Caronia von Rodo ================================================================================ Prolog: Der Sturm ----------------- Caronia Titel: Caronia Autor: Doro-chan E-Mail: dschwentke@yahoo.de Teil: Prolog/? (mindestens 10) Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: keine, außer dass der Schwachsinn von mir ist Disclaimer: wie gesagt, der Schwachsinn gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment Zusammenfassung: Eine Waldelfe, die so gar nicht wie die anderen ist, verlässt ihren Wald, um die Welt kennen zu lernen. Das hier ist der Prolog, und hier geht es eigentlich erst mal nur darum zu zeigen, dass Celia völlig anders ist als die anderen. A/N: Kommis wie immer erwünscht. Ich bitte euch auch, mich auf Fehler aufmerksam zu machen und auch sonst Verbesserungsvorschläge für meinen Stil und meine Story zu machen. Das mit den Namen ist kein Tippfehler! Prolog: Der Sturm Am Horizont zogen sich dunkle Wolken zusammen und der Wind blies stärker als sonst in Richtung Südsüdost: Sogar am Waldboden war es relativ windig, obwohl die Bäume dieses Waldes besonders eng standen und normalerweise höchstens ein laues Lüftchen wehte. So wussten auch alle Waldbewohner, dass Unheil bevorstand. Die Tiere hatten sich sichere Verstecke gesucht. Entweder hatten sie in Höhlen Zuflucht gesucht oder sich am Waldboden zwischen die Pflanzen gekauert. Nur hin und wieder konnte man ein Augenpaar in der aufkommenden Dunkelheit aufblitzen sehen. Die Elfen spürten den näherkommenden Sturm ebenso wie die Tiere. Sie waren verunsichert. Stürme gab es kaum und an diesem Sturm war etwas anders. Etwas war unheimlich. Es war als wäre er durchtränkt mit dunklen Gedanken. Da die Schlafplätze in den Bäumen, die die Elfen sonst benutzten, bei einem Sturm zu unsicher waren, hatten sie sich tiefer in den Wald zurückgezogen. Sie befanden sich nun auf einem schmalen Pfad, der zu den Höhlen, die sich in einem der Hügel befanden, führte. Die Gesichter einiger Elfen blickten mürrisch, viele sahen besorgt aus und einige, besonders die Kinder, waren verängstigt. Sie hatten noch nie einen Sturm erlebt. Jeder wusste, dass mit diesem Sturm etwas nicht stimmte und bei der Aussicht, sich in die Höhlen zu flüchten war ihnen auch nicht wohl. Elfen mochten die Dunkelheit und Enge nicht. Sie brauchten wenigstens die Sterne oder den Mond über ihren Köpfen. Sie liebten die Freiheit. Nach einer halben Stunde Marsch hatte die Gruppe die größte der Höhlen erreicht. Skeptisch beäugten die Elfen nun den Eingang, der etwa zwei Meter breit und anderthalb Meter hoch war. Er lag leicht verdeckt hinter einem Felsvorsprung und wirkte wie ein schwarzes Loch, das alles verschlucken würde, was sich auf die andere Seite wagen würde. Den Elfen war die ganze Angelegenheit ganz und gar nicht geheuer. Die ersten wichen schon zurück, als schließlich eine von ihnen vortrat. Sie war schon sehr alt und ihr Gesicht war in Falten gelegt, doch trotz ihrer zerbrechlichen Gestalt strahlte sie eine Würde aus, wie kein anderer aus der Gruppe. Ihre Aura, ihre Kleidung und ihre Haltung ließen sie majestätisch erscheinen, und das war sie auch. Sie war die Königin der Elfen, Diohicea. Die Elfen hielten nun in ihren Bewegungen inne und warteten auf das, was als nächstes passieren würde. Diohicea hob langsam die Hände, um sie zu beruhigen, drehte sich dann in dem selben Tempo langsam um und schritt selbstsicher auf den Eingang zu. Ohne zu zögern betrat sie die Höhle. Die anderen Elfen waren von ihrer Anführerin wie gebannt und starrten auf das schwarze Loch vor ihnen. Schließlich überwanden sie sich selbst und gingen ebenfalls auf den Eingang zu. Zweifelnd und immer wieder zögernd verschwand einer nach dem anderen in der Dunkelheit. Die Höhle war innen nicht so dunkel wie es von außen schien.. Sie lag in einem schummerigen Licht, das von den nassen Wänden und Pfützen auf dem Steinboden reflektiert wurde. Aus allen Ecken und Enden der Höhle hörte man es tropfen. Um etwas besser sehen zu können hatten die Elfen einige Fackeln mitgebracht, die sie nun anzündeten. Sie wurden in allen Ecken der Höhle angebracht. Durch das zusätzliche Licht wurde erst deutlich, wie groß die Höhle in Wirklichkeit war. Allerdings bestand sie aus so vielen einzelnen Teilen, die überall verteilt waren. Ohne das Licht hätten sich die Elfen in dem Labyrinth aus Stalagmiten und Stalaktiten verirrt, das in den verschiedensten Farben schimmerte. Nach einigen Minuten des Wartens gesellten sich zu den Tropfgeräuschen in der Höhle noch weitere Geräusche von außerhalb. Es rauschte und pfiff, gelegentlich grummelte es auch. Der Sturm hatte also begonnen. Die Elfen hatten sich in kleine Grüppchen aufgeteilt und auf die einzelnen Teile der Höhle verteilt. Zusammengekauert saßen sie in den Ecken und zitterten vor Angst und Kälte. Einige Kinder hatten begonnen zu weinen. Sie fürchteten sowohl den Sturm als auch die Höhle und die Dunkelheit, die nun jenseits der Fackeln lauerte. Alle waren sich sicher, dass dies kein natürlicher Sturm war. Er war böse und drohte ihre ganze Welt in Schutt und Asche zu legen. Lediglich Diohicea saß aufrecht in der Mitte des größten Raumes. Sie strahlte Vertrauen und Sicherheit aus, obwohl sie sich ebenfalls fürchtete. Ihr Volk brauchte sie stark. Sie konnte sich die Schwäche einfach nicht leisten. Immer wieder blickte sie in die Runde und sah die verängstigten Gesichter. Sie lächelte und gab ihnen Mut. Plötzlich erlosch ihr Lächeln jedoch und verwandelte sich in einen besorgten und fragenden Gesichtsausdruck. Eine Frau, außer Atem, der die Angst ins Gesicht geschrieben stand, kam auf sie zu. Diohicea kannte die Frau gut. Sie war ihre Tochter. Cilea war den Tränen nahe und blickte sich immer wieder verzweifelt um, als hätte sie jemand gerufen oder sich etwas in den Schatten bewegt. "Celia... ich habe sie...", begann die Frau, "sie... war noch bei mir, als wir hier ankamen, aber jetzt, ich..." "Beruhige dich doch erst einmal Kind", versuchte die alte Frau ihre Tochter zu beruhigen, "Sie wird sicher nur die Höhle erkunden." Doch eigentlich glaubte Diohicea selbst nicht an ihre Worte. Ihre Enkelin war, nun ja, ihre Enkelin eben. "Ich habe sie aber überall gesucht! Sie ist nirgends." "Sie hat sich sicher in irgendeinem entlegenen Winkel versteckt, den du übersehen hast. Du kennst sie doch." "Nein, ich werde nach draußen gehen und sie suchen. Sie ist in Gefahr!" "Nein. Du bleibst hier." Das war ein klarer Befehl. Cilea konnte ihn nicht ignorieren. Um ihre Tochter zu beruhigen fügte die Königin noch hinzu: "Es geht ihr sicher gut. Du kennst sie doch. Sie kann auf sich aufpassen." Resigniert setzte sich Cilea nun neben ihre Mutter. Sie war immer noch zerfressen von Sorge. Um sie zu beruhigen legte Diohicea einen Arm um ihre Tochter. Sie ging wieder in ihrer Aufgabe als Königin auf. Sie spendete allen Sicherheit. "Erst ihr Vater und dann sie", murmelte Cilea. Tränen stiegen ihr in die Augen. Schließlich konnte sie auch nicht länger verhindern, dass sie über ihre Wangen flossen und sie begann hemmungslos zu schluchzen. Selbst ihre Mutter konnte nur hilflos zusehen, wie sie zusammenbrach. Diohicea wünschte sich nichts mehr, als jemanden nach draußen zu schicken um ihre Enkelin zu suchen. Aber es war einfach unmöglich. Wie schaffte es dieses Kind nur, sich immer wieder in so gefährliche Situationen zu bringen? Die Königin schüttelte den Kopf und seufzte. Sie konnten nur noch hoffen. * Das kleine Elfenmädchen hatte zwischen den Bäumen Zuflucht gesucht. Inzwischen fand sie nichts interessantes mehr an dem Sturm. Er war viel lauter als sie es sich jemals hätte vorstellen können. Trotz des Verstecks schlug ihr immer wieder Regen ins Gesicht. Als die Elfen an der Höhle angekommen waren, war Celia hin und hergerissen gewesen. Einerseite erschien ihr die Aussicht auf die Erkundung der Höhle verlockend, schließlich hatte sie noch niemals eine betreten, andererseits wollte sie auch unbedingt einen Sturm sehen. Die Furcht der anderen Elfen hatte sie keinesfalls angesteckt. In Celias Augen waren sie alle Feiglinge. Sie fürchteten sich schließlich vor so ziemlich allem, das nicht in ihre schöne Welt gehörte. Celia war schon immer anders als sie. Wenn es etwas neues gab, war sie die erste, die es in Augenschein nahm. Sie kletterte auf die höchsten Bäume ohne sich vorzusehen, nur um einen Vogel zu beobachten. Sie näherte sich selbst den brummigsten Bären und einmal wäre sie fast den kleinen Wasserfall, der sich in der Nähe ihres Dorfes befand, hinuntergestürzt. Diesmal allerdings war es anders. Sie verstand nun, wovor die anderen sich so gefürchtet hatten. Zu Beginn des Sturms hatte sie ihn noch faszinierend gefunden. Es hatte ihr unglaublichen Spaß gemacht, sich gegen den Wind zu lehnen ohne umzufallen. Der Regen, der immer wieder in eine andere Richtung geblasen wurde, war in ihren Augen wunderschön. Doch dann kamen die Blitze und mit ihnen der Donner. Es war zwar nicht das erste Mal, dass sie Blitze sah und es donnern hörte, doch dieses Unwetter war anders und das wurde durch die Blitze deutlich. Sie waren bedrohlicher als alles, was Celia jemals gesehen hatte. Plötzlich hatte sich auch der Wind verstärkt und das kleine Elfenmädchen, das nun doch begonnen hatte sich zu fürchten, wäre fast weggeblasen worden. Sie brauchte eine Ewigkeit um sich zu einer etwa zehn Meter entfernten Baumgruppe durchzukämpfen. Zwei Mal wurde sie sogar kurz in die Luft gehoben. Wieder zuckte ein Blitz und augenblicklich folgte ein ohrenbetäubender Donner. Panisch schlug sich Celia die Hände auf die Ohren und kniff die Augen zu so fest sie konnte. Sie wollte nichts mehr hören und sehen. Ihr war kalt und sie zitterte unaufhörlich, nicht nur wegen ihrer durchnässten Kleidung, sondern auch wegen der Angst. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so viel Angst gehabt. Der Sturm wurde immer heftiger und das Mädchen immer verzweifelter. Inzwischen wünschte sie sich nur noch zu überleben, doch sie hatte keine Hoffnung mehr. Durch ihre Hände hindurch hörte sie nun ein unheilvolles Knirschen. Sein Ursprung lag wenige Meter neben ihr. Sie zögerte. Dann öffnete sie ganz langsam ihre Augen, unsicher, ob sie wirklich sehen wollte, woher das Geräusch kam, doch die Neugier siegte. Ihr Blick fiel auf einen Baum direkt neben ihrem Versteck. Er bewegte sich. Ganz langsam, aber sicher, so als ob er noch versuchte, sich gegen sein Schicksal zu sträuben. Dann beschleunigte sich die Bewegung und das Knirschen wurde lauter. Als der Baum schließlich laut krachend auf den Boden fiel, war es, als gäbe es ein Erdbeben. Verzweifelt klammerte sich Celia an einen Baum neben sich. Sie fing an zu weinen, doch durch den Sturm und den Regen konnte man es kaum hören, geschweige denn sehen. Sie wollte nur noch, dass es vorbei war, es sollte einfach vorbei sein. Und dann - ganz plötzlich - war es vorbei. Ungläubig öffnete Celia die Augen und blickte sich um. Nicht ein Blatt bewegte sich. Lediglich einige Regentropfen tropften von den Bäumen und sammelten sich in Pfützen. Bis auf das leise Tropfgeräusch war es still, gespenstisch still, so als könne der Wald auch nicht glauben, was gerade geschehen war. Auch die kleine Elfe wartete. Sie fürchtete, sobald sie ihr Versteck verließ würde es wieder beginnen. Doch nach einigen Minuten hatte der Sturm nicht wieder angefangen und sie wurde neugierig. Ganz vorsichtig krabbelte sie zwischen den Bäumen hervor und stieg über den umgestürzten. Sie blickte sich um. Der Himmel über ihr war blau, doch sie war sich eigentlich sicher, dass Stürme nicht einfach so aufhören. Sie wurde immer neugieriger und wollte wissen, was passiert war, doch dazu brauchte sie einen besseren Überblick. Celia zögerte nicht lange, wirbelte herum und rannte zum größten Baum der Gegend. So schnell sie konnte zog sie sich an den dicken Ästen empor. Ein paar Mal rutschte sie ab, die Äste waren nass, doch sie ließ sich davon nicht irritieren. War ihre Neugier erst einmal geweckt, konnte sie nichts mehr aufhalten. Als die Elfe die Baumkrone erreichte, fiel ihr erst auf, wie der Sturm den Baum mitgenommen hatte. Es fehlten viele Blätter und Äste waren umgeknickt. Celia drehte sich um, was bei den nassen Ästen nicht gerade einfach war, so dass sie einen guten Überblick hatte. Was sie dann sah, verschlug ihr die Sprache. Am Horizont befand sich etwas wie eine schwarze Mauer, die sich hoch in den Himmel erhob. Als sie genauer hinsah, bemerkte sich, dass es gar nicht der Horizont war. Die Mauer war auch gar keine Mauer. Sie war durchzogen von grau und in ständiger Bewegung. Der Sturm, schoss es ihr durch den Kopf. Hektisch drehte sie sich um, um auch in die anderen Richtungen zu sehen. Aber der Sturm war überall. Sie war mittendrin! Es war noch nicht vorbei. Mit dieser Erkenntnis kroch wieder die Angst in ihr hoch, die vorübergehend von der Neugier verdrängt worden war. Gleichzeitig war der Anblick, der sich ihr bot, unglaublich faszinierend. Auf eine Celia völlig fremde Art war der Sturm und die mit ihm verbundene Gewalt gegen alles wunderschön. Hässlich und gleichzeitig wunderschön. Auf der einen Seite entfernte sich der Sturm während er auf der anderen Seite immer näher kam. Mit Mühe riss sich Celia schließlich von den Blitzen und Wolken los, kletterte vom Baum runter und rannte in die Richtung, in der sie die Höhlen vermutete. Der Wald sah so völlig anders aus und binnen weniger Minuten hatte die sich verirrt. Sie hatte nur noch einen Gedanken. Sie musste zu den anderen kommen. Alles andere war egal. Ein paar Mal fiel sie hin und schürfte sich Hände und Knie auf, doch sie lief trotzdem weiter. Immer weiter. Hin und wieder drehte sie sich im Laufen um, um zu sehen, wie nah der Sturm war. Er kam immer näher. Sie rannte und rannte und stürzte wieder, bis sie es realisierte. Sie würde die Höhle niemals erreichen, sie wusste ja nicht einmal, wo sie war. Sie brauchte einen Unterschlupf. Hektisch sah sie sich um und stürzte so schnell sie konnte dorthin, wo das Dickicht am dichtesten war. Die Spitzen Äste zerschnitten ihre Kleider und schließlich ihre Arme und Beine. Endlich, nach einer Ewigkeit, fand sie eine relativ sichere Stelle zwischen zwei Felsen- Sie kroch so tief in den Schutz der Steine, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Celia zitterte am ganzen Leib, nicht weil ihr kalt war, Kälte und Schmerzen spürte sie nicht mehr, sondern wie sie aufgeregter war als jemals zuvor. Der Sturm war, trotz der Angst, die sie immer noch hatte, wieder ein Abenteuer und faszinierte sie. Angespannt saß sie da und wartete. So plötzlich wie es aufgehört hatte, fing es auch wieder an. Von einer Sekunde auf die andere war Celia wieder umgeben vom bekannten Rauschen und Wasser schlug ihr ins Gesicht. Der Wind zerrte an ihren Kleidern, doch die Angst war nicht so groß wie zuvor. Irgendwie spürte sie, dass ihr nichts passieren würde, dass es keinen Grund für sie gab, den Sturm zu fürchten. Ihr würde er nichts tun. Abwesend betrachtete sie das Treiben. Die Dunkelheit zog sie in ihren Bann. Nichts außer ihr existierte im Kopf des Elfenmädchens. Nicht Schmerz oder Kälte und auch die Angst war wie weggeblasen. Sie blickte nur wie hypnotisiert in den Sturm. Celia wusste nicht, wie lange sie so in ihrem Versteck kauerte, doch nachdem der Sturm nachgelassen hatte und es kaum noch regnete, erwachte sie wieder. Mit der Erkenntnis, in Sicherheit zu sein, kam auch alles andere wieder. Sie fing wieder an zu zittern und ihr ganzer Körper schmerzte. Langsam und möglichst vorsichtig verließ sie ihr Versteck wieder jede Bewegung schmerzte, doch sie wollte jetzt nur noch zu ihrer Mutter zurück. Sie musste sie einfach finden. Trotz der Schmerzen und der langsam in ihr hochkriechenden Müdigkeit machte sie sich auf den Weg. Die wusste immer noch nicht, wo sie war, geschweige denn wie viel Zeit vergangen war. Sie ging einfach immer weiter, ohne zu wissen wohin. Sie kannte nur noch zwei Gedanken: den an ihre Mutter und den in ihren Armen zu schlafen. Schlafen. Irgendwann erreichte sie einen Fluss. Sie wusste. Wo er lag und in welche Richtung sie gehen musste, also tat sie es, ohne wirklich wahrzunehmen, was sie tat. Sie stolperte einfach am Flussufer entlang. Die Steine, auf denen sie lief waren glitschig. Ein paar Mal rutschte sie aus, rappelte sich wieder auf und trottete weiter, doch schließlich blieb sie einfach liegen. Sie war so müde und wollte weder denken noch sich bewegen. Und ehe sie sich noch dazu durchringen konnte aufzustehen fielen ihr auch schon die Augen zu und sie fiel in einen tiefen Schlaf. * Als sie wieder aufwachte, wollte Celia sich einfach auf die andere Seite drehen und weiterschlafen. Doch die Geräusche um sie herum machten es ihr unmöglich. Unter einem Leisen Stöhnen zog sie sich die Decke über den Kopf, doch es war immer noch zu laut. Und plötzlich schoss es ihr durch den Kopf: Decke? Das letzte, an das sie sich erinnern konnte, war der Fluss. Sie wollte nach Hause und musste am Fluss entlang marschieren, weil sie wegen dem Sturm ganz alleine draußen war. Sie hatte sich verirrt, weil alles so zerstört war. Schnell riss Celia ihre Augen auf. Sie lag tatsächlich in eine Decke eingewickelt auf den Überresten eines Schlafkissens, wie Elfen sie benutzten. Das Kissen war kaum noch als solches zu erkennen. Die Füllung aus Blättern lag wild verstreut und nur dürftig von Stoff zusammengehalten auf der Plattform. Verwirrt blickte Celia sich um. Sie lag nicht mehr am Fluss, sie war wieder zuhause. Aber auch die Plattform, auf der sie saß, war stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Einige Teile am Rand fehlten, die Einrichtung lag verstreut in der Gegend herum und ein Blick nach oben verriet dem Elfenmädchen, dass das Dach, das eigentlich nur aus einer Stoffplane bestand, zerfetzt war. Vorsichtig richtete Celia sich auf. Ihr Körper schmerzte immer noch fürchterlich, doch sie konnte einfach nicht liegen bleiben. Als sie es endlich geschafft hatte, sich aufrecht hinzustellen, wurde ihr unglaublich schwindelig und sie begann zu schwanken. Sie fing sich gerade noch rechtzeitig und schaffte es, zum Rand der Plattform zu torkeln. Dort angelangt musste sie sich setzten. Ihre Knie konnten ihr Gewicht einfach nicht länger tragen. Die Schürfwunden bereiteten ihr furchtbare Schmerzen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie Verbände um die Knie hatte, ebenso wie an Händen und Armen. An einigen Stellen bildeten sich schon rote Flecken. Sie konnte nun auch die Quelle der ganzen Geräusche ausmachen. Unter ihr liefen die Elfen immer wieder hin und her, trugen Sachen mit sich herum oder werkelten an den zerstörten Plattformen herum. Einige von ihnen flickten die Reste der Planen dürftig zusammen. Die Elfenkinder, die noch zu klein zum helfen waren, lagen in Decken eingewickelt auf dem Boden unter einer teilweise löcherigen Planen. Sie versuchten zu schlafen, doch offenbar waren sie zu verstört. Sie weinten und riefen nach ihren Müttern. Wieder überkam Celia dieses Gefühl der Überlegenheit. Sie war anders als diese kleinen Kinder. Sie rief nicht nach ihrer Mutter. Und sie hatte auch weitaus schlimmeres als ein zerstörtes Elfendorf gesehen. Ihre Mutter. Wo war sie überhaupt? Suchend blickte sich Celia um, doch sie konnte sie nirgends ausmachen. Nach einiger Zeit seufzte sie resigniert und wendete sich dem Elfendorf zu. Es war, gelinde gesagt, in einem fürchterlichen Zustand. Die Plattform, auf der sie sich befand, war, soweit sie es beurteilen konnte, die einzige benutzbare. Die andere lagen zur Hälfte oder ganz auf dem Boden oder waren zersplittert. Einige der Bäume, auf denen sie sich befunden hatten, waren verkohlt. Vermutlich hatte sie der Blitz getroffen. Die Einrichtung der Plattformen lag überall verteilt. Die Bäume sahen auch nicht besser aus. Ihnen fehlte ein großer Teil der Blätter, man hätte meinen können, dass Herbst sei, obwohl es erst Frühsommer war. Der Waldboden war matschig, überall bildeten sich kleine Bäche mit braunem Wasser, die sich ihren Weg zwischen den Baumwurzeln bahnten. Celia hatte ihre Beine über den nun nicht mehr abgesicherten Rand der Plattform hinaus gehängt und ließ sie baumeln. Ihre Gedanken wanderten wieder zu dem Sturm und erinnerte sich an ihre Gefühle. Sie hatte so viel gefühlt. Das Nachdenken bereitete ihr Kopfschmerzen. Irgendwie war alles so kompliziert. Plötzlich wurde sie von einem Geräusch aus ihren Gedanken gerissen. Hinter sich hörte sie Schritte. Sie drehte ihren Kopf und blickte nun zur Öffnung im Boden, an der sich die Treppe befinden musste. Schließlich erschien ein Kopf, ihm folgte ein Körper, bis Cilea schließlich auch ihre Füße auf die Plattform setzte. Celia blickte ihre Mutter nur mit einem leicht überraschten Ausdruck in den Augen an. Nachdem sie sich gegenseitig einige Sekunden angesehen hatte, entschloss sich Celia, das Schweigen zu brechen. Ihre Stimme klang heiser und schwach, schwächer als sie erwartet hatte, und so brachte sie nur ein leises "Mama" zustande. Das brachte Cilea zum Explodieren. "Celia, was denkst du dir nur dabei aufzustehen! Kannst du dich nicht einmal benehmen? Man sollte meinen, dass du etwas gelernt hast, als du da draußen warst!" Sie stürmte auf ihre Tochter zu, packte sie und zerrte sie zurück auf das Schlafkissen. Celia wollte schon protestieren, doch sie merkte, dass es keinen Sinn hatte. Außerdem hatten die harten Worte ihrer Mutter sie verletzt. Langsam stiegen nun Tränen in ihre Augen. Cilea merkte davon nichts. Sie war damit beschäftigt, die Verbände ihrer Tochter zu untersuchen und murmelte dabei immer wieder Worte wie "unverantwortlich" und "gefährlich" und beschwerte sich über den Zustand von Celias Kleidung. Als ihre Tochter das alles einfach so über sich ergehen ließ, wurde sie trotzdem misstrauisch. Schließlich blickte sie ihr direkt in die Augen und erkannte, dass ihre Tochter fast anfing zu weinen. Nun tat es ihr leid, dass sie so grob zu ihr war. Sie nahm sie sanft in dem Arm und wiegte sie leicht hin und her. "Es tut mir leid, Schätzchen.", begann sie, "Du musst Furchtbares miterlebt haben. Was machst du aber auch immer so dumme Sachen." Sie seufzte leise. Ihre Tochter war ja so ein schwieriges Kind. Es war zum Verzweifeln. Celia konnte einfach nicht anders als weinen. Es hatte sich so viel Spannung in ihr aufgestaut, die mit den Tränen aus ihr hinauszufließen schien. Sie schluchzte an der Schulter ihrer Mutter. Sie saßen so eine ganze Zeit still beieinander, nur Celias gedämpftes Schluchzen war zu hören. Irgendwann löste Cilea die Umarmung wieder und wendete sich den Wunden ihrer