist, wofür die Leute in Teehäusern zahlten. Würde Daisuke auch die ganze Nacht über ihre Witze lachen und ihnen sagen, wie attraktiv sie waren? Doch Byakuya warf Renji einen Blick zu, den er nur als ‚ich hatte einen schlimmen Tag, könntest du nicht diese eine Sache für mich tun?‘ interpretieren konnte. Grummelig ließ sich Renji auf die Kante des Bettes fallen, um sich die Socken auszuziehen. Sie waren nass geworden, also warf sie Renji in die Richtung der Frisierkommode. Dann vergrub er sich wieder unter die Decken, dort wo Byakuya auf ihn wartete. „Also, was hatte Kommandant Kyōraku zu sagen, als du ihn eingeholt hast? Irgendetwas Interessantes?“, fragte Renji. Byakuya blickte zu Renji hinüber und zog eine Grimasse. „Interessantes vielleicht, aber nichts Nützliches. Es scheint, als denke er, alles wäre eine Art von Spiel.“ „Ja, Kommandant Kyōraku liebt seine Spielchen. Ich habe alle Spiele der Gentlemen durch ihn kennengelernt, obwohl er auch Kinderspiele mag“, sagte Daisuke. Er schob sich zum Tablett mit Essen, schaffte es dabei irgendwie elegant auszusehen, obwohl er das alles auf den Knien tat. Mit abgewandten Augen schenkte er Byakuya Sake ein. „Durchaus. Doch ich vermute, dass Shunsuis Lieblingsspiel bei weitem ‚Katz und Maus‘ ist“, sagte Byakuya. „Tatsächlich vertraue ich auch darauf, dass alles, was wir sagen, den Weg zurück zum guten Kommandanten finden wird?“ Daisuke zuckte fast unmerklich zusammen, bevor er lächelte und nickte. „Natürlich mein Herr.“ Hieß das, dass Byakuya eine von diesen Tricks versuchte, bei denen man seinen Gegner mit falschen Informationen fütterte? Oder war es als Frage gemeint, gegenüber wem die Loyalität am tiefsten saß? Renji konnte genauso gut aufhören zu hoffen, dass er der Diskussion jetzt noch folgen konnte. Er griff über die Kante des Bettes, um zu schauen, was es zum Abendessen gab. Byakuya schlug seine Hand leicht weg, doch der Deckel des Korbs fiel mit einem Klappern aus Renjis Griff. „Lass das Daisuke machen.“ „Das mache ich doch auch immer“, sagte Renji und rieb sich theatralisch die Stelle, die Byakuya getroffen hatte, als wäre er tödlich verwundet. Doch dann stellte er richtig: „Außerdem bin ich hungrig.“ Byakuya warf Renji ein kleines Grinsen zu. „Ich dachte, du würdest nicht essen, bevor es auch Daisuke tut.“ „Ich habe schon geplant, im was abzugeben“, sagte Renji. Er hasste es, wie schmollend seine Stimme klang, doch er fuhr dennoch fort. „Außerdem sieht es aus, als gibt es weiche Hefebrötchen. Wir brauchen dafür keine Teller.“ Byakuya schüttelte leicht missbilligend den Kopf, doch murmelte: „Mach was du willst.“ Daisuke beobachtete ihr Gespräch mit gesenktem Kopf. In diesem leichten, schlauem Lächeln auf Daisukes Gesicht konnte Renji schon fast den Bericht an Kommandant Kyōraku hören: ‚Zielpersonen zanken wie ein altes Ehepaar.‘ Er warf Byakuya einen trotzigen Blick zu und öffnete den Korb erneut. Nachdem er eines der weichen Brötchen in seinen Mund gestopft hatte, händigte er Daisuke ein weiteres kurzerhand aus. Daisuke nahm es mit beiden Händen und verbeugte sich tief. Doch statt es gleich zu essen, legte es Daisuke auf dem Tablett ab. Renji rollte mit den Augen. Natürlich würde Daisuke nicht essen, bis Byakuya gegessen hatte. Renji warf sich auf den Rücken und kaute auf dem, mit Schweinefleisch gefüllten, Brötchen herum. Es war etwas kalt, doch immer noch lecker. Er starrte an die Decke, während er Byakuya und Daisuke zuhörte. „Es ist eine Schande, dass du so viel deines Tages in der Seireitei verbringst“, sagte Byakuya zu Daisuke. „Ich habe gehofft, dass du vielleicht Neuigkeiten von unserem früheren 3. Offizier Miisho Ota gehört hast.