From Snow and Light von _Delacroix_ ================================================================================ IV. --- Der Schnee auf dem Berg entpuppte sich als ganz anders als der Schnee im Tal. Hatte er unten noch auf zusammengedrücktem, plattem Zeug gestanden, so stand er nun inmitten von pulvrigem Weiß, dass ihm völlig ungeniert in die Schuhe und in die Socken rieselte. Langa schien das gar nichts auszumachen. Er hatte den schwarzen Sack vor ihnen in den Schnee sinken lassen und nestelte mit ungewohnter Präzision an einem Reißverschluss herum. „Ich habe sie für uns ausgeliehen“, erklärte er, während er ein langes Stück Holz aus seiner Verpackung befreite. Einen Moment lang starrte Reki es an, dann erkannte er die glatte Oberfläche und die gleichmäßige Wölbung. „Das ist ja ein Board!“, entfuhr es ihm. Langa nickte, während er noch ein Zweites hervor beförderte und den Transportsack zusammenzufalten begann. „Das ist ein Yuki-Ita“, erklärte er, während Reki neugierig um die beiden Boards herumlief. Sie sahen ein bisschen wie zwei unbemalte Longboards aus, nur das sie keine Räder zu haben schienen. Dafür hatte jemand eine Schnur an ihnen angebracht. „Yuki-Ita sind anders als normale Snowboards. Die Beine werden hier nicht festgeschnallt. Das heißt, du musst das Board komplett mit deinem Gleichgewicht steuern.“ „Und dafür ist die Schnur?“ „Du sagtest doch, dass du den Gedanken nicht magst, deine Beine könnten fest mit einem Board verbunden sein“, erklärte Langa weiter, „Da dachte ich …“ Reki schenkte ihm ein breites Grinsen und streckte ihm die Faust zu einem Faustcheck entgegen. „Das wird die coolste Abfahrt überhaupt!“ Langa nickte zuversichtlich, während Reki bereits den Fuß auf eines der Boards stellte. Der Grip der Oberfläche war gut. Außerdem war es sehr angenehm, mal keinen neuen Schnee in den Schuh zu bekommen. „Hast du noch irgendeinen Tipp für mich?“, fragte er über die Schulter hinweg. Langa überlegte. „Wer unter dir fährt, hat Vorfahrt“ (5), entgegnete er schließlich. Reki war sich nicht sicher, ob das wirklich das war, was Langa hatte sagen wollen, doch er beschloss, dass er das bei der Abfahrt schon selbst herausfinden würde. Hoch motiviert stieß er sich mit dem freien Fuß ab, so gut es im pulvrigen Schnee eben ging und begann erst langsam und dann immer schneller auf dem Leihboard in Richtung Tal zu gleiten.   Es war nicht besonders schwer, das Gleichgewicht darauf zu halten und nach ein oder zwei zaghaften Versuchen funktionierte es auch mit den Kurven schon ganz gut. Das lange Holzboard erinnerte ihn wirklich ein bisschen an sein Skateboard, das er, wenn auch nur sehr widerwillig, daheim gelassen hatte. Auch an die Ausschilderung der Piste hatte er sich schnell gewöhnt. Er folgte einfach den blauen Markierungen den Berg hinunter, ließ sich hier und da von einem Skifahrer überholen und gewöhnte sich an das Gefühl des Boards, wenn es über die eine oder andere Unebenheit hinweg glitt. Vielleicht konnte er mit diesem Holzding ja sogar einen Olli machen. Immerhin konnte er den auf seinem Skateboard zu Hause auch. Reki verlagerte sein Gewicht leicht zur Mitte des Boards hin, entschlossen, das direkt einmal auszuprobieren, dann hob er den hinteren Fuß und presste ihn auf den Tail. Das Board schoss nach oben, Reki zog den vorderen Fuß an der Seite nach vorne … Zu spät wurde ihm klar, dass das Board deutlich länger war als seines. Einen Moment lang flog er durch die Luft, dann landete er mit einem dumpfen Plopp im Schnee. Weiße Flocken stoben um ihn herum und machten ihm das Sehen schwer. „REKI!“, hörte er Langa rufen und reckte mühsam den Arm in die Luft. Er hörte das Geräusch von Holz, das sanft über den Schnee hinweg glitt, dann verstummte es plötzlich und eine Hand schlang sich um seine. Reki atmete auf, während er sich von Langa aus dem Schnee ziehen ließ. „Scheint, als müsste ich an meinem Ollie noch ein bisschen arbeiten“, scherzte er, während Langa stoisch versuchte, den Schnee von seinen Schultern zu wischen. Einen Moment lang starrten sie einander an. Langa ausdruckslos wie immer und er mit einem schiefen Grinsen im Gesicht. „Du bist voller Schnee.“, brach Langa schließlich ihr Schweigen. Seine Hand verschwand irgendwo in Rekis Haaren. „Keine Ahnung, wie du das hinbekommen hast.“ Reki lehnte sich in die Berührung. Er wusste es noch sehr viel weniger. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)