Tochter zu. Sie nahm den Verband vom linken Knie ihrer Tochter ab und betrachtete die Wunde. Wieder seufzte sie. "Meine Güte, wie hast du das bloß geschafft?", fragte sie, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten, während sie Salbe auf das Knie strich (Celia zuckte zusammen und biss sich auf die Lippe) und einen neuen Verband anlegte. "Bin hingefallen.", brachte Celia schließlich über ihre Lippen. Überrascht blickte ihre Mutter auf und sah ihr direkt in die Augen. "Warum hast du das überhaupt gemacht, Schätzchen?" "Wollte einen Sturm sehen." "Aber du hast doch schon Stürme gesehen!" "Aber nicht so einen." "War dieser Sturm denn so etwas besonderes? Na dann haben sich die ganzen Verletzungen ja gelohnt oder?", sagte Cilea mit unterdrückter Wut in der Stimme. Celia blickte an ihr vorbei und nickte nur stumm. Augenblicklich weiteten sich Cileas Augen. Sie konnte es einfach nicht fassen. Wie konnte ihre Tochter das nur sagen? Doch sie wollte sie nicht noch einmal anschreien. Sie nahm all ihre Selbstbeherrschung zusammen. Sie wollte verstehen, was ihre Tochter so faszinierte, obwohl sie wusste, dass sie es wohl nicht schaffen würde. Wenigstens versuchen musste sie es. "Was war denn so besonders?", fragte sie mit einer Ruhe in der Stimme, von der beide wussten, dass sie nur gespielt war. Lange Zeit sagte Celia nichts, sie wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte, dann, "Es... als... als der Sturm am schlimmsten war... da... da hat er ganz plötzlich... aufgehört. Aber nicht wirklich. Da war... so etwas wie ein Loch... und... und überall waren Wände aus Sturm... und dann... dann ging es wieder los... und... ich hatte solche Angst... und der Sturm war so... so... so, ach, ich weiß nicht" Cilea verstand nicht. Sie verstand es absolut nicht. Sie blickte einfach nur ins Gesicht ihrer Tochter, die ihr so ähnlich sah und gerade gedankenverloren an ihr vorbei ins Leere sah. Innerlich seufzte sie. Ihre Tochter war so... anders. Doch man konnte ihr dafür keinen Vorwurf machen. Celia war einfach anders. Cilea blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass sie sich nicht eines Tages in eine Situation brachte, aus der sie nicht mehr hinaus konnte. TBC Kapitel 1: Im Elfenwald ----------------------- Caronia Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 1/? (mindestens 12) Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: keine, außer dass der Schwachsinn von mir ist Disclaimer: wie gesagt, der Schwachsinn gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment Zusammenfassung: Eine Waldelfe, die so gar nicht wie die anderen ist, verlässt ihren Wald, um die Welt kennen zu lernen. A/N: Kommis wie immer erwünscht. Ich bitte euch auch, mich auf Fehler aufmerksam zu machen und auch sonst Verbesserungsvorschläge für meinen Stil und meine Story zu machen. Dank an Inchen, die mich auf zwei Fehler aufmerksam gemacht hat. Kapitel I: Im Elfenwald Ein Wagen fuhr durch den Elfenwald. Er war schon recht alt, das Holz hatte an einigen Stellen Risse und das Metall war schon stark verrostet. Gezogen wurde er von einem braunen Wallach, dem man sein Alter ebenfalls deutlich ansah. Um die Ladung zu schützen, hatte sein Besitzer eine Plane über sie gespannt. Der Wagen gehörte einem Händler. Er war nicht reich, so musste er den Wagen auch selber führen. Er war dazu gezwungen, durch den Wald zu fahren. Kein Händler tat das gern. Deshalb war die einzige Straße durch den Wald auch schlecht ausgebaut. Plötzlich scheute das Pferd. Es bäumte sich auf. Nur mit Mühe gelang es dem Kutscher, es wieder zur Ruhe zu bringen. Das Pferd spürte sie, eine Elfe musste in der Nähe sein. Auch der Kutscher spürte die Blicke, die ihn verfolgten, sie machten ihn nervös. Es gab aber keinen Grund, sich zu fürchten, das wusste er. Die Elfen wagten sich eigentlich nie in die Nähe der Menschen. Trotzdem hatte jeder Mensch, der sich in den Elfenwald begab, ein mulmiges Gefühl im Bauch. Langsam fiel die Beunruhigung vom Händler ab. Der Waldrand war nahe. Die Elfen kamen nie bis zum Waldrand. Auch der Braune wurde nun langsam ruhiger. Erleichtert seufzte der Kutscher, als er das Ende des Waldes sah. * Traurig blickte Celia dem Wagen nach, als er den Waldrand erreichte. Sie seufzte, denn sie wusste, sie würde nie so viel über die Menschen wissen, wie sie gerne würde, schließlich war es den Elfen verboten, den Wald zu verlassen. Sie seufzte erneut und wandte schweren Herzens den Blick von dem in der Ferne verschwindenden Wagen ab. Wie gerne wäre sie ein Stückchen weiter gegangen, nur ein kleines Stückchen, doch sie stand bereits auf dem Grenzpfeiler, einem grob behauenen großen Felsen, der etwa halb so hoch wie die Bäume um ihn herum war. Er erinnerte entfernt an einen sitzenden Elf. Celia kostete es viel Überwindung, vom Grenzpfeiler herunterzuklettern, aber sie wusste, dass es schon spät war. Sie musste sich unbedingt auf den Rückweg machen. Am Waldboden angekommen fuhr sie sich erst einmal prüfend durch das Haar um festzustellen, ob irgendwelche Blätter in ihren silbergrauen Haaren steckten. Das war zum Glück nicht der Fall. Es hätte sonst viel länger gedauert, sich fertig zu machen. Sie konnte sich immer noch nicht dazu durchringen, sich zu beeilen. Langsam schlenderte Celia an einem kleinen Bach entlang und machte immer wieder halt, um einen Frosch zu beobachten oder eine seltene Blume zu betrachten. Nach einigen Minuten gab sie wieder auf und setzte in den Schatten eines alten Baumes. Von ihrem Sitzplatz aus saß sie direkt gegenüber von einem anderen Baum. Die eine Hälfte der alten Eiche wuchs normal, doch der zweite mächtige Ast lag auf dem Boden. Er war verkohlt, man konnte es immer noch erkennen, obwohl der Ast schon halb verwittert war. Celia wusste nur zu genau, wann das passiert war. Es war ein Sturm gewesen, vor zehn Jahren, im Frühsommer. Die junge Elfe konnte sich noch genau an diesen Tag erinnern. Sie hatte vieles von dem, was passiert war, vergessen, aber sie wusste noch genau, was sie gefühlt hatte, als sie erst zwischen den Bäumen saß, als dann der Sturm aufhörte und sie auf den Baum kletterte und als sie schließlich zwischen den Felsen kauerte. Äußerlich fiel es kaum auf, dass es diesen Sturm jemals gegeben hatte, aber wenn man sich Mühe gab und nur genau genug hinsah, sah man seine Spuren überall, dabei hatte sich der Wald, auch dank der Hilfe der Elfen, schnell erholt. Wie lange war es nun eigentlich her, wann sie das letzte Mal an den Sturm gedacht hatte? Celia wusste es nicht mehr. Es war schon sehr lange her. Früher hatte sie ständig an ihn gedacht. Er war das wichtigste Ereignis in ihrem Leben. Diese Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Sie hatte so lange nicht mehr an ihn gedacht. Es war, als hätte sie sich selbst vergessen. Weiter kam Celia jedoch nicht. Sie hörte, wie von weitem jemand ihren Namen rief. Es war Selion. Er würde sie für ihr Verhalten tadeln, doch eigentlich war es ihr egal. Wenn man es genau betrachtete, waren ihr die meisten Dinge in letzter Zeit egal. "Ich komme ja!" rief sie schließlich resigniert. Sie dachte allerdings immer noch nicht daran sich zu beeilen. Als Selion schließlich mit hochrotem Kopf vor ihr auftauchte, konnte sie nicht anders als lächeln. Es war auch einfach zu niedlich, dass er immer meinte, auf sie aufpassen zu müssen. Das Lächeln machte ihn noch wütender. Er schien nun fast zu explodieren. "Celia! Verdammt, beeil dich endlich! Du musst dich noch umziehen. Warum kannst du auch nicht einmal pünktlich sein? Immer verschwindest du einfach so ohne irgendjemandem Bescheid zu sagen.", begann Selion seine Standpauke. Er redete über Minuten, für Celia schien es eine halbe Ewigkeit zu dauern, und bemühte sich, ihr klar zu machen, wie wichtig Verantwortung sei und dass sie diese endlich zeigen solle. Celia lächelte bloß müde vor sich hin, während sie langsam ihrem Freund hinterher trottete, und hatte bereits nach den ersten paar Sätzen aufgehört, ihm zuzuhören. Sie kannte Selions Strafpredigten sowieso zu Genüge. Schließlich bekam sie mindestens einmal in der Woche eine zu hören. Eigentlich benahm sich ihr Freund mehr wie eine Mutter, kam es ihr in den Sinn. Immer passte er auf sie auf und versuchte, sie vor sich selbst zu beschützen. Ihre richtige Mutter hatte das schon längst aufgegeben. Sie hatte ihr schon lange nicht mehr die Leviten gelesen. Wie lange war es eigentlich schon her? Während Selion unberührt fortfuhr, begann Celia über diese Frage nachzugrübeln. Wie lange? Sie konnte sich nicht erinnern. Früher belehrte ihre Mutter sie oft, aber dann... hatte sie aufgehört. Nur wann bloß? Wann hatte sie aufgegeben? Und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: der Sturm! Seit diesem Tag hatte ihre Mutter sie auf irgendeine nicht zu definierende Art und Weise aufgegeben. Sie hatte sie als sie selbst akzeptiert und nicht mehr versucht, sie zu ändern. Und dafür war Celia ihr dankbar. Predigten waren ihr lästig und sie brachten auch nie etwas. Sie war ein Wildfang und daran würde sich auch kaum etwas ändern lassen. "Hast du wieder die Menschen beobachtet?", drang Selions Stimme in ihre Gedanken ein. Er hatte seinen Vortrag beendet und gedachte nun, den nächsten zu beginnen. Er kannte die Antwort. Doch schien er auf Celias Antwort zu warten. Also seufzte sie erst einmal tief, bevor sie kaum merklich nickte. Doch Selion hatte es bemerkt. Wie erwartet folgte der nächste Vortrag seinerseits: "Du weißt genau, dass das strengstens verboten ist!" Ja, das wusste sie genau. Sie tat es trotzdem immer wieder. Dem weiteren Vortrag über die Gefährlichkeit der Menschen und ihre Vorbildfunktion folgte sie wieder nicht (Sie kannte ihn ja bereits auswendig.) und wurde immer langsamer. Während er redete, bemerkte Selion nicht, dass sie immer weiter zurückfiel. Erst, als er bereits zehn Meter Vorsprung hatte, drehte er sich zu Celia um. Diese lief gerade seelenruhig den Pfad entlang und betrachtete geistesabwesend die kleinen Blümchen am Wegesrand. Ihr entging sogar, dass Selion aufgehört hatte zu reden und wieder rot angelaufen war. Sogar der eigentlich unübersehbaren Kontrast zwischen seinen blassgrünen Haaren und seinem roten Gesicht riss sie nicht aus ihren Gedanken. "Celia!", der Ruf ließ die Angesprochene hochschrecken, "Jetzt beeil dich endlich oder willst du zu spät zum 200. Geburtstag deiner Großmutter kommen?!" Nichts hätte sie lieber getan, doch Selion packte ihre Hand und zerrte sie wütend hinter sich her. Wenigstens fing er nicht wieder an zu schimpfen. * Im Wasser des flachen Teiches überprüfte Celia noch einmal ihre Frisur. Alles saß mehr oder weniger am richtigen Platz, obwohl sie sich hatte beeilen müssen. Um genau zu sein interessierte es sie noch nicht einmal wirklich, ob jede Strähne ihres silbergrauen Haares auch dort war, wo sie hingehörte. Ihre Frisur war ihr absolut egal. Sie überprüfte es eigentlich mehr aus Reflex. Geistig war sie nicht anwesend, auch wenn sie selber nicht wusste, wo genau sie sich befand. Im Wald hatte sie noch ein schlichtes Wams aus weißem Stoff mit einigen silbernen Verziehrungen getragen. Sie musste es auf Wunsch ihrer Mutter gegen ein blassviolettes Kleid eintauschen. Vom Stil her war es ebenfalls sehr schlicht, nur um die Hüfte war es mit einer Blumenstickerei verziert. Cilea hatte das Kleid nach langem hin und her (Celia durfte alle anderen Modelle auch anprobieren und war damit einen Nachmittag beschäftigt) ausgesucht, da es ihrer Ansicht nach perfekt zu den silbergrauen Haaren und violetten Augen ihrer Tochter passte. Sie hatte damit wohl auch recht, doch wäre ihre Tochter am liebsten mit dem ersten Kleid (es war hellgrün) gegangen, da sie ihre Zeit nicht mit derartigen Dingen verschwenden wollte. Der Teich an dem die junge Elfe nun saß, lag inmitten des Palastes der Elfen, sofern man die Ruine eines Palastes noch als solchen bezeichnen konnte. Lediglich Teile der Grundmauern waren noch erhalten und an den meisten Stellen mit Moos überwuchert. In der Mitte hatte sich irgendwann ein Teich gebildet, aus dem stellenweise noch die eine oder andere Säule oder Statue, meistens konnte man das nicht mehr erkennen, herausragte. Celia hatte in den alten Büchern viel über den Palast und seine einstige Pracht gelesen. Es gab sogar einige Abbildungen. Er hatte mehrere "Stockwerke", was in etwa soviel bedeutete, dass es mehrere Zimmer übereinander gab, und an den Wänden des größten soll es Bilder der Geschichte der Elfen gegeben haben. Immer wieder stellte sich Celia vor, wie es wohl war, durch den Palast zu schlendern und die großen Bilder zu betrachten. Es tat ihr unendlich leid, dass ihre Vorfahren irgendwann einfach aufgehört hatten, sich um den Palast zu kümmern, den schließlich die ersten Elfen, die in diesem Wald siedelten, gebaut hatten. Ihr waren nur die Bücher geblieben. Auch wenn sie es liebte, im Wald herumzustreunen, immer wieder zog es sie zu den Büchern, die sie in eine ganz andere Welt bringen konnten. Alleine die Vorstellung eines "Gebäudes"! Noch nie in ihrem Leben war Celia in einem gewesen. Alles was sie kannte, waren die Plattformen in den Bäumen, die nur bei Regen überdacht waren und die noch nicht einmal Wände besaßen. Der Palast, wenn man die kleine Lichtung denn so nennen wollte, wurde von den Elfen kaum noch genutzt. Lediglich zu großen Festen versammelten sie sich an diesem Ort. Der 200. Geburtstag von Celias Großmutter war ein solches Fest. Es geschah nur selten, dass eine Elfe dieses Alter erreichte und Celias Großmutter Diohicea war immerhin die Königin. Celia mochte die Feste nicht. Einerseits hasste sie es, sich herauszuputzen, andererseits kam sie sich immer enorm deplaziert vor. Alle taten so vornehm und handelten nach genauestens festgelegten Regeln. In dieser Welt fand sie sich einfach nicht zurecht. Erst wenn es um Bücher, Menschen oder am besten gleich beides ging, blühte sie auf. Das war ihre Welt. Schwer seufzend riss sie sich vom hypnotisierenden Anblick der kleinen Fische im Teich los und stand auf, nur um sich auf die Bank zu setzen, die am weitesten vom Zentrum des Geschehens entfernt stand. Die Bänke waren am Rand des "Palastes" aufgestellt worden und in ihrer Mitte saß Diohicea. Von ihrem neuen Sitzplatz aus beobachtete Celia das Treiben. Skeptisch betrachtete sie ihre Großmutter, die von den wichtigsten Familien Geschenke entgegennahm und sich freundlich mit allen unterhielt, und ihre Mutter, Onkel und Tanten, die um sie herumstanden und ebenfalls freundlich mit allen redeten. Besonders mit Cilea wollten dieser Tage viele reden. Heute würde sie, das jüngste Kind von Diohicea, neue Königin werden. Ihre Mutter hielt sie von all ihren Kindern für am geeignetsten. Auf irgendeine nicht zu bestimmende Weise widerte Celia das Schauspiel an. All diese Elfen, die in ihren Augen absolut nichtige Dinge taten und dabei allen vorspielten wie schön doch alles war. Celia verstand sie einfach nicht. Um nicht noch wütender zu werden wandte Celia ihren Blick von den redenden und sich amüsierenden Elfen ab und starrte stattdessen lieber zum Teich. Fast augenblicklich fing sie wieder mit ihren Tagträumereien an. Sie träumte von den Abenteuern aus der Zeit, in der Elfen und Menschen Derlova noch nicht bevölkerten. Von den alten Legenden, die von den vielen Gefahren berichteten, die Elfen und Menschen gemeinsam auf ihrem Weg zu dieser Insel bestanden hatten. Diese alten Legenden zeigten ein grundsätzlich anderes Bild von den Menschen als die späteren. In der Legende der Reise beschützten die Menschen die Elfen immer, da sie besser kämpften. In den späteren Legenden der Elfenhelden waren die Menschen zu Monstern degradiert worden, deren einziges Ziel darin bestand, den Wald niederzubrennen und so alle Elfen zu vernichten. Celia konnte sich beim besten Willen nicht erklären, wie es zu einer solchen Veränderung der Menschen hätte kommen können. Es musste einen Grund geben. Hinzu kam noch, dass sie die Menschen noch nie hatte brandschatzen und morden sehen. Kein anderer Elf teilte Celias Ansichten, bis auf einen - ihren Vater. Obwohl sie ihn nie gesehen hatte, dachte sie viel an ihn. Die anderen Elfen, besonders ihre Mutter, sagten ihr immer wieder wie ähnlich sie ihm doch sei (wobei das im Allgemeinen nicht positiv gemeint war). Nur ihre Mutter fand aus unerfindlichen Gründen auch positive Seiten an Toheras. Er sei mutig gewesen und wissensdurstig - ebenso wie Celia. Äußerlich glich Celia schließlich mehr ihrer Mutter. Celia vergötterte ihren Vater. Sie bewunderte ihn für den Mut, den er bewiesen hatte, als er als erster Waldelf seit Jahrhunderten den Wald verlassen hatte. Damals, vor zwanzig Jahren, hatte er es sich trotz des Verbotes und der Überredungskunst seiner Freunde nicht nehmen lassen, sich sein eigenes Bild über die Menschen zu machen. Celias Mutter, seine Verlobte, konnte Toheras auch nicht zum Bleiben überreden, doch bevor er ging, versprach er ihr, er würde eines Tages zurückkommen. Er ging damals ohne zu wissen, dass Cilea ein Kind erwartete. All die vergangenen neunzehn Jahre ihres Lebens hatte Celia dem Tag entgegengefiebert, an dem Toheras endlich zu ihr zurückkommen würde. Er war der Einzige, dem sich die junge Elfe wirklich verbunden fühlte, er war mehr Seelenverwandter als Vater. Sie träumte davon, wie er sie in die Arme nehmen und ihr von seinen Abenteuern und Erfahrungen bei den Menschen erzählen würde. Sicher hatte er in den zwanzig Jahren unglaublich viel erlebt. "Na, hast du wieder mal Tagträume?", weckte sie Selions Stimme unsanft. Da er knapp hinter ihr stand, erschrak sich Celia, ließ sich aber nichts anmerken. Er pflegte sie öfter auf diese Art und Weise in die Realität zurückzuholen. Mit einer eleganten, federnden Bewegung setzte Selion sich nun neben sie. Nachdenklich besah sie sich nun sein Gesicht. Er war ihr bester Freund, und das nun schon seit Jahren, womit er ein gewaltiges Durchhaltevermögen demonstrierte. Genaugenommen war er auch mehr ein Bruder denn ein Freund und sie kannte ihn seit sie denken konnte. Er war ein paar Jahre älter als sie und damit auch um einiges erwachsener. Obwohl das wohl eher weniger an ihrem Alter lag. Selion hatte sie immer beschützt, nicht, dass es im Elfenwald etwas gab, wovor man sie hätte beschützen müssen. Außer ihr selbst natürlich. Niemand wusste so gut wie Selion, wie ähnlich Celia ihrem Vater war. Bei seinem Versuch sie zu beschützen hatte er sich schon des Öfteren den einen oder anderen Kratzer zugezogen. Tief in seinem Inneren fürchtete er sich vermutlich davor, dass sie Toheras eines Tages folgen würde und er dann nicht mehr auf sie aufpassen könnte. "Woran hast du denn diesmal wieder gedacht?", fragte er freundlich, keine Spur mehr von der aufgebrachten und Standpauken haltenden Person. Celia wunderte sich immer wieder über diese plötzlichen Stimmungsumschwünge seitens ihres Freundes, doch dank der Tatsache, dass sie es ja nun doch noch rechtzeitig geschafft hatten, war er wohl um einiges entspannter, um nicht zu sagen zufrieden mit sich. "An Vater.", war ihre knappe Antwort. Ihr Blick wanderte wieder zu ihrer Mutter und Großmutter. Ihre Mutter hatte keine anderen Kinder außer ihr. Würde sie es sein, die auf ihre Mutter folgen würde? Bei diesem Gedanken lief es Celia kalt den Rücken hinunter. Selion seufzte. "Du solltest dir nicht so viele Gedanken über ihn machen. Er ist schließlich tot. Sonst wäre er doch längst zurück." Celia war wie erstarrt. Noch nie hatte es jemand gewagt, diesen Gedanken ihr gegenüber offen auszusprechen. Sie wusste, dass alle so dachten, aber dass Selion es AUSSPRACH, machte sie im ersten Moment bestürzt und schließlich wütend. Noch nie in ihrem Leben war sie so unendlich wütend auf jemanden. Nur auf wen, auf Selion oder auf ihren Vater, der sie im Stich gelassen hatte. "Vater ist nicht tot, das weißt du ganz genau!", schrie sie den verdutzten Selion an. Sie konnte das einfach nicht akzeptieren. "Woher willst du das wissen? Er wäre doch wieder da, wenn die Menschen ihn nicht getötet hätten!", auch Selion verlor nun die Beherrschung und schrie, so dass alle Anwesenden ihre Blicke in Richtung der beiden Streitenden lenkten. "Das ist nicht wahr!" Es konnte einfach nicht wahr sein. Sie spürte, wie sich Tränen in ihren Augen zu sammeln begannen. Celia presste die Lippen zusammen, sprang auf und rannte aus dem Palast so schnell sie nur konnte, vorbei an all den anderen Elfen, die ihr verdutzt nachsahen. Sie war so wütend auf Selion. Noch nie hatte sie sich so mit ihm gestritten, aber eigentlich war nicht er das Ziel ihrer Wut. Nach der kurzen Unterbrechung fuhren die Elfen fort wie geplant. Celia verpasste die Krönung ihrer Mutter, doch es war ihr egal. Ihr war alles egal. Ihr Vater war noch am Leben. Es gab einen einfachen und logischen Grund, aus dem er nicht zurückkehren konnte. Sie wusste es. Es musste einfach so sein. Selion und all die anderen waren im Unrecht. Die Menschen waren nicht so, wie sie es glaubten. Sie hätten ihrem Vater nie etwas getan und ihr Vater hätte sich nicht so einfach umbringen lassen. Er hatte es schließlich versprochen. Doch die anderen würden sie nie verstehen. Niemand war in der Lage sie zu verstehen. Außer ihm. Wie in Trance war Celia nach Hause gerannt. Ohne zu zögern schmiss sie sich in ihre Schlafkissen. Die Tränen konnte sie nicht länger zurückhalten. * Traurig blickte Celia zum Himmel. Sie hatte sich den ganzen Nachmittag die Augen ausgeweint. Irgendwann hatte sie Durst bekommen, also hatte sie etwas getrunken, nur um danach weiterzuweinen. Sie hatte versucht zu schlafen, aber sie konnte es einfach nicht, obwohl sie hundemüde war. Irgendwann kam dann auch ihre Mutter zurück. Sie kam kurz zu Celia, aber als sie ihre Tochter so auf den Kissen hatte liegen sehen, wusste sie nicht mehr, was sie tun sollte. Eine Weile stand sie einfach nur hilflos da und schließlich ging sie. Celia hatte sie kaum registriert. Nach ein paar Minuten konnte sie schließlich doch einschlafen, wenn auch unruhig. Ihr Vater lebte noch. Irgendwo tief in ihrem Herzen wusste Celia das, oder meinte es zu wissen. Während sie so dagelegen und sich die Augen ausgeweint hatte, hatte sie einen Entschluss gefasst: Sie würde es allen beweisen und sie würde endlich Klarheit erlangen. Sie würde die Menschen erforschen und ihren Vater suchen. Sie wusste schließlich, dass sie recht hatte. Ihr Blick war jetzt nicht mehr länger traurig. Sie starrte fest entschlossen, fast grimmig in den Himmel, als sie sich ihren Entschluss in Erinnerung rief. In ihrer Hand hatte Celia einen Rucksack mit den Dingen, die sie mitnehmen wollte. Ein wenig Kleidung zum wechseln, so robust und warm wie möglich. Aus irgendeinem Grund war sie der Meinung, dass es bei den Menschen kälter sein müsste. Vielleicht lag es auch bloß daran, dass die Menschen, die sie bisher gesehen hatte, immer so viel Stoff brauchten, um sich zu schützen. Außerdem hatte sie noch ein Seil, Messer, Besteck (vielleicht hatten die Menschen ja keine Tischmanieren), ein Kochgeschirr und vor allem Proviant dabei. Am wichtigsten war ihr jedoch das Paket aus Wachspapier ganz unten in ihrem Rucksack. Es enthielt Papier, Tinte und Feder, um ihre Forschungsergebnisse festzuhalten. Um ihren Hals trug sie eine Kette. Der Anhänger, ein Talisman, war noch in der alten Welt geschmiedet worden und hatte eine Form, die Celia immer an eine Eidechse mit Fledermausflügeln erinnert hatte. Die Menschen damals mussten viel Phantasie gehabt haben und sie war der Meinung, es handle sich bei dem eigentümlichen Wesen um einen Schutzpatron. Angeblich war das Metall für die Kette von Sagenwesen namens Zwergen aus den Tiefen der Berge geholt worden. Wie gesagt, viel Phantasie. Celia blickte immer noch starr in den Himmel. Ihr Nacken verspannte sich schon. Die Sterne verblassten langsam und das nachtschwarz wechselte in ein himmelblau. Das Wetter würde gut werden, wie an den Tagen zuvor auch. Abrupt wandte sie den Blick wieder ab und sah zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war. In Richtung ihres Dorfes. Celias Blick wurde wieder nachdenklich und sie kaute leicht auf ihrer Unterlippe. Noch konnte sie zurück. Aber wollte sie das? Sie hatte ein wenig Angst, keine Frage, aber war das allein Grund, nicht zu gehen? Ihr Vater hatte bestimmt auch ein wenig Angst gehabt. Mit einer erneuten ruckartigen Bewegung blickte sie weg. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunk, um lang und breit über dieses Thema nachzudenken, das hatte sie bereits am Nachmittag, und wenn sie noch länger wartete, würden sie sie finden. Und wenn sie jetzt nicht ging, würde sie niemals gehen, dachte Celia. Also stand sie langsam auf und kletterte vom Grenzpfeiler herunter, wie schon vor nicht einmal einem Tag. Sie trug auch wieder dieselbe Kleidung wie vor dem Fest. Ein schon etwas abgetragenes weißes Wams und das dazugehörige Hemd und ein Paar ehemals weiße (inzwischen braun-grün-weiße) Stiefel. Ihre Haare trug sie auch wieder im Nacken zu einem losen Zopf zusammengebunden. Als Celia endlich vor dem Grenzpfeiler stand, drehte sie sich noch einmal kurz um, um zu horchen, ob man sie bereits suchte, redete sie sich ein. Dann wandte sie ihrem Dorf endgültig den Rücken zu und rannte bestimmt und ohne sich noch einmal umzublicken in Richtung des Waldrandes, vorbei am Grenzpfeiler. Komisch, ging es ihr durch den Kopf, sie hatte es sich immer schwere vorgestellt, die Welt, die sie kannte zu verlassen. Nach einer Weile wurde sie wieder langsamer. Sie sollte wohl doch etwas besser auf passen, wer wusste schon, welche Gefahren am Waldrand lauerten. Jetzt, wo sie wieder horchte, fiel ihr auf, wie unnatürlich still es war, als würden die Tiere etwas spüren. Das machte Celia nervös. Schließlich, nach einer unendlich langen Zeit, wie es ihr vorkam, sah sie die ersten Sonnenstrahlen zwischen den Bäumen hindurchbrechen. Die Bäume standen immer weniger dicht und während sie sich der Ebene immer mehr näherte blickte sie sich neugierig um, auf dass ihr auch ja nichts Neues entging, wie diese seltsame Blume, die im Schatten einiger Bäume wuchs. Ohne es zu merken stand sie schließlich zwischen den letzten beiden Bäumen, die sie noch von der Ebene, der sie bis dahin nie wirklich Beachtung geschenkt hatte, trennten. Ganz langsam wandte sie den Blick und sah etwas, was sie noch nie gesehen hatte und dessen Anblick ihr die Sprache verschlug. Sie hatte davon gelesen, ja, aber es wirklich zu sehen war etwas völlig anderes. Und plötzlich musste sie an den Sturm denken, wie sie sich gefühlt hatte, als sie die Mauern aus Wind gesehen hatte. Ein unendlich schöner und ängstigender Anblick zugleich. Vor ihr lag der Horizont. Die Ebene vor ihr war in das goldene Licht der gerade aufgegangenen Sonne getaucht. Einige Bäume standen dunkel ab, aber im Grunde genommen war alles, was Celia sah, mit Gras bedeckt. Sie hatte noch nie so viel Gras gesehen. In einigen Lichtungen wuchs es, aber im Wald war Gras eine Seltenheit. Celia stand einfach da und starrte mit leicht geöffnetem Mund auf die sich bietende Szenerie, verfolgte jede noch so kleine Änderung hervorgerufen durch den sich ändernden Winkel der Sonneneinstrahlung. Es dauerte lange, bis sie sich endlich halbwegs an den Anblick gewöhnt hatte. Wie in Zeitlupe blickt sie noch einmal zurück in den Wald. Sie stand an der Scheide zwischen den beiden Welten. Dann blickte sie wieder zum Horizont. Vor ihr lag das Menschenreich. Sie fühlte keine Angst mehr, außer vielleicht diesem niederschmetternden Gefühl, das durch die endlose Weite hervorgerufen wurde. Es war wie bei dem Sturm. Alle Angst wurde von der Neugier verdrängt. Wie sich ihr Vater wohl gefühlt hatte? Ob er wohl auch dort gestanden und den Horizont betrachtet hatte. Jetzt konnte sie wirklich mit Fug und Recht behaupten, ihm ähnlich zu sein, und das brachte sie zum lächeln. Ein Stück weiter erblickte Celia eine unbefestigte Straße. Ob es die war, die durch den Elfenwald führte? Celia wusste dass Menschen Straßen öfter benutzten, wie die Elfen die Pfade im Wald, nur dass sie größer waren. Würde sie der Straße folgen, müsste sie logischerweise früher oder später Menschen treffen. Also entschloss sie sich, ihr zu folgen, ohne zu wissen, wohin sie führte. Sie hätte nie gedacht, dass die Welt so groß sein konnte. TBC Kapitel 2: Das Dorf ------------------- Caronia Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 2/? (mindestens 12) Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: keine, außer dass der Schwachsinn von mir ist; in diesem Kapitel ist es etwas blutiger als in den anderen, aber so schrecklich schlimm sollte es nicht sein. Disclaimer: wie gesagt, der Schwachsinn gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment Zusammenfassung: Celia hat endlich den Wald verlassen und kann die Welt der Menschen erforschen, doch das erste Dorf, auf das sie trifft, birgt alles andere als positive Überraschungen. A/N: Kommis wie immer erwünscht. Ich bitte euch auch, mich auf Fehler aufmerksam zu machen und auch sonst Verbesserungsvorschläge für meinen Stil und meine Story zu machen. Kapitel II: Das Dorf Celia war den ganzen Tag der kleinen (oder in ihren Augen breiten) Straße gefolgt, doch außer Gras und hin und wieder einer kleinen Gruppe Bäume hatte sie nichts größeres gesehen. Allerdings hatte sie auch viel Zeit darauf verwendet, die kleinen Insekten und diverse Blumen ausgiebig zu bewundern. Gegen Mittag hatte sie einen kleinen Platz am Rand der Straße gefunden, in dessen Mitte sich eine Feuerstelle befand. Celia vermutete, dass ihn die Wagen, die auf der Straße reisten, hier für die Nacht Halt machten. Das war die erste Spur von Menschen (abgesehen von der Straße), die sie entdeckte, und sie nahm ihn genauestens unter die Lupe. Dabei fand sie einige merkwürdige, kleine, runde, metallene Plättchen mit Löchern in der Mitte, offenbar Talismane. Außerdem einige Tonscherben und ein Stück Holz, an dem offensichtlich jemand geschnitzt hatte. Begeistert setzte sich Celia sofort auf den Boden und zog das Wachspapierpaket mit den Schreibutensilien aus ihrem Rucksack. Es dauerte mehrere Stunden, bis sie die Objekte und Tier- und Pflanzenarten gezeichnet und über sie geschrieben hatte. Es waren bereits mehrere Seiten des Papiers gefüllt. Wenn das so weiterginge, hätte sie bald kein Papier mehr. Hoffentlich wäre ein Mensch so freundlich, ihr etwas zu geben. Als sie bemerkte, wie lange sie schon so da saß, sprang sie hastig auf und verstaute die lustigen Plättchen in ihrem Rucksack, zusammen mit dem Schreibzeug. Celia war mittlerweile so gespannt, dass sie vollkommen vergaß etwas zu essen, bevor sie den Rucksack schulterte und sich erneut auf den Weg machte. Sie ging dabei nie direkt auf der Straße. Sie hatte es am Vormittag versucht, hatte sich aber aus irgendeinem Grund total ausgeliefert gefühlt. Also hatte sie sich entschieden, etwas abseits der Straße durch das kniehohe Gras zu wandern, auch wenn das mühsamer war. Sie hatte sich inzwischen auch halbwegs an die endlose Weite gewöhnt, auch wenn es ihr immer noch leicht die Kehle zuschnürte, wenn sie zu lange in die Ferne sah. Als sich die Sonne im Westen dem Horizont näherte, kam Celia wieder nicht umhin, stehen zu bleiben und mit offenem Mund zu staunen. Das sich langsam entfaltende Farbspiel zwischen Gelb- und Rottönen, die schließlich in ein Violett und dann in ein fast schwarzes Blau übergingen, war einfach zu beeindruckend. Sicher, im Elfenwald hatte man auch an manchen Tagen die Farben am Himmel sehen können, aber durch die Bäume war das Zentrum der Farben verdeckt worden, wie Celia nun feststellte. Ohne die Bäume war ein Sonnenuntergang einfach zu wundervoll, um ihn nicht anzustarren. Erst, als die Sonne bereits hinter dem Horizont versunken war und nur noch ein heller Schimmer angab, wo Westen war, ging sie weiter. Eigentlich hätte sie müde sein sollen, schoss es Celia durch den Kopf, aber sie war viel zu aufgekratzt um das wahrzunehmen. Ebenso wie den Hunger. Sie wollte nur noch mehr sehen. Und sie sah mehr. Gerade, als auch der letzte Schimmer am Horizont verschwand, machte sie am Rande der Straße einen verdunkelten Gegenstand sah. Die Form war zu ebenmäßig, es konnte sich also unmöglich um Bäume handeln. Neugierig schlich sie näher heran, versteckte sich dabei bis zum Kopf im hohen Gras, bis sie Vertiefungen, die ebenso eine regelmäßige Form besaßen, entdecken konnte. Es mussten Häuser sein! Richtige Häuser mit Dächern und Räumen! Und die Vertiefungen mussten Fenster und Türen sein, damit die Menschen durch die Wände auch etwas sehen konnten! Inzwischen war es, abgesehen von dem Mond, der zeitweise von Wolken verdeckt wurde, vollkommen dunkel und so entschied sich Celia, dass sie das Dorf wohl gefahrlos in Augenschein nehmen konnte. Die Menschen schliefen sicher schon, und wenn doch nicht, so würden sie sie wohl nicht entdecken. Als sie nur noch wenige Meter von den ersten Häusern entfernt war, fiel ihr diese unnatürliche Stille auf. Irgendwie hatte sie sich die Menschen immer lauter vorgestellt. Oder waren sie nur so laut, wenn sie durch einen Wald fuhren? Vielleicht waren sie auch nur im Schlaf so leise. Doch diesen Gedanken verdrängte sie so schnell es ging wieder. Jetzt war nicht die Zeit für Zweifel. Den Grund würde sie schon noch erfahren und ihre Vermutungen brachten sie sowieso nicht weiter. War sie nicht von zuhause fortgegangen, um mit den Vermutungen Schluss zu machen und endlich Gewissheit zu erlangen? Sie wollte sich doch schließlich unbedingt einmal Menschen aus der Nähe ansehen und das war schließlich die perfekte Gelegenheit. Fast absolut geräuschlos schlich sie weiter. Wer wusste denn wie gut die Menschen hören konnten. Über die Deckung brauchte sie sich bei der Dunkelheit wohl keine Gedanken mehr machen, also stand sie langsam auf. So hatte sie auch einen besseren Überblick. Ein bisschen wunderte es sie aber schon, dass nirgendwo Licht brannte. Warum die Menschen das wohl so machten? Bisher hatte sie sie nachts im Wald immer mit Fackeln gesehen. Schließlich hatte sie die Straße erreicht, die ins Dorf führte. So käme sie am besten in Dorf, aber sollte sie das wirklich wagen? In der Dunkelheit fühlte sie sich noch ausgelieferter. Nach einigem hin und her riss Celia sich jedoch zusammen und trat langsam auf die Straße. Es fühlte sich irgendwie merkwürdig an. Um nicht weiter über dieses Gefühl nachdenken zu müssen, schlich sie schließlich weiter und lenkte ihre Gedanken auf das Dorf und die Menschen, die darin wohl leben mochten. Als sie das erste Haus passierte, begann die Stille ihr nun doch Sorgen zu machen. Auf diese Entfernung hätte sie sogar die Elfen problemlos gehört. Ob das Dorf verlassen war? Eine andere Erklärung konnte es eigentlich nicht geben. Aus ihrer Erfahrung wusste sie, dass Menschen immer seltsame Tiere bei sich hatten, aber auch die Tiere konnte sie nicht hören. Ratlos schlich sie zu dem Haus, das ihr am nächsten stand, und blickte durchs Fenster, doch sie sah kein einziges Lebewesen. Unwillkürlich lief ihr ein Schauer über den Rücken. Ihr Instinkt sagte ihr einfach, dass etwas nicht stimmte, dass es besser war, zu gehen, bevor es zu spät wäre. Warum nur löste das Menschendorf derartige Empfindungen aus? Es war doch unbewohnt. Da gab es einfach nichts zu fürchten. Trotzdem, in diesem Dorf gab es eine Atmosphäre des Todes. Etwas war passiert, das war klar. Celia fielen wieder die gruseligen Geschichten ein, die man den Elfenkindern erzählte, um sie daran zu hindern, sich den Menschen zu nähern. Die Geschichten der Elfenhelden, die gegen die Menschen kämpften, um den Wald zu verteidigen. Die Menschen waren damals immer tiefer in den Wald eingedrungen und hatten angeblich wahllos jeden Elfen getötet, der ihnen begegnet war. Ihre Schritte wurden immer langsamer, sie hatte gerade erst die ersten zwei Häuser hinter sich gelassen. Fast so, als würde eine unbekannte Macht sie davon abhalten, tiefer in das Dorf vorzudringen. Nun, bei dieser ominösen Macht handelte es sich wohl eher um zunehmende Angst. Doch diese Angst war absolut irrational und hatte nicht das geringste mit der Wirklichkeit zu tun. Celia verfluchte ihre Angst. Sie zeigte sich immer in den Momenten, in denen sie sie am wenigsten gebrauchen konnte. Plötzlich stolperte sie. Sie hatte gerade mit ihren Blicken die Häuser nach irgendetwas Ungewöhnlichem abgesucht, den Boden hatte sie vollkommen vernachlässigt, und so war ihr eine Unebenheit entgangen. Auf dem Boden liegend fluchte sie erneut, doch diesmal nicht auf ihre Angst, sondern ihre Unaufmerksamkeit. So etwas durfte einer Elfe einfach nicht passieren. Der Aufprall allerdings war weniger hart, als sie erwartet hatte. Doch das fiel ihr erst nach einigen Sekunden auf. Sie war wieder Erwarten doch nicht auf dem harten Boden gelandet. Im Gegenteil, ihr Kopf lag nun auf etwas Weichem. Das verwunderte sie nun doch. Um sich einen besseren Überblick zu verschaffen, rappelte sie sich langsam auf und setzte sich. Ihr rechtes Fußgelenk schmerzte. Sie zog es an sich heran und rieb sich es. Glücklicherweise war es nicht verstaucht. Noch immer konnte sie weder erkennen, was das für eine merkwürdige "Unebenheit" war, noch, warum sie so weich war. Vorsichtig streckte Celia ihre linke Hand aus und berührte das vor ihr liegende etwas. Es fühlte sich warm an. Und feucht. Irgendwie klebrig. Es ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen. Wieder vorsichtig und langsam zog sie ihre Hand zurück. Ganz ruhig betrachtete sie ihre Finger, die nun mit einer klebrigen dunklen Flüssigkeit bedeckt waren. Wie in Trance berührte sie mit der anderen Hand die Wange, auf der sie eben noch gelegen hatte. Auch sie war mit der Flüssigkeit bedeckt, warum war ihr das vorher nicht aufgefallen? Dann schlug die Erkenntnis ein wie ein Blitz: Es war Blut! Augenblicklich, als ob jemand plötzlich eine Fackel angezündet hatte, konnte sie auch erkennen, was da vor ihr lag: eine Leiche! Nein, nicht eine, viele Leichen! Alles war voller Leichen! Panische Angst und Entsetzen stiegen in ihr auf. Ihr Hals war wie zugeschnürt und ihr Atem ging nur noch stoßweise. Es war, als würde sie in den Leichen ertrinken. Sie musste weg. Einfach weg. Benommen stand sie auf, der Schmerz in ihrem Fußgelenk war wie weggeblasen. Eilig stolperte sie durch die zerfetzten Körper zurück. Sie konnte nicht rennen. Ihr war schwindelig. In ihrem Kopf begann alles, sich zu drehen. Überall sah sie nur noch Leichen. Sie erdrückten sie praktisch. Sie musste weg! Weg und sich irgendwo übergeben. Irrsinnigerweise fiel ihr ein, dass das wohl kaum ging, da sie nichts gegessen hatte. Wieso war ihr das nicht vorher eingefallen? Wieso dachte sie in so einer Situation an so etwas? Eigentlich wollte sie doch nur wieder zurück nach Hause, zu ihrer Mutter. Die Tränen, die über ihre Wangen liefen, nahm sie gar nicht mehr wahr. Die Legenden waren doch wahr. Menschen waren böse. Sie töteten sich sogar gegenseitig! Das konnten nur Menschen gewesen sein. Kein Tier könnte etwas derart böses tun. Auch ein Elf wäre nie zu solcher Grausamkeit fähig. Wieder wunderte sie sich kurzzeitig, dass sie überhaupt noch rational über etwas nachdenken und argumentieren konnte. Die Gedanken in ihrem Kopf rasten, wurden immer schneller, genauso wie ihre Beine, ohne dass die es bemerkte. Instinktiv rannte sie weg von den Leichen, in Richtung der rettenden Dunkelheit, die jenseits der schemenhaft erkennbaren Häuser lag. Celias gesamte Welt war in diesen wenigen Sekunden komplett zusammengebrochen. Ihr Vater war wahrscheinlich schon vor Jahren gestorben. Selion hatte Recht. Wie war ein Wesen nur zu so etwas fähig? Ihre Gedanken überschlugen sich wieder. Vor sich sah sie einfach nur die Dunkelheit, die Fläche zwischen den vom Mondlicht erhellten Häusern, hastete auf sie zu. Das war die Rettung, dort würde sie wieder atmen können (Keuchte sie nicht schon?). Nur noch ein paar Schritte und - Sie stolperte. Noch im Fall verfluchte sie erneut ihre Unaufmerksamkeit und fragte sich, ob sie wohl wieder auf einer Leiche landen würde. Alleine bei dem Gedanken wurde ihr schlecht. Dann schlug ihr Kopf auf etwas Hartes. * Melanon war schon einige Stunden ununterbrochen geritten, als die Sonne an diesem Tag unterging. Das lag allerdings eher weniger daran, dass er es eilig hatte. Dazu hatte er auch nicht wirklich einen Grund. Genaugenommen hatte er sogar gute Gründe, so viel Zeit wie möglich zu vertrödeln. Und das hatte er bisher auch getan. Sein Schiff war schon vor einer Woche in Ario angekommen und er hatte erst jetzt die Stelle erreicht, an der er die Straße nach Kraxia verlassen musste. Eine Strecke, die man innerhalb von drei Tagen hätte bewältigen können. Eigentlich hätte er diese Straße auch gar nicht nehmen müssen, um sein "Ziel" zu erreichen. Sein "Zuhause". Aber schließlich wollte er ja noch seinen alten Freund Oreas besuchen, den er schon seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Erst dann würde er sich auf den Weg "nach Hause" machen. Sein Vater würde wieder wütend sein. Aber war das nicht so oder so der Fall? Auch wenn Melanon immer noch die Kleidung der Magier trug (eine lange, graue Kutte) und auch seine Bücher und Zauberutensilien hatte behalten dürfen, so war er doch kein Magier. Nicht, dass er jemals einer gewesen wäre. Er war lediglich ein Schüler, wenn auch ein außergewöhnlich begabter, auf Perelos, der Insel der Magier, gewesen. Doch nun hatte er nach Jahren auf der abgeschiedenen Insel die Schule vorzeitig verlassen müssen. Eine Tatsache, die ihm nicht wirklich leid getan hätte, wäre da nicht sein Vater gewesen. Oh ja, er würde toben. Auch wenn er das Unvermeidliche durch seinen Besuch bei Oreas nur herauszögerte, sah er trotzdem keinen Grund, sich mehr als nötig zu beeilen. Schließlich war das die einzige Möglichkeit, seinen Kopf noch etwas länger zu behalten. Nun stand Melanon jedenfalls vor einer schweren Entscheidung: Sollte er die Nacht hindurch weiterreiten, bis er das Haus seines Freundes erreichte, oder sollte er sich hier eine Unterkunft für die Nacht suchen? Schlussendlich entschied er sich für letzteres. Das hatte zwei Gründe. Zum einen war er schon so müde, da er dank seiner Alpträume nicht sehr gut schlief, dass ihm seine schwere Tasche schon mehrmals beinahe hinuntergefallen wäre, und zum anderen erinnerte er sich an ein Dorf, dass sich hier in der Gegend befinden musste. Also gähnte er noch ein letztes Mal, bevor er seinem Pferd die Sporen gab, um der Straße noch ein Stück zu folgen und das Dorf zu suchen. Es dauerte auch nicht lange, bis er erleichtert die ersten Häuser ausmachen konnte. Doch diese Erleichterung wandelte sich schnell in Besorgnis um. Es war zu still und außerdem brannte nirgends Licht. Schlagartig war Melanon wieder hellwach. Er glaubte kaum, dass das Dorf verlassen wurde. Es war das einzige in der Gegend und sicher wären die Häuser schon längst verfallen oder auseinandergenommen (Baumaterial war in dieser Gegend selten) worden. Als Arqua dann auch noch scheute, kurz bevor sie das Dorf erreichten, war er sich endgültig sicher. Etwas schlimmes musste passiert sein. Sein Pferd hatte nach so vielen Jahren auf der Insel der Magier eine Art sechsten Sinn für so etwas entwickelt. Sicherheitshalber stieg er ab und nahm Arqua bei den Zügeln. So vorsichtig wie möglich näherte er sich dem Dorf, und als er zwischen den ersten Häusern stand, entdeckte er einen Schatten auf dem Boden vor sich. Er hatte einen schrecklichen Verdacht, der sich unglücklicherweise auch bewahrheitete. Vor ihm lag ein Mann, etwas Mitte dreißig. Sein Gesicht war zu einer angsterfüllten Fratze verzerrt. Aus seinem Rumpf ragte ein Speer, der ihn eindeutig niedergestreckt hatte, doch an den anderen Schnittwunden an Armen und Oberkörper konnte man deutlich sehen, dass er vorher noch gefoltert worden war. Vermutlich von Männern zu Pferde, da die Beine bis auf einige Schürfwunden (er war wohl öfters hingefallen) unversehrt geblieben waren. Wahrscheinlich war das das Werk von Banditen. Melanon hatte schon gehört, dass sie hier im Norden immer häufiger die kleinen Dörfer plünderten (und nebenbei dem Erdboden gleich machten). Er war also nicht wirklich überrascht. Der Mann hatte zwei bis drei Stunden so dagelegen, also blieb ihm nichts übrig, außer seine Augen zuzudrücken und ein Gebet zu sprechen. Er seufzte schwer, bevor er sich wieder erhob. Es bestand schließlich noch die Möglichkeit, dass sich hier irgendwo Verletzte befanden, die sich noch in einer der Häuser hatten retten können. Er ging weiter und führte Arqua hinter sich her. Geschickt wich er dabei immer wieder den auf dem Boden liegenden Toten aus. Würde er sich bei jedem die Zeit nehmen, ein Gebet zu sprechen, wäre er die ganze Nacht beschäftigt. Trotzdem, der Anblick ließ ihn nicht kalt. Als er eine Gruppe kleiner Kinder sah, denen wohl das Genick gebrochen wurde (keine anderen sichtbaren Verletzungen), verzog er das Gesicht. Alles, was er noch fühlen konnte, waren Abscheu und Ekel. Wer war nur zu so etwas fähig? Offenbar war nicht ein Dorfbewohner am Leben geblieben. Und selbst wenn, so würde er ihn sicherlich nie finden. Musste er sich also mal wieder der Magie bedienen? Es wurmte ihn, aber eine andere Möglichkeit gab