Life Spin-off von ruikamo (another life) ================================================================================ Kapitel 1: another life ----------------------- Ich fand es nie schlimm einen Zwilling zu haben. Eigentlich sogar ganz lustig. Wir haben unsere Haare gleich schneiden lassen und die selben Sachen angezogen, so dass die Lehrer nie wussten, wer wer war. Madison und ich haben zwar das selbe Gesicht, aber wir beide und unsere Eltern wussten ja, wie verschieden wir sind und was an uns besonders ist. Und dann zogen wir mit unserer Mutter in ein Einfamilienhaus, zu dem Rest unserer Familie, in der man selbst ohne einen Zwilling zwischen allen anderen untergeht. Aber kurz nachdem wir eingezogen waren, begegnete ich Tony. Und das veränderte alles. Ich zupfe an meiner blauen Krawatte herum und betrachte meine Schuluniform im Spiegel. Ich bin die Hauptfigur meiner eigenen Geschichte. Diesen Satz sage ich mir jeden Morgen. Ich habe ihn in irgendeinem Buch gelesen und seit dem geht er mir nicht mehr aus dem Kopf. Im Moment brauche ich ihn besonders. Ich wohne jetzt mit meiner ganzen, großen, lauten Familie unter einem Dach. Wir frühstücken gemeinsam, dann gehe ich mit meiner Zwillingsschwester zur Schule, und nachdem wir am Nachmittag zurück kommen, wird wieder gemeinsam gegessen, ferngesehen und dann schlafen gegangen. Ich komme mir gar nicht mehr vor wie ein Individuum, sondern eher wie ein kleiner Teil, einer großen blonden Masse. Seufzend gehe ich die Wendeltreppe runter, in die Küche zum Frühstück. Da meine Mutter, meine Tante und mein Onkel schon auf dem Weg zur Arbeit sind, ist genug Platz, so dass alle am Küchentisch sitzen können. Meine Cousine Kerstin plappert schon so früh am Morgen ohne Punkt und Komma, dass ich bei keinem einzigen Wort zu höre, sondern träge mein Brötchen schmiere. Madison ist im Gegensatz zu mir schon hellwach und voller Tatendrang. Sie sagt zwar nichts und guckt gleichgültig, aber ich kenne alle ihre Mimiken in und auswendig. Ich verstehe zwar nicht warum, aber im Gegensatz zu mir ist sie in ihrer Klasse beliebt. Komisch ist das schon, immerhin sehen wir fast genau gleich aus und sind beide meistens still. Nachdem wir aufgegessen haben, gehen wir zur Schule. Madison und ich fahren mit dem Fahrrad, selbst, wenn es kalt oder regnerisch ist. Nur bei Schnee nehmen wir den Bus. Aber zum Glück ist gerade Frühling, so dass die Tage wieder länger werden und überall bunte Blumen sprießen. Genießerisch lasse ich mein Gesicht von der Sonne wärmen. Madison ist auf dem Fahrrad viel schneller als ich und muss deshalb alle fünf Minuten warten, manchmal auch länger, wenn ich anhalte um einen kleinen Blumenstrauß zu pflücken. Nachdem wir in eine Seitenstraße eingebogen sind, erreichen wir unsere Schule und schließen unsere Fahrräder an. Das Gebäude ist alt aber wirklich schön, der Haupteingang sieht romanisch aus und links und rechts von ihm wurden Rosen gepflanzt. Außerdem ist das Gebäude so groß, dass ich mich darin schon des öfteren verlaufen habe. Mit einer knappen Umarmung verabschiede ich mich von Madison und gehe die lange Treppe zu meinem Klassenzimmer hoch. Es ist laut, zu laut, um zu lesen. Trotzdem starre ich emotionslos auf die Seiten meines Fantasy-Romanes, so lange bis die Buchstaben zu einer schwarz-weißen Masse verschwimmen. Kurz bevor der Lehrer kommt, quatschen alle noch mit ihren Freunden... naja, alle bis auf mich. Ich habe nur eine Freundin, und das ist Madison. Also bin ich in meiner Klasse immer alleine, mit meinen Büchern. Wenn ich nicht gerade lese, versuche ich mich an einer eigenen Geschichte, über eine Außenseiterin, die in einer Zauberwelt Abenteuer bestehen muss und dabei neue Gefährten findet. Es ist unschwer zu erkennen, dass dies eine meiner Wunschvorstellungen ist, obwohl ich eigentlich ziemlich zufrieden mit meinem Leben bin. Immer wenn mir eine Geschichte einfällt, schreibe ich alle Einzelheiten in Stichpunkten auf, um sie später in meine Geschichte einzubauen. Weil ich so viel Fantasie habe, kann ich mich auch gut alleine beschäftigen, nur wenn alle jemandem zum reden haben, fühle ich mich ein wenig armselig. Zum Glück erlöst mich mein Lehrer. Nachdem ich die Schulstunden, die aus fiebrigen mitschreiben und höchster Konzentration bestanden, hinter mir habe, mache ich mich auf den Weg zum Schultor. Hier treffen Madison und ich uns jeden Tag, um zusammen nach Hause zu fahren. Als wir zu Hause ankommen, begrüßen wir zuerst unsere Großeltern, dann setze ich mich erschöpft auf unsere Couch im Wohnzimmer, Madison lässt sich neben mich fallen und schaltet wortlos den Fernseher an. Nach zehn Minuten Sitcom, höre ich, wie die Haustür aufgeschlossen wird. Bestimmt sind es Kerstin und Florian, die ebenfalls von der Schule wiederkommen. Ich hatte recht, nach kurzer Zeit hört man eine Begrüßung durchs ganze Haus gebrüllt. Es ist Florian. Kurz darauf erkenne ich auch Kerstins schnatternde Stimme... aber warte, da sind noch mehr Stimmen, kann dieses Haus überhaupt noch voller werden? "Hey, wir sind wieder daaa~!" Florian schwingt sich über die Couchlehne und landet quietschend neben mir. "Wir haben Besuch mitgebracht" Nun betreten auch die anderen Personen den Raum. Unter ihnen sind zwei Jungen und ein Mädchen. Unsicher mustere ich die drei. Das Mädchen sieht sehr kindlich mit ihren kurzen, braunen Zöpfen und ihrer schlabbrigen Jeans aus. Der Junge neben ihr lächelt zart, versteckt seine Augen aber hinter einem wuscheligen Pony. Mein Blick bleibt bei dem zweiten hängen. Er hat pechschwarze Haare und leichte Mandelaugen. Ich muss gestehen, er sieht irgendwie cool, wenn auch leicht genervt aus. "Das sind Oliv, Josh und Tony", stellt Kerstin die drei vor. Ich murmele ein schüchternes:"Hallo" und versuche zu lächeln. Als der schwarzhaarige... Tony es erwiedert, fühle ich mich irgendwie erleichtert. Kurze Zeit später verschwinden mein Cousin, meine Cousine und ihre Freunde nach oben. Ich mache mich daran, wieder ein wenig die Geschichte in meinem Notizbuch weiter zuschreiben. Bald kommen auch meine anderen Verwandten nach Hause und es wird lauter, weshalb ich mich in das Zimmer von mir und Madison zurückziehe. Irgendwann klopft es an der Tür und Florian streckt seinen Kopf durch den Türspalt. "Jenny,..." ich mag es nicht, wenn er mich Jenny nennt, ich mag generell keine Spitznamen. Jeder Name hat seinen besonderen Klang und auch eine Bedeutung, wahrscheinlich bin ich aber in der Hinsicht nur etwas pingelich, weil ich mir immer Stundenlang Namen für meine Figuren überlege. Meine Konzentration wandert wieder zu Florian. "Könntest du kurz kommen? Wir müssen ein Referat vorbereiten und ihr habt das Thema doch auch gerade in der Schule, kannst du eine kleine Sache erklären?" Er lächelt entschuldigend. Mit einem Seufzer setze ich mich auf:"könnt ihr nicht Madison fragen?" "Eh, Maddie hat keine Lust und ich möchte nicht schon wieder eine Fernbedienung an den Kopf geschleudert bekommen..." "Na schön", mit diesen Worten klettere ich von meinem Hochbett, obwohl ich lieber einfach für mich bleiben und meine Geschichte weiter schreiben würde. "...also müsst ihr nur diese beiden Graphen vergleichen, verstanden?", nach gefühlten zehn Stunden habe ich alles erklärt. "mir raucht der Kopf, es wird Zeit für eine Pause", stöhnt Florian. "Du bist ziemlich schlau..." lobt mich Tony. Irgendwie freut ich mich das, weiß aber nicht warum. "Vielen Dank! Das war echt super!", Oliv schenkt mir ein strahlendes Lächeln. "Naja,..." ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll. "I-ich geh dann mal wieder..." langsam stehe ich auf. "Ja, du hast ja viel zu tun... Jenny schreibt nämlich ihr eigenes Buch!" Fängt Kerstin plötzlich an zu erzählen. "Eh, es ist nur eine Geschichte..." Gott, ist das peinlich! Die drei Besucher sehen mich neugierig an. "Können wir es mal lesen? Wir wollten doch eh ne Pause machen." ,fragt Tony. "Ich, eh, weiß nicht..." " Sie ist bestimmt gut!",versucht auch das braun haarige Mädchen mich zu überzeugen. Und ehe ich mich versehe, sind alle dabei mein Notizbuch durch zu blättern. Nervös spiele ich mit meinen Haaren. Dann erhebt Wuschelkopf - ich hab seinen Namen vergessen - die Stimme ;"du hast einen schönen Schreibstil" "D-danke" ich schaue aus den Augenwinkeln zu Tony, ich weiß nicht wieso, aber irgendwie interessiert mich seine Meinung. Mein Herz klopft rasend schnell, so aufgeregt bin ich, auch wenn ich es nach außen hin nicht zeige. "Ja, ich bin schon gespannt wie es weiter geht", sagt nun auch Oliv. Tony liest immer noch konzentriert. Dann schaut er mir plötzlich in die Augen, so dass ich erschrocken den Blick senke. "Ich denke auch, dass der Stiel an sich gut ist, aber irgendwie fehlt es der Story an Sinn... denn die Hauptfigur ist ein Außenseiter, der in einer anderen Welt plötzlich etwas besonderes ist, aber entwickelt man sich durch so etwas weiter? ", seine Worte bohren sich wie Messer durch mein Herz und doch erleichtern sie mich, er hat sich also wirklich Gedanken gemacht. "Es muss doch irgendeine Grundmoral geben oder nicht?" "Wahrscheinlich schon...", gebe ich leise wieder. Oliv sieht ihn etwas geschockt an. "Ich werde mir darüber Gedanken machen.", seine Ehrlichkeit beeindruckt mich zutiefst, ich selbst kann so etwas nicht, zeige aber auch sonst kaum Emotionen. In diesem Moment durchfährt mich ein warmer Schauer und ein Glücksgefühl breitet sich in mir aus. Lächelnd umklammere ich mein Notizbuch, als ich am Abend im Bett liege und eigentlich einschlafen sollte. Noch nie hat jemand so etwas wohlüberlegtes zu mir gesagt. Zum ersten Mal kam ich mir besonders vor. Die folgenden Tage verbringe ich damit einen Sinn für meine Geschichte zu suchen, der nicht oberflächlich ist, sondern so tiefgründig, wie Tonys Kommentar. Automatisch fange ich auch an, in meinem Leben nach einem Sinn zu suchen. Irgendeinem Traum, den ich verfolgen kann, oder einen Grund, wegen dem ich morgens aufstehe. Über solche Sachen habe ich mir früher nie Gedanken gemacht, weil ich mich eh nie als etwas besonderes fühlte. Ich war immer nur ein Zwilling, oder Teil von etwas, und trotzdem oft allein. Jedes mal, wenn ich Tony wieder treffe, fasziniert er mich ein kleines Stückchen mehr. Er schafft es sich über alles Gedanken zu machen und jede Person einzeln zu betrachten, ohne sich selbst in den Mittelpunkt zu drängen. Und mit der Zeit lerne ich von ihm. Obwohl wir nur ein Jahr auseinander sind, kommt er mir so viel weiser vor, anders als alle anderen. Ich denke mein Sinn ist es die Dinge mehr auf eine andere Art und Weise zu betrachten, mehr wie er. Kritisch, aber dennoch offen. Mitten im Hochsommer verlasse ich nach Schulschluss zu Fuß den Hof. Wenn es so warm ist, lasse ich gerne mein Fahrrad stehen und gehe alleine zu Fuß. Madison fährt dann vor und ich habe Zeit mir Gedanken zu machen und den Sommer zu genießen. Und naja,... des öfteren holt mich Tony auch ab, weil meine Schule auf seinem Weg liegt. Heute wartet aber jemand anderes auf mich. Es sind mehrere Schülerinnen aus meiner Klasse, die sich wegen ihren reichen Eltern für etwas ganz besonderes halten. Ich möchte stumm an ihnen vorbeigehen, als mir eine plötzlich ein Bein stellt. Ich stolpere und finde gerade so mein Gleichgewicht wieder, um mich dann verwirrt zu ihr um zu drehen. "Das hat man davon, wenn man andere nie auch nur eines Blickes würdigt!", sagt sie schnippisch. "Genau, für was hältst du dich eigentlich? Denkst du du wärst etwas besseres?!", stimmt ihre Freundin ihr zu. Eine dritte mischt sich ein:"Ich habe gehört, dass ihr Vater nie zu Hause ist, nur weil er so viel arbeitet, um die Schule zu finanzieren, dabei können die doch auch gleich weg bleiben!" sie reißt mir meine Tasche aus der Hand und schüttet den Inhalt aus. Ich verstehe nicht warum sie das tun. Um mich zu ärgern? Lachend beobachten sie wie ich anfange meine Bücher aufzusammeln. Plötzlich tritt die eine nach mir und ein heißes Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus, so wütend werde ich, was sonst nicht sehr oft passiert. Aber bevor ich sie anfahren kann, mischt sich eine andere Stimme ein :"Man sagt, dass Hochmut vor dem Fall kommt. Bei drei Mädchen, die außer auf anderen Leuten herum zu hacken, keine Talente haben, kann ich mir dass schon gut vorstellen..." ,ich erröte. Diese Stimme kenne ich! Es ist Tony. Er steht ruhig ein paar Meter von uns entfernt. Das eine Mädchen verzieht ihr Gesicht. "Was weißt du denn schon?! Halt dich da raus! Du musst wissen, dass mein Vater so einflussreich ist, dass er dich von der Schule fliegen lassen könnte!" , mit einem triumphierenden Grinsen, verschränkt sie die Arme vor der Brust. "Aha" ,mehr hat er zu dieser Drohung nicht zu sagen und hilft mir meine Sachen aufzuheben. Die drei schauen uns perplex an, spotten aber nicht weiter. "Ihr solltet euch vielleicht weniger Gedanken um euch, als um andere machen, denn so wird man nicht glücklich. Leute herunter zumachen gibt einem keinen Sinn im Leben", fügt er noch hinzu, als wir alles wieder in meiner Tasche verstaut haben. Seine Augen liegen still auf den Augen des einen Mädchens. Dann dreht er sich einfach um, fasst mich an der Hand und zieht mich mit sich. Hinter uns hören wir noch empörtes Rufen. "Danke, du bist echt cool", verdammt, das wollte ich so gar nicht sagen! Aber seine Hand, die meine festhält macht mich nervös. "A-ach, das sind doch idiotische Snops", zu meiner Überraschung ist auch er rot im Gesicht, was ihn aber nur umso niedlicher macht. "Du hast mir viel beigebracht... ", fange ich stotternd an zu reden. "...Aber, eigentlich wollte ich schon immer wissen, was dein Sinn ist", meine Stimme ist leise. Plötzlich bleibt er abrupt stehen, so dass ich sein Gesicht nicht sehen kann, was mich umso nervöser macht. Ein warmer Windstoß fegt durch die Bäume, lässt Blätter rascheln und auf uns herab segeln. "Mein Sinn...", er dreht sich zu mir um und schaut tief in meine Augen. Ich kann nicht anders, als zurück zu starren, so hypnotisch ist das tiefe schwarz seiner Iris. Dann guckt er verlegen hoch zu den Bäumen. "Mein Sinn, dass bist du." er erstaunt mich ein weiteres Mal. Als ich die Bedeutung dieses Satzes erkenne, wird mir auf einen Schlag heiß und gleichzeitig kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. "Ich?" "Ja, du bist kreativ und voller Ideen, die du aber mit niemandem teilen möchtest und außerdem hast du so einen fabelhaften Sinn für Details..." untypisch für ihn, verhaspelt er sich einige Male. "Ich möchte jetzt nichts mehr über mich hören", flüstere ich und wage mich mit meinen Lippen näher an seine. Sie berühren sich sanft. Mein erster Kuss ist einfach traumhaft, unter rauschenden Bäumen, in warmen Sonnenlicht, mit dem Jungen den ich liebe. Die Zeit könnte so für immer stehen bleiben. Du bist auch mein Sinn! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)