“ „Ich habe bereits einige Dinge gehört, mein Herr. Ich kann sagen, dass er der neue Herr der Teehäuser im Norden und Osten ist“, sagte Daisuke. „Doch er bevorzugt mein früheres Etablissement im nördlichen, ersten Distrikt.“ „Residiert er dort?“ „Ich glaube schon, mein Herr“, sagte Daisuke. „Die Gerüchte sagen, er sei der Bastard eines geringeren Adligen und hat kein anderes Eigentum, welches er sein Eigen nennt. Doch er zählt den nächtlichen Profit gierig und es heißt, er würde die Preise anheben, in der Hoffnung, viel schneller ein Vermögen anzuhäufen. Doch ich wage zu behaupten, dass er das Klientel im Norden nicht versteht. Offensichtlich weigert er sich, Erfahreneren zuzuhören, weil er unbedingt Land innerhalb der Seireitei kaufen möchte, um dort eine adlige Braut zu unterhalten.“ „Die Cousine“, murmelte Renji. Nachdem er die Reste des Schweinefleischbrötchens von seinen Fingern geleckt hatte, rollte sich Renji wieder herum, um sich das nächste zu schnappen. Doch er hatte sich kaum bewegt, als Byakuya ihm den Korb anbot. Renji nahm ein paar heraus und legte sie auf seiner Brust ab. „Oh, danke.“ „Steh nicht auf. Du siehst so sehr entspannt aus“, sagte Byakuya mit einem liebevollem Lächeln. Nachdem er den Korb wieder abgestellt hatte, spielten seine Finger mit den Enden von Renjis Haaren, die auf der Matratze ausgebreitet lagen. „Außerdem sind sie für mich zu kalt. Du kannst dich auch gerne satt essen. Ich habe vor, all das zurück in die Küche zum Auffrischen zu schicken.“ Byakuya wandte seine Aufmerksamkeit wieder Daisuke zu und sagte: „Und ich habe vor, dich ebenfalls zu entlassen. Sobald Eishirō da ist, werde ich ihm anordnen, eine Mietsänfte zu bestellen, etwas ohne Wappen. Und ich werde dir ebenfalls eine Mitteilung mit einem Höllenschmetterling mitgeben. Es wird klein genug sein, um es einfach zu verstecken. Du weißt, wie sie funktionieren?“ Daisuke musste genickt haben, denn Byakuya fuhr fort: „Benutze ihn, sobald du etwas davon hörst, wo sich Miisho und seine ‚Braut‘ verstecken.“ „Ja, mein Herr.“ Renji war froh, dass er die Decke anschaute. Er hätte Daisuke nicht in die Augen blicken können. Immerhin hatte Renji vor kurzem erst versucht, Daisuke seine Freiheit anzubieten und er hatte gesehen, wie sehr er sie wollte. Nun schickte ihn Byakuya einfach wieder zurück in dieses Bordell, als sei es nichts. Und setzte ihn noch zusätzlicher Gefahr aus. Um sich davon abzuhalten, etwas Dummes zu sagen, stopfte sich Renji ein weiteres Schweinefleischbrötchen in den Mund. Er konnte verstehen, wie nützlich es für Byakuya war, einen Spion zu haben, doch er hasste die ganze Nummer. Er hasste es nicht nur wegen der gesamten Teehaus-Situation, sondern auch weil Renji wusste, dass niemand einen feuchten Scheiß um Daisukes Leben gab. Andererseits musste Byakuya sicherstellen, dem Jungen ein Tantō oder zumindest ein verschissenes Taschenmesser zu geben, damit er wenigstens die Chance hatte, sich selbst zu verteidigen, wenn die Scheiße am Dampfen war. Eishirō tauchte an der Tür auf. Während Byakuya seine Anweisungen gab, griff Renji nach seinem Hakama. Er schüttelte den Stoff aus, band sich die weitläufige Beinbekleidung um die Hüfte, und stand auf. „Renji, was tust du?