es einfach nicht. Plötzlich blieb er stehen. Arqua starrte ihn erst irritiert an, dann verstand das Pferd. Melanon nahm seine ganze Konzentration und verwandte sie darauf, seinen Geist auszuweiten, bis er das gesamte Dorf erfasste. Dabei hielt er Ausschau nach einem lebenden Wesen, fand aber nur ein paar Mäuse und anderes Getier. Er wollte gerade aufgeben, als er am Rande des Dorfes eine Aura wahrnehmen konnte. Er schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf diese Aura. Ja, da war eindeutig jemand am Leben, etwa fünfzig Meter vor ihm musste jemand sein! Langsam bewegte sich Melanon in diese Richtung, immer noch Arqua hinter sich her ziehend. Plötzlich stutzte er. Da war ein weißer Schimmer, der irgendwie nicht in dieses Dorf zu gehören schien. In Dörfern wie diesem gab es nichts weißes. Weder die Stoffe der Kleider, noch die Haut der Menschen hier konnte so weiß sein. Er wurde neugierig. Irgendetwas sagte ihm, dass es sich bei diesem jemand um die Aura handeln musste. Er ließ Arquas Zügel los und näherte sich langsam der Gestalt auf dem Boden, bis er schließlich erkannte, wen, beziehungsweise was, er da vor sich hatte. Es war eine Elfe. Eine Elfe?! Melanon runzelte die Stirn. Höchstwahrscheinlich eine Waldelfe, die Wind-, Wasser-, Feuer- und Erdelfen kamen praktisch nie in diese Gegend, nur der Elfenwald lag nah genug. Aber was hatte eine Elfe hier zu suchen? Er kannte nur einen Waldelfen und der hatte ihm erzählt, dass die Waldelfen sich vor den Menschen fürchteten und dass sie niemals ihren Wald verließen. Nun ja, darüber konnte er später immer noch nachdenken. Erst einmal musste er feststellen, wie es der Elfe ging. Sie lag schräg auf der Seite, war aber auf den ersten Blick unverletzt. Auf den zweiten Blick entdeckte Melanon dann den Blutfleck in ihren weißgrauen Haaren. Ihr rechter Fuß hing unter dem Arm einer Leiche fest. Vermutlich war die Elfe genau wie er in das Dorf gekommen und hatte dann die Leichen entdeckt. Für sie musste es ein ungleich größerer Schock gewesen sein, denn soweit er sich erinnerte, war es im Elfenwald absolut friedlich und keine Erzählung hätte sie auf das Geschehene vorbereiten können (schließlich fürchteten die Elfen die Menschen). Er hatte zwar auch abgeschlossen vom Rest der Welt gelebt, aber immerhin wurden die Magierschüler regelmäßig mehr oder weniger gut über das Geschehen auf Derlova unterrichtet. Nachdem sie die Leichen entdeckt hatte, musste das Mädchen in Panik geflohen sein und hatte dabei nicht auf ihren Weg geachtet. Andernfalls wäre sie niemals gestolpert. Dafür waren die Elfen einfach viel zu geschickt. Der Aufprall war vermutlich so hart, dass sie das Bewusstsein verlor. Womöglich hatte sie eine Gehirnerschütterung und einen Schock. Neben ihr entdeckte Melanon eine Tasche, die augenscheinlich aus dem gleichen Stoff wie die Kleidung der Elfe gefertigt wurde. Vorsichtig drehte er die Elfe auf den Rücken. Sie war noch recht jung, was ihn überraschte, etwa in seinem Alter, soweit man das bei Elfen beurteilen konnte. Natürlich konnte sie auch bis zu zehn Jahre älter sein. Was hatte ein so junges Elfenmädchen bloß in der Menschenwelt zu suchen? Auf jeden Fall war sie nicht durch Zufall hier gelandet, immerhin hatte sie Gepäck dabei. Ob sie auch eine Forschungsreisende war? Behutsam schob Melanon seine Arme unter ihren Körper und hob sie dann langsam hoch, wobei er darauf achtete, dass ihr Kopf keinen ruckartigen Bewegungen ausgesetzt wurde. Diese Aktion konnte ihren Zustand verschlimmern, aber schließlich konnte er sie ja auch schlecht einfach zwischen all den Leichen liegen lassen. Und hier konnte er ihr nicht helfen. Er hatte einfach nicht die nötigen Verbände und Kräuter dabei. Nun musste er mit dem Mädchen in den Armen zu Arqua gelangen, ohne über die Hindernisse auf dem Boden zu stolpern. Leise fluchte er, dann fiel ihm ein, dass ihn so oder so niemand hören konnte. Er hätte erst Arqua hohlen und sie dann in die Arme nehmen sollen. Nun ja, jetzt war es zu spät. Sie noch einmal hinzulegen und dann wieder hochzuheben war ebenso anstrengend. Also tastete Melanon sich immer mit einem Fuß vor, da er ja nicht sehen konnte, was da vor ihm lag. Sein Pferd beobachtete ihm argwöhnisch. Es musste aber auch wirklich zu lächerlich aussehen. Als er (endlich) neben seinem Pferd stand und die bewusstlose Elfe in den Sattel gehievt hatte (auch wenn er nicht wirklich wusste, wie er dieses Kunststück fertig gebracht hatte), keuchte er schon. Auch wenn die Elfe an sich relativ leicht gewesen war, die gesamte Prozedur hatte es in sich. Jetzt musste er sich nur noch die Tasche um die Hüften binden, damit er sie nicht doch noch verlor und sich selber in den Sattel setzten, ohne dass das Mädchen herunter fiel. Zum Glück blieb Arqua die ganze Zeit ruhig und vertraute seinem Herren. Gerade, als er endlich zusammen mit der Elfe sicher im Sattel saß, fiel sein Blick auf etwas weißes einige Meter weiter vorne. Der Rucksack! Gequält stöhnte er auf. Das durfte doch nicht wahr sein. Jetzt musste er noch einmal ab- und aufsteigen. Er versuchte vorsichtig, aus dem Sattel zu steigen, doch eine seiner Bewegungen ließ das Mädchen vor ihm bedrohlich schwanken. Es blieb ihm wieder nichts anderes übrig, als schon wieder Magie einzusetzen. Nun ja, wenigstens zu etwas war die Folter, die sich Erziehung nannte gut gewesen. Langsam streckte er seine linke Hand aus und deutete mit ihr auf den Rucksack. Auf ein grob gezeichnetes Dreieck und ein gemurmeltes Wort hin schoss das Gepäckstück in seine Hand. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Melanons Gesicht. Magie hatte eben doch auch ihre guten Seiten (auch wenn er es nicht gerne zugab), selbst wenn man sie nie hatte erlernen wollen und sie auch eigentlich nicht mehr benutzen durfte. Er hängte den Rucksack auf seine andere Seite und wandte sich dann dem nächsten Problem zu. Irgendwie musste er es schaffen, Arqua sicher durch die Leichen zu lotsen. Das letzte, was er jetzt gebrauchen könnte, wäre ein verletztes Pferd. Irgendwie schaffte er es auch, obwohl das wohl eher seinem Pferd als seinen Reitkünsten zu verdanken war. Als sie endlich den Ausgang des Dorfes erreichten, war Melanon zum Umfallen müde. Magie hatte eben auch ihren Preis, vor allem, da immer noch der Bann auf ihm lag. Schließlich hatten die Ältesten sicher gehen wollen, dass er nie wieder in der Lage war, Magie anzuwenden. Wie sich zeigte, war es ihnen aber nicht so ganz gelungen. Nun war es jedenfalls zu spät. Er würde sich wohl kaum ausruhen können, bis sie Oreas erreichten. Und das würde noch dauern. Ob er so lange durchhalten würde? Nicht, dass er eine Wahl hatte. Er seufzte noch einmal, bevor er Arqua die Sporen gab. Wenn sie sich beeilen würden, wären sie im Morgengrauen da. Vorausgesetzt das Pferd und er würden durchhalten. Und er würde den Weg finden. Es war schließlich schon eine Ewigkeit her, dass er das letzte Mal hier war. Glücklicherweise konnte man sich hier in der Ebene einigermaßen an den Sternen orientieren. Das Wetter war immer noch vergleichsweise gut und dank dem Mond konnte man Hindernisse auch rechtzeitig erkennen. So konnten sie schnell reiten. Und tatsächlich erreichten sie noch vor Sonnenaufgang Oreas Holzhütte am Rande eines kleinen Dorfes. Ein kleines Wunder. Dieses Wunder hatte Melanon und Arqua allerdings alles an Kraft abverlangt, was sie noch besaßen. Melanon konnte kaum noch seine Augen offen halten und immer wieder fielen sie ihm zu, während Arqua schweißbedeckt war und schon leicht zitterte. Mit seiner letzten Kraft stieg Melanon aus dem Sattel und nahm die Elfe in die Arme. Er schaffte es auch bis zur Tür und wollte gerade anklopfen, als sie sich von selber öffnete. Im Türrahmen stand Oreas und blickte seinen Freund erst ein paar Sekunden lang überrascht und verwirrt an, bevor er begriff, wer da vor ihm stand. Dann nahm er ihm erst einmal die Elfe aus den Armen und trat ein wenig zur Seite, um den Weg nach innen freizugeben. Melanon lächelte noch schwach und stolperte hinein, ohne überhaupt über das nachzudenken, was der tat. Er handelte nur noch mechanisch und fand ganz von selbst den Weg in ein Zimmer mit Bett (Oreas' Zimmer) und ließ sich in die Laken fallen. Ohne überhaupt einen Gedanken an Oreas und das Elfenmädchen zu verschwenden rollte er sich auf die Seite und schloss die Augen. Er war fast augenblicklich eingeschlafen, ohne auch nur ein erklärendes Wort zu sagen. TBC So, jetzt habt ihr auch Melanon kennen gelernt. Die zweite Hauptperson. Ich mag ihn, aber er ist nicht mein Liebling. Und ich konnte mir die Leichen einfach nicht verkneifen. Ob ich jemals eine komplette Geschichte ohne fertig stellen werde? Eher nicht. Und ich weiß wirklich nicht, woran das liegt. Kapitel 3: Oreas ---------------- Caronia Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 3/? (mindestens 15) Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: keine, außer dass der Schwachsinn von mir ist Disclaimer: wie gesagt, der Schwachsinn gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment Zusammenfassung: Celia wacht völlig verängstigt in einer fremden Umgebung auf, und trifft auf Oreas, bei dem sie gar nicht weiß, was sie von ihm halten soll. A/N: Kommis wie immer erwünscht. Ich bitte euch auch, mich auf Fehler aufmerksam zu machen und auch sonst Verbesserungsvorschläge für meinen Stil und meine Story zu machen. Kapitel III: Oreas Das erste, das Celia wahrnahm, als sie erwachte, war der Schmerz in ihrem Kopf. Erst langsam drangen auch andere, durch den Schmerz verzerrte Fakten zu ihrem Bewusstsein durch. Sie lag auf dem Rücken, auf etwas weichem und sie konnte das Zwitschern von Vögeln hören. Am liebsten hätte sie ewig so vor sich hingedämmert, aber irgendetwas erschien ihr falsch. Nur was? Ja, die Vögel klangen irgendwie seltsam, so ganz anders, als sie es gewohnt war. Aber das war es nicht. Sie grübelte weiter, aber die Kopfschmerzen ließen sie keinen klaren Gedanken fassen. Warum hatte sie eigentlich so höllische Kopfschmerzen? Da war doch was. Genau, sie war hingefallen und musste sich den Kopf gestoßen haben. Aber warum war sie hingefallen? Sie war über etwas gestolpert. Einen Moment lang erschien es ihr lächerlich, dass eine Elfe über etwas gestolpert sein sollte, doch dann war plötzlich alles wieder da. Das Dorf, die Leichen, das Blut an ihren Händen und mit ihnen kam die Panik. Verzweifelt versuchte Celia sich wieder zu beruhigen, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen. Ihr Herz raste einfach weiter. Da war nur noch diese Angst. Angst davor, die Augen zu öffnen. Sie wollte und konnte den Anblick der Leichen nicht mehr ertragen, die neben ihr auf dem Boden lagen. Moment, Boden? Aber hier war doch alles weich, wie auf einem Kissen und wenn sie genauer darüber nachdachte, fühlte es sich auch an wie Stoff. Sie konnte also gar nicht auf dem Boden liegen und somit war auch ausgeschlossen, dass sich neben ihr irgendwelche Leichen befanden. Für einen kurzen Moment war sie einfach nur unglaublich glücklich und erleichtert, bis sie realisierte, was das alles zu bedeuten hatte. Jemand musste sie gefunden und mitgenommen haben. Dieser jemand konnte unmöglich ein Elf gewesen sein. Es war also ein Mensch. Eines der Wesen, die dieses grauenvolle Blutbad angerichtet hatten. Was hatten sie nur mit ihr vor? Warum war sie nicht schon tot? Und wieder hatte sie panische Angst. Ihre Hände krallten sich in die Laken und sie kniff die Augen zu. Celia wollte die Augen nicht öffnen, hoffte es handle sich lediglich um einen bösen Traum, aus dem sie bald erwachen würde. Die Kopfschmerzen waren allerdings zu real um nur Bestandteil eines Traumes zu sein und je länger sie wartete, um so mehr wurde ihr klar, dass das kein Traum war, der einfach so verschwinden würde, dass sie nicht einfach aufwachen und über die Sache lachen würde. Das war die Realität. Erst langsam drang wieder der Gesang der Vögel zu ihr durch. Es beruhigte sie ein wenig, obwohl sie die Vogelstimmen nicht erkannte. Vögel. Im Dorf hatte sie sie nicht gehört. Wo es Vögel gab, da war alles in Ordnung. Sie wäre geflohen, wenn hier irgendwo Gefahr drohte. Hier war niemand, vor dem sie sich fürchten müsste. Genau, hier war niemand. Sie war ganz allein. Sie hörte nur die Vögel, kein Atmen, Stimmen oder das scharrende Geräusch der Stiefel. Hier waren keine Menschen, jedenfalls nicht in ihrer näheren Umgebung. Aus irgendeinem Grund konnte sie nicht so gut hören wie sie es normalerweise tat. Womöglich war ihre Wahrnehmung immer noch von diesem hämmernden Schmerz beeinträchtigt. Es dauerte, bis sich ihre Angst soweit reduziert hatte, dass ihre inzwischen schmerzenden Finger vom Laken abließen und sich auch der Rest ihres Körpers wenigstens geringfügig entspannt hatte. Vorsichtig öffnete sie die Augen, irgendwann musste sie es schließlich tun. Erst sah sie nur verschwommen und die Helligkeit blendete sie leicht. Dann bekam sie sofort den nächsten Schock. Ihr Blick fiel wider Erwarten nicht auf einen blauen, möglicherweise auch grauen oder weißen Himmel oder auf das Blattwerk der Bäume, sondern auf eine in den verschiedensten Brauntönen gemaserte Fläche, die schätzungsweise zwei Meter über ihrem Kopf schwebte. Fast augenblicklich stellte sich die Art von Angst ein, die jeder Elf in einer Höhle empfand: Platzangst. Geschockt kniff Celia erst einmal die Augen zusammen. Nach einigen Sekunden öffnete sie langsam erst das linke und dann das rechte Auge, nur um immer noch ungläubig und verängstigt auf dieses braune Etwas zu starren. Sie hätte schwören können, dass es sich auf sie zu bewegte und sie zu erdrücken drohte, doch es geschah nichts. Es musste also Einbildung sein, wie sie es auch in den Höhlen schon einmal erlebt hatte. Natürlich durfte sie sie damals nicht betreten und hatte sich entgegen des Verbotes hineingeschlichen. Alleine waren die dunklen engen Räume noch beängstigender als in Gesellschaft und das flackernde Licht der Fackel erweckte die Wände zum Leben und ließ sie wie farbiges Wasser in einem ruhigen flachen Fluss wirken. Nachdem sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, blickte Celia sich suchend um, soweit ihr Kopf dies zuließ. Die Bewegung machte die Schmerzen noch schlimmer. Das Zentrum musste etwas oberhalb ihres linken Ohres liegen. Um überhaupt einen Überblick über ihren Aufenthaltsort zu erhalten, wandte sie den Kopf so langsam und vorsichtig wie möglich nach rechts, wobei es ihr nicht so recht gelingen wollte, den Schmerz so minimal wie möglich zu halten. Mit jedem Herzschlag verursachte das pochende Blut nun nur noch größere Schmerzen. Am liebsten hätte sie laut geflucht, aber ihre Kiefermuskeln wollten ihr aus irgendeinem Grund einfach nicht gehorchen. Das einzige, das den Schmerz erträglicher machte, war, erneut die Augen zu schließen. Als sie sie wieder öffnete (das Pochen war nur noch dumpf wahrnehmbar), fiel Celias Blick auf etwas absolut Merkwürdiges. In dieser braunen Fläche, die sich irgendwann scharf zum Boden neigte, befanden sich vier rechteckige Löcher, durch die man einen Blick auf den Himmel erhaschen konnte. Es lag jedenfalls nahe, dass das blaue Etwas der Himmel war, je weiter in die Ferne sie blickte, desto mehr verschwamm alles. Celia konnte gar nicht anders, als erleichtert auszuatmen (was sie jedoch wieder recht schmerzhaft an ihren Kopf erinnerte). Der Himmel war wie ein Anker in dieser fremden Welt in der sie kaum etwas erkannte. Jetzt, wo sie länger die Augen geöffnet hatte, schärfte sich ihr Blick auch wieder. Und bei genauerer Betrachtung stellte sie fest, dass sie die viereckigen Löcher kannte. Sie hatte sie schon einmal gesehen, im Dorf, damals allerdings von außen, bevor... nein, daran wollte sie jetzt nun wirklich nicht denken. Doch natürlich dachte sie daran. Es fühlte sich an, als ob eine kalte Hand ihr Herz umfasste, aber die Panik hielt sich einigermaßen in Grenzen. Sie war also wirklich bei den Menschen, in einem ihrer Häuser. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erklären, wie Menschen in etwas derartig Beengendem leben konnten. Wirklich merkwürdig. Aber daran sollte sie sich wohl besser ein andermal Gedanken machen. Sie war schließlich bei den Menschen. Das musste sie sich einfach immer wieder in Erinnerung rufen, wenn sie wieder abzuschweifen drohte. Sie brauchte jetzt ihre Konzentration. Und mit ihrer Hilfe musste sie zunächst einmal ihre Angst verdrängen. Die konnte ihr in dieser Situation am allerwenigsten helfen. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren und so schnell wie möglich über einen Ausweg aus dieser Situation nachdenken. Das wäre aber sicher nicht der Fall, wenn sie weiterhin liegen blieb. Zuallererst musste sie aufstehen. Also biss Celia die Zähne zusammen, atmete drei Mal tief durch und kniff die Augen zusammen. Dann stemmte sie sich langsam, die Kopfschmerzen ignorierend, in eine sitzende Position. Was war bloß mit ihrem Kopf, dass er so schmerzte? Jetzt, im Sitzen, hatte sich auch noch Übelkeit zu dem Pochen gesellt. Als hätte das alleine nicht schon gereicht. Automatisch legte sie die linke Hand an den Kopf. Sie stutzte. Eigentlich hätte sie ihre Haare spüren müssen, aber stattdessen... irgendjemand (Korrektur: irgendein Mensch) musste ihren Kopf verbunden haben! Aber warum? Eigentlich, wenn man logisch darüber nachdachte, gab es nur eine Erklärung. Die Menschen wollten ihr doch nichts Böses und wollten sie nur gesund pflegen. Das jedenfalls hätten die Elfen getan. Aber sie war schließlich bei den Menschen. Wollten sie sie nur gesund pflegen, um ihr etwas Schlimmeres anzutun? Celia verfiel wieder ins Grübeln, bis es ihr gelang, sich erneut zur Vernunft zu rufen. Das war einfach nicht der richtige Zeitpunkt für derartige Entgleisungen. Sie sah sich erneut im Zimmer (wie sie ja inzwischen herausgefunden hatte) um. Es war wirklich einfach alles braun gemasert, aus Holz, wie sie feststellte (sie konnte wieder einigermaßen klar sehen). In einer Ecke stand ein Tisch, mit Stühlen. Auf einem der Stühle entdeckte sie ihren Rucksack und neben diesem Stuhl standen ihre alten und abgenutzten Lieblingsstiefel. Das erstaunte sie. Es wirkte irgendwie so, als hätte sich jemand wirklich Mühe gegeben, ihre Sachen in Ordnung zu halten. Sie hätte sogar schwören können, dass die Stiefel sauberer waren als zuvor. Warum hätte jemand das tun sollen? Wie auch immer, sie sollte jetzt besser aufstehen und nicht wieder über Unsinn nachdenken. Als sie ihre nackten Füße auf den unerwartet warmen Boden gesetzt hatte, fiel ihr auf, dass sie gar nicht, wie gewohnt, in großen, flauschigen Kissen gelegen hatte. Ihre Schlafstätte hatte sie bisher gar nicht beachtet, dabei war sie das mit Abstand ungewöhnlichste im ganzen Raum. Sie hatte zwar auf einer Art Kissen geschlafen, aber es war merkwürdig eckig und starr geformt und lag noch dazu in einem Holzgestell. Ihr Kopf hatte auf einem kleineren richtigen Kissen gelegen. Etwas so merkwürdiges und faszinierendes wie dieses Holzgestell hatte sie noch nie gesehen. Menschen waren schon recht eigenartig. Das Aufstehen gestaltete sich wesentlich schwieriger, als sie erwartet hatte. Celia hatte zwar damit gerechnet, dass Kopfschmerzen und Übelkeit wieder zunehmen würden, aber nicht damit, dass ihr plötzlich schwarz vor den Augen werden und sie die Orientierung verlieren würde. Sie fand sich schließlich auf dem Rücken liegend auf der Mischung aus Holzgestell und Kissen wieder. Sie war also kurz ohnmächtig geworden. Beim zweiten Versuch ließ sie es wesentlich langsamer angehen, und um ein erneutes Umkippen zu vermeiden, rückte Celia diesmal näher an einen der Pfeiler des Gestells heran und zog sich daran hoch. Wieder tanzten schwarze Punkte vor ihren Augen, doch wurde ihr nicht gänzlich schwarz vor Augen und dank des Pfeilers kippte sie auch nicht wieder um (auch wenn sie nicht mit Sicherheit hätte sagen können, dass sie stand). Es dauerte einige tiefe Atemzüge, bis ihr Gleichgewichtssinn sich wieder aktiviert hatte und sie sich sicher genug auf den Beinen fühlte, um einen Schritt zu wagen. Die vier Schritte bis zum Tisch stolperte sie eher unsicher vor sich hin. Am Ende musste sie sich an den Stuhl klammern und riss diesen fast mit sich zu Boden. Es erstaunte sie schon, dass es ihr gleich beim ersten Versuch gelang. Sie setzte sich auch gleich auf den Stuhl und atmete wieder tief durch, konzentrierte sich auf dieses nervtötende Pochen und entspannte sich so gut wie möglich, bis es endlich kaum noch wahrzunehmen war (als Pochen, der Schmerz blieb). Dann wandte sie den Blick zu Boden. Zu ihren Stiefeln. Sie nahm den linken und betrachtete ihn ausgiebig. Er sah wirklich sauberer aus. Vielleicht war es auch nur Einbildung. Stirnrunzelnd streifte sie ihn sich über den Fuß und griff nach dem nächsten. Als sie schließlich fertig war, nahm sie ihren Rucksack und öffnete ihn. Nach genauer Untersuchung stellte sie fest, dass nichts fehlte. Das wunderte sie schon, auch wenn sie nicht wusste wieso und was sie erwartet hatte. Celia wollte sich gerade auf den Tisch aufstützen und aufstehen, als ihr einfiel, dass die gar nicht wusste, wie sie aus dem Zimmer herauskommen sollte. Ob sie es in diesem Zustand schaffen würde, aus dem Fenster zu klettern? Einen Versuch war es jedenfalls wert. Es befand sich nur etwa drei Schritte von ihrem Stuhl entfernt. Inzwischen hatte sie auch weniger Probleme mit dem Aufstehen und das Gehen (oder besser Torkeln) ging auch leichter. Als sie dann aber durch eines der Löcher fassen wollte, prallte ihre Hand an einer unsichtbaren Barriere ab. Das machte ihr Angst. Es verstärkte das immer noch unterbewusst vorhandene Gefühl der Platzangst und stützte ihre Vermutung, dass die Menschen es doch nicht so gut mit ihr meinten. Was, wenn alle Auswege durch unsichtbare Barrieren versperrt waren um sie an der Flucht zu hindern? Gab es überhaupt einen anderen Ausweg? Hektisch sah sie sich im Raum um, bis ihr Blick auf etwas Merkwürdiges fiel. In der Wand gegenüber des Holzgestelles befand sich eine längliche Rille, die eine längliche Fläche vom Rest der Wand abgrenzte. Etwa auf halber Höhe in der Fläche hing ein eigenartiger Gegenstand. Neugierig ging (wohl doch eher wackelte) Celia zu diesem "Ding" um es genauer zu untersuchen. Ihr kam tatsächlich eine Vermutung. Sie hatte in den Büchern öfter etwas von "Türen" gelesen, mit deren Hilfe man Räume betreten und verlassen konnte. Nur wie ging das? Es musste doch einen Mechanismus geben. Dummerweise hatte sie keine Ahnung, wie sie ihn finden oder auslösen sollte. Soweit sie sich erinnern konnte, stand darüber auch nichts in den Büchern. Nachdenklich