Was wäre wenn... von DonnaHayley ================================================================================ Kapitel 23: Entschluss ---------------------- Noch immer hockte Seth in seinem Büro und überlegte sein weiteres Vorgehen. Seine Gedanken konnte er inzwischen sortieren und er fühlte sich nicht mehr überfordert mit der Situation. Die Pause tat ihm gut und er konnte Yasuo wieder unter die Augen treten. Einzig sein verweintes Gesicht wurde er so schnell nicht los und man sah deutlich seine geröteten Augen. Es half nichts, denn ewig konnte er sich nicht verstecken. Wegen eines Liebesgeständnisses fing er an loszuheulen, wenn das sein Sohn gesehen hätte... Entschlossen öffnete er die Tür und schaute in vier Augenpaare, die ihn zurückweichen ließen. Sofort verdunkelte sich sein Gesicht, als Hotaka, Keiichi, Kagami und Naoto ihm den Weg versperrten. „Lasst mich vorbei.“ „Sie sehen fertig aus.“, fing Naoto mitleidig an und ergriff Seth’s Hände. „Können wir Ihnen helfen? Sie haben sogar geweint. Was hat Yasuo angestellt? Manchmal kann er sehr unsensible sein. Wie oft habe ich ihn darum gebeten nicht zu direkt und voreilig zu sein. Für feinfühlige Menschen wie uns, kann das ein wahrer Schlag ins Gesicht sein.“ Da stand dieser riesige Kerl und erwartete, das er ihm sein Herz ausschüttete? Ernsthaft? „Yasuo hat nichts angestellt.“ Konnten sie ihn nicht einfach vorbei lassen? „So sieht das aber ganz und gar nicht aus.“, überlegte der 23 jährige Keiichi. „Yasuo handelt oft unüberlegt, besonders wenn er unter Ärzten ist. Er kann dann extrem manisch reagieren und handelt ohne nachzudenken.“ Kagami, der Anführer der Vierergruppe, klatschte in die Hände. „Wir bringen alles in Ordnung. Überlassen Sie alles uns. Wir bekommen das schon hin, nicht wahr Jungs?“ „Jawohl!“, sagten die anderen drei voller Euphorie. „Zuerst muss das verweinte Gesicht verschwinden.“, begann Naoto und zog Seth hinter sich her. „Jetzt wartet Mal. Wo gehen wir hin? Ich muss doch arbeiten. Meine Patienten warten...“ * „Wie geht es Ihnen, Herr Katsuro?“, stürmte Joey ins Krankenzimmer und schaute aufgeregt zu Yasuo hoch. `Genauso wie mein Junge.´, schoss es Yasuo durch den Kopf. „Danke der Nachfrage, schon viel besser.“ Erstaunt schaute Joey auf den Gips. „Ihr Arm ist richtig gebrochen?“ „Ist halb so Wild.“ „Wann können Sie entlassen werden?“ „Sobald mein Wärter sein okay gibt.“ Seth konnte wirklich streng sein. „Wo sind denn Atemu und Seto?“ Joey druckste etwas herum. „Die waren mir zu langsam, deshalb bin ich vor gelaufen.“ „Wolltest du mich unbedingt sehen?“ Zwar freute Yasuo sich wenn Atemu’s Freunde ihn mochten, aber bei Joey schien es einen anderen Hintergrund zu haben. „Mensch Joey, warum rennst du denn so schnell?“, beschwerte sich Atemu, der mit roten Wangen das Zimmer betrat. „Kaum steigst du aus dem Auto, rennst du los. Bist du sauer, weil ich wissen wollte, warum du so schnell von Zuhause weg wolltest?“ Auch Seto und Masao kamen dazu und schauten Joey abwartend an. „Ich wollte nur deinen Vater sehen.“, maulte der 13 jährige. „Ist das so schlimm?“ „Lenke nicht ab.“ Atemu begann die Geduld zu verlieren. „Es ist doch was passiert und als dein Freund mache ich mir Sorgen. Deshalb...“ „Atemu, es reicht.“, mischte sich Yasuo ein. „Wenn du merkst, das dein Freund nicht darüber sprechen möchte, solltest du dich zurückhalten. Es gibt Probleme, die man nicht mit jedem bereden will. Du musst lernen die Entscheidungen deiner Freunde zu akzeptieren, auch wenn du es nur gut meinst.“ „Warum bekomme ich denn jetzt Ärger?“ Beleidigt ging Atemu zu Masao und vergrub sein Gesicht in dessen Hemd. Er fühlte sich ungerecht behandelt, weil er Joey nur helfen wollte. „So hat Yasuo es nicht gemeint.