Inu Yasha no yomi von Hotepneith (Inu Yasha in der Unterwelt) ================================================================================ Kapitel 20: Verträge der Youkai ------------------------------- Inu Yasha folgte dem Haushofmeister, der nur - „Verzeihung, oyakata-sama“ - einen anderen weggeschickt hatte, in den privaten Trakt des Fürsten, mit einem raschen, unwillkürlichen Blick herum. Er war hier zwar schon einmal gewesen, schließlich hatte er eine Nacht im Zimmer des Hausherrn verbracht, aber dennoch war er überrascht wieder dorthin geführt zu werden. Nun gut. Fast. Wo sich auf der hinteren Seite die Tür zum Vorraum und dann dem Schlafzimmer des Fürsten befand, ging eine andere nach rechts ab, die Kyoichi beiseite schob. So blieb er auf der Schwelle stehen und musterte den Raum. Den ihm nii-san zur Verfügung stellte. Ziemlich groß, übersichtlich und, wie eine zweite Tür im Hintergrund verriet – sogar mit eigenem Badezimmer. „Wer wohnt denn sonst hier?“ erkundigte er sich. „Niemand, oyakata-sama. Das Schloss wurde ja erbaut, nachdem das Fürstentum in dieser Form entstanden war. Und dieser Raum wurde für den Thronfolger gedacht, wenn er alt genug wäre der mütterlichen Aufsicht entnommen zu werden.“ Jetzt war natürlich der Halbbruder des Fürsten der nächste Agnat am Thron. Klar. Bruderherz dachte im Voraus, das musste er ihm wirklich zubilligen. Umso saurer dürfte der sein, dass das bei Ryuuichi ein wenig schief gelaufen war. Aber er ging rein, seine Oberbekleidung bereits öffnend. „Ich bekomme was anderes zum anziehen.“ Darin lag keine Frage. Der Haushofmeister neigte jedoch den Kopf. „Ich schickte bereits um Seidenkleidung, oyakata-sama. Wünscht Ihr ein Bad?“ „Kann ich mich da hinten waschen?“ „Ja.“ Das war immerhin das versteckte Angebot gewesen ihm einen männlichen oder weiblichen Dienstboten zu schicken. Aber, wie auch der ehrenwerte Fürst nahm der Bruder alles wohl lieber selbst in die Klauen. „Wünscht Ihr noch weitere Auskünfte?“ Inu Yasha warf Kyoichi einen schrägen Blick zu. „Ich vermute, du hast kaum Zeit. Also, nein. Du kannst gehen.“ Irgendwie schien der Kerl überall gleichzeitig sein zu müssen und das auch zu schaffen – eindeutig keine Fehlbesetzung. Das bedeutete, dass sich der junge Herr wirklich lieber selbst kümmerte und ihn seine Arbeit machen ließ. Nach allen Erfahrungen seines Lebens durchaus ein Zug im Westen. Er fand es nur erstaunlich, dass der, nun, in Gedanken durfte er es aussprechen, Bastard des verstorbenen Taishou so sehr dem Fürsten glich. Er verneigte sich allerdings nur höflich und wollte gehen, als bereits ein Diener ihm an der Tür entgegenkam, ein Päckchen Seide im Arm. Zu seiner Zufriedenheit stellte er fest, dass seine Mitarbeiter mitdachten, auch eine Binde für die Unterbekleidung war dabei. So nahm er es ab und wandte sich noch auf der Schwelle um. „Oyakata-sama?“ Der Hanyou musterte die Kleidung irritiert. „Blau-weiß?“ entfuhr es ihm. Gab es da nicht irgendwie eine Regel mit den Hausfarben? Kyoichi erstarrte. Hatte er etwa falsch mitgedacht? Oh, nein, das konnte der doch nicht unter Youkai aufgewachsene junge Herr nicht wissen. „Das sind die Farben Eures verehrten Vaters,“ erklärte er darum. „Ich vermutete....“ Inu Yasha winkte schon ab. Er entsann sich nur zu gut, wie die Seele seines Vaters im yomi no kuni gekleidet gewesen war. „Sesshoumaru trägt rot und weiß.“ Oh. Der kannte sich doch aus. „Äh, ja, oyakata-sama. Das sind die Farben des Vaters seiner Mutter, des ersten ...sozusagen Fürsten der Familie, wenngleich natürlich das damalige Fürstentum klein war. Sesshoumaru-sama trägt es zu Ehren seines Großvaters. Allerdings, ich vermutete...“ „Ja, schon klar.“ Es war sicher keine Herabwürdigung, wenn man ihm die Farben seines Vaters gab, wie er im ersten Moment schon vermutet hatte. Er sollte dem Typen was zutrauen – und auch nicht vergessen, dass Bruderherz ihm was schuldig war. Der würde bei all seinem verqueren Denken von Ehre und Stolz nicht zulassen, dass er ihn blamierte. „Ach, noch was... holt mich jemand oder soll ich dann allein in die Audienzhalle gehen? Ja, ich kenne den Weg.“ „Das ist mir bewusst, oyakata-sama. Geht nur dorthin, wenn Ihr fertig seid. Es sind nur noch zwanzig Minuten.“ Kyoichi verschwand.   Was für eine reizende, kleine, Erinnerung. Und ja, wenn man es so nahm, seine gewöhnliche Kleidung stank wirklich zum Himmel oder nach yomi, wie man es nennen wollte. So zog sich Inu Yasha eilig um. Hm. So sah er seinem Vater schon ähnlich, dachte er. Seltsam. Und dann befiel ihn die Erkenntnis, dass er wohl auch soeben Kleidung seines Vaters trug. Niemand hatte doch in diesem altmodischen Youkaischloss dessen Farben einfach so tragen dürfen. Naja, Brüderchen vermutlich, aber sonst... Eigenartiges Gefühl. Er sah an sich hinunter. So wirkte er schon vornehm, zugegeben. Aber eigentlich auch wie in Verkleidung. Das rote Gewand aus Feuerrattenhaar war doch seins. Schön, erstens musste das gewaschen werden und zweitens – zur Hochzeit des Bruders konnte man sich schon mal fein machen. Was hätte wohl Kagome getragen? Kimono, klar, dazu sicher eine Perlenkette oder sonstigen Schmuck im Haar, vermutete er, wenn er so an Stiefmütterchen dachte. Oh, er sollte wohl gehen. Zu spät zu der Zeremonie zu kommen würde ihm nicht nur einen bösen Blick des Bruders eintragen, daran war er gewöhnt, sondern auch dessen Spott für die nächsten Jahrhunderte, wenn sie sich trafen.   So kam er aus dem Privattrakt in die Audienzhalle. Der Youkai, der eilig die Tür vor ihm beiseite schob, nahm er nur am Rande wahr, zu erstaunt, dass die Halle leer war, ehe er doch den Kopf wandte, denn er spürte das Youki hinter sich. Die Fürstenmutter näherte sich mit zwei Hofdamen dahinter, die allerdings auf ihren Wink hin stehen blieben. „Keibo-sama.“ „Inu Yasha-sama.“ Keine Bewegung verriet nach außen, wie sehr es sie getroffen hatte, dass er diese Kleidung trug. Im ersten Augenblick war es ihr erschienen als stünde dort der Inu no Taishou. Nur die Fellteile, die einen Daiyoukai anzeigten, oder. genauer, dessen Macht, fehlten einem Hanyou natürlich. So meinte er: „Ich dachte schon ich bin zu früh, hier ist noch niemand.“ Er kannte sich mit dem Hofzeremoniell kaum aus. „Niemand der Beamten oder Gast trifft vor dem Fürsten ein,“ erläuterte sie und der Youkai, der zu beider Füßen kniete, konnte sich beim besten Willen nicht entsinnen, wann sie jemals jemandem etwas erklärt hatte – sah man natürlich von dem Herrn als Welpen ab. Dann warten wir also, wollte Inu Yasha sagen, als er Sesshoumaru kommen sah. Falls der sich umgezogen hatte war das nicht zu erkennen, die Kleidung war wie immer, allerdings fehlten Schwerter und Rüstung. Immerhin. Fein gemacht für die Hochzeit konnte man das allerdings kaum nennen, befand er. Wobei, vielleicht war er da auch falsch gelagert, denn er hatte damals auch nur das Übliche getragen. Kagome war es gleich gewesen. Aber das war auch nicht so ein Brimborium gewesen, einfach das gegenseitige Versprechen. „Nii-san...“ Immerhin eine Begrüßung, wenngleich natürlich nicht hofmässig, befand der Hundefürst, hatte jedoch gute Gründe die Kritik zu verschweigen. Nicht kurz vor der Vertragsunterzeichnung und nicht, ehe er mit dem Bruder seinen Zukunftsplan besprochen hatte und dieser zugesagt hatte. Dieser sture Hund wäre in der Lage auf und davon zu rennen. „Gehen wir.“ Da der Rest seiner Familie auseinander wich machte er die ersten Schritte in den Audienzhalle und ließ sich auf seinem Platz nieder. Inu Yasha folgte zwar, guckte aber dermaßen hilflos beiseite, dass ihm die Inu no Kami in einem seltsamen mütterlichen Gefühl mit einer Handbewegung anzeigte, dass er sich rechts hinter den Bruder zu knien hatte. Sie folgte links.   Da die beiden Youkai vollkommen regungslos blieben, folgte Inu Yasha etwas angespannt diesem Beispiel. Dieses formelle Knien war er nicht gewohnt und er spürte jetzt schon wie ihm die Beine weh tun würde, falls er sich wieder erheben sollte. Andererseits wollte er sich ja auch nicht gerade blamieren, zumal jetzt auch die gegenüberliegende Tür geöffnet wurde, Jaken mit einigen Rollen Papier hereinkam, andere Beamte, die sich mit einer tiefen Verneigung stumm an Plätze an der rechten Wand begaben, während der Kappa zum Podest kam und sich dort rechts niederließ. Alles wirkte wie einstudiert, befand der Hanyou. Irgendwie lächerlich. Aber natürlich war es bei Hofe so, das verriet seine doch immer deutlicher werdende Erinnerung an die Tage mit seiner Mutter. Auch da hatte es strenge Regeln gegeben, die er hatte lernen sollen und doch meist überhört hatte. Mama hatte dann geschimpft und er hatte im Nachhinein durchaus begriffen, dass sein Benehmen ihr Schwierigkeiten bereitet hatte. Aha. Kyoichi führte Männer herein, die an der Rückseite der Halle platziert wurden, in der dunklen Kleidung, die er auch bei Fürst Daichi gesehen hatte. Das mussten dann dessen ranghöchste Leute sein, auch Zeugen dieser Zeremonie. Wie lange sollte das denn noch dauern? Oh. Da tauchte der Fürst selbst auf, unbewaffnet und ohne Rüstung, neben sich, einen Schritt zurück, eine Frau in kostbarem, höfischen Kimono, über dem Kopf einen weißen Schleier, eindeutig die Braut. Sie wagte einen Blick in die Halle, ehe sie den Kopf wieder senkte und stumm neben ihrem Vater ging. Auf dessen Wink hin ließ sie sich nieder, mit einer Eleganz, die, wie die Fürstenmutter nur zu gut wusste, nur in langjähriger Übung gewonnen werden konnte. Auch sie hatte lernen müssen elegant aufzustehen, sich niederzulassen, stundenlang, bis die Gelenke schmerzten.   Während sich Daichi Okami auf seinen vorbestimmten Platz neben dem Gastgeber niederließ, betrachtete Inu Yasha seine zukünftige Schwägerin – oder eher das, was man von ihr sehen konnte, nämlich die Hülle. Irgendwie tat sie ihm leid, so allein unter den Augen aller Anwesenden vor ihrem Vater und dem zukünftigen Ehemann samt Familie zu knien, offenkundig darauf gedrillt nicht einmal aufzublicken. Sie musste doch neugierig auf Sesshoumaru sein? Oder war das einfach Youkai? Sie saß da, die Hände auf den Oberschenkeln, starrte zu Boden und bewegte sich nicht. Na, das hätte mal jemand mit Kagome machen sollen... Wieder dieser Stich im Herzen. Kagome. Ob und wann würden sie sich finden? Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen so einer Hochzeit beizuwohnen? Mitleid mit der Braut und Sehnsucht nach der eigenen Gefährtin...naja. Nicht nur für Daichiko würde das wohl eine sehr lange Zeremonie werden. Was war denn jetzt los? Ein Mann, sichtlich ein Beamter, kniete vor Daichi Okami nieder, so ähnlich wie Jaken vor Sesshoumaru, ebenfalls Papiere in der Hand. „Beginnt,“ sagte der Hausherr an seinen potentiellen Schwiegervater gewandt, auch nicht willens, das hier länger dauern zu lassen als offiziell notwendig. Er hatte einen anstrengenden Tag hinter sich. Nun, nicht körperlich, oder doch? Wie nannte man es, wenn man starb und wieder geboren wurde?   Fürst Daichi winkte seinem Beamten, der eilig eine Rolle öffnete und den Inhalt des Vertrages vorzulesen begann.   Inu Yasha langweilte sich nach drei Minuten. Der Vertrag war ihm egal. Ja, Nichtangriffspakt, gegenseitiger Beistand... das wusste er ja und ging ihn nun überhaupt nichts an. Außerdem hatte Stiefmütterchen ja zu erkennen geben, dass das der Köder gewesen war, nachdem Daichi geschnappt hatte. Denn der Haken an diesem Vertrag wurde soeben vorgelesen – die Braut war die einzige Tochter, genauer, das einzige Kind, und würde nach dem Tod ihres Vaters ihrem Ehemann die Herrschaft über dessen Fürstentum zu tragen. Der Beamte schwieg und er hoffte schon, dass jetzt etwas passieren würde, er aufstehen könnte, aber nun fasste Jaken nach einem Papier und begann vorzulesen. Es handelte sich um eine sachliche Auflistung der Gaben, die der Fürst des Westens an seinen Schwiegervater gab – kurz, der Brautpreis. Es musste schrecklich sein für die Braut mit den Waren aufgewogen zu werden, dachte der Hanyou. So und so viele Ballen Seide, Barren an Stahl und sonst was. Er wäre erstaunt gewesen, dass er sein Mitleid an die falsche Frau verschwendete.   Daichiko, die sich lieber Takara nennen lassen wollte, hatte ihr Leben lang gewusst, dass sie Handelsware war. Sie hatte seit frühester Kindheit mitbekommen, dass ihre Mutter, die offizielle Gefährtin des Fürsten, wirklich alles, jeden noch so entfernten Ratschlag nutzte, um doch noch einen Sohn und Erben zu bekommen, bis sie schließlich resigniert hatte und wie ein dürrer Baum im Winter geworden war. Ihr war daher immer klar gewesen, dass ihre Stellung als einziges Kind in dem Moment null und nichtig wäre, indem sie einen Bruder bekam. Und sie hatte gelernt, mit ihrer Mutter vor den Folgen jeder Nacht des Fürsten mit einer Konkubine zu zittern. Nur, solange sie das einzige Kind war, war sie als Faustpfand von erheblichem Wert für ihren Vater. Er konnte sie taktisch bei Verhandlungen einsetzen, die mächtigen Fürstentümer mit sich verhandeln lassen. Und, sie als Ehefrau in eine dieser mächtigen drei Youkaifamilien oder auch den Drachen zu geben. Und das wäre immerhin ein relativ geschütztes Leben als Fürstengefährtin. Was sie viel mehr gelernt hatte zu fürchten war die Alternative. Bekam ihr Vater einen Erben, würde der kaum mehr zulassen, dass ein potentieller Schwiegersohn Ansprüche erheben konnte. So, das war ihr gesagt worden, würde sie verheiratet werden, an einen älteren Vasallen, der bereits einen erwachsenen Sohn hatte und arm genug war, sich keine Hoffnungen zu machen. Vor kurzem war ihr mitgeteilt worden, dass sie an den Fürsten des Westens verheiratet würde. Immerhin. Das Leben als Fürstengefährtin bot gewisse Sicherheiten in gewissem Luxus. Da ihr ebenso erzählt worden war, der sei ein erfolgreicher Heerführer, hatte sie allerdings angenommen, er sei älter. Der eine Blick, den sie gegen die Regel auf ihren Bräutigam riskiert hatte – und ihr Vater war sehr schnell mit Strafen zur Hand – hatte ihr jedoch gezeigt, dass er nicht allzuviel älter war als sie. Und, das gab sie sich ein wenig verschämt zu, nicht gerade hässlich war. Immerhin etwas, denn ihr war bewusst, dass er nach der Unterschrift des Vertrages als Ehemann und Fürst jedes Recht über sie besitzen würde. Das führte zu etwas anderem. Sie waren bereits unterwegs gewesen, als der Bote, den ihr Vater geschickt hatte, zurückgekehrt war. In der verhüllten Sänfte sitzend, hatte sie zufällig mitanhören können, dass der Regent und Fürstenbruder auf die Nachricht antwortete. Das war natürlich ein fürchterlicher Schock für sie gewesen. Sie kannte ihren einzigen Lebenszweck, einen Erben zur Welt zu bringen. Der Druck war damit erheblich gestiegen, wenn der Herr des Westens bereits einen erwachsenen Bruder besaß und den auch noch als Regenten einsetzte, dem also vertraute. Sie war sich bewusst, dass dieser Youkai mit Sicherheit ihr größter Feind am Hofe war, bestimmt daran interessiert selbst an die Macht zu gelangen und seinen eigenen Sohn als Erben einzusetzen. Ihr durfte kein Fehler passieren, sie sich niemals den Anschein geben nicht sittsam zu sein. Zugegeben, den nächsten Schock hatte sie bei der Ankunft im Schloss erhalten, als ihr Vater ihr aus der Sänfte half und erklärte, dass die Fürstenmutter als Regentin sie empfangen würde. Zuhause lebten die Frauen, Mutter und die Konkubinen, in einem Trakt, in einem gemeinsamen großen Raum, wo sie, mit Mutter und ihr an der Stirnseite, an den Wänden knieten, stickten, sich unterhielten – und nie in die Öffentlichkeit traten. Sie hatte sie da zum ersten Mal gesehen, zum ersten Mal auch eine weibliche Daiyoukai gesehen. Und sie hatte jäh begriffen, dass das ihr Schicksal sein konnte: so dazustehen, in wertvolle Kimono gehüllt, umgeben von Hofdamen, Beratern und Militärs. Alles, was sie benötigte, war ein Sohn. Und sie hatte sich geschworen, dass sie alles, was sie an Klugheit und Ehrgeiz besaß, genau in dieses Ziel stecken würde – zu werden wie ihre künftige Schwiegermutter. Und dazu brauchte sie das Wohlwollen des Fürsten. Sie sah ein wenig auf. Ihr Vater saß neben ihrem Bräutigam. Beide hatten die Klauen auf die Oberschenkel gelegt, hielten sich sonst regungslos. Das war natürlich dem Zeremoniell geschuldet. Vater forderte gerade seinen Minister zum Lesen auf, was er ihr an Sachen mitgegeben hatte. Er winkte mit der Hand in der gleichen Art, als ob er jemandem eine Ohrfeige gab. Er war schnell mit Strafen zur Hand und sie hatte von ihrer Mutter gelernt, wie man sich einem Fürsten gegenüber verhielt um unsichtbar zu sein. Die sicherste Methode einer Bestrafung zu entgehen. Das führte unweigerlich zu einer anderen Überlegung – wie würde Sesshoumaru sie bestrafen? Das er es täte, stand für sie außer Frage. Sie hatte schließlich oft genug mitbekommen, wie die Konkubinen Ohrfeigen einstecken mussten. Eine, die zu freche Antworten gegeben hatte, war nie wieder gesehen worden. Nun, immerhin schien ihre Schwiegermutter nett zu sein. Sie hatte ihr erlaubt mit ihr in den Garten zu gehen, hatte ihr auch die Hofdamen vorstellen lassen. Natürlich war ihr bewusst, wer die Ranghöhere war. Ein Fürst konnte mehrere Ehefrauen und Konkubinen besitzen – aber nur eine Mutter. Dennoch waren ihr die letzten Tage in guter Erinnerung und sie wagte zu hoffen, dass es im Westen für sie besser laufen würde als zuhause. Mit einer behutsamen Frage – ob sie sich schon einmal die Räume der Gefährtin ansehen dürfe – war ihr der Frauentrakt gezeigt worden, natürlich ohne die Räume der Fürstenmutter. Und, das hatte sie erleichtert. Es gab dort nur die Trakte der Mutter, der Gefährtin und zwei Gästezimmer, in einem von denen sie untergebracht worden war. Keine Konkubinen, keine Konkurrenz. Eine zweite Frage, ob sie sich der künftigen Schwägerin vor oder nach der Hochzeit vorstellen solle, hatte ihr die Erleichterung verschafft, dass Inu Yasha, so hieß der Bruder, nicht verheiratet war, also, auch noch keinen Sohn besaß. Es herrschte kurz Schweigen, ehe sie bemerkte, dass ihr Bräutigam – sie sah wohlweislich nicht auf, die Rechte auf dem Oberschenkel ruhen ließ, nur zwei Finger bewegte. Aber dessen Beamter las weiter vor. Er bewegte keine Hand, wie ihr Vater, nur zwei Finger. War das gut oder schlecht für sie? War er ruhig? Selbstbewusst? Dann, so wagte sie zu hoffen, würde er auch nicht im Affekt zuschlagen, ihr vielleicht eine gewisse Ahnungslosigkeit gegenüber den ungeschriebenen Regeln im Westen verzeihen. Wenn sie sah, mit welcher Selbstverständlichkeit seine Mutter als Regentin agierte, den Rat in seiner und des Bruders Abwesenheit leitete – vielleicht wurden hier Frauen doch ganz anders behandelt als zuhause? Nein. Das hier war jetzt ihr zuhause, sobald beide Fürsten den Vertrag unterschrieben hatten, sie von einer Hand in die andere gewandert war. Und das war jetzt soweit. Die beiden Beamten standen auf und präsentierten die Verträge ihren Herren, überreichten in Tinte getunkte Federn. Das war keine Sache für die ein Namensstempel genügte. Sie schielte weiter auf. Ja, unterschrieben war und nun wurden die Verträge gegenseitig ausgetauscht um erneut unterschreiben zu werden. Jede Partei erhielt so eine vollwertige Ausfertigung des Vertrages Und sie war nicht mehr Daichis Tochter. Nun ja, je nachdem, ob ihr nunmehriger Ehemann nicht in der Hochzeitsnacht einen Fehler finden würde, und sie unberührt mit bestem Dank zurückgeben würde. Sie hoffte inständig nicht. Vater würde ihr einen solchen Gesichtsverlust nicht verzeihen und sie schrecklich bestrafen. Die Beamten zogen sich samt den Verträgen zurück und sie hörte zum ersten Mal bewusst die Stimme ihres Ehemanns: „Bringt meine Braut in den Frauentrakt, haha-ue, und lasst sie sich vorbereiten.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)