ließ sie die Finger über die Rillen gleiten, aber nichts geschah. Das war es also nicht. Dann sollte sie ihre Aufmerksamkeit dem Gegenstand widmen. Erst einmal betrachtete sie diesen aus Holz gefertigten Entenkopf (wenigstens ähnelte er entfernt einem solchen) ausgiebig. Schließlich versuchte sie, dieses Ding einzudrücken oder herauszuziehen. Nach einigen Versuchen stellte sie wenigstens fest, dass es sich nach unten drücken ließ. Aber sonst passierte immer noch nichts. Etwas fehlte bestimmt, nur was? Das Drücken musste mit etwas kombiniert werden. Sie drückte das Was-auch-immer-es-sein-mochte nach unten und gleichzeitig nach innen, dann probierte sie es mit ziehen und - siehe da - das Holz gab nach und gab den Blick auf einen weiteren Raum frei. Celia war gleichzeitig unheimlich glücklich und enttäuscht. Einerseits hatte sie es geschafft, die Tür zu öffnen, aber andererseits hatte sie gehofft, im Freien zu sein. Dem war aber dummerweise nicht so. Sie stand nun in einem Raum, der größer war als der vorherige und kein Holzgestell beinhaltete. Sie fühlte sich wieder so unwohl. An den anderen Raum hatte sie sich schon mehr oder weniger gewöhnt. Nun hatte sie wieder etwas Angst. Doch auch in diesem Raum war kein Mensch, den sie hätte fürchten müssen. In der Mitte stand ein Tisch, der größer war und mehr Platz bot. In der rechten Ecke gab es eine Feuerstelle aus Stein. Und noch etwas unterschied diesen Raum von dem anderen: an den Wänden hingen Bilder. Ein Teil von Celia hätte den Raum gerne noch genauer unter die Lupe genommen und analysiert, aber ihr Verstand und ihre Angst geboten ihr, so schnell wie möglich einen Ausweg zu finden. In der gegenüberliegenden Wand befand sich ein Fenster und direkt neben diesem eine weitere Tür. Dort musste ein Ausweg sein! So schnell es eben ging stolperte Celia auf diese Tür zu, wobei sie sich immer kurz an dem Tisch und den Stühlen abstützen musste. Am Ziel angelangt drückte sie das Etwas wie zuvor nach unten und versuchte, die Tür aufzuschieben - doch nichts geschah. Funktionierten diese Türen etwa alle anders? Das war aber kompliziert. Wer dachte sich denn etwas so unlogisches aus (die Menschen). Nun, dann musste sie es wieder anders versuchen und so lange probieren, bis die Tür sich öffnete. Beim ersten Mal hatte es schließlich auch funktioniert. Also drückte sie das Etwas herunter und zog gleichzeitig. Und siehe da, zu Celias Überraschung, öffnete sich die Tür sofort und gab den Blick auf einen Platz frei. Gleichzeitig strömten viele Geräusche auf sie ein, die sie vorher nur gedämpft wahrgenommen hatte. Von allen Seiten schnatterte, zwitscherte, schnaubte, klapperte und grunzte es. Ihre Kopfschmerzen verschlimmerten sich schlagartig und das Sonnenlicht brannte ihr in den Augen. Einige Sekunden war sie von dieser Vielfalt von Eindrücken einfach gelähmt. Erst, als sich ihre Augen einigermaßen an das Licht gewöhnt hatten, nahm sie auch den Platz genauer wahr. In seiner Mitte befand sich ein gemauertes Rund, an den gegenüberliegenden Seiten wurde er von Gebäuden begrenzt, aus denen eindeutig einige der unterschiedlichen Geräusche kamen. Auf dem Hof tummelten sich die verschiedensten Vögel und machten einen Heidenlärm, während sie sich um Körner und Würmer zankten. Sie wusste nicht, wie lange sie einfach so im Türrahmen stand und den Hof begutachtete, doch dann besann sie sich eines Besseren und stolperte, um einen besseren Überblick zu erhalten, zwischen den Vögeln hindurch auf das gemauerte Rund zu. Dort angekommen war sie wieder zu erschöpft, um auch nur einen Schritt zu tun. Die größten der Vögel (es waren eindeutig Vögel, wie man an ihren Federn gut erkennen konnte) liefen nun auf sie zu und schienen etwas von ihr zu erwarten. Dabei gackerten sie nur noch lauter. In diesem Moment konnte Celia gar nicht anders als lächeln. Es war einfach zu putzig, wie diese merkwürdigen Vögel um sie herumwuselten. "Na, bist du aufgewacht?", fragte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Sie zuckte kurz zusammen. Diese Stimme ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Sie wollte weglaufen, aber ihre Beine bewegten sich einfach nicht. Sie nahm gar nicht mehr wahr, wie die lustigen Vögel immer noch um sie herumliefen und ihr Kopf dumpf pochte. Auch wenn die Frage an sich nicht böswillig gemeint zu sein schien, der kalte Ton machte ihr Angst. Sie hatte nur noch den einen Gedanken in ihrem Kopf: ein Mensch! Hinter ihr stand ein Mensch. Sie würde nicht weglaufen können und war ihm vollkommen ausgeliefert. Nach einer halben Ewigkeit nahm sie dann doch endlich den Mut zusammen, sich umzudrehen. Was sie dann sah, verschlug ihr die Sprache. Das hatte sie nun wirklich nicht erwartet. Vor ihr stand ein junger Mann. Soviel stand wenigstens fest. Ihn weiter einzuordnen war Celia jedoch nicht möglich. Seine Haut und seine Haare waren viel heller als bei all den Menschen, die sie bisher beobachtet hatte. Aber gleichzeitig war seine Haut um einiges dunkler als die der Elfen und seine Haare konnte man immer noch als blond bezeichnen. Seine Augen hatten exakt die gleiche Farbe wie Celias (also violett). Was die Elfe an der gesamten Erscheinung allerdings am meisten verwunderte, waren die Ohren des jungen Mannes. Sie waren spitzer als die eines Menschen, das konnte sie mit Sicherheit sagen. Elfenohren hingegen waren größer als seine. Inzwischen starrte er die Elfe vor sich schon etwas verärgert an, doch Celia entging das. Sie musterte inzwischen seine Kleidung. Sie war ohne jeden Zweifel die eines Menschen. Ähnliche Stoffe hatte sie bereits gesehen. Er trug ein Wams aus grünem und braunem Menschenstoff, deren Farben immer um einiges kräftiger waren als die der Elfenkleider. Ob der Mann vor ihr wohl in Elfenkleidung wie ein Elf aussehen würde? "Komm rein, ich denke wir sollten da weiter reden." Mit diesem Satz drehte sich der junge Mann um und ging auf die Tür zu, durch die Celia gerade erst getreten war. Ihr wurde schlagartig klar, dass sie ihn die ganze Zeit mit leicht geöffnetem Mund angestarrt hatte. Sie lief rot (soweit man das bei Elfen so nennen konnte) an. Elfen sollten so etwas nicht tun. Sie war auch viel zu perplex um zu realisieren, dass dies der perfekte Zeitpunkt zur Flucht gewesen wäre. Sie folgte ihm einfach, so schnell es ging. Drinnen sah Celia, dass sich der junge Mann an den Tisch gesetzt hatte uns sie nun erwartungsvoll anblickte. Sie blieb aber immer noch unschlüssig im Türrahmen stehen, bis er sie mit einer Geste aufforderte, sich zu setzten. Das tat sie dann auch und tat währenddessen so, als seien der Tisch und die verschiedenen Bilder an den Wänden besonders interessant. Es war ihr einfach nur peinlich ihn so angestarrt zu haben und sie wollte diesen Fehler nicht zweimal machen. Dieser Mann machte sie einfach nervös. "Ich bin Oreas." Die Elfe zögerte einen Moment. Seine (Oreas') Stimme verunsicherte sie ungemein. Sie war so kalt und tonlos uns sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie sich besser für das Anstarren entschuldigen sollte. "Ce... Celia.", brachte sie schließlich stammelnd hervor. Und fügte dann noch ein etwas sichereres "Es tut mir leid, dass ich dich so angestarrt habe." Hinzu. "Ich bin daran gewöhnt. Du bist eine Waldelfe. Was machst du hier?" Celia blieb stumm. Was sollte sie auch auf seine Frage antworten, wo sich doch nicht einmal wusste, wo "hier" war. Ihr fiel allerdings auf, dass er nicht gesagt hatte, es würde ihm nichts ausmachen, dass sie ihn angestarrt hatte. Da hatte sie wohl doch einen Fehler gemacht. Oreas seufzte genervt. "Kannst du mir wenigstens verraten, wieso du Melanon begleitet hast?" Jetzt starrte sie ihn wieder an. Diesmal hingegen verwirrt. "Melanon?" Von wem sprach dieser Oreas? Sie sollte jemanden begleitet haben? "Ja,", sagte Oreas, und fügte dann erklärend hinzu "Mein alter Freund Melanon stand heute morgen völlig erschöpft mit dir in seinen Armen vor meiner Tür. Er hatte gerade noch genug Kraft, um sich in mein Zimmer zu schleppen und ist auf der Stelle eingeschlafen." "Ich... ich kann mich nicht erinnern. Da... da waren nur... so viele Leichen... und... und", Celia brach ab und schluckte. Sie konnte einfach nicht darüber reden und spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Oreas musterte sein Gegenüber kurz und entschied dann, dass es wohl besser wäre, es dabei zu belassen. "Schon gut. Melanon wird es uns erzählen, wenn er wieder wach ist. Du solltest dich auch wieder hinlegen. Möglicherweise hast du eine Gehirnerschütterung. Auf jeden Fall muss dir der Kopf höllisch weh tun. Vorher solltest du aber noch etwas essen." Diese Anweisungen überraschten Celia völlig und sie wusste nichts darauf zu erwidern. Sie machte einfach, was er ihr sagte, schon zum zweiten Mal an diesem Tag. Erst, als sie die Tür zuschlagen hörte, wachte sie wieder aus ihren Tagträumen auf. Vor ihr stand ein Teller mit Essen. Sogar obwohl sie keine Ahnung hatte, was sich da auf ihrem Teller befand, knurrte Celias Magen plötzlich höllisch und sie wurde wieder rot, als ihr auffiel, dass sie seit über einem Tag nichts gegessen hatte. Auch fühlte sie sich unheimlich ausgelaugt und müde, obwohl sie gerade erst geschlafen hatte. Aber zunächst gewann der Hunger über die Müdigkeit und sie stopfte ohne weiter darüber nachzudenken, was sie da aß, einfach alles in sich hinein. Im Nachhinein hätte sie wohl auch nicht mehr sagen können, wie es geschmeckt hatte. Sie war einfach zu beschäftigt mit ihren Gedanken. Jetzt, wo Oreas sie nicht mehr überrumpeln und verunsichern konnte, fielen ihr tausend Fragen ein, die sie ihm hätte stellen wollen. Und sie ärgerte sich darüber, dass sie sich einfach so von ihm herumkommandieren ließ. Das war ihr noch bei keinem passiert. Nicht mal ihre Mutter hatte das tun können. Warum also er? Und was war er überhaupt? Er war kein Elf und nach Celias Wissen über die Menschen konnte er auch kein Mensch sein. Nur was blieb dann noch übrig? Gab es etwa noch andere Rassen, von denen die Elfen nichts wussten? Weitere Fragen kreisten um Oreas Charakter. Er hatte ihr den Kopf verbunden, da außer ihm nur noch dieser Melanon im Haus zu sein schien, und der schlief offenbar. Daraus ließ sich schlussfolgern, dass er eigentlich in Ordnung sein musste. Er musste wenigstens ein bisschen was für sie übrig haben. Gleichzeitig hatte sie aber auch das unbestimmte Gefühl, dass er sie hassen würde. In ihrem kurzen Gespräch, das aus Celias Sicht eigentlich mehr aus einer Folge von Anweisungen bestand, hatte er auf sie den Eindruck gemacht, als habe er sich unheimlich zusammenreißen müssen. Dieser Mann brachte sie einfach durcheinander. Und wer war überhaupt dieser Melanon. Als sie mit dem Essen fertig war, überlegte sie, was sie als nächstes tun sollte. Sie hätte Oreas am liebsten alle ihre Fragen gestellt, kam dann aber zu dem Schluss dass es besser wäre, das nicht zu tun. Einerseits weil er ihr unheimlich war und andererseits weil es wahrscheinlich doch wieder so enden würde, das er sie herumkommandierte. Und das ließ ihr Stolz nicht zu. Also beschloss sie, sich lieber noch einmal schlafen zu legen und ging in das Zimmer, in dem sie aufgewacht war. Sie wäre wohl auch zu erschöpft für ein längeres Gespräch gewesen, obwohl sie nicht den blassesten Schimmer hatte, wovon. Sie legte sich hin und kuschelte sich in die Decke ein. Ihr war zwar nicht wirklich kalt, aber der Schutz, den sie bot, tat gut. Sie grübelte immer noch über Oreas nach, bis der Gesang der fremden Vögel sie schließlich in einen unruhigen Schlaf fallen ließ. Sie träumte von ihrem Vater, sah ihn als Leiche neben den anderen im Dorf liegen, und das, obwohl sie nicht einmal wusste, wie er aussah. Irgendwie tauchte auch Oreas immer wieder auf, aber sie konnte ihn nicht wirklich in einen Zusammenhang mit den anderen Gestalten bringen. Eine Frage verfolgte sie immer weiter in ihren Träumen: Warum war sie eigentlich nicht einfach weggelaufen, obwohl sie es doch wollte? Sie verstand sich selbst nicht mehr. * Oreas war wieder nach draußen gegangen, so schnell es ging. Er musste sich noch weiter um Arqua kümmern. Die Elfe hatte ihn unterbrochen. Melanon hatte das Tier wirklich stark beansprucht, aber zum Glück war der Hengst zäh. Das war er schon als Fohlen. Deshalb hatte sein Vater ihn wohl auch Melanon geschenkt, damit er nicht so alleine auf der Insel der Magier war. Als er an diesem Morgen einfach so vor Oreas' Tür aufgetaucht war, hatte er ihn wirklich überrascht. Oreas wusste ja nicht einmal, dass er nicht mehr Schüler auf Perelos war, doch das war augenscheinlich der Fall. Nicht einmal einen Brief hatte er ihm geschickt. Gerade das verwunderte ihn, denn Melanon hatte ihm immer regelmäßig geschrieben. Er hätte ihn zu gerne ausgefragt, aber hielt es dann doch für besser, ihn nicht zu wecken, als er ihn schlafend in seinem Bett vorfand. Geduld war schließlich immer noch eine Tugend. Stattdessen hatte er erst einmal die Elfe untersucht. Über sie machte er sich auch die meisten Gedanken. Was war passiert, dass Melanon die Elfe ausgerechnet bei ihm anschleppte? Er hätte sie genauso gut in eines der Dörfer bringen können. Das machte ihn wütend. Melanon wusste genau, dass er die Elfen hasste. Sogar noch mehr als die Menschen, und das hieß schon etwas. Wunderbar, nun konnte er den ganzen Tag damit verbringen, über Dinge nachzudenken, die er schon längst verdrängt geglaubt hatte. Seine Laune war auf einem Tiefpunkt angelangt. Und das nur dank seinem alten (und wohl einzigen) Freund Melanon und irgendeinem Elfenmädchen. Und dann auch noch eine Waldelfe. Das konnte man an der Kleidung deutlich sehen. Die anderen Elfen kleideten sich anders. Dabei verließen sie doch sonst nie ihren Wald. Und dann musste die Kleine auch ausgerechnet bei ihm landen. Einfach großartig. Melanon würde eine wirklich gute Entschuldigung brauchen. Während er den Hof überquerte, liefen die Hühner auf ihn zu und gackerten fröhlich. Oreas würdigte sie keines Blickes. Er hatte sie schon gefüttert. Also machte er sich geradewegs auf den Weg in den Stall. Arqua stand in einer der Boxen (die meisten waren leer, Oreas besaß nur noch drei Pferde) und blickte auf. Der Anblick des Pferdes besserte seine Laune sofort. Ein echtes Prachttier. Im Gegensatz zu Menschen und Elfen (und Zwergen, nicht zu vergessen) konnte Oreas sie sehr gut leiden. Dummerweise hatte er die meisten verkaufen müssen, nachdem... nein, er dachte schon wieder daran, das war doch kaum zu fassen. Den ganzen Morgen ging das nun schon so. Er seufzte tief. Da gab es eigentlich nur eins: sich mit Arbeit ablenken. TBC So, jetzt habt ihr auch meinen Liebling kennen gelernt. Ich hoffe, ihr mögt ihn genauso wie ich. Ich weiß, es sind mal wieder die etwas merkwürdigen, die es mir angetan haben. Aber Oreas ist wirklich vielschichtig. Kapitel 4: Abendliche Gespräche ------------------------------- Caronia Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 4/? (mindestens 15) Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: keine, außer dass der Schwachsinn von mir ist Disclaimer: wie gesagt, der Schwachsinn gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment Zusammenfassung: Celia, Melanon und Oreas unterhalten sich... A/N: Kommis wie immer erwünscht. Ich bitte euch auch, mich auf Fehler aufmerksam zu machen und auch sonst Verbesserungsvorschläge für meinen Stil und meine Story zu machen. Ihr könnt auch ruhig Vorschläge machen, wie es weitergehen soll. So genau steht das nämlich noch nicht fest (auch wenn ich natürlich schon weiß, was grob passieren soll). Außerdem danke ich den Leuten, die sich bisher zu einer Review herabgelassen haben. Schön zu wissen, dass man gelesen wird. Kapitel IV: Abendliche Gespräche Als Melanon schließlich aufwachte, brauchte er erst etwas Zeit, um zu realisieren, wo er sich befand. Nur langsam drangen die Erinnerungen an die letzte Nacht zu seinem Bewusstsein durch. Die Elfe, das Dorf und der lange Ritt durch die Nacht. Er lag immer noch auf dem Bauch, genauso, wie er sich auch hingelegt hatte. Eigentlich war diese Position ausgesprochen unbequem, doch er war zu müde, sich anders hinzulegen oder auch nur die Augen zu öffnen. Er hoffte, wenn er sich nicht bewegen würde, würde er einfach wieder zurück in den erholsamen Schlaf driften. Er wollte noch nicht denken oder sich mit seinen Problemen beschäftigen, sondern sie einfach nur im Schlaf vergessen, von sich fort schieben und sie nur noch ein bisschen länger ignorieren. Doch seine Hoffnungen erfüllten sich nicht. Stattdessen wurde er immer wacher und bald hatte er den Punkt erreicht, an dem es ihm nicht mehr möglich war, wieder einzuschlafen. Also stemmte er sich hoch und öffnete die Augen, den Protest seines Rückens und seiner Arme ignorierend. Der Raum war nur schwach von dem rötlichen Licht erleuchtet, der durchs Fenster schien. Es musste also Abend sein. Das Fenster zeigte nach Westen. Erstaunlich, an war für Dinge er sich erinnerte, auch wenn er schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr in diesem Zimmer gewesen war. Melanon schwang die Beine vom Bett und setzte sich in eine beinahe aufrechte Position. Er verzog das Gesicht. Die Haltung war wirklich ausgesprochen unbequem gewesen. Sein Rücken war furchtbar verspannt und auch der lange Ritt hatte ihn strapaziert. Er hatte Muskelkater. Das war auch eigentlich nicht weiter verwunderlich, wenn man bedachte, wie lange er die Elfe in den Armen gehalten hatte. Mit einem letzten herzhaften Gähnen stand er schwerfällig auf und streckte sich erst einmal ausgiebig. Die verspannten Muskeln lockerten sich zwar ein wenig, schmerzten aber immer noch leicht. Vielleicht wurde er einfach nur zu alt für solche Aktionen. Er musste grinsen. Der Gedanke war absurd, schließlich war er erst zwanzig. Langsam ging er auf die Tür zu. Oreas würde viele Fragen haben, also sollte er das Gespräch mit ihm so schnell wie möglich hinter sich bringen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie sein alter Freund reagieren würde. Wütend, ohne Frage, aber gleichzeitig war er zu neugierig, um seine Fragen weiter unbeantwortet zu wissen. Er würde ihn ausfragen. Melanon kannte ihn einfach zu gut. Egal, wie sehr Oreas die Menschen auch hasste, er war immer noch zu neugierig, um das Mädchen einfach zu ignorieren. Als er die Tür öffnete, fiel sein Blick sofort auf Oreas, der auf einem Stuhl am Tisch saß. Er stützte sich mit einem Ellenbogen ab und starrte geistesabwesend ins Feuer, das die einzige Lichtquelle im Raum war und Schatten über die Wände tanzen ließ. Sicher hatte er ihn schon längst bemerkt, also nahm sich Melanon einfach den Stuhl, der Oreas am nächsten war, setzte sich und seufzte hörbar auf. Oreas reagierte immer noch nicht. Dann- "Könntest du mir das bitte erklären?", seine Stimme war kalt und schneidend. Melanon konnte die unterdrückte Wut und Enttäuschung darin hören. Er seufzte wieder. "Dir auch einen Guten Tag, nachdem wir uns so lange nicht gesehen haben." Oreas drehte nun den Kopf und starrte statt in das Feuer in direkt Melanons Augen. Dieser Blick stand seiner Stimme in nichts nach. Oreas war wütend. Sehr wütend. Und es wäre mit Sicherheit nicht ratsam, ihn länger auf seine Antworten warten zu lassen. "Ich hatte keine andere Wahl.", begann Melanon, "Gestern Abend bin ich noch auf der Straße nach Kraxia gewesen. Ich war schon ziemlich müde in dem Dorf in der Nähe des Elfenwaldes - du weißt schon, wir waren damals auf der Reise nach Ario auch dort", fügte er erklärend auf Oreas' fragenden Blick hin hinzu, "Jedenfalls wollte ich dort übernachten. Als ich angekommen bin, kam es mit schon komisch vor. Es war viel zu still. Und dann habe ich die erste Leiche gesehen. Das ganze Dorf war niedergemetzelt worden. Sogar die Kinder. Die Kleine war das einzige noch lebende Wesen. Ich vermute mal, sie ist genauso wie ich zufällig ins Dorf gekommen und hat dann die Leichen entdeckt. Wahrscheinlich hat der Anblick sie so erschreckt, dass sie gestolpert und hingefallen ist. Ihr Kopf lag auf einem Stein. Ich konnte sie da doch nicht so liegen lassen. Deshalb habe ich sie mitgenommen. Und du warst der einzige, der mir in so einer Situation einfiel." Erwartungsvoll erwiderte Melanon nun Oreas' Blick. Doch der wandte den Blick ab und konzentrierte sich lieber auf seine Hände, die er auf dem Tisch gefaltet hatte. Er schwieg lange. "Von dem Dorf hat sie auch erzählt." - "Sie war wach?" - "Ja, war sie, ist rumspaziert und wollte wohl weglaufen. Hab sie wieder ins Bett geschickt." Oreas Stimme war immer gespannter geworden. Er musste sich wirklich zusammenreißen. Also atmete er erst einmal tief ein und aus, dann- "Was ich mich allerdings am meisten frage: Was hattest du in einem Dorf auf Derlova zu suchen?" Er spießte Melanon praktisch mit seinen Blicken auf, doch der zeigte sich unbeeindruckt. "Ich war auf dem Nachhauseweg." "Und warum warst du auf dem Nachhauseweg?" Nun war es an Melanon zu schweigen, bis er schließlich die richtigen Worte gefunden hatte. "Sagen wir einfach, ich war für die Ältesten nicht mehr tragbar." Oreas hob die rechte Augenbraue an. Er spürte, dass Melanon ihm nicht, jedenfalls jetzt noch nicht, mehr verraten würde. Alles, was der noch zu dem Thema zu sagen hatte, war, dass alles sehr plötzlich gekommen war und er ihn deshalb nicht mehr hatte benachrichtigen können. "Wie geht es ihr jetzt?" "Sie hat sich den Kopf ganz schön angeschlagen: Ich würde sagen, sie hat eine Gehirnerschütterung, bin natürlich kein Spezialist. Auf jeden Fall war ihr schwindelig, sie konnte ja nicht einmal vernünftig gehen. Das Essen, das ich ihr gegeben hab', war allerdings weg, als ich wieder rein kam. Sie musste wirklich Hunger gehabt haben, wahrscheinlich wusste sie noch nicht einmal, was ich ihr hingestellt habe. Jetzt schläft sie jedenfalls. Ach ja, ihr Name ist Celia, und sie war ziemlich verängstigt.", fügte Oreas noch hinzu. "Sie ist eine Waldelfe, oder?" "Sie hat es nicht verneint." "Was sie wohl hier macht?", fragte Melanon, mehr sich selbst, als Oreas. Der schwieg. Er wollte nicht darüber nachdenken. "Was willst du essen?" Melanon blickte auf. Es war ihm nicht entgangen, dass Oreas unbedingt vom Thema ablenken wollte. Und er hielt es für besser, nicht weiter zu bohren, auch wenn ihn brennend interessierte, was damals wirklich vorgefallen war. "Ist relativ egal, ich esse alles. Aber sag mal, wie geht es Arqua?" "Gut. Aber jedes andere Pferd hätte so eine Belastung nicht so gut weggesteckt. Du solltest ihn die nächsten Tage lieber ausruhen lassen." "Ist gut, nicht, dass es mir leid tun würde." Ein leichtes Grinsen huschte über Melanons Gesicht, verschwand aber wieder, als er daran denken musste, wie sein Vater reagieren würde, wenn er wieder zu Hause wäre. Oreas holte etwas aus dem Schrank neben der Kochstelle und tat es in zwei Schüsseln, die er vor Melanon stellte. Brot und Käse. Bald standen auch zwei Teller, Becher, ein Krug Wasser uns Besteck auf dem Tisch. Dann wandte er sich um und ging auf die Tür zu, die sich neben der befand, aus der Melanon getreten war. "Ich habe schon gegessen. Fang schon an, ich wecke die Kleine." Während Oreas durch die Tür ging, wandte sich Melanon seinem Essen zu. Er hatte gar nicht bemerkt, wie hungrig er war. Als er das Zimmer betrat, musste Oreas sich erst einmal an die Dunkelheit gewöhnen. Draußen war es inzwischen stockdunkel und nur der kleine Lichtschein, der ihm durch die Tür folgte, erhellte das Zimmer. Das Mädchen schlief immer noch. Für einen kurzen Moment dachte er daran, sie doch nicht zu wecken, so friedlich wie sie dalag, schlussendlich siegte dann aber seine Neugier. Außerdem hatte sie nun wirklich genug Schlaf gehabt in letzter Zeit. Er schritt schnell zum Bett und schüttelte das Mädchen unsanft an der Schulter. Celia stöhnte gequält auf und öffnete nur widerwillig die Augen. Der Anblick der violetten Augen Oreas' ließ sie dann aber schlagartig hellwach werden. Erst hatte sie ihn nicht erkannt und sich nur gewundert, warum ihre Mutter sie mitten in der Nacht weckte. Doch sie war ja nicht mehr zu Hause und ihre Mutter würde sie auch nicht mehr wecken. "Steh auf, es ist schon Abend." Und wieder geschah das, was Celia absolut nicht verstand: Sie folgte der Anordnung, ohne darüber nachzudenken. Etwas, das sie nicht einmal bei ihrer Mutter oder Selion getan hatte. Als sie sich aufsetzte und die Beine auf den Boden setzte, fiel ihr auf, dass es ihr schon besser ging. Ihr Kopf schmerzte zwar noch etwas, aber übel und schwindelig wurde ihr nicht mehr. Ohne lange zu warten oder Oreas' Befehl wenigstens jetzt, in halbwegs wachem Zustand, anzuzweifeln, stand sie auf und ging auf die geöffnete Tür zu. Auch das ging viel leichter als am Tag. Oreas beachtete sie dabei gar nicht. Er war neben dem Bett stehen geblieben und folgte ihr mit zwei Schritten Abstand. Celia blickte erst richtig auf, als sie durch die Tür getreten war, und was sie sah, ließ sie automatisch einige Schritte zurückstolpern, bis sie gegen Oreas prallte, der im Türrahmen stehen geblieben war. Doch das nahm sie kaum wahr. Sie starrte immer noch auf den Menschen (diesmal handelte es sich mit Sicherheit um einen), der am Tisch gesessen und gegessen hatte, bis sie eingetreten war und sie nun neugierig musterte. Da war ein Mensch. Und ein Mensch bedeutete Gefahr. Celia wäre am liebsten weggelaufen, doch ihre Beine wollten sich irgendwie nicht mehr bewegen. Um die Elfe etwas zu beruhigen, begann Melanon zu lächeln und sagte: "Hallo, ich bin Melanon. Ich habe dich gefunden und hier her gebracht, weil es dir nicht gut ging. Vielleicht hat Oreas mich ja erwähnt. Schön zu sehen, dass es dir wieder besser geht. Setz dich doch.", fügte er noch hinzu und deutete auf den Stuhl ihm gegenüber. Celia starrte ihn immer noch argwöhnisch an. Sie misstraute dem Menschen, aber im Augenblick hatte sie nicht wirklich eine Alternative. Ihr Verstand, der sich inzwischen wieder eingeschaltet hatte, sagte ihr, dass eine Flucht in ihrem Zustand wohl kaum Sinn machen würde (sie wusste nicht einmal, wohin sie flüchten sollte) und ins Zimmer konnte sie sich mit Oreas im Rücken auch nicht zurückziehen.. Also folgte sie der Aufforderung, ließ den Menschen aber keine Sekunde aus den Augen, auch nicht, als der sich wieder seiner Mahlzeit zugewandt hatte. Nur am Rande registrierte sie, dass Oreas sich auf den Stuhl, der der Tür am nächsten war, gesetzt hatte. Der Mensch war relativ groß, soweit Celia das beurteilen konnte, auch wenn das im Sitzen nicht gerade leicht war. Für einen Elfen wäre er jedenfalls groß gewesen. Seine Haare waren kurz und reichten gerade bis über die Ohren. Sie waren wohl dunkelblond, auch wenn sie das in dem Licht schlecht erkennen konnte, und ziemlich unordentlich. Überhaupt war der Mensch recht ungepflegt. Die graue Kutte, die er trug, machte einen unglaublich verstaubten Eindruck und ließ ihn blass und mager wirken. Gut, vielleicht lag das nicht nur an der Kleidung, wenn die Elfe das Tempo, mit dem er aß, genauer betrachtete. Seine Augen aber waren etwas besonderes. Sie waren sehr blau und strahlten eine Lebendigkeit aus, die auch nicht durch die Augenringe getrübt wurde. "Willst du nicht auch etwas essen?" Das hatte sie aus den Gedanken gerissen. Er hatte sie schon eine Weile angestarrt und sie hatte es nicht einmal bemerkt. Sie musste einfach besser aufpassen. Nun fiel ihr Blick auch auf den Teller und die Schüsseln, die vor ihr standen. Melanon sah sie immer noch erwartungsvoll an. Zögernd griff sie in die beiden Schüsseln und zog etwas hervor. Was dieses Etwas war, konnte sie beim besten Willen nicht sagen. Geschweige denn, was man mit dem braunen und gelblichen Zeugs zu machen hatte. "Keine Sorge, es ist nicht vergiftet.", kam ein hämische Kommentar von der Seite. Oreas schien sich sehr über ihr Verhalten zu amüsieren. Er grinste leicht und seine Augen funkelten. Aber er brachte sie auf eine Idee. Sie wusste ja noch nicht einmal was das war. Vielleicht hatte der Mensch etwas damit angestellt. Oder sie vertrug es nicht. Es war besser, kein Risiko einzugehen. Melanon lächelte. "Oreas scherzt nur.", erklärte er, "Das sind Brot und Käse. Pass auf, du nimmst das Messer" Er nahm das Brot (bei der Erklärung hatte er auf die beiden Dinge gezeigt) von ihrem Teller in die eine und das Messer (Celia zuckte kurz zusammen) "und schneidest eine Scheibe ab... so." Er führte es ihr vor und nun lag eine Scheibe Brot auf seinem Teller. Den Rest legte er wieder auf Celias Teller. "Und dann machst du dasselbe mit dem Käse, nur nimm besser eine dünnere Scheibe." Nun nahm er wieder das Messer und den Käse von Celias Teller, schnitt eine Scheibe ab, tat sie auf das Brot und biss einmal davon ab. "Und vergiftet habe ich es auch nicht." Er grinste. Celia runzelte die Stirn. Konnte doch nicht so schwer sein. Und blamieren wollte sie sich schließlich auch nicht, indem sie sich bei so einfachen Dingen blöd anstellte. Also nahm sie das Messer (kurz überlegte sie, ob sie die Männer vielleicht damit bedrohen und fliehen sollte, besann sich dann aber wieder ihrer guten Manieren und ließ es sein) und schnitt eine (mehr oder weniger) gleichmäßige Scheibe Brot ab. Der Käse machte ihr größere Probleme. Mehrfach rutschte sie ab, und so kam es, dass sie am Ende mehrere kleine Stückchen auf ihrer Scheibe Brot hatte. Jetzt fragte sie sich nur noch, ob es auch schmecken würde. Woraus wurde das eigentlich gemacht? Sie nahm sich vor, später zu fragen. Dann schluckte sie noch einmal und biss in den sauren Apfel (das belegte Brot). Es schmeckte gar nicht mal unbedingt schlecht. Aber fremd. Sie hatte noch nie etwas vergleichbares gegessen. Die Elfen aßen meistens helle Fladen mit verschiedenstem Belag, aber nichts schmeckte ähnlich dem, das sie gerade aß. Melanon und Oreas hatten Celia die ganze Zeit aus den Augenwinkeln beobachtet, bis sie fertig gegessen hatte. Melanon mochte die Elfe sofort. Er fand sie, oder besser gesagt ihr Verhalten, einfach nur niedlich. Ein bisschen wie ein kleines Kind, dass gerade erst die Welt kennen lernte. In gewissem Sinne war sie das ja auch. Oreas ging es ähnlich, auch wenn er es sich nicht so recht eingestehen wollte. Die kleine weckte einfach zu viele Erinnerungen in ihm. Er räumte den Tisch ab, nachdem seine beiden Gäste fertig gegessen hatte und setzte sich danach wieder zu ihnen. Es herrschte verlegenes Schweigen. Keiner wollte zuerst das Wort ergreifen, bis Melanon sich schließlich erbarmte. "Wieso bist du eigentlich nicht in deinem Wald?", das war die Frage, die ihm und wohl auch Oreas am meisten unter den Nägeln gebrannt hatte. Celia zögerte. Sie misstraute ihm immer noch. Unsicher blickte sie zu Oreas, der angespannt auf dem Stuhl saß und geistesabwesend ins Feuer starrte. "Ich wollte wissen, ob die Legenden über die Menschen wahr sind.", von ihrem Vater wollte sie nichts erzählen. Irgendwie war ihr das zu privat und sie hatte Angst, die beiden jungen Männer würden sich über sie lustig machen und ihr ebenfalls sagen, dass er bestimmt schon tot war. Sie war einfach nicht in der Verfassung, das noch einmal zu hören. "Bist du schon zu einem Schluss gekommen?" Es wunderte sie, dass er nicht fragte, um was für Legenden es sich handelte. "Ja." Melanon schwieg einen Moment, doch Celia fügte nichts mehr hinzu. Er seufzte. Sie war wirklich sehr misstrauisch. "Und wie sieht der aus?" Kurz herrschte Stille. "Sie sind wahr. Sie sind alle wahr! Menschen sind böse! Sie bringen sich ja sogar gegenseitig um!" Sie war immer lauter geworden und hatte begonnen zu zittern. In ihren Augen sammelten sich Tränen, die sie schnell mit dem Handrücken abwischte. Ja, es war alles wahr, alle ihre Träume waren zerstört und auch von diesem Menschen würde ihr nur Unheil drohen. Was sie von Oreas halten sollte, wusste sie immer noch nicht. "Wie viel hast du denn schon von den Menschen gesehen?", fragte Melanon ruhig. Celia stutzte. Was wollte er mit dieser Frage erreichen? "Das Dorf, aber das hat ja wohl gereicht!" Er dachte kurz nach. Dann antwortete er in immer noch ruhigem Ton: "Ja, vielleicht hast du recht. Vielleicht aber auch nicht. Weißt du, man sollte ein Buch nicht nur nach seinem Einband beurteilen. Außerdem ist die ganze Sache viel komplizierter, als man vermuten würde." Celia dachte nach. Über das, was sie bisher erlebt hatte. Ja, er hatte recht, sie wusste immer noch zu wenig über die Menschen. Doch sie hatte auch Angst vor dem, was sie unter Umständen noch finden würde. Sie war müde. Sie wollte nur noch nach Hause, in den Wald. Und dabei wusste sie nicht einmal, wie sie dorthin kommen sollte, geschweige denn, wo sie sich überhaupt befand. Sie fühlte sich rettungslos verloren und verzweifelt. Gefangen in einer fremden Welt, ohne den Rückweg zu kennen. "Ich möchte doch bloß wieder nach Hause.", brachte sie schließlich mit gebrochener Stimme hervor. "Ja, das kann ich gut verstehen. Wir befinden und hier etwas südlich des Waldes, wenn dir das hilft. Du solltest aber noch etwas bleiben. Mit deinem Kopf musst du vorsichtig sein, ruh dich besser noch etwas aus. Keine Sorge", er ergriff Celias Hände und sie zuckte vor Schreck zusammen, "bei uns wird dir nichts passieren." Sie wusste selber nicht genau, wieso sie ihm glaubte, was er ihr sagte. Es lag wohl an dem traurigen Ausdruck in seinen Augen, als er sagte, er würde sie verstehen. Jetzt aber lächelte er sie wieder fröhlich an. Sie nickte schließlich zustimmend. Wenigstens wusste sie jetzt, wie sie wieder nach Hause kommen konnte. Eigentlich widerstrebte es Melanon, sie so gehen zu lassen, mit ihrem Halbwissen über die Menschen. Er wusste sehr wohl, dass die Menschen grausam sein konnte, aber für diese Grausamkeit gab es auch Gründe. Und immerhin waren nicht alle Menschen so. Deshalb entschied er sich, ihr einen Vorschlag zu machen. "Weiß du, ich werde nur ein paar Tage hier bleiben, bis sich mein Pferd ausgeruht hat. Dann reise ich weiter, in die Hauptstadt, meine Familie wohnt dort. Wenn du willst, kannst du mich begleiten. Wenn nicht, bringe ich dich bis zum Waldrand." Celia reagierte nicht. Sie hatte ihre Entscheidung so oder so gefällt. Die Einladung würde sie nicht annehmen. Etwas beschäftigte sie allerdings noch. "Was ist eigentlich in dem Dorf passiert?" Melanons Gesicht wurde ernst und er seufzte. "Ich weiß es auch nicht. Ich bin kurz nach Einbruch der Dunkelheit dort angekommen. Wahrscheinlich waren es Banditen - Menschen, die davon leben, anderen Menschen ihr Hab und Gut wegzunehmen", fügte er erklärend auf Celias Blick hinzu, "In dieser Gegend des Landes gibt es viele. Der König kann sie nicht mehr bekämpfen und durch die hohen Steuern werden immer mehr Menschen zu Banditen. Anders können sie nicht überleben. Die Dorfbewohner haben sich wohl gegen sie verteidigt und wurden als anschreckendes Beispiel oder als Bestrafung für den Ungehorsam umgebracht.", erklärte er. Celia verstand nicht wirklich. Sie wusste nicht, was Steuern waren, wozu eine Bestrafung nötig war und warum überhaupt jemand deswegen getötet werden musste. Sie verstand nur eins. "Dann ist der König ein schlechter König." Oreas sog hörbar die Luft ein. Melanon sagte nichts. Beide hielten es für besser, nichts zu dem Thema zu sagen, und Celia spürte, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte. Um abzulenken, stellte sie eine völlig andere Frage. "Was sind denn eigentlich Brot und Käse?", fragte sie mit einem Unschuldsblick und in einem leicht weinerlichen Ton, der Melanon zum Lachen und selbst Oreas zum Schmunzeln brachte, wenn auch nur für einen Moment. "Brot wird aus gemahlenem Getreide gemacht.", erklärte er ihr immer noch lachend. Gleichzeitig war er unglaublich froh, dass sie nicht noch mehr über den König und die Banditen wissen wollte. "Das ist eine Grasart. Und Käse wird aus Milch von Kühen oder Ziegen gemacht." "Milch?", fragte sie ungläubig. Der Gedanke war aber auch zu absurd. "Ja, ich kann es dir ja mal genauer erklären, wenn du willst." Celia nickte begeistert. Das wollte sie unbedingt wissen. Dann schwiegen sie sich wieder für einige Momente an. Celia hatte noch eine Frage, traute sich aber nicht so recht, sie zu stellen. Sie hatte Angst vor der Reaktion. Dann entschied sie sich aber doch, sie zu stellen. "Also, eine Frage hätte ich noch...", druckste sie herum. "Ja?" "Also, was", sie drehte den Kopf und blickte Oreas direkt in die Augen, zog aber gleichzeitig den Kopf etwas ein, "Was bist du eigentlich?" Oreas' Blick wurde augenblicklich eiskalt und Celia wäre am liebstem im Boden versunken. "Ich?", fragte er, und seine Stimme war noch eisiger als sein Blick. "Ein Halbelf." Dann verließ er den Raum. * Celia hatte diese Tatsache geschockt. Melanon hatte ihr noch kurz erklärt, dass es verschiedene Arten von Elfen gab, sie aber im Allgemeinen lieber unter sich blieben, genauso, wie die Menschen, und dass es deshalb kaum Halbelfen gab und sie deswegen auch von den meisten schlecht behandelt wurden. Dann war auch sie gegangen. Melanon war Oreas gefolgt und stand nun wieder in dessen Zimmer. Der Halbelf lag auf dem Bett und hatte den Kopf im Kissen vergraben. "Du hättest ruhig etwas freundlicher sein können. Sie kann auch nichts dafür.", ermahnte Melanon seinen Freund. Oreas wusste das nur zu gut. Aber es änderte nichts an seinem Hass und der Wut auf die Elfe. Melanon verließ das Zimmer schließlich mit den Worten, er würde im Stall bei Arqua schlafen und ließ ihn mit seinen Grübeleien allein. TBC Na, seid ihr ein bisschen schlauer oder noch verwirrter? Ich hoffe, ich habe das einigermaßen rübergebracht. Kapitel 5: Alltag ----------------- Caronia Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 5/? (mindestens 15) Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: keine, außer dass der Schwachsinn von mir ist Disclaimer: wie gesagt, der Schwachsinn gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment Zusammenfassung: Der Titel sagt alles... A/N: Kommis wie immer erwünscht. Ich bitte euch auch, mich auf Fehler aufmerksam zu machen und auch sonst Verbesserungsvorschläge für meinen Stil und meine Story zu machen. Ihr könnt auch ruhig Vorschläge machen, wie es weitergehen soll. So genau steht das nämlich noch nicht fest (auch wenn ich natürlich schon weiß, was grob passieren soll). Außerdem danke ich den Leuten, die sich bisher zu einer Review herabgelassen haben. Schön zu wissen, dass man gelesen wird. Kapitel V: Alltag Entgegen ihrer Erwartungen gewöhnte Celia sich schnell an das Leben auf Oreas' Hof. Sie half beim Füttern der Tiere und im Haushalt. Bei der Arbeit kamen ihr immer mehr Fragen und ihre neugierige Seite gewann wieder die Oberhand über ihre ängstliche. In Melanon fand die Elfe einen geduldigen Lehrer, der ihr alles so lange erklärte, bis sie zufrieden war. Er erzählte ihr auch von den verschiedenen Tieren, die auf dem Hof lebten und wozu sie gehalten wurden. Außerdem brachte er ihr bei, wie sie ihre Arbeit zu verrichten hatte. Besonders amüsant für beide war Melanons Kochunterricht. Gleich am zweiten Tag hatte Celia ihn gebeten, es ihr beizubringen. Das einzige Problem (und nebenbei auch das, was den "Unterricht" so interessant machte) war die Tatsache, dass Melanon selbst nie wirklich kochen gelernt hatte und nur in der Lage war, sehr einfache Sachen zu machen. Also entschieden sie sich, einfach mit den Zutaten zu experimentieren. Die Ergebnisse waren teilweise sogar essbar und die beiden konnten sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so gelacht hatten. Nur Oreas rümpfte jedes Mal verächtlich die Nase, wenn er das Chaos in der Küche sah. Melanon seinerseits hatte auch einige sehr spezielle Fragen über die Elfen, die Celia sehr erstaunten. Er wollte jedes noch so kleine Detail über bestimmte Zeremonien wissen, die manchmal nicht einmal Celia kannte, und dabei hatte sie sich als Prinzessin sehr stark mit den Elfentraditionen beschäftigen müssen (nicht, dass sie deswegen jemals wirklich aufmerksam gewesen wäre). Viel mehr als seine Fragen überraschte sie jedoch, dass er alles, was sie ihm erzählte, sehr gut behielt. Als sie ihn schließlich darauf ansprach, lachte er nur und sagte, er sei es gewohnt, viel auswendig zu lernen und habe schließlich schon mit anderen Elfen zu tun gehabt, die ihm einiges erklärt hätten. Die beiden verstanden sich wirklich außergewöhnlich gut. So gut, dass Melanon sich sogar bereit erklärte, Celia bei ihrem Reisebericht zu helfen. Er sagte ihr die Namen der Vögel und Pflanzen, die sie bis dahin schon gesehen hatte und fügte Informationen über sie hinzu. Die runden Scheiben, die die Elfe für Talismane gehalten hatte, stellten sich dann auch als "Geld" heraus, etwas, das die Menschen gegen alle möglichen Dinge einzutauschen pflegten. Noch leuchtete der Elfe dieser Brauch nicht ein, aber Melanon versicherte ihr schmunzelnd, dass er seinen Nutzen habe. Irgendwann kam das Gespräch auf ihre Familien. Celia seufzte nur und erzählte schließlich von ihrer Mutter und Großmutter, die so große Erwartungen als Prinzessin in sie steckten und die sie einfach nicht verstanden. Von ihren Tanten, Onkeln, Cousins und Cousinen, die auch nicht besser waren. Und von ihrem "besten Freund" Selion, der versuchte, sie in eine Form zu zwängen, in die sie nicht passte. Ihren Vater erwähnte sie nicht, und Melanon war sensibel genug, um zu erkennen, dass es besser war, dieses Thema nicht anzuschneiden. Irgendwie spürte er, dass es ein wunder Punkt der Elfe war, außerdem war das bei ihm nicht unbedingt anders. Celia verstand dieses Verhalten selbst nicht so recht. Sie vertraute Melanon wirklich, aber etwas in ihr wollte einfach nichts über den Verbleib ihres Vaters herausfinden. Noch nicht. Und möglicherweise hätte er ihr erzählen können, was mit ihm geschehen war. Sie wollte das Risiko einfach nicht eingehen, wollte nicht erfahren, dass ihr Vater tot war. Sie zog die Illusion der Realität vor. Wann immer Celia ihrerseits versuchte, etwas über Melanons Vergangenheit aus ihm herauszukitzeln, wich er aus oder antwortete nur sehr vage. Schließlich gab sie einfach auf, denn der traurige Ausdruck, der sich bei diesem Thema immer auf das Gesicht des Menschen legte, war ihr nicht entgangen. Immerhin besaß sie genug Taktgefühl, ihn nicht noch mehr zu verletzen. Oreas hingegen war ein ganz anderer Fall. Celia bekam ihn praktisch nie zu Gesicht und sie hatte eine mehr als leise Ahnung, dass er ihr mit Absicht aus dem Weg ging. Die meiste Zeit verbrachte er bei den großen Tieren, die laut Melanon "Pferde" genannt wurden und die Celia schon des öfteren gesehen hatte, wenn die Wagen der Menschen durch den Wald fuhren. Pferde dienten nämlich als Zug- oder Reittiere. Alleine der Gedanke auf einem Tier zu sitzen gruselte die Elfe. Tat das den Armen denn nicht weh? Oreas jedenfalls schien diese Wesen zu lieben und war den ganzen Tag im Stall oder auf der Weide (ein Haus für Tiere und eine Grasfläche) und kümmerte sich um sie. So bekam Celia ihn nur morgens oder abends bei den Mahlzeiten zu Gesicht. Und bei diesen Gelegenheiten ignorierte er sie vollkommen. Er sah sie nicht einmal mehr giftig an. Dabei hätte Celia nur zu gerne mit ihm gesprochen, ihn über seine Eltern und die anderen Elfen ausgefragt, aber sie brachte es nicht fertig, sich wenigstens zu entschuldigen. Und dabei wollte sie sich wirklich entschuldigen. Es tat ihr leid, ihm diese Frage gestellt zu haben, aber die Antwort hatte sie noch mehr verwirrt. Melanon hatte ihr schließlich erklärt, dass Halbelfen nicht gerade gerne gesehen waren, dass es noch einige anderen Elfenstämme neben den Waldelfen gab, die Oreas, ebenso wie die Menschen, schlecht behandelt hätten und dass er die Elfen unter anderem deswegen hasste. Warum noch wollte er ihr nicht verraten. Er sagte nur, sie sollte besser mit Oreas darüber reden. Doch der ignorierte sie ja. Also versuchte Celia immer wieder, ihn anzusprechen, allerdings vergeblich, sie brachte einfach nicht den nötigen Mut auf. Sie warf ihm nur immer wieder unsichere Blicke zu, wenn er neben ihr am Tisch saß. Nach ein paar Tagen beschloss sie dann aber doch endlich, mit ihm zu reden. So konnte es schließlich nicht weiter gehen. Und diesmal sollte er ihr auch nicht ausweichen können. Also ging sie mit schnellen Schritten zum Pferdestall, öffnete die Tür und machte sie dann so schnell es ging wieder hinter sich zu, damit sie auch ja nicht auf die Idee kommen konnte, doch noch einen Rückzieher zu machen. Oreas war der laute Knall natürlich nicht entgangen und so starrte er Celia nun wieder mit diesem merkwürdigen Ausdruck in den Augen an, der dieses Mal aber noch etwas fragend war. Und plötzlich herrschte in Celias Kopf nur noch eine gähnende Leere. All sie sorgfältig zurecht gelegten Worte waren vergessen. Der einzige Gedanke, der ihr bei dieser Nervosität noch kam, war wieder einmal die Frage, wie er es schaffen konnte, sie derart zu verunsichern. Irgendwann wurde es Oreas dann aber doch zu bunt, unentwegt angestarrt zu werden. Oh, wie er diese Blicke hasste! Dabei sollte man eigentlich meinen, er habe sich nach achtzehn Jahren daran gewöhnt. "Was willst du?", die Stimme war kalt und hart wie gewöhnlich. Celia zuckte zusammen und konzentrierte sich wieder auf ihr Vorhaben. "Ich... ich... ich wollte mich... entschuldigen,... dafür, dass ich überhaupt gefragt habe... und dass ich dich mit meiner Anwesenheit belästige.", stammelte sie mühsam hervor, aber wenigstens war es nun endlich raus. Oreas hatte schon nach den ersten Wörtern wieder seinem Pferd zugewandt und striegelte es. Celia ignorierte er. Wollte er doch gar nicht hören, was sie zu sagen hatte, aber dann musste sie ja unbedingt weitersprechen und er konnte ihre Worte nicht einfach ausblenden. "Und dann, weißt du, tut es mir furchtbar leid, dass alle immer so gemein zu dir sind. Dafür gibt es doch keinen Grund." So, jetzt war es raus. Blieb nur noch abzuwarten, wie Oreas es aufnahm. In dem kochte nach den letzten Wörtern die Wut hoch und in seinen Ohren begann es zu klingeln. Was bildete dieses Mädchen sich ein?! Seine Hand striegelte schon längst nicht mehr, sondern umklammerte die Bürste so hart, dass es weh tat und die Knöchel unnatürlich weiß hervorstanden. Das Pferd spürte seine Unruhe und tänzelte nervös hin und her. "WAS GLAUBST DU EINGENTLICH, WER DU BIST?! ICH BRAUCHE DEIN MITLEID NICHT, ELFE!", schrie er ihr wutentbrannt ins Gesicht. Er war tiefrot angelaufen und stürmte so schnell es ging aus dem Stall, die Bürste immer noch fest umklammert und knallte sie Tür hinter sich zu. Zurück blieb eine geschockte Celia, die wie vom Donner gerührt mit leicht geöffnetem Mund (Wollte sie nicht noch etwas erwidern?) an die Stelle starrte, an der bis vor kurzem noch Oreas gestanden hatte. Erst nach ein paar Minuten weckte ein leises Wiehern sie aus ihrer Trance und so schnell es ging stürmte auch sie aus dem Stall in ihr Zimmer. Den verdutzten Melanon übersah sie dabei. Sie wollte nur vermeiden, Oreas je wieder über den Weg zu laufen. Und sie wollte alleine sein. Es war ihr zwar ein Rätsel, wie er es geschafft hatte, aber Oreas hatte sie zutiefst verletzt. Also legte sie sich einfach auf ihr Bett und weinte in ihr Kissen. Als sie irgendwann Melanons Hand spürte, die ihr beruhigend über den Rücken strich, war ihr erster Impuls dann auch, sie einfach wegzustoßen. Sie ließ es dann aber doch zu. Schließlich meinte er es nur gut mit ihr, sie würde ihm unrecht tun, würde sie ihre schlechte Laune an ihm auslassen. Und zugegeben, es beruhigte sie wirklich, bis sie nur noch hin und wieder schluchzte. "Oreas kann manchmal ein echtes Arschloch sein, ich weiß", erklärte Melanon ihr "aber eigentlich ist er wirklich nett. Es sind bloß... Dinge vorgefallen, von denen du nichts weißt, und ich kann sie dir auch nicht erzählen, das ist alleine seine Sache und ich habe nicht das Recht dazu. Versuch bitte, ihm zu verzeihen. Wenn du jetzt wütend bist, macht es die Sache auch nicht besser." "Ich bin aber nicht wütend.", schluchzte Celia. "Bloß...", ja, was war sie eigentlich? Warum weinte sie sich nur die Augen aus? Sie hatte gehofft, sich durch ihre Entschuldigung doch noch mir Oreas anfreunden zu können, sie mochte den Halbelfen auf irgendeine nicht genauer zu definierende Art. Nur deshalb hatten seine Worte sie so verletzt. "Bloß enttäuscht.", fügte sie noch hinzu. Darauf wusste Melanon nichts mehr zu erwidern. Er blieb noch eine Weile und tröstete die Elfe, unterhielt sich mit ihr über verschiedenes, verließ sie dann aber schließlich, um das Essen vorzubereiten. * Celia wollte eigentlich gar nichts essen, aber Melanon hatte sie dazu genötigt. Als sie den Raum betrat, fiel ihr als erstes Oreas in Auge, der schon am Tisch saß. Sie hatte befürchtet, er würde sie wieder anschreien, aber dem war nicht so. Er ignorierte sie einfach. Nicht einmal die kleinste Regung hatte er gezeigt, als sie eingetreten war, fast als würde sie nicht existieren. So wurde das Abendessen dann auch eine schweigsame Angelegenheit. Oreas war wütend, auch wenn er es nicht zeigte, Celia ängstlich und verletzt und Melanon traurig über das Verhalten der beiden. Die drückende Stimmung konnte man fast schon körperlich spüren und alle Anwesenden wollten es so schnell wie möglich hinter sich bringen. Gerade, als sie mit dem Abräumen beginnen wollten, räusperte Melanon sich und erlangte so die Aufmerksamkeit des Halbelfen und der Elfe. Mit fragenden Blicken in seine Richtung setzten sie sich wieder. "Ich werde morgen früh weiterreisen." Ein Satz, kurz und bündig, kein Gerede um den heißen Brei. Melanon hatte die ganze Zeit nicht aufgesehen und sein Blick blieb weiter gesenkt. Celias Augen weiteten sich vor Überraschung. So schnell schon? Obwohl, es hätte ihr eigentlich klar sein müssen, dass es nicht ewig so hätte weitergehen können. Melanons Angebot kam ihr wieder in den Sinn. Sie konnte mit ihm reisen oder er würde sie zurückbringen. Es war an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, die sie schon die letzten Tage einfach aus ihrem Bewusstsein verdrängt hatte. Am ersten Abend hatte sie geglaubt, sich bereits im Klaren über ihre Antwort zu sein, doch dem war nicht so. Einerseits hatte sie immer noch Angst vor den Menschen, aber andererseits hatte sie in der kurzen Zeit eine tiefe Freundschaft zu dem Menschen aufgebaut. Tiefer als alle anderen Freundschaften, die sie je geschlossen hatte (nicht, dass es viele gewesen wären). Er verstand sie so gut, wie niemand sonst. Er teilte ihren Wissensdurst, und wenn sie ehrlich war, wollte sie ihn nicht wieder verlieren. Während die Elfe in Gedanken war, hatte Melanon begonnen, den Tisch abzuräumen. Oreas saß auch immer noch wie betäubt am Tisch und starrte selbstvergessen in die Leere. Erst, nachdem Melanon schließlich den Raum verlassen hatte, tauchte er wieder aus seiner Trance auf und ging ebenfalls seiner Wege. Celia blieb noch sitzen, bis ihr einfiel, dass sie so oder so am nächsten Morgen den Hof verlassen würde und sie noch ihre Sachen zusammensammeln musste (das Papier lag ungeordnet auf dem Tisch). Auch der Gedanke, den Hof zu verlassen tat ihr weh. Sie hatte ihn und seine Tiere wirklich lieb gewonnen. Sogar Oreas, auf diese unbeschreibbare Art. Sie fühlte sich ihm irgendwie verbunden. Wie es wohl für ihn sein würde, wieder ganz alleine zu sein? Der Gedanke tat ihr weh. Sie konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass er ohne jede Gesellschaft glücklicher war. Mit einem Seufzer ließ sie sich nach dem "Packen" (nicht, dass sie außer dem Papier Sammelsurium noch etwas zu packen hatte) auf ihr Bett fallen. Weitermachen oder zurückkehren? Was ihre Familie wohl sagen würde, wenn sie wieder zurückkäme? Wahrscheinlich, dass sie es ihr doch gleich gesagt hatten. Den Triumph, sie ohne jeden Erfolg zurückkommen zu sehen, wollte sie ihnen nicht gönnen. Aber gab es überhaupt Aussicht auf Erfolg? Außerdem war es gefährlich weiterzugehen. Auch wenn Melanon ihr viel über die Menschen erzählt hatte, die Gefahr, die von ihnen ausging, konnte sie immer noch nicht abschätzen. Celia überlegte weiter hin und her und wog Risiko und Sicherheit gegeneinander ab, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Sie schlief darüber ein. Die Schritte im Nebenzimmer bemerkte sie nur am Rande, während sie langsam in einen traumlosen Schlaf hinüberglitt. Und eigentlich hatte ihr Herz die Entscheidung schon längst getroffen. TBC[/i Kapitel 6: Aufbruch ------------------- Caronia Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 6/? (mindestens 15) Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: keine, außer dass der Schwachsinn von mir ist Disclaimer: wie gesagt, der Schwachsinn gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment Zusammenfassung: Der Titel sagt alles... A/N: Kommis wie immer erwünscht. Ich bitte euch auch, mich auf Fehler aufmerksam zu machen und auch sonst Verbesserungsvorschläge für meinen Stil und meine Story zu machen. Ihr könnt auch ruhig Vorschläge machen, wie es weitergehen soll. So genau steht das nämlich noch nicht fest (auch wenn ich natürlich schon weiß, was grob passieren soll). Wenn euch was nicht ganz klar ist, fragt einfach, ich verrat's euch solange es nicht wichtig für die Story ist. Außerdem danke ich den Leuten, die sich bisher zu einer Review herabgelassen haben. Schön zu wissen, dass man gelesen wird. Kapitel VI: Aufbruch Schon bevor Celia am nächsten Morgen vollends aufwachte, spürte sie, dass etwas anders war als gewöhnlich. Ein Gefühl, an dass sie sich beinahe schon gewöhnt hatte. In den ersten Tagen auf dem Hof hatte es sie immer irritiert, dass sie auf einer vergleichsweise (zumindest, wenn man an Schlafkissen gewöhnt war) harten und geraden Matratze aufwachte. Aber daran lag es diesmal nicht. Vielmehr war die Geräuschkulisse für sie ungewohnt. Da sie immer im Morgengrauen, war außer ihr nur noch Oreas wach, und der hielt sich in den Ställen auf und kümmerte sich um die Tiere. An diesem Morgen jedoch wurde ihr Aufwachen von den hastigen Schritten Melanons (Oreas bewegte sich leiser, wenn auch nicht so leise wie ein richtiger Elf), dem Wiehern von Pferden und lautem Gerumpel begleitet. Dann fiel es ihr wieder siedend heiß ein. Sie riss ihre Augen auf. Gleich würden sie aufbrechen, und Celia hatte sich noch nicht entschieden. Mit einem unguten Gefühl setzte sie sich schließlich auf und machte sich fertig, doch auch die Bewegung lenkte sie nicht von dem unbehaglichen Gefühl ab. Sie versuchte schließlich, sich wieder hinzulegen, war aber zu nervös, um liegen zu bleiben. Es klopfte an der Tür, und sie schreckte hoch und wurde noch nervöser, das kleine Kribbeln in ihrem Bauch verwandelte sich in einen ausgewachsenen Bienenschwarm. Hastiger als es sonst ihre Art war, ging Celia zur Tür und öffnete sie. Ein fertig in seine graue Kutte und seinen Umhang eingehüllter und ausgeruhter Melanon lächelte sie an. "Bist du soweit? Wir sollten noch etwas essen bevor wir aufbrechen." Celia nickte nur abwesend und sah an ihm vorbei auf den Tisch, der spärlich für zwei Personen gedeckt war. "Wo ist denn Oreas?", fragte sie. Sie wollte sich gerne noch von ihm verabschieden und sich bei ihm für seine Gastfreundschaft bedanken, auch wenn "freundlich" nicht unbedingt das richtige Wort war und er alles andere als gut auf sie zu sprechen war. Sie fühlte sich ihm näher als den anderen Menschen, immerhin war er ein Halbelf, und war damit eine Verbindung zu ihrer Vergangenheit. Und so war er weniger bedrohlich. "Bei den Pferden, er macht sie für die Reise fertig." Ohne ein weiteres Wort zu sagen setzten sich die beiden an den Tisch und Celia begann zu essen, während ihre Gedanken langsam abdrifteten. Das brachte ihr einige abschätzende Blicke von Melanon ein, die sie jedoch nicht bemerkte. Sie starrte bloß in die Leere und aß dabei mechanisch, ohne eine Lösung für ihr Problem zu finden, und ohne den Geschmack auf ihrer Zunge wirklich wahrzunehmen. Celia hasste so schwierige Entscheidungen. Sie war noch nie in der Lage gewesen, sich nach reiflichem Überlegen für etwas zu entscheiden. Genau genommen waren alle wichtigen Entscheidungen, die sie in ihrem Leben getroffen hatte, absolut unüberlegt und unvernünftig gewesen. Sie war einfach in den Wald gerannt, als der Sturm angefangen hatte zu toben und sie hatte ihr Zuhause auch aus einer Laune heraus verlassen. Wäre sie nicht so wütend gewesen, hätte sie nie etwas so Dummes getan, wie den Wald zu verlassen. Vielleicht war es an der Zeit für sie, Verantwortung zu übernehmen und sich wie eine Erwachsene zu benehmen. Mit neunzehn Jahren sollte sie doch wohl in der Lage sein, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Andererseits, vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass sie ihre Entscheidungen immer ohne nachzudenken traf. So hörte sie schließlich immer auf ihr Herz. Und so schlecht war es auch nicht, dass sie den Elfenwald verlassen hatte. Hätte sie es nicht getan, hätte sie Melanon und Oreas nie getroffen und würde sich immer noch mit all ihren Fragen herumquälen. Jetzt war sie schließlich schlauer als vorher, auch wenn sie immer noch nichts über den Verbleib ihres Vaters wusste und sich nicht zu fragen traute. Ja, es war wohl auch das beste, wenn sie auch diese Entscheidung ohne nachzudenken treffen würde. Sie nickte leicht, um sich in ihrem Entschluss zu bekräftigen und widmete ihre volle Aufmerksamkeit endlich dem Teller vor sich. Wenn Melanon sie fragen würde, würde sie einfach das sagen, was ihr spontan in den Sinn kam. Als Melanon das Nicken sah und bemerkte, dass Celia wieder in die wirkliche Welt zurückkehrte, musste er leicht lächeln. Es schien, als habe sie ihre Entscheidung getroffen. Es juckte ihn, sie jetzt schon zu fragen, aber er wollte ihr lieber noch etwas Zeit lassen, die Sache zu überdenken. Er selber würde die Gesellschaft der Elfe gerne noch etwas länger genießen, auch wenn sein Vater alles andere als begeistert sein würde, würde er sie mitbringen. Und er würde sicher Dinge sagen, die Celia sehr verletzten und die sie nicht verstehen würde. Sein Vater war einfach zu engstirnig und stur. Aber in dieser Sache war Melanon eindeutig einmal selbstsüchtig. Er genoss Celias Gesellschaft, sehr sogar. Erst dachte er, es läge daran, dass er nach zehn Jahren ohne einen anderen Freund als Arqua jede Art von Gesellschaft genießen würde, aber Celia war etwas besonderes. Sie heiterte ihn auf und zeigte ihm die Welt aus einem anderen Blickwinkel. Sie sah sie mit den Augen eines Kindes, für das selbst die einfachsten und selbstverständlichsten Dinge die größten Wunder waren. Und gleichzeitig ging sie sehr logisch und methodisch vor, wenn es darum ging, etwas zu verstehen. So wie er selber. Ihr Enthusiasmus und ihre Energie steckten ihn einfach an. Beide hatte er für sich selbst schon für verloren geglaubt. Man hatte sie ihm bei den Magiern ausgetrieben. Am Ende war es ihm nur noch darum gegangen, die ganze Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Sie hatten einen melancholischen Menschen aus ihm gemacht, der älter wirkte, als er in Wirklichkeit war. Obwohl, dazu hatte seine Familie auch ihren Teil beigetragen. Ob er wohl genauso wäre wie Celia, wenn er eine neue Welt für sich entdecken könnte? Irgendwie bezweifelte er das nicht. Er könnte sich dort von seinem Leben lösen und endlich frei sein. Er und die Elfe waren sich wirklich ähnlich, auch wenn er wohl etwas vorsichtiger wäre und nicht ganz so offensichtlich viel Energie an den Tag legen würde. Melanon seufzte. Es brachte einfach nichts darüber zu grübeln, was wäre, wenn die Dinge anders lägen. * Die beiden hatten ihr Frühstück ebenso schweigend beendet, wie sie es begonnen hatten. Danach hatten sie ihr Gepäck geholt (und Celia hatte sich den Raum, in dem sie die letzten Nächte verbracht hatte, noch einmal ganz genau angesehen) und nun gingen sie auf den Pferdestall zu. Sofort kamen in Celia wieder die Erinnerungen an den vorherigen Tag hoch. Daran, wie sie mit Oreas gesprochen, beziehungsweise es versucht, hatte. Sie bekam ein flaues Gefühl im Magen und wurde unsicher, als sie daran dachte. Sie wünschte sich einfach, er würde sie wenigstens ein bisschen mögen, auch wenn sie diesen Wunsch selbst nicht so ganz verstand. Melanon öffnete die Stalltür und Celia folgte ihm ohne ein Wort, aber zögerlich. Ihr schlug der inzwischen vertraute Geruch von Heu, Pferden und dem taunassen Holz des Stalles entgegen. Es dauerte einen Moment, bis sie Oreas entdeckte, der gerade eines der Pferde aus der seiner Box und zu zwei anderen führte, die bereits in dem Gang zwischen den Boxen standen. Melanon bewegte sich zielstrebig auf eines der Pferde, das linke, zu. Er streichelte ihm liebevoll den Hals und flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf das Pferd mit einem Schnauben reagierte. Als sein Blick schließlich auf Oreas und das dritte Pferd fiel, runzelte er die Stirn. Celia war verwirrt. Sie blieb weiter wie angewurzelt an der Stalltür stehen, unsicher, was nun von ihr erwartet wurde. Oreas schien das aufgefallen zu sein. Er sah sie kurz abschätzig an, legte dabei den Kopf leicht schief und deutete auf das mittlere Pferd. "Das da ist deins.", seine Stimme tonlos und kühl wie immer. Celia war noch verwirrter, Melanon hatte ihr nie erzählt, was nun von ihr erwartet wurde. Aber augenscheinlich würden sie reiten. Sie warf einen kurzen Blick auf das braune Pferd mit dem weißen Flecken auf der Stirn. Dann ging sie einen vorsichtigen Schritt vorwärts und blickte fragend auf Melanon. Von Oreas erwartete sie nicht wirklich Hilfe. Und selbst wenn er sich dazu herabließ, würde sie bei seiner kalten Art nur noch nervöser werden und alles falsch machen. Melanon war in Gedanken aber immer noch bei dem dritten Pferd und reagierte erst gar nicht. Erst als Celia sich räusperte wandte er sich ihr zu und lächelte, als er ihr Problem verstand. Pferde waren für ihn etwas absolut Alltägliches. Ebenso wie der Umgang mit ihnen. "Komm her, ich helfe dir." Immer noch leicht zögernd ging Celia zu dem braunen Pferd, wo Melanon ihr ihr Gepäck (hauptsächlich Proviant und wasserfester Stoff, die wichtigen Sachen waren in ihrem Rucksack) abnahm und es auf dem Rücken des Pferdes befestigte. Nun war es an Celia, nachdenklich die Stirn zu runzeln. Alles in Allem fand Celia den Gedanken auf einem Pferd zu reiten immer noch äußerst befremdlich. Dabei hatte Melanon ihr versichert, dass es absolut harmlos sei. Zweifelnd legte sie den Kopf schief. Darauf sollte sie also reiten? Allein bei dem Gedanken wurde ihr mulmig zumute. "Ihr Name ist Heria und sie ist das ruhigste Tier, das ich habe, also reg dich bloß nicht auf. Sie wird dich schon nicht beißen." Oreas schien sich bei diesem Kommentar fast amüsiert zu haben. Celia fand das allerdings alles andere als witzig. Ihm mochte es ja nichts ausmachen, auf einem richtigen, echten Tier zu sitzen, aber ihr schon. Inzwischen war er aber wieder damit beschäftigt, das dritte Pferd zu bepacken, ein braun-weiß geschecktes. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass Celia es für besser hielt, nichts zu erwidern. Sie wusste ohnehin nicht was, und selbst wenn, wahrscheinlich hätte er sich nur weiter über sie lustig gemacht. Als Melanon ihr etwas in die Hand gab, ließ sie davon ab, Oreas giftige Blicke zuzuwerfen, die der ohnehin nicht sah. Melanon lächelte. Ihn amüsierte ihre Unbeholfenheit offenbar auch, was Celia nur noch mehr schmollen ließ. Verstand denn hier niemand, dass diese Situation ihr ganz und gar nicht gefiel? In ihrer Hand befanden sich die Zügel des Pferdes, Heria, oder wie Oreas es genannt hatte. Dann sah sie dem Pferd in die Augen. Heria schien wirklich lieb zu sein. Und das obwohl sie definitiv ihre Angst und Unsicherheit wahrnahm. Das beruhigte Celia enorm. Scheinbar hatte Oreas doch recht und sie würde nicht beißen oder sonst etwas anstellen. Die Elfe versank regelrecht in dem ausgeglichenen Charakter des Pferdes und verlor sich in den dunklen und sanften Augen, bis- Melanon sie antippte und so ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Er nahm die Zügel seines grauen Hengstes (er hatte einmal erwähnt, dass sein Name Arqua war) in die Hand und ihn aus dem Stall heraus. Celia ahmte ihm einfach alles nach. Es war ein komisches Gefühl für sie, ein Tier hinter sich herzuziehen. Erst hatte sie gefürchtet, dass Herias Sanftmut doch verfliegen und das Pferd sich einfach stur stellen würde, doch erstaunlicherweise folgte sie ihr ohne den geringsten Widerstand. Vage nahm sie wahr, wie Oreas hinter ihr folgte. Mitten auf dem Hof blieb Melanon schließlich stehen, seufzte tief und sah sich alles noch einmal gründlich an. In den Jahren, in denen er nicht auf diesem Hof gewesen war, hatte, er beinahe vergessen, wie er aussah. Das sollte ihm nicht noch einmal passieren, denn in seinen Gedanken war er immer seine Zuflucht gewesen. Einer der wenigen, wenn nicht sogar der einzige Ort, an dem er jemals wirklich zuhause gewesen war, an dem er sich nicht verstellen musste und von niemandem schief angesehen wurde. Celia schien es ähnlich zu gehen, auch sie fing noch einmal alles mit ihren Blicken ein und brannte die Bilder fest in ihr Gedächtnis ein. Dann fiel Melanons Blick auf Oreas, der mit dem dritten Pferd kurz hinter der Elfe stehen geblieben war und ihm nun liebevoll über den Hals streichelte. Er konnte wieder nur nachdenklich die Stirn runzeln und sich fragen, was sein Freund vorhatte. Obwohl das eigentlich mehr als offensichtlich war. Das Pferd war gesattelt und bepackt. Oreas wollte den Hof also ebenfalls verlassen. Das an sich war schon mehr als außergewöhnlich. Oreas hatte den Hof nie gerne verlassen. Jedenfalls nicht nach dem Tod seiner Mutter und dem Streit mit seinem Vater. Er hatte die Blicke der Menschen immer gehasst. Was hatte ihn nur zu dazu bewogen, es jetzt zu tun. "Was wird das Oreas?", fragte er leicht zweifelnd. Celia riss er damit aus ihren Gedanken und auch sie wandte sich dem Halbelfen zu. Sie hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, aber wozu brauchten sie ein drittes Pferd. Doch Oreas schien es nicht für nötig zu halten, auf die Frage zu antworten. Er streichelte einfach weiter seelenruhig sein Pferd, als wären sie die einzigen auf der Welt. "Ich komme mit.", sagte er schließlich gleichgültig, bevor er sich in den Sattel setzte und seine Begleiter abwartend ansah. Melanon sah seinen Freund noch einen Augenblick nachdenklich und verwirrt an, kam dann aber zu dem Schluss, dass es besser wäre, nicht zu fragen und zuckte mit den Schultern. Es war erst einmal wichtiger, überhaupt eine Reiseroute festzulegen. Und dazu brauchte er Celias Antwort auf sein Angebot. "Wie hast du dich entschieden, Celia?" Die Waldelfe blieb einen Moment still, immer noch überrascht von Oreas Verhalten, dachte dann eine Sekunde konzentriert nach und sagte, was ihr in den Sinn kam. "Ich begleite dich." Melanon nickte nur, ging zu ihr hinüber und half ihr beim Aufsteigen. Dafür war Celia ihm überaus dankbar, alleine hätte sie es wohl nie geschafft. Als sie schließlich im Sattel saß, blieb ihr dann auch nichts anderes übrig, als hilflos zu warten, bis ihr jemand sagte, was sie zu tun hatte. Ihre Hände verkrampften sich um den Sattelknauf, der er das einzige zu sein schien, an dem sie sich festhalten konnte. An die Mähne des Pferdes konnte sie sich ja schlecht krallen. Es musste unangenehm für das arme Tier sein, und sie hatte nicht die Absicht, Heria gegen sich aufzubringen. Als Melanon auch aufgesessen hatte, ritt er an Celias Seite und erklärte ihr, wie sie die Zügel zu halten hatte und versicherte ihr mehrmals, dass er in ihrer Nähe bleiben würde und ihr notfalls helfen würde. Ganz überzeugt war sie trotzdem nicht. Und das obwohl die Übungen reibungslos verliefen. Sie war einfach immer noch nervös. Allein das Gefühl, auf einem Pferd zu sitzen war mehr als befremdlich. Den warmen, atmenden Körper unter sich zu spüren alleine war schon verunsichernd genug. Wenn dieser Körper sich dann auch noch bewegte, wollte sie eigentlich nur wieder zurück auf festen Boden. Oreas räusperte sich schließlich, um ihre und Melanons Aufmerksamkeit zu erregen und ritt langsam los. Melanon und Celia folgten ihm mit einigen Metern Abstand. Die ganze Zeit blickte er stur geradeaus, was Celia merkwürdig vorkam. Sie selber hatte sich noch ein paar Mal umgesehen, um sich vom Hof zu verabschieden, weil er und die Tiere ihm so ans Herz gewachsen waren. Und Melanon tat dasselbe. Nur Oreas blickte nicht einmal ansatzweise zurück, und dabei müsste es für ihn doch um einiges schwerer sein. Obwohl, kam es Celia in den Sinn, sie hatte sich auch kaum umgesehen, als sie ihr Zuhause verlassen hatte. Nach der ersten Zeit hatte sie sich auch ein wenig an das Reiten gewöhnt. Sie glaubte zwar nicht, dass sie es jemals wirklich würde mögen können, doch es war zu ertragen, wenn man sich erst einmal an das Schaukeln gewöhnt hatte. In der Gegend durch die sie ritten, gab es hauptsächlich grasbewachsene Hügel. Nur hin und wieder passierten sie ein kleinen Wald, von deren Anblick sich Celia nur schwer losreißen konnte. Schließlich, die Sonne stand schon erkennbar höher als bei ihrem Aufbruch, kam ein weiterer Hof in Sicht, etwas größer als der von Oreas, aber vom Aufbau her ähnlich. Celia spürte ein nervöses Kribbeln in ihrem Magen, als sie sich näherten. Dort würden Menschen sein, und an diesen Gedanken musste sie sich immer noch gewöhnen. Als sie schließlich auf der Mitte des Hofes anhielten, wurden sie von ein paar Männern beäugt. Besonders Melanon und Celia schienen ihr Interesse zu wecken. Celia wurde unruhig. Auch wenn sie es gewöhnt war, im Mittelpunkt zu stehen (als Elfenprinzessin war es praktisch unmöglich, nicht beachtet zu werden), bei den Menschen war es ihr mehr als unangenehm. Melanon spürte ihre Unruhe. Er legte eine Hand auf ihre Schulter und drehte mit der anderen so, dass sie einen der Menschen direkt ansah, etwas, das sie bis dahin vermieden hatte. In den Augen des Mannes, den sie anblickte, konnte sie Verunsicherung lesen, vielleicht ein bisschen Angst, gemischt mit Neugier und Misstrauen. Auch kam er nicht weiter auf sie zu. Es kam Celia so vor, als wären sie zwei Wölfe, die sich umkreisen und so gegenseitig abschätzen. Das nahm ihr etwas von der Unsicherheit, dieses Verhalten kannte sie und so viel es ihr leichter, mit dem Fremden umzugehen. Lockerer wurde sie aber erst, als einer der Männer Oreas zunickte und ihn, wenn auch nicht unbedingt freundlich, begrüßte. Oreas folgte ihm schließlich seufzend ins Haupthaus, während Melanon und Celia ebenfalls absaßen. Auch wenn sich dass für Celia als kompliziert herausstellte, sie schaffte es schließlich doch alleine. Die anderen Männer waren zu ihrer Arbeit zurückgekehrt und Celia sah gerade noch einen der Männer in einem Stall verschwinden. Erst jetzt realisierte sie, dass die Gesichter der Männer sehr faltig und ausgemergelt aussahen. Sie mussten ein hartes Leben führen und sie erinnerte sich wieder daran, dass Melanon ihr einmal erzählt hatte, dass die Menschen dieser Region wegen der Steuern arm waren. Die Elfe konnte nicht anders, als sie zu bemitleiden. "Warum sind wir eigentlich hier?", fragte sie nachdenklich. "Das hier sind Oreas Nachbarn. Ich nehme an, er will sie fragen, ob sie sich in seiner Abwesenheit um seinen Hof kümmern würden, er kann die Tiere ja schlecht alleine lassen. Und wenn ich mich richtig erinnere, dann hat die Familie mehrere Söhne und kann so leichter einen oder zwei entbehren." Celia schwieg einen Moment. "Und warum kommt er mit?", platzte es schließlich aus ihr heraus. Melanon seufzte. "Das kann ich auch nur erraten. Ich habe zwar ein paar Vermutungen, aber vielleicht irre ich mich auch. Womöglich weiß er es selber noch nicht einmal so genau. Oreas war schon immer schwer zu verstehen. Liegt daran, dass er nicht viel redet.", fügte er noch hinzu. "Und was vermutest du?" Melanon lächelte. "Warum interessiert dich das?" "Na ja, ich verstehe ihn einfach nicht, und dabei würde ich das gerne. Warum geht er weg, wenn er doch alle Menschen hasst und auch nicht bei ihnen sein will? Und seine Tiere liebt er doch so sehr, das ist sogar mir aufgefallen." "Das hört sich fast so an, als würdest du auch über ihn einen Bericht schreiben und müsstest ihn dazu genauer analysieren." "Ich schreibe schon etwas über ihn, aber nicht so etwas. Ich würde ihn eher als Exemplar der Halbelfen sehen und seine Situation als solcher beschreiben, aber seine Motive sind etwas persönliches und nicht so wichtig. Das interessiert mich einfach und irgendwo habe ich ja auch ein recht darauf, immerhin muss ich ja mit ihm reisen." "Du musst nicht." Celia funkelte ihn an. Melanon lächelte zurück. Celia war in vielem noch ein bisschen kindlich, hatte sie doch kaum etwas von der harten Realität mitbekommen. In Wirklichkeit war sie einfach nur furchtbar neugierig und versuchte ihre Neugier zu rechtfertigen, das wussten sie beide. Melanons Lächeln verblasste, während er seine Antwort formulierte: "Weißt du, ich denke, Oreas ist auf diesem Hof sehr alleine, auch wenn er so tut, als wäre es anders, er vermisst menschliche Gesellschaft genauso wie er sie hasst. Außerdem ist es für ihn an der Zeit, sein eigenes Ich zu definieren und sich von seinem Vater zu lösen, etwas, das ihm schon immer schwer fiel. Und dazu muss er eben mit der Wirklichkeit konfrontiert werden und kann sich nicht auf dem Hof vor der Welt verstecken. Denn auch wenn er seine Pferde über alles liebt, genau das hat er die letzten paar Jahre getan. "Wo sind seine Eltern eigentlich?" Celia brannte darauf, mehr über sie zu erfahren und diese Neugier hörte man ihrer Stimme auch an. Sie würde es wohl niemals schaffen, so unbeteiligt zu klingen wie Oreas. Es interessierte sie so sehr, wer von beiden der Elf war, wie sie sich kennen gelernt hatten und von welcher Art Elf seine Mutter oder sein Vater waren (wohl ein Windelf, die waren laut Melanon am häufigsten in dieser Gegend). "Seine Mutter ist schon tot. Sie war ein Mensch. Ein wirklich wundervoller. Als ich noch klein war hat sie mir und Oreas öfter Geschichten erzählt, wenn wir nicht einschlafen konnten. Sie war wirklich wunderbar." Bei dem Gedanken daran blickten Melanons Augen in die Ferne und er lächelte leicht. Und ein wenig traurig. Er musste Oreas' Mutter wirklich gern gehabt haben. Ob Celia es wagen sollte, auch nach seinem Vater zu fragen? Sie entschied sich dagegen. Melanon würde ihr keine Antwort geben, das spürte sie. Irgendetwas war vorgefallen, und niemand wollte darüber sprechen. Oreas' Verhältnis zu seinem Vater schien auch kein gutes gewesen zu sein, wenn es nötig war, sich "von ihm zu lösen", wie Melanon es ausgedrückt hatte. Ob sein Vater an seiner Misanthropie schuld war? Und wo war er überhaupt? Melanon hatte nichts von seinem Tod gesagt, also konnte sie davon ausgehen, dass er immer noch am Leben war. Hatte er Oreas verlassen, genauso wie ihr eigener Vater sie (oder genauer gesagt ihre Mutter, von ihr wusste er ja nichts)? Und was hatte seine Mutter dazu gesagt? Hing ihr Tod vielleicht damit zusammen? Celia hatte gerade den Mund geöffnet, um zu fragen, wie Oreas' Mutter denn gestorben war, als sich die Tür des Haupthauses wieder öffnete und Oreas mit grimmigem Gesicht heraustrat. Er schüttelte noch die Hand eines jungen Mannes, bevor er zu seinem Pferd ging und wieder aufsaß. Jetzt konnte sie Melanon schlecht fragen. Auch der saß schon wieder auf Arqua, als sie sich auch überwand, wieder aufzusitzen. Alleine der Gedanke ließ sie das Gesicht verziehen. Die kurze Zeit auf ihren eigenen Füßen hatte ihr erst klar gemacht, wie unbequem Pferde doch waren. Ihre Muskeln waren jetzt schon verspannt. Diesmal schaffte sie es dann auch, wenn auch leicht wackelig, ohne Hilfe auf Herias Rücken. Bevor sie den Hof verließen, blickte sich Celia noch einmal um, um alles, die Geräusche, Gerüche und natürlich auch den Anblick so gut wie möglich in ihr Gedächtnis aufzunehmen. "Kümmern sie sich um deinen Hof?", fragte Melanon beiläufig. Oreas nickte. Nach einer Pause stellte Melanon endlich die Frage, die ihm schon seit dem Gespräch mit Celia auf der Zunge brannte: "Wärst du auch mitgekommen, wenn sie nicht zugestimmt hätten?" "Ein anderer Nachbar hätte es getan." Also ja. TBC PS: Sorry, dass es solange gedauert hat, aber mein Internet ist bis auf weiteres gesperrt... Kapitel 7: Ein neuer Bekannter ------------------------------ Caronia Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 7/? (mindestens 15) Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: keine, außer dass der Schwachsinn von mir ist Disclaimer: wie gesagt, der Schwachsinn gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment Zusammenfassung: tja, die Reise nach Erador. A/N: Ich weiß, ich weiß, das hat ewig gedauert. Aber irgendwie habe ich es einfach nicht fertig gebracht, mich mal mit meinen Geschichten zu befassen. Das Kapitel hier ist auch schon etwas älter. Weiter geschrieben habe ich schon eine ganze Weile nicht mehr. Na ja, jetzt sind ja Semesterferien, da habe ich vielleicht etwas mehr Zeit. Kapitel VII: Ein neuer Bekannter Sie waren zwei Tage geritten, als sie schließlich eine breite und gepflasterte Straße erreichten. Melanon hatte Celia bereits erzählt, dass sie die Verbindung zwischen den drei großen Städten des Landes Caronia, in dem sie sich befanden, war. Sie führte von Ario, einer Stadt im Norden an der Bucht von Marela nach Erador im Westen und schließlich bis nach Ronia, der Hauptstadt im Zentrum. Nun waren sie ungefähr auf halber Strecke zwischen Ario und Erador. Sie waren recht schnell gewesen. Die meiste Zeit war Oreas vorangeritten, während Celia und Melanon etwas weiter hinten nebeneinander her ritten, sich unterhielten oder stumm auf Oreas Rücken starrten. Celia hatte sich immer noch nicht wirklich ans Reiten gewöhnt. Abends war sie immer zerschlagen und ihre Muskeln schmerzten fürchterlich. Trotzdem hielt sie weiter tapfer durch. Sie wollte sich vor Oreas keine Blöße geben. Dabei wünschte sie sich nichts sehnlicher als eine kleine Pause. Und genügend Zeit, um ihre Erlebnisse zu dokumentieren. Melanon hatte ihr zwar versichert, dass sich die Schmerzen mit der Zeit besser werden würden, aber das war nicht wirklich ein Trost. So sehr sie Heria inzwischen liebgewonnen hatte, sie bevorzugte es immer noch, zu Fuß zu reisen. Auf dem Weg hatten sie in zwei Dörfern halt gemacht. Im ersten hatten sie übernachtet, was Celia einige Probleme bereitet hatte. Es war einfach zu laut für sie gewesen. Im Wald war es nachts zwar auch nicht unbedingt leise, aber die Menschen und ihre Tiere waren doch um einiges lauter. Dazu kamen noch die fremden Gerüche. In der Hütte hatte es wirklich gestunken, wohl, weil auch der Hund (so eine Art gezähmter Wolf, hatte Melanon gesagt, auch wenn er mit seinem goldenen Fell gar nicht wie ein Wolf aussah) dort schlief und an der Decke getrocknetes und geräuchertes Fleisch hing. So kam es, dass Celia am nächsten Tag Mühe hatte, auf dem Pferderücken nicht einzunicken. Und auch Oreas schien mitgenommen zu sein. Manchmal vergaß Celia einfach, dass er auch zur Hälfte Elf war und dadurch bessere Sinne als Melanon haben musste. Als sie Melanon schließlich fragte, wie er denn dort hatte schlafen können, hatte er gesagt, dass er an einiges gewöhnt war. Weiter fragen wollte sie lieber nicht, da er ein wirklich grimmiges Gesicht gemacht hatte. So entschieden sie sich dann auch, die nächste Nacht lieber im Freien zu verbringen. Im zweiten Dorf kauften sie sich zusätzlich ein wenig Proviant und ließen die Pferden etwas Ruhe, während Oreas einen Vetter mütterlicherseits besuchte. Mehr ein Anstandsbesuch, da sich die beiden kaum mehr als zehn Minuten unterhielten (oder eher anschwiegen, sie hatten sich kaum etwas zu sagen). Es erschein Celia so, als ob selbst seine Familie nichts mit ihm zu tun haben wollte. Dadurch tat er ihr nur noch mehr leid. Mit ihrer eigenen Familie hatte sie zwar auch so ihre Problem, aber immerhin redeten sie noch miteinander, und sowohl ihre Mutter als auch ihre Großmutter liebten sie aufrichtig, das wusste sie. Viele der Menschen, die Celia traf, waren geradezu dürr und ausgemergelt. Ihre Kleidung war abgetragen und wirkte, als wäre sie schon seit Jahrzehnten im Gebrauch. Wiederholt fragte sie sich, wie der König so etwas nur zulassen konnte. Er vernachlässigte seine Pflicht. Sie traute sich jedoch nicht, Melanon oder sogar Oreas darauf anzusprechen. Das Verhalten vom ersten Abend war ihr noch deutlich in Erinnerung. Irgendwie schien das für beide ein wunder Punkt zu sein. Nun sah Celia die breite Straße vor sich, die sich scheinbar durchs Nichts schlängelte. Überhaupt war hier alles ein großes Nichts für die Elfe. Die Hügel sahen in ihren Augen alle vollkommen gleich aus und es gab kaum Orientierungspunkte. Und an die Weite hatte sie sich auch immer noch nicht gewöhnt. Sie hatte das Melanon erzählt und der hatte nur gelacht und gesagt, ihm ginge es im Wald genauso. Etwas, das Celia absolut nicht verstand, da Bäume doch alle so unterschiedlich aussahen. Sie folgten der Straße ein paar Stunden in südlicher Richtung, bevor sie an einer Quelle Rast machten. Ihnen waren einige Reisende begegnet, die Celia besser in ihr Bild von den Menschen einordnen konnte als die Bauern. Sie sahen mehr aus wie die Händler, die sie im Wald so oft beobachtet hatte. Auch waren sie nicht halbverhungert und ihre Kleidung war... nicht abgetragen und ausgewaschen. Die starken Farben überraschten die Elfe sogar sehr. Im Wald trugen sie alle recht helle, meist pastellfarbene Kleidung, und selten mit auffälligen Farbkombinationen. Aber die Menschen bevorzugten offenbar bunte Muster, etwas, das sie überraschte, da ihre beiden Begleiter eher unauffällig gekleidet waren. Melanons graue Kutte und Oreas braune oder grüne Kleidung waren zwar immer noch dunkler gefärbt, als ihr eigenes weißes Wams, aber verglichen mit dem gelb-rot karierten Wams und dem himmelblauen Umhang eines der Händler war das wirklich ausgesprochen dezent. Von allen Passante erntete die kleine Gruppe seltsame Blicke, einige neugierig und andere voller Abscheu. Waren sie wirklich so außergewöhnlich? Die meisten schienen jedenfalls der Ansicht zu sein. Oreas ignorierte es oder starrte finster vor sich hin, Melanon ignorierte es und lächelte freundlich (und leicht traurig, wie Celia bemerkte) und die Elfe kam sich nach einer Weile dumm vor und starrte genauso zurück. Ihr Benehmen war für Elfenstandards absolut schlecht, aber die verstörten Reaktionen amüsierten sie und sorgten dafür, dass Melanons Lächeln ein echtes wurde. Sogar Oreas starrte nicht mehr so finster. Sie waren nicht alleine an der Quelle. Ein Mann gönnte seinen Pferden ebenfalls eine Rast. Er war ein Händler, die Pferde grasten ein paar Meter von seinem vollbepackten Karren entfernt während er sein Mittagessen vorbereitete. Sie waren bereits alle drei abgestiegen (Celia immer noch etwas langsamer als die anderen beiden), als er sie schließlich bemerkte und freundlich grüßte. Melanon erwiderte höflich und Celia konnte nicht anders als schüchtern zu lächeln. Menschen verunsicherten sie immer noch, das ließ sich nicht so schnell abschalten. Und zusätzlich trug dieses Exemplar wieder so irritierende Kleidung (grün und rot, wenn auch ein wenig abgetragen). Sie und Melanon gingen hinüber, und da ihr nicht wirklich etwas einfiel, über das sie reden könnten, hörte sie einfach der Unterhaltung zwischen den beiden zu. Sie hatte schon vorher festgestellt, dass Melanon ein Talent für den Umgang mit Menschen zu haben schien. Und er war ausgesprochen höflich, anders als Oreas, der auch mal etwas grob werden konnte. "Sie sind ein Magier, nicht wahr?" "Nein, ich war aber Schüler, deshalb die Kleidung." Melanon hatte ihr nur sehr wenig über die Magier erzählt. Sie wusste bloß, dass sie so eine Art Elite waren, alle auf der Insel Perelos ausgebildet wurden und die selbe Kleidung trugen. Celia hätte gerne mehr gewusst, sie beherrschte wie alle Elfen ein wenig Magie und wollte wissen, was es mit der Magie der Menschen auf sich hatte. "Haben Sie die Ausbildung abgebrochen? Das ist aber sehr ungewöhnlich in Ihrem Alter. Sie müssten doch bald fertig gewesen sein. Und dabei ist es schon schwer, überhaupt akzeptiert zu werden." Melanons Lächeln gefror, doch dem anderen Menschen schien es nicht aufzufallen. Celia mochte es nicht, wenn er so reagierte. Seine Augen hatten dann immer diesen undefinierbaren Ausdruck und es machte ihr auf unbestimmte Weise Angst. Vielleicht lag es daran, dass sie in diesen Momenten spürte, dass unter der Oberfläche noch ein anderer Melanon schlummerte, einer, dem viel schlimmes passiert sein musste. "Es war eine Familienangelegenheit." Celia konnte sich nur wundern, wie er seine Stimme so gut unter Kontrolle behalten hatte. "Ah, ich hoffe es ist nichts schlimmes passiert." "Nein, mein Vater hat lediglich seine Pläne für mich geändert." Jetzt hörte man seiner Stimme eine Spur von Bitterkeit an. Der Händler schwieg kurz, besann sich dann aber doch seiner Manieren und stellte sich vor. "Wie unhöflich von mir, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt und stelle schon persönliche Fragen. Reda Ihanowa, Händler aus Irokraxia, hauptsächlich Stoffe, wie man an meinem Wagen sehen kann." Er hatte recht. Wenn man sich den Wagen genauer ansah, konnte man feststellen, dass er voller bunter Ballen war. Celia fragte sich nur, was Irokraxia war. "Melanon. Und das hier ist Celia." Redas Augen musterten nun Celia und sie fühlte sich unter seinem Blick irgendwie unwohl, als versuche er, sie bis auf ihr Innerstes zu durchschauen. "Eine Elfe, nicht wahr, verzeihen Sie meine Unhöflichkeit, ich habe noch nie eine aus der Nähe gesehen." Celia brachte nur ein entschuldigendes Lächeln und ein Nicken zustande. "Wohin reisen Sie?", fragte Melanon. Er schien sich über irgendetwas nicht ganz im Klaren zu sein. "Ronia. Und keine Sorge, ich habe nichts gegen Elfen und werde ihre kleine Freundin schon nicht massakrieren." Er lächelte und hob beschwichtigend die Hände. Celia runzelte die Stirn. Warum sollte der Mann etwas gegen Elfen haben? Sie blickte zu Melanon und hoffte auf eine Erklärung, doch sein Blick schien in etwa "später" zu sagen. "Wir auch, meine Familie wohnt dort.", sagte er stattdessen und lenkte somit vom Thema ab. "Wirklich? Ich habe gehört, die Stadt soll wundervoll sein. Stimmt das? Ich war leider noch nie dort." "Ja, alle sagen, dass Ronia die schönste Stadt auf ganz Derlova ist. Mit Ausnahme vielleicht der Stadt der Wasserelfen, aber die ist den Menschen ja verboten. Ich kann mich zwar nicht mehr so genau erinnern, aber das was ich noch weiß... die Gärten sind besonders schön" Doch irgendwie schien er nicht wirklich begeistert von der Schönheit der Stadt zu sein. Er blickte wieder in die Ferne, ein Zeichen, dass er sich an etwas aus seiner Kindheit erinnerte, wie Celia inzwischen wusste. Reda nickte. "Würden Sie mir vielleicht beim Essen Gesellschaft leisten? Dann könnten wir etwas mehr reden, und es wäre sinnlos, zwei Feuer zu machen. Ich hasse es eigentlich, alleine auf Reisen zu gehen, besonders ins Ausland. Ich kenne hier ja niemanden und da freue ich mich über jedes Gespräch." Melanon überlegte kurz, stimmte dann aber zu und rief Oreas herüber. Reda musterte auch ihn aufmerksam, als er auf sie zuging. "Reda Ihanowa. Noch ein Elf, wie ich sehe." Oreas Miene wurde schon beim Erwähnen des Namens sauer und bei der Unterstellung er sei ein Elf schließlich bitter. "Nein, ich bin ein Halbelf.", presste er zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor. Es folgte eine bedrückende Stille. Nach dem ersten Schock schlich sich Missbilligung in Redas Züge und Oreas starrte ihn weiter eisern an. Melanon brach schließlich die Stille. "Herr Ihanowa hat uns zum Essen eingeladen." Erst schien Oreas vor Wut förmlich zu explodieren, doch dann besann er sich eines besseren und ging wieder zu den Pferden, um das Geschirr zu holen. Reda sah ihm nachdenklich nach. Celia war verwirrt. Und sie hatte das Bedürfnis, Oreas zu verteidigen, auch wenn sie nicht wusste wovor. "Haben Sie etwas gegen ihn?", fragte sie scharf. Melanon war von diesem Ausbruch irgendwie überrascht. Er hatte die Elfe nie wirklich wütend gesehen. "Nein, ich denke nur, es sollte... ach , auch egal." Celia schürzte die Lippen. Sie wusste genau, was er dachte, und es gefiel ihr nicht, aber zu erwidern wusste sie auch nichts. Reda maß sie erneut mit Blicken und blieb dann an ihrem Wams hängen. "Wenn du mir die Frage verzeihst, woraus ist dieser Stoff gemacht? So etwas habe ich noch nie gesehen." Die Elfe war perplex. Eben noch war sie mit ihren Gedanken ganz wo anders gewesen und jetzt musste sie erst einmal seine Frage einordnen. Als die Zahnrädchen in ihrem Gehirn endlich eingerastet waren, antwortete sie schließlich mit einer detaillierten Pflanzenbeschreibung und der Schilderung des Herstellungsprozesses. Sie war schließlich höflich. Das Essen verlief auch besser als gedacht. Sowohl Reda als auch Oreas rissen sich zusammen und waren sogar so höflich ein paar reservierte Worte miteinander zu wechseln. Nach dem Essen duzten sie sich bereits (mit Ausnahme von Oreas und Reda, die dazu übergegangen waren, sich größtenteils zu ignorieren) und Reda überredete sie schließlich, mit ihm zu reisen, da sie ja das gleiche Ziel hatten. In dem Moment, in dem Oreas zustimmte, schien Oreas ihn am liebsten mit seinen Blicken erdolchen zu wollen, aber außer Celia schien das niemandem aufzufallen. Sie war sich auch nicht ganz sicher, was sie von dem Händler halten sollte. Einerseits fand sie ihn interessant, aber der Kommentar über Oreas nagte immer noch an ihr. Gemeinsam folgten sie weiter der Straße. Oreas ritt einige Meter voraus während Celia und Melanon neben dem Wagen blieben. So hatte Reda dann auch die Möglichkeit, sich ein wenig mit ihnen zu unterhalten. Wobei schnell klar wurde, dass er Gesellschaft offenbar wirklich vermisst hatte, denn der Dialog war in Wahrheit mehr ein Monolog. Er redete unaufhörlich und am Abend kam es Celia so vor, als wüsste sie praktisch alles über ihn und gleichzeitig nichts. Sie wusste alles über seine Frau, seine drei Kinder, seine Freunde, sein Lieblingsessen und ein wenig über seine Geschäfte. Von den Unmengen an Anekdoten schwirrte ihr der Kopf. Irgendwie war er ihr ja doch sympathisch, aber wie konnte ein Mensch nur stundenlang reden ohne etwas zu sagen. Sie hatte wirklich fast nichts relevantes aus dem "Gespräch" ziehen können. