Die Erben von NiOniOn (Buch Eins: ANBU) ================================================================================ Kapitel 11: Uchiha Itachi II ---------------------------- Makani brauchte dennoch bis zum Abend des folgenden Tages, um ihren Entschluss in die Tat umzusetzen. Um halb acht stand sie vor dem Haus von Fugaku Uchiha und seiner Familie. Abgesehen vom Dōjō war es das größte und schönste Gebäude im ganzen Viertel. Es bestand aus einem imposanten zweistöckigen Mittelbau und zwei einstöckige Seitenflügeln, in denen jeweils schon eine dreiköpfige Familie genug Platz zum Leben gefunden hätte. Rund um das Anwesen verlief eine breite Engawa, welche von einem mit aufwändigen Schnitzereien verzierten Dach geschützt wurde. Alle zwei Meter wehte eine daran befestigte Fahne im lauen Abendwind: ein rot-weißer Fächer auf schwarzem Grund. Makani war einfach nichts Besseres eingefallen, als zu Itachi nach Hause zu gehen; sie wusste ja nicht, wo sie ihn sonst aufsuchen könnte. Da sie sich aber unter keinen Umständen noch einmal vorwerfen lassen wollte, sie würde ihre Pflichten vernachlässigen, hatte sie von Anfang an vorgehabt, erst nach ihrer alltäglichen zweiten Trainingseinheit herzukommen. Als es aber endlich soweit gewesen war, hatte sie eine weitere Stunde damit zugebracht, einen inneren Kampf mit sich auszufechten, ob sie nun wirklich gehen sollte oder lieber doch nicht. Und jetzt, da sie endlich vor der Pforte zum beeindruckend schön angelegten und gepflegten Garten von Itachis Familie stand, kamen ihr erneut Zweifel: Es würde ihrem Team-Captain definitiv nicht gefallen, dass sie hier aufschlug, aber die Alternative, ihm ebenfalls eine Mitteilung in seinen Spind zu legen, war ihr wenig vielversprechend erschienen… Außerdem besaß sie für seinen Schrank natürlich keinen Schlüssel, wie er offenbar für ihren. Aber ihn stattdessen gleich in seinem Wohnzimmer überfallen…? Vielleicht wäre Makani ihren Bedenken in dieser zweiten Runde doch noch erlegen, wenn sie in diesem Moment nicht von einer Bewegung neben der Eingangstür abgelenkt worden wäre... Ein vertrautes surrendes Geräusch versetzte die Kunoichi instinktiv in Alarmbereitschaft und ließ sie sich bereit machen, in Deckung zu gehen. Im nächsten Moment schlug ein Shuriken kaum zehn Meter entfernt in den Stamm eines Kirschbaumes auf der anderen Seite des Zauns ein. Die Waffe war jedoch nicht kraftvoll genug geworfen worden, um in der Rinde stecken zu bleiben. Sie fiel hinunter und landete mit einem leisen Rascheln im Gras. Daraufhin erhob sich ein etwa zehnjähriger Junge mit widerspenstigen schwarzen Haaren von der Engawa, schlurfte auf den Kirschbaum zu, wobei er Makani einen gleichgültigen Blick zuwarf, und bückte sich dann nach seinem Wurfstern. Sie gab sich einen Ruck und trat durch das Gartentor. „Hallo Sasuke“, rief sie und ging freundlich lächelnd auf den Jungen zu. „Ich bin auf der Suche nach deinem Bruder. Ist er zu Hause?“ Uchiha Sasuke sah Makani für ein paar Momente abschätzend an. „Ist nicht da“, antwortete er dann kurz angebunden, drehte sich um und trottete zum Haus zurück. Makani folgte ihm. „Weißt du vielleicht, wann er wiederkommt? Es ist dringend…“ „Nein“, brummte Sasuke, offensichtlich nicht bei bester Laune. Er setze sich wieder auf die Veranda und ließ den Shuriken gelangweilt um seinen Zeigefinger rotieren. Als Makani jedoch nach über einer Minuten immer noch keine Anstalten machte zu gehen, fügte er schließlich widerwillig hinzu: „Er sollte schon längst da sein, ich hab‘ keine Ahnung, wo er bleibt…“ Ob das der Grund für die schlechte Stimmung des Jungen war? Kurz entschlossen setzte sie sich neben ihn und verkündete: „Dann wird er sicher gleich kommen; ich werde warten.“ Daraufhin richtete er sich empört auf: „Er hat keine Zeit für dich! Er trainiert mit mir!“ Aha, daher wehte also der Wind, dachte die Kunoichi. Sie hob beschwichtigend die Hände. „Oh, ich denke nicht, dass es lange dauern wird – „ Nein, das war gelogen… Zumindest erhoffte sie sich etwas anderes. „ – oder ich warte eben, bis ihr fertig seid.“ Sasuke brummte etwas Unverständliches und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Wurfstern zu. Nach einer Weile fragte er: „Was willst du denn von Itachi?“ „Äh…“ Makani schalt sich in Gedanken, dass sie so unvorbereitet hergekommen war und sich noch nicht einmal eine Ausrede zurechtgelegt hatte. Dabei war es ja alles andere als unwahrscheinlich gewesen, dass sie anderen Mitgliedern seiner Familie begegnen würde – wie unprofessionell! Mal abgesehen davon, dass sie nach wie vor lediglich eine vage Vorstellung davon hatte, was denn nun tatsächlich von ihm wollte. „Tja, äh… ich komme einfach nicht weiter mit meiner Shurikentechnik… Mir wurde dringend empfohlen, mich an deinen Bruder zu wenden; er soll ja wirklich gut darin sein.“ Wirklich ausgesprochen einfallsreich, dachte Makani resigniert und fuhr fort in ihrem Hirn nach Ideen zu kramen, um ihrer Geschichte wenigstens etwas mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, doch ehe sie noch etwas hinzufügen konnte, sprang Sasuke plötzlich auf. „Ja, Er ist der beste!“, rief er aufgeregt und seine Augen begannen zu funkeln. „Oni-san schafft zwei Shuriken pro Sekunde bei einer Trefferquote von zweiundzwanzig zu eins bei bewegten Zielen, bei fixen fünfzig zu eins! Er ist der erste, der mit fünfzehn als A-Rang-Ninja klassifiziert wurde. Im Register erreichen seine Fähigkeiten-Parameter über achtzig Prozent des Maximalwerts“, ratterte Itachis kleiner Bruder herunter ohne einmal Luft zu holen. „So so, das ist ja der Wahnsinn“, sagte Makani, als er schließlich doch innehalten musste, und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es mochte ja viele Leute geben, die ihren Team-Captain nicht sonderlich leiden konnten oder ihn immerhin für eine schwierige Persönlichkeit hielten, doch er hatte offensichtlich nach wie vor auch Bewunderer und der leidenschaftlichste von ihnen lebte anscheinend mit ihm unter einem Dach. „Da hast du aber Glück, dass du mit so einem außergewöhnlichen Ninja trainieren kannst.“ Die Miene des Jungen verfinsterte sich erneut und er sank wieder auf die Engawa zurück. „Ja…“, murmelte er. Makani sah ihn eine Weile nachdenklich von der Seite an. Schließlich fragte sie vorsichtig: „Er hat nicht so viel Zeit dafür, nicht wahr?“ Sasuke seufzte kaum vernehmlich und ließ die Schultern hängen. „Er hat immer sehr wichtige Dinge zu tun…“ Ja, das stimmte wohl, dachte Makani grimmig. Diese ‚Dinge‘ waren ja anscheinend sogar so unglaublich wichtig, dass Itachi nicht einmal genug Zeit zum Arbeiten mit seinen eigenen Arbeitskollegen aufbringen konnte. „Früher hat er viel mehr Zeit gehabt; wir haben fast jeden Tag zusammen trainiert.“ „Das hat bestimmt Spaß gemacht. Wann war das denn?“, fragte sie in beiläufigem Ton. Sasuke scharrte unruhig mit den Füßen im Gras und schien zu überlegen. „Im Frühling letztes Jahr, glaube ich. Da durfte ich zum ersten Mal mit richtigen Shuriken üben, nicht mit diesen stumpfen Babydingern. Danach hatte er dann immer weniger Zeit.“ - seit er in er ANBU ist vermutlich, ergänzte Makani in Gedanken. „Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass er sehr viel zu tun hat. Aber er hätte bestimmt gerne mehr Zeit, um mit dir zu trainieren.“ „Hmm, weiß nicht… glaub‘ nicht“, murmelte der Junge daraufhin finster und die Kunoichi horchte verwundert auf. „Was meinst du? Wie kommst du darauf?“ Sasuke zuckte die Achseln, fuhr fort mit den Füßen zu scharren und schien nicht weiter darauf eingehen zu wollen. Aber als Makani ein paar weitere Minuten schweigend abgewartet hatte, murmelte er schließlich mit gesenktem Blick: „Selbst wenn er zu Hause ist und nichts zu tun hat, redet er kaum noch mit mir. Er fragt nicht mehr, ob ich Fortschritte mache. Er… er ist komisch in letzter Zeit, als wäre gar nicht richtig da und… und er streitet mit Vater.“ Bei diesem letzten Satz weiteten sich Sasukes Augen leicht und sein Tonfall brachte deutlich zum Ausdruck, wie ungeheuerlich er dieses Verhalten seines Bruders fand. Dann sagte er nichts mehr und blickte grüblerisch auf die kleine seichte Mulde herab, die er mit seinen Füßen gegraben hatte. Makani sah ihm eine Weile dabei zu und versuchte ihre eigenen Gedanken zu ordnen. Sasuke tat ihr leid. „Willst du vielleicht ein bisschen mit mir trainieren, bis Itachi nach Hause kommt?“, fragte sie schließlich. Sasuke schreckte hoch und sah sie irritiert an. „Nein“, entgegnete er fast empört und fuhr fort finster vor sich hin zu starren. Doch nach ein paar weiteren Minuten fragte er etwas kleinlauter: „Kannst du Goukakyuu no Jutsu?“ Makani lächelte. „Sicher. Möchtest du das üben?“ Sasuke nickte. Er führte sie einige Meter weg vom Haus zu einem großen Gartenteich und dort fingen sie an zu üben: Makani brachte organgengroße Feuerbälle hervor, die über der Wasseroberfläche schwebten und sich für ein paar Sekunden schimmernd darin spiegelten, bis sie wieder erloschen. Dabei gab sie sich Mühe, ganz genau zu erklären, was sie tat, wie sie das Chakra in ihrem Brustkorb konzentrierte, Druck aufbaute und dadurch Hitze erzeugte. Sasuke hörte ihr hochkonzentriert mit großen Augen zu. Als er es schließlich selbst versuchte, stellte er sich auch gar nicht schlecht an. Vielleicht war er ein bisschen zu verbissen und übertrieb es mit der eingesetzten Kraft. Er wollte diese Technik offenbar unbedingt beherrschen. Aber das würde er auch bald, da war sich Makani sicher, wenn er noch ein bisschen mehr Geduld aufbrachte. Als es langsam zu dunkel im Garten zum Trainieren wurde, war der Atem, den der Junge ausstieß, bereits so heiß, dass Makani ein Büschel vertrocknetes Gras daran entzünden konnte. Sasuke strahlte. Und nur wenige Momente später sah sie endlich Itachi durch das Tor das Grundstück betreten. Sie spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte, aber ihr Team-Captain schien sie und seinen kleinen Bruder nicht zu bemerken; mit gesenktem Blick ging er geradewegs auf die Eingangstür des Hauses zu. Doch nun hatte auch Sasuke ihn gesehen und rannte los. Als er Itachi kurz vor der Engawa erreicht hatte, begann er sofort aufgeregt auf ihn einzureden, was Makani Zeit verschaffte, ein letztes Mal Luft zu holen. Dann ging sie mit ruhigen Schritten auf die Brüder zu, bis sie die Schatten der Bäume verlassen hatte und Itachi schließlich auf sie aufmerksam wurde. Er zuckte kaum merklich zurück und sah sie mit einem seltsamen Ausdruck an. War er tatsächlich so erschrocken sie zu sehen? Doch auch Makani erschrak unwillkürlich beim Anblick ihres Anführers. Er sah… erschöpft aus? Traurig? Verletzlich? Makani konnte es nicht genau benennen, doch sie hätte sich keinen größeren Kontrast zu der steinernen Maske bei ihrer letzten Begegnung vorstellen können. Aber nach nur wenigen Augenblicken schien er zumindest Ansätze seiner gewohnten Beherrschung wiedergefunden zu haben. „…und dann hat es einfach Feuer gefangen, bis es völlig verkohlt war!“, sagte Sasuke gerade, doch Itachi achtete gar nicht auf ihn. Makani hielt seinem Blick stand und sagte mit leiser, aber fester Stimme: „Ich muss mit dir reden.“ Er schien ein paar Augenblicke zu zögern, dann schloss er für den Bruchteil einer Sekunde die Augen und atmete aus, als würde er irgendeinen enorm kräftezehrenden Widerstand aufgeben. Er ließ den immer noch brabbelnden Sasuke einfach stehen, ging zum Eingang und öffnete die Tür. Dann hielt er inne und drehte sich wieder zu Makani um. Sie sollte ihm folgen. „Oni-san! Was ist mit unserem Training?“ So stolz Sasuke noch kurz zuvor gewirkt hatte, als er von seinen Erfolgen berichtet hatte, so stand ihm jetzt tiefe Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. „Es ist spät. Geh ins Bett, Sasuke.“ „Aber du hast gesagt… Es war so lange abgemacht!“ „Ein anderes Mal.“   Makani betrat einen großzügigen Eingangsbereich. Der Raum wurde beherrscht von einer riesigen traditionellen Malerei, die vom Fußboden bis zur Decke reichte und irgendwie einschüchternd wirkte. Darauf war ein großer Mann mit langen voluminösen schwarzen Haaren und grimmigem Gesichtsausdruck abgebildet; im Hintergrund konnte man Blätter, Wald und eine Häuseransammlung erkennen. Der Mann hielt einen Fächer in Händen und schien gerade damit auszuholen. Über seinem Kopf türmten sich gewaltige Gewitterwolken auf. Itachi streifte sich seine Sandalen ab und stellte sie fast schon übertrieben ordentlich neben die Eingangstür. Makani riss sich von der Betrachtung des Bildes los und tat es ihrem Team-Captain gleich. Sie gingen einen langen, kahlen Flur entlang, bis sie in einem der Seitenflügel gelangten, und weiter durch eine Tür betraten sie schließlich Itachis Zimmer. Jedenfalls ging sie davon aus, dass es sein Zimmer war, wenngleich die ausgesprochen spärliche Einrichtung allein kaum drauf schließen ließ: zwei Regale mit Büchern und Schriftrollen, ein in die Wand eingelassener Schrank, ein niedriger Tisch in der Mitte und eine Tokonoma mit einer blassen Landschaftsmalerei und einem schlichten Blumenarrangement darin. Makani ging ein paar unsichere Schritte in das Zimmer hinein. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein Durchgang in den Garten einen Spalt breit offen und gab den Blick auf opulente Hortensienbüsche frei. Itachi wies auf den Tisch und Makani setzte sich. Bevor er ebenfalls Platz nahm, schloss er leise die Tür zum Garten. Irgendwie wäre es Makani lieber gewesen, er hätte es nicht getan, denn nun fühlte sich auf einmal seltsam beengt in diesem großen, leeren Zimmer. Sie starrte ihr Spiegelbild in der blank polierten Tischplatte an, während sie versuchte, den ernsten aufmerksamen Blick Itachis auf sich zu ignorieren und sich stattdessen auf die Worte zu konzentrieren, die ihr nicht einfielen, um dieses Gespräch zu beginnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)