“, versuchte Masao die Wogen zu glätten. „Doch und das weißt du genau.“ Yasuo hörte deutlich, wie Atemu mit den Tränen kämpfte. Ab und an konnte sein Junge sehr sensible sein. „Ich bin nicht böse. Joey soll nur nicht bedrängt werden, verstehst du?“ „Ich verstehe nicht. Ich bekomme den Ärger, obwohl ich nichts gemacht habe.“ So leicht ließ sich Yasuo nicht beirren und nahm seinen Sohn in die Arme. „Du brauchst nicht traurig deswegen zu sein, mein kleiner Sturkopf. Ich habe auch nicht geschimpft, sondern dich nur auf eine Unachtsamkeit aufmerksam gemacht.“ Auch wenn Atemu sauer war, kuschelte er sich an seinen Vater. Verloren, aber auch neidisch schaute Joey auf die Szene. Wie gerne wäre er jetzt an Atemu’s Stelle. Früher war sein Vater genauso, doch das lag in weiter Vergangenheit. „Willst du heute mitkommen?“, wollte Seto von Joey wissen. „Masao kocht nachher und wir wollen ihm dabei helfen.“ „Ich weiß nicht.“ Verstohlen schaute er zu Yasuo, der noch Atemu tröstete. „Atemu sucht nur Aufmerksamkeit, deshalb dieses Theater.“, winkte Seto ab, der sich für sowas viel zu erwachsen fühlte. „Er ist noch voll kindisch und sucht nach einem Grund bemuttert zu werden.“ „Finde ich nicht schlimm. Sein Vater tröstet ihn wenigstens. Meinem würde es nicht die Bohne interessieren.“ Seto schwieg. Tauschen wollte er nicht mit ihm und er war froh einen Vater zu haben, der zwar viel arbeitete, aber sich auch gut um ihn kümmerte. Nun bekam er einen weiteren Elternteil dazu, der aus Seto’s Sicht ein aufregendes Leben führte und ihn wie seinen leiblichen Sohn behandelte. Vor Joey würde er es nie aussprechen, wie glücklich er über diese Wendung in seinem Leben war. Wie unfair es manchmal sein konnte, sah man ganz deutlich. „Alles wieder gut, Atemu?“ „Nein, erst musst du dich entschuldigen.“, das war das mindeste. „Na schön, es tut mir leid. Dafür entschuldigst du dich bei Joey, weil du ihn bedrängt hast.“ Beleidigt verzog Atemu sein Gesicht. „Das ist gemein.“ Es blieb ihm nichts übrig als sich zu entschuldigen, denn sein Vater würde solange drauf bestehen, bis er es hinter sich gebracht hatte. * „Vorsicht!“, erschreckte sich eine Ärztin, die beinahe von ihrem Chef über den Haufen gerannt wurde. „Entschuldigung, kommt nicht wieder vor.“, rief Seth und rannte weiter. „Auf den Gängen wird nicht gerannt.“, rief die Ärztin ihm hinterher und musste dann zwei mal hinsehen, wer sich da aus seiner Komfortzone bewegt hatte. „Kommt nicht wieder vor.“ Was blieb Seth anderes übrig? Anders konnte er nicht entkommen. Erst an Yasuo’s Zimmertür blieb er stehen und stürmte hinein. „Was ist nur mit deinen Leuten los?“, donnerte er mit hochrotem Kopf drauf los. Yasuo, der in seinem Bett lag, sah von seinem Buch auf. „Was haben sie dieses Mal angestellt?“ Bevor Seth die Tür schloss, schaute er sich nach allen Seiten um. „Die sind dermaßen aufdringlich. Ständig fragen sie mich, ob alles okay ist. Ob mein Kaffee nicht zu heiß ist, warum mein Gesicht so verheult aussieht und weshalb ich so abgekämpft bin. Wenn ich nicht abgehauen wäre, hätte Naoto mir noch Sex-Tipps gegeben. Hast du eine Ahnung, wie schwer es ist ihnen zu entkommen? Ich habe sie mit dem Kaffeeautomaten abgelenkt und bin nur noch gerannt.“ Yasuo fing an zu lachen. „Die mögen dich und Naoto gibt seine Lebenserfahrung gerne weiter. Bevor du dir Sorgen machst, er hat einen Freund. Ich denke du hast schon gemerkt, das er sehr weiblich rüber kommt, trotz seiner sehr männlichen Statur.“ „Gedacht habe ich es mir, aber ich will mit Wildfremden nicht über solche Themen sprechen. Deine Leute sind erbarmungslos. Würde mich nicht wundern, wenn dein Clan der gefürchtetste der Stadt ist.“ „Wenn du mich aus diesem Knast entlässt, bist du sie los.