“, schnappte Byakuya, als Renji die Frisierkommode öffnete und darin rumsuchte. „Suche nach etwas.“ Byakuya schickte Eishirō irritiert weg und sagte dann: „Ja, offensichtlich. Wonach genau suchst du in meinen Dingen?“ „Du hast einen Brieföffner oder so etwas, nicht?“ „Im Büro“, sagte Byakuya. „Warum benötigst du das gerade in dieser Minute?“ Renji hörte auf, in der Schublade herumzuwühlen und schloss sie. Je nachdem in welchem Alter Daisuke dorthin gekommen war, hatte er vielleicht nie ein Messer in der Hand gehalten. Wenn man einer untrainierten Person eine Waffe gab, landete diese mehr oder weniger garantiert in die Hände des Gegners. Aber so, wie Daisuke Zabimaru angestarrt hatte, ließ Renji wünschen, dass da etwas… „Hey“, sagte Renji und drehte sich um. „Wenn du Daisuke einen Höllenschmetterling geben kannst, der an einem späteren Zeitpunkt noch funktioniert, kannst du ihm dann auch noch einen anderen Zauber mitgeben?“ Byakuya schaute Renji an, als wäre er vollkommen verrückt. „Schau, ich dachte nur, es wäre nett, wenn wir, du weißt schon, Daisuke zurück schicken zu…“, dem Hurenhaus war nicht cool, er sollte vermutlich nur sagen „… diesem Ort, er ein bisschen besser bewaffnet sein sollte. Wenn du einen Zauber hinbekommst, den er verstecken kann, warum ihm nicht noch einen anderen mitgeben, wie zum Beispiel Hadō 31 oder so etwas?“ Daisuke nahm Blickkontakt mit Renji auf und er konnte Hoffnung und Dankbarkeit in seinen Augen sehen. Renji blickte weg, da er sich ziemlich sicher war, was Byakuya sagen würde. Tatsächlich schüttelte Byakuya bereits den Kopf. „Ja, ich verstehe deine Besorgnis“, sagte Byakuya geduldig. „Aber ich habe nicht die Fähigkeiten, so etwas in der Eile zu machen. Ein Kidō-Meister könnte es vermutlich, zumindest in der Theorie, aber es braucht bereits Monate, Höllenschmetterlinge für die Nutzung von Nicht-Shinigami vorzubereiten. Ich kann diese nur anbieten, weil wir sie zur Hand haben. Meine Familie nutzt sie in Notfällen.“ Renji sackte etwas zusammen, ließ seinen Hintern gegen die Frisierkommode ruhen. „Ah, richtig. Scheiße. Können wir ihm ein Tantō unterjubeln? Alle in deinem Gefolge tragen sie, oder nicht?“ Ja, aber das ist hauptsächlich formell“, sagte Byakuya. „Außerdem sind sie alle mit dem Wappen der Kuchiki versehen. Ich bezweifele sehr, dass selbst ein sehr fähiger Spion so etwas von einem Personenschützer verstecken könnte, der ohne Zweifel auf regulärer Basis nach so etwas sucht.“ Daisuke nickte. Das machte Renji fast kaputt, denn Byakuya tat normalerweise so, als hätte er keine Ahnung, wie die Dinge in den Teehäusern waren. Doch offensichtlich wusste er, – nein, es war ganz klar seine Vorgaben – dass seine Angestellten nach Waffen suchten. Renji verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist nicht richtig.“ „Was?“, fragte Byakuya. Er hatte so gelegen, wie vorher – seine Füße in der Nähe der Kissen und Schulter und Körper bedeckt – doch nun richtete er sich mit einem Seufzen auf, ließ die Beine über der Seite des Bettes hängen. Renji kräuselte die Lippen. Wollte er jetzt wirklich diesen Streit haben? Renji runzelte die Stirn und blickte auf die Wand. „Vergiss es. Ich denke, er ist dein Eigentum, du kannst machen, was du mit ihm willst.“ Ups. Richtiger Kampfgeist, falsche Worte. „Oh! Meine feinen Herrschaften sollten sich nicht wegen so jemanden wie mich streiten“, sagte Daisuke plötzlich. Er war immer noch auf seinen Knien und seine Augen waren auf den Boden gerichtet. Seine Stimme jedoch war fest und stark. „Ich bin absolut in der Lage, auf mich selbst aufzupassen, wie ich es bereits in den letzten hundert Jahren getan habe.“ Hatte er? Renji wusste, dass überleben nicht genau das Gleiche war, wie die Tatsache, dass es einem gut ging. Besonders wenn man nichts anderes als dieses Leben kannte. „Aber…“ Daisuke blickte zu Renji auf. Renji konnte immer noch etwas von der Verzweiflung in den Augen sehen, doch sein Gesicht war fest von Entschlossenheit… und Stolz. „Sie sind großzügig, mein Herr, und ich weiß das zu schätzen. Doch bitte glaubt mir, wenn ich sage, dass ich nicht ohne Quellen bin. Und auch wenn ich keine Ahnung von Schwertern oder Fäusten habe, habe ich andere Verteidigungen.“ Es war der Schimmer von Stolz, der Renji dazu bewegte, die Diskussion fallen zu lassen. Wie viele Male hatte Renji die gleiche, verdammte Sache gesagt? ‚Ich bin kein Opfer, lass mich auf meine eigene Weise kämpfen.‘ Renji nickte und sagte ernst: „Ja, natürlich hast du das. Ich wollte nicht respektlos sein.“ Nach einem Moment räusperte sich Byakuya. „Vielleicht kann ich noch mehr für dich tun, Daisuke. Ich habe da ein Passwort, welches den Leitern der Teehäuser bekannt ist. Wenn du es nutzen musst, gewährt es dir Zugang zu einer Notfall-Geldanlage und einer versteckten Fluchtroute. Doch benutze es nicht leichtfertig. Sobald es einmal verwendet wurde, kann es niemals wieder benutzt werden. Es war für mich selbst oder meinem Personal gedacht, falls das Schlimmste meinem Clan widerfährt und ich keine andere Möglichkeit mehr habe.“ Whoa, kein Wunder, dass Byakuya die Teehäuser nicht aufgeben wollte. Renji erinnerte sich zum Teil daran, dass Byakuya so etwas gesagt hatte, wie dass sie einen guten Zufluchtsort abgaben, doch Renji hatte keine Ahnung gehabt, dass so etwas damit gemeint gewesen war. Daisuke verstand zweifellos die Bedeutsamkeit dieses Angebotes. Er beugte wieder seinen Kopf und hauchte: „Nein, mein Herr. Ihr Geschenk ist zu viel, zu großzügig.“ „Ich bestehe. Das Wort ist ‚Inuzuri Blüte‘. Missbrauche es nicht. Es ist für mich wertvoll, in vielerlei Hinsicht.“ Richtig, denn es war offensichtlich eine Referenz auf Hisana. Er blickte auf und bemerkte, dass Byakuyas Augen auf ihm lagen, nicht auf Daisuke. Die Intensität von Byakuyas Blick machte klar, dass er sich absolut bewusst war, dass er es ebenfalls an Renji weitergab. Daisuke blickte kurz zu Renji, hatte ohne Zweifel Renjis Akzent aus Inuzuri erkannt. Renji wollte lachen und sagen ‚Netter Gedanke, aber ich bin niemandes Blüte‘, aber dann… plötzlich war sich Renji nicht sicher, denn das Passwort hätte auch ganz einfach eine Kombination aus Renji und Senbonzakura sein können. Byakuya seufzte und sagte: „Ist die Angelegenheit erledigt?“ Renji nickte. Selbst wenn Renji es nicht mochte – nichts davon – hatte Byakuya Daisuke einen wirklich ernsthaften Ausweg bereitgestellt. „Ja“, sagte Renji ehrlich. „Mehr als das.“ „Bist du dir sicher?“, fragte Byakuya. Renji erwischte sich dabei, wie er ein wenig der unterwürfigen Art von Daisuke kopierte und etwas den Kopf beugte. Er war sich sicher, dass er gescheitert war, doch er versuchte es ernsthaft. „Ja, ich… schau, ich bin nur…“, als die Worte ihn im Stich ließen, deutete Renji einfach in Daisukes Richtung. „Bei dem Zeug kommt immer der alte Scheiß hoch, weißt du?“ Byakuya sagte: „Ja, ich erinnere mich. Dein ‚Freund‘, der in den Teehäusern arbeitete.“ Warum hätte Renij schwören können, dass er Anführungszeichen um das Wort Freund gehört hatte? Oh, richtig. Byakuya dachte wohl immer noch, dass er da von sich selbst und nicht von Rukia sprach. Vielleicht sollte er diese Lüge beibehalten. „Ja, das.“ „Wir hatten beide einen schwierigen Tag, Renji. Kommst du zurück ins Bett?“ Statt einer Antwort drückte sich Renji von der Kommode ab und ging hinüber zum Bett. Auf dem halben Weg entknotete er den Hakama und ließ ihn fallen. Er krabbelte unter die Decken und lehnte sich hinüber, um Byakuya auf die Wange zu küssen. „Hey“ sagte Renji sanft in Byakuyas Ohr. „Schenke mir nicht so viel Beachtung. Ich bin schon seit heute Morgen schlecht drauf.“ Das schien Byakuya ein wenig zu entspannen und er vergrub sich wieder in seinem Nest. „Durchaus. Ich ebenfalls.“ Renji streckte sich für einen ungeschickten Kuss aus, da sie Schulter an Schulter saßen. Trotz des lustigen Winkel schien Byakuya es zu schätzen, genauso wie Renjis Hand an seiner Wange. Renji hätte so glücklich mehrere Minuten verbringen können, den feinen Sake auf Byakuyas Lippen und Zunge zu schmecken, doch Renji war sich ihrer Gesellschaft mehr als bewusst. Byakuya seufzte traurig, als Renji sich zurückzog. Er ergriff Renjis Hand und hielt sie in seiner. Byakuya schien vom Abend erledigt und für ihn unüblich blickte er sich ungeduldig um, als warte er den Anblick von Eishirō. Es war offensichtlich, dass er nichts lieber wollte, als mit ihm alleine zu sein. Also stupste Renji seine Schulter an und flüsterte in Byakuyas Ohr: „Bald.“ Das brachte ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Daisuke behielt während dem ganzen Austausch die Augen auf dem Boden. Renji hatte keine Ahnung, wie der Kerl das schaffte. Wenn er in der Situation gewesen wäre, hätte Renji herumgezappelt und wäre hochrot angelaufen, während er alles beobachtete, wie eine Art Tischtennisspiel. Kein Wunder, dass Daisuke einen so guten Spion abgab. Er hatte keine Chance, überhaupt zu sagen, was der Junge dachte, so wie er es in seinem Gesicht versteckt hielt. Byakuya auf der anderen Seite war einfach zu lesen. Er war erledigt. Am Ende. Tatsächlich ruhte sein Kinn an Renjis Unterarm. Hielt immer noch leicht Renjis Hand und schloss die Augen. Zu Renjis vollkommenem Entsetzen wurde Byakuyas Atem zu rhythmischen, flachen Zügen. Er war eingeschlafen. Renji konnte nicht anders, als es süß zu finden, doch wieder einmal hatte Byakuya ihn mit Daisuke alleine gelassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)