“, zwinkerte Yasuo. „Vergiss es. Du bleibst schön hier, mindestens noch eine Nacht.“ Als ob er sich erpressen lassen würde. „Ich habe dich schon heruntergehandelt.“, grinste Yasuo verschmitzt. „Hast du nicht.“, sagte Seth zu hastig. „Deine Untersuchungsergebnisse sind halt gut und nur deshalb kannst du morgen schon gehen...oder übermorgen.“ Seth zuckte zusammen, als Yasuo dicht an ihn herankam und ihm einen Kuss auf die Wange gab. „Ach, so ist das. Dann kann ich morgen ganz beruhigt nach Hause gehen?“ „Ähm...kannst du.“ Gott, kribbelte seine Wange jetzt. „Du bist ganz rot geworden.“, hauchte Yasuo in sein Ohr. „So ein Quatsch.“ Sein Gesicht wurde noch heißer, als Yasuo seine Arme um ihn schlang und an sich heran zog. „Pass auf deinen Gips auf.“ „Der ist stabil.“, schmunzelte Yasuo. „Lass uns so viel Zeit wie möglich zusammen verbringen und gleich morgen fangen wir damit an. Wie wäre es mit einem feinen Restaurant?“ „O...okay“, dieses warme Gefühl durchströmte Seth’s ganzen Körper. In seinem Bauch flatterten viele kleine Schmetterlinge wild durcheinander, die eine ungewohnte Hitze durch seinen Körper jagten. Eine Berührung von Yasuo reichte aus und sofort machten sie sich bemerkbar. „Ich...ich muss wieder an die Arbeit.“ „Dann will ich dich nicht aufhalten. Doch ohne einen Kuss lasse ich dich nicht gehen.“ „Was...?“ Seth spürte eine kräftige Hand an seinem Hinterkopf, die ihn bestimmend näher an Yasuo führte. Das Gefühl auf seinen Lippen fühlte sich ganz anders an als früher. Schon oft hatte er geküsst, doch noch nie war es so angenehm gewesen. Die sanften und doch bestimmenden Lippen, die ihn in eine andere Welt katapultierten. Die Kräftige Hand an seinem Hinterkopf, die zärtlich durch seine Haare fuhr, bis hin zu seinem Nacken und dafür sorgte, das er am ganzen Körper eine Gänsehaut bekam. Was machte dieser Mann nur mit ihm? Sein Verstand schaltete sich komplett aus und ohne es wahr zu nehmen, ließ er sich auf den Rücken drängen. „Jetzt kannst du gehen.“ Yasuo gab ihm noch einen Kuss auf die Stirn und machte Platz, damit Seth aufstehen konnte. „Warum...warum hörst du auf?“, wollte er wissen und klang enttäuscht. Yasuo blinzelte. „Dann soll ich weiter machen?“ „Was denkst du denn?“, drängte Seth. „Man hört nicht auf, wenn es am schönsten ist.“ „Musst du nicht arbeiten?“ „War gelogen, ich hab noch Zeit.“, drängelte Seth weiter. „Jetzt küss mich gefälligst.“ Wenn man so nett gebeten wurde, durfte man nicht nein sagen, oder? „Du kannst echt sauer werden, wenn du was von mir willst.“ Yasuo machte sich einen gedanklichen Vermerk. In Zukunft nicht so viel diskutieren, sondern gleich weiter machen. „Ich bin nicht sauer, sondern...“ Mensch, kapierte Yasuo nicht was für ein Riesen Problem ihn gerade plagte? Wortwörtlich! „Mach einfach weiter, genauso wie eben.“ Yasuo legte ratlos den Kopf schief, bis der Groschen endlich fiel. „Oh, sag das doch gleich.“ Endlich spürte Seth die warmen Lippen wieder auf den seinen und stöhnte entspannt in den zärtlichen, aber bestimmenden Kuss. * „Was Papa wohl gerade macht?“ Atemu langweilte sich furchtbar, weil es heute nichts zu tun gab. Trübsinnig saß er auf dem Fensterbrett seines Zimmers und schaute nach draußen. „Was soll er schon machen? Er wird im Bett liegen und sich genauso langweilen wie wir es tun.“ Seto blätterte in einem der Schulbücher und hatte sich am Schreibtisch breit gemacht. „Wenn die erwachsenen alleine sind, dann knutschen sie doch die ganze Zeit.“ Jedenfalls sah Joey oft Pärchen die das taten, wenn er durch die Stadt spazierte. Atemu überlegte. „Im Krankenhaus? Kann ich mir nicht vorstellen. Papa hasst diesen Ort.“ „Wirklich?“, wunderte sich Joey. „Vorhin wirkte er aber nicht so, als ob er ungern dort wäre.“ Diese stille Atmosphäre machte Seto schläfrig und auch Atemu und Joey ging es nicht anders. „Ich bin sicher.“, bekräftigte Atemu seine Meinung. „Papa will nur weg und würde da niemals herumknutschen.“ Joey gähnte und kuschelte sich in das weiche Kissen auf Atemu’s Bett. „Wann kommt dein Vater wieder Heim?“ „Weiß nicht, aber lange wird es nicht mehr dauern. Es geht ihm wieder gut, wie wir gesehen haben.“ „Danke, das ich heute hier schlafen darf. Wird leider eng werden, wenn wir uns dein Bett teilen.“ Atemu winkte lächelnd ab. „Als ich noch klein war habe ich mich oft in Masao’s Bett geschlichen, wenn Papa nicht zuhause war. Deshalb bin ich es gewohnt, wenn ich nicht viel Platz habe.“ „Es muss toll sein zwei ältere Brüder zu haben.“ Wie gerne würde Joey tauschen. „Mit Takumi verstehe ich mich nicht so gut, aber Masao liebe ich. Er hat mich immer verstanden und wenn ich Unsinn gemacht habe, nahm er mich in Schutz. Einen besseren Bruder kann ich mir nicht wünschen.“ Joey rollte sich auf die Seite und schaute sich im Zimmer um, welches im Gegensatz zu seinem, hell und freundlich war. „Ich hatte eine kleine Schwester. Sie ist zusammen mit meiner Mutter bei einem Unfall gestorben. Ich erinnere mich noch gut daran. Mein Vater hat sich von diesem Tag an verändert.“ Joey versuchte nicht zu weinen, als die Erinnerungen hoch kamen. „Er war früher deinem Vater sehr ähnlich, Atemu. Plötzlich hatte er keine Zeit mehr für mich, hat fremde Frauen mit nach Hause gebracht und unser Geld in Spielhallen ausgegeben. In der Schule wird viel über ihn gelästert und als Säufer beschimpft. Dabei trinkt er kaum und ist nie betrunken. Die haben alle keine Ahnung. Er hat mich auch nie geschlagen, wie es herumerzählt wird. Er hat einfach keine Zeit mehr für mich. Er hat mich vergessen und lebt sein Leben ohne mich weiter.“ Seto und Atemu sahen sich getroffen an. „Und...“ Seto wollte nicht zu schnell vorpreschen und suchte nach den richtigen Worten. „Du hattest es vorhin so eilig... Hatte das seinen Grund?“ Joey wischte sich mit dem Ärmel seine Pullovers über die Augen. „Ich wollte einfach nur etwas anderes sehen. Ich freue mich immer, wenn ich nicht allein zuhause sein muss.“ Er konnte ihnen nicht die Wahrheit sagen. Sie würden alles nur schlimmer machen. Er kam allein mit seinen Problemen klar, schon immer. Einige Stunden zuvor, legte Joey den Telefonhörer weg und stürmte zur Garderobe. Eilig zog er sich Jacke und Schuhe an und setzte sich dann auf einen Küchenstuhl und wartete ungeduldig das es klingelte. Er konnte es kaum erwarten von Seto und Atemu abgeholt zu werden. Zwar war er es gewohnt alleine in der Wohnung zu sein, aber es blieb immer ein unwohles Gefühl zurück. Deshalb freute er sich so sehr, diesem tristen Dasein zu entkommen und wenn es nur ein Besuch im Krankenhaus war. Er freute sich auch auf Yasuo, der einen Abend bei ihm war und er alles erzählen konnte, was ihm einfiel. Sogar seine heißgeliebte Kartensammlung konnte er zeigen. Yasuo war einer der wenigen Erwachsenen, die sich interessiert zeigten und ihn nicht genervt abschoben. Als es klingelte sprang er eilig auf und wetzte zur Tür. Er wollte gerade aufschließen, doch fremde Stimmen die durch die dünne Haustür drangen, hielten ihn davon ab. Sein Körper durchfuhr ein kalter Schauer, denn es wurde gegen die Tür getreten und an der Klinke gerüttelt. Panische Angst durchfuhr Joey und er suchte eilig nach einem Versteckt. Deutlich hörte er, wie am Schloss herumgefummelt wurde, bis ein lautes Klacken ertönte und die Tür aufschwang. Gerade noch konnte Joey hinter die Couch flüchten und kauerte sich ängstlich zusammen. Sein Herz schlug so heftig gegen seinen Brustkorb, das er fürchtete, die Männer könnten es hören. Beide Hände presste er fest auf seinen Mund, damit kein Laut seine trockene Kehle verließ. Schwere Schritte, gefolgt von rauen dunklen Stimmen hallten durch die Räumlichkeiten. Schubladen wurden aufgerissen und Schränke geöffnet. Der Inhalt wurde scheppernd auf den Boden befördert und verteilte sich auf dem Teppich. Joey betete, sie durften nicht hinters Sofa schauen. Er war so in seiner Angst vertieft, das er nicht wahr nahm, was die Zwei beredeten. Doch die Schritte, die sich ihm näherten hörte er klar und deutlich. `Papa, hilf mich doch.´, flehte Joey in Gedanken. Seine Augen füllten sich mit Tränen, während sein Körper sich wie betäubt anfühlte. Die Schritte fingen an sich von ihm zu entfernen, sie gingen ins Schlafzimmer, wenn er es richtig einschätze. Jetzt oder nie. Joey zwang sich aufzustehen und krabbelte auf allen Vieren zur Haustür. Eilig stürmte er raus und lief beinahe in Atemu hinein. Schlagartig fühlte er sich sicherer, aber er wollte so schnell wie möglich weg von hier. Keiner bekam mit, wie dunkle Augen durch den Küchenvorhang spähten. * „Machen wir nachher weiter?“, wollte Seth wissen, der leider zurück an die Arbeit musste. Er war schon spät dran und musste nun einiges Nacharbeiten. „Gerne, aber willst du so auf den Flur gehen?“ Yasuo richtete Seth den Kragen seines Hemdes und band die Krawatte neu. „Du solltest dich kämmen damit du keinen falschen Eindruck vermittelst.“ „Danke.“ Sie hatten sich nur geküsst und dennoch spürte Seth unglaubliche Hitze in sich. Dieser Tag fühlte sich wie eine Achterbahnfahrt an. So emotional war er noch nie gewesen und noch nie brachte ein Kerl ihn so aus dem Konzept. „Ich warte hier und wenn meine Jungs dich wieder ärgern, sag ihnen, sie sollen Feierabend machen und sich mal bei Shirotani melden. Sie wissen schon was gemeint ist.“ „Hilft das denn?“ „Wirst du sehen.“, zwinkerte Yasuo. * Es war genauso wie Yasuo es sagte. Kaum sprach Seth diesen Satz zu Ende, waren sie mit voller Begeisterung verschwunden. „Das wird eine Aufregende Zeit. Ich bin gespannt was Yasuo für Geschäfte tätigt und mit welchen Leuten er verkehrt.“ Seth fühlte sich bereit eine neue Welt kennenzulernen. Wie schlimm konnte sie schon sein? Weder Yasuo noch seine Leute machten einen furchteinflößenden Eindruck. Atemu war ein unbeschwertes Kind, trotz der jüngsten Erlebnisse mit Ryuji. Der kleine war viel stärker als man auf dem ersten Blick vermuten würde. Yasuo war ein guter Vater und auch für Seto, bei dem er keinen Unterschied machte. Dies war der wichtigste Aspekt. „Ich werde es versuchen. Was habe ich schon zu verlieren?“ Bisher fühlte Seth nur Trostlosigkeit in seinem Leben und mit Yasuo und Atemu kam endlich Farbe hinein. Zwar hatte er auf der einen Seite Angst eine Falsche Entscheidung getroffen zu haben, aber es fühlte sich dennoch richtig an. Es war Zeit etwas im Leben zu riskieren und vielleicht gefiel es ihm sogar. Solange Seto nichts passierte und immer jemand dabei war der aufpasste, sollte alles in geregelten Bahnen verlaufen. Ihm war schon klar alles durch eine rosarote Brille zu sehen, doch ein einziges Mal wollte Seth etwas unvernünftiges tun. Das Gefühl verliebt zu sein durchströmte seinen Körper und machte ihn einfach nur glücklich. * Masao hatte heute alle Hände voll zu tun, aber am Ende war er stolz auf sich. Besonders Atemu war manchmal schwer zu bändigen in seinem Eifer und zusammen mit Joey, der ebenfalls sehr lebhaft war, musste er mehr aufpassen als sonst. Nun schlief Joey zusammen mit Atemu im Bett, während Seto es sich im Futon gemütlich gemacht hatte. „Jetzt muss ich nur noch meinem Bruder schreiben und kann dann endlich auch ins Bett.“ * Gedankenversunken las Yasuo die Nachricht seines Bruders. „Was meinst du dazu, Seth?“ Eigentlich wollte Seth nach Hause, aber da Yasuo ihm versicherte, das Seto bei Masao und Atemu war, blieb er einfach hier. „Du sorgst dich sehr um den Jungen, das verstehe ich, aber...“ Seth machte eine Pause. „Was willst du tun? Du kannst doch nicht einfach...“ „Ich würde gerne seinen Vater sprechen. Es lässt mir sonst keine Ruhe.“ „Sollten wir uns denn einmischen? Herrn Wheeler ist es bestimmt nicht recht, wenn Wildfremde Leute sich in seine Angelegenheiten mischen.“ Seth wollte ja helfen, doch nach seinen Erfahrungen führte es zu noch mehr Ärger. „In dieser Wohngegend werden Schutzgelder erpresst und wenn man nicht zahlt, kann das übel für einen enden. Joey erzählte mir, das sein Vater ein Spieler ist. Dann wird er auch Schulden haben und wenn er bei den falschen Leuten im Verzug ist, ist nicht nur Herr Wheeler in Schwierigkeiten, sondern auch sein Sohn. Die machen keinen Unterschied zwischen einem Kind und einem Erwachsenen. Die wollen ihr Geld und nehmen keine Rücksicht. Ich kenne diese Leute, Seth. Vertrau mir, wenn ich sage, das der kleine Joey in Schwierigkeiten steckt.“ „Ich vertraue dir, aber hier geht es um einen Jungen, dem es offensichtlich gut geht. Auch wenn sein Vater ein Spieler ist, heißt das noch lange nicht, das er in Schwierigkeiten steckt.“ Yasuo ließ sich in sein Kissen fallen. „Ich werde Herrn Wheeler in den nächsten Tagen einen Besuch abstatten. Vielleicht klärt sich die Angelegenheit schnell auf. Ich habe sonst keine Ruhe. Wenn sie nicht in diesem Viertel leben würden, wäre ich nicht so besorgt.“ „Ich komme mit, aber mein ungutes Gefühl bleibt.“ Seth legte sich neben Yasuo und fuhr nachdenklich mit dem Zeigefinger über die Brust seines Liebsten. „Liebst du mich wirklich so sehr?“ Da brauchte Yasuo nicht lange nachdenken. „Immer wenn ich dich sehe bekomme ich starkes Herzklopfen. Weißt du, ich habe meine Jungs absichtlich zu dir geschickt, weil ich sehen wollte, wie du mit ihnen umgehst.“ Zwar hatte Seth sich das schon gedacht, aber er hatte einen anderen Grund im Sinn. Yasuo schaute seinen Seth verliebt an, dessen blaue Augen wie das Meer strahlten. „Naoto, Keiichi, Kagami und Hotaka sind leicht zu beeinflussen und wenn man strenger mit ihnen wird, gehorchen sie aufs Wort. Wärst du ernsthaft sauer auf sie geworden, wären sie dir nicht hinterhergerannt. Weißt du, einen Clan zu führen bedeutet auch, seine schwächsten Mitglieder zu schützen und niemanden einen Platz an meiner Seite zu geben, der sie am Ende tyrannisiert. Sie bekommen lediglich kleine Aufgaben von mir, die sie ohne große Schwierigkeiten erfüllen können.“ „Du machst so große Unterschiede zwischen deinen Leuten?“ Verwundert runzelte Seth die Stirn. „Das muss ich, denn nicht jeder ist für jede Aufgabe geeignet. Loyalität ist mir am wichtigsten und alles andere kommt danach. Viele andere haben mich dafür verurteilt, aber der Erfolg spricht für sich.“ Seth richtete sich auf und schaute Yasuo tadelnd an. „Eigentlich müsste ich wütend auf dich sein, weil du mir diese vier Nervensägen geschickt hast, aber...“ Seth konnte und wollte es nicht verbergen. „Ich mag sie, obwohl sie mir den letzten Nerv geraubt haben. Ich kann gut verstehen, weshalb du so gut auf sie achtest.“ Yasuo konnte nicht anderes und zog Seth zu sich hinunter. „Ich liebe dich, mein Seth. Ich würde alles für dich tun. Wenn ich morgen entlassen werde, nehme ich dich mit zu meiner Firma und werde dir alles zeigen. Ich werde nichts vor dir verbergen, damit du weißt worauf du dich einlässt.“ Seth musste diesen Satz sacken lassen, denn wenn Yasuo von seiner Firma sprach, was erwartet ihn? * Mit geschlossenen Augen stolperte Atemu aus dem Bett. Den Wecker hätte er am liebsten aus dem Fenster geworfen, denn sein Schrilles Geräusch konnte er noch nie leiden. Warum musste heute Montag sein? Es gab keinen schlimmeren Tag in der Woche. Müde schlurfte er an Masao vorbei und ging ins Bad. „Hoffentlich ertrinkt er nicht unter der Dusche.“, schmunzelte Masao und wollte nach den anderen beiden schauen, die noch tief und fest schliefen. „Wenn ihr noch frühstücken wollt, solltet ihr aufstehen.“ „Es ist so schön gemütlich.“, nuschelte Joey und drehte sich auf die andere Seite. Auch Seto zog sich die Bettdecke über den Kopf. Verwundert zog Masao die Stirn in falten. „Ihr seid alle noch müde? Entweder habt ihr euch zu lange unterhalten, oder ihr werdet krank. Sitzt der Schreck von Yasuo’s Unfall etwa so tief?“ „Quatsch“, brummte Seto unter seiner Decke. „Ich war erst krank! Ein zweites Mal passiert mir das nicht.“ „Überzeugt bin ich nicht. Fünf Minuten habt ihr noch, wenn ihr dann nicht aufsteht, werde ich bei euch Fieber messen.“ Seto stöhnte genervt. „Ich steh ja schon auf. Als wäre ich ein kleines Kind. Dabei hielt ich Masao für lockerer, als Yasuo.“ „Ich bleib noch liegen, bis das Badezimmer frei ist.“, gähnte Joey und kuschelte sich in die dicke Decke. Eine Halbe Stunde später saßen alle am Frühstückstisch und schlürften ihren Kakao. „Kann ich keinen Kaffee bekommen?“, fing Seto an zu maulen. „Von der Plörre werde ich ja nie wach.“ „Abgelehnt! Du hattest die Wahl zwischen Kakao und Tee. Für Kaffee bist du zu jung.“ „Früher hab ich auch immer Kaffee getrunken.“, zischte Seto. Masao zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Es sind neue Zeiten angebrochen und Yasuo wird deinen Kaffeekonsum nicht tolerieren, wie du weißt. Deshalb versuche nicht mit mir zu diskutieren, denn du würdest doch nur verlieren.“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen nahm Seto sich gleich zwei Brötchen und nuschelte etwas von, genauso schlimm wie sein Bruder. Masao nahm es gelassen und freute sich alles so gut im Griff zu haben. Es fühlte sich wie früher an, nur das er dieses Mal der Erwachsene war und es viel friedlicher ablief. Zehn Jahre zuvor, saß der zwei jährige Atemu zusammen mit seinem Vater, dem zwölfjährigem Masao und dem acht Jährigen Takumi am Frühstückstisch. „Solange Großvater krank ist, müsst ihr schön brav sein, verstanden?“, bat der 20 jährige Yasuo und versuchte Atemu davon abzuhalten, seinen Brei überall hinzuschmieren. „Was machen wir denn heute?“, wollte Takumi wissen. „Wir machen nachher eine Spaziergang und gehen auf den Spielplatz“ „Schon wieder?“, fing Takumi an zu quengeln. „Das machen wir doch immer. Ich will in den Vergnügungspark.“ „Das geht nicht. Atemu ist erkältet und Opa kann heute nicht auf ihn aufpassen.“ „Ich will aber!“, fing Takumi an wütend zu werden. „Nächstes Wochenende fahren wir dorthin, aber heute gehen wir nur auf den Spielplatz.“, erklärte Yasuo es noch einmal und bekam prompt die wutentbrannte Antwort, indem Takumi beide Fäuste auf dem Tisch schlug. Durch die Erschütterung fiel eine Tasse um und dessen Inhalt verteilte sich auf dem ganzen Tisch. Yasuo sah seinen Bruder tadelnd an. „Ich kann deine Enttäuschung zwar verstehen, aber das ist kein Grund uns allen das Frühstück zu verderben.“ „Mir doch egal, du bist nicht mein Papa!“, wurde Takumi lauter und wütender. Masao zog den Kopf ein und schaute auf seinen Teller, während Atemu gespannt auf das Geschehen schaute. Mit seinen kleinen Fäusten polterte er auf dem Tisch herum, aber erzielte nicht das gewünschte Ergebnis. „Das bin ich wirklich nicht.“, seufzte Yasuo und breitete die Arme aus. „Komm her.“ Takumi haderte mit sich, aber nahm die Einladung am Ende doch an. Traurig kuschelte er sich an seinen großen Bruder. „Warum kann er nicht wieder kommen?“ So oft hatte Yasuo dieses Gespräch schon mit Takumi geführt und wann immer er damit anfing, lag etwas im argen. „Übermorgen ist doch das große Sportfest an eurer Schule. Bist du deswegen so traurig? Weil Papa und Mama nicht hingehen können?“ Takumi nickte unter Tränen. „Ich werde kommen, wie ich es versprochen habe. Wenn es Opa besser geht, wird er auch dabei sein und nicht nur er. Es werden alle da sein und dich und Masao anfeuern.“ „Kommt Akiko auch?“ „Selbstverständlich und auch ihre Familie. So ein wichtiges Ereignis wird keiner von uns verpassen. Naoto hat sich extra eine neue Kamera gekauft, damit er euch filmen kann.“ Takumi schaute seinen Bruder mit großen Augen an. „Dann können wir Mama alles zeigen?“ „Aber ja, wir werden sie hinterher besuchen und ihr alles erzählen.“ Takumi fing an zu strahlen. „Dann mach ich schnell den Tisch sauber, damit wir auf den Spielplatz gehen können.“ Erleichtert lehnte sich Yasuo zurück. Der Wutausbruch war also abgewendet, blieb noch sein anderer Bruder, der mit hängendem Kopf sein Frühstück anstarrte. „Mein Kleiner, was machst du denn für ein Gesicht?“ „Ich will nicht aufs Sportfest. Ich bin nicht gut im Staffellauf und der Hindernislauf liegt mir auch nicht.“ „Du kannst mit uns zusammen zusehen, wenn dir das lieber ist.“ Sein kleiner Bruder hasste es im Mittelpunkt zu stehen und wenn ihn alle anstarrten, bekam er vor Aufregung nichts mehr auf die Reihe. „Dann schimpft aber der Lehrer mit mir.“ „Ich werde dich nicht zwingen und wenn du dich so wohler fühlst...“ „Ich mach ja mit.“, sagte Masao hastig. „Aber erwarte nicht von mir zu gewinnen.“ „Hab ich das je verlangt?“ Masao schüttelte den Kopf. „Ich will auch nicht gewinnen.“ „Wenn mein kleiner Trotzkopf keine Lust hat, ist das vollkommen in Ordnung für mich. Ich weiß wie gut du bist und welche Talente in die Schlummern.“ „Warum machst du das ständig?“, wurde Masao wütend. „Warum erwartest du nichts von mir?“ Damit hatte Yasuo jetzt nicht gerechnet. „Ich erwarte nichts? Lass mich mal überlegen. Du schreibst gute Noten, passt auf deine Brüder auf, wenn ich dich darum bitte und hast neulich sogar einen Freund mit nach Hause gebracht. Du erfüllst alle meine Erwartungen, ohne das ich etwas sagen muss. Damit hilfst du mir viel mehr, als du es dir vorstellen kannst. Du bist ein toller kleiner Bruder, auf den ich sehr stolz bin.“ Gerne dachte Masao an diesen Tag zurück. Er fühlte sich wertgeschätzt und bis heute hielt es an. Er bekam immer wichtigere Aufgaben zugeteilt und nun stand er an dritter Stelle, obwohl er noch so jung war. Schon immer bewunderte er die Geduld seines Bruders und wollte auch so sein wie er. Egal welche Probleme sie in ihrer Kindheit hatten, sie konnten immer zu ihm gehen und fanden gemeinsam eine Lösung. Durch ihn bekam er immer mehr Selbstvertrauen und von dem in sich gekehrten schüchternen Jungen, war heute nichts mehr übrig geblieben. Die Ermordung seines Vaters und den dazugehörigen Verlust hatte er mit der Zeit verkraften können, die der Auslöser für seine Ängste waren. „Ich hab heute keine Lust.“, stöhnte Joey und schlurfte aus der Küche. „Bringen wir es hinter uns.“ Atemu wollte auch lieber hier bleiben und auf seinen Vater warten. Er war so schrecklich neugierig was Seth nun zu dem ganzen sagte und ob sie jetzt ein richtiges Paar waren. Joey plagten ganz andere Sorgen, denn er musste noch schnell nach Hause und seine Schultasche holen. Doch weder Masao, noch Atemu oder Seto sollten es mitkommen. Das Chaos in der Wohnung durfte keiner sehen und deshalb schlich er sich leise hinaus und beeilte sich, damit er noch pünktlich zur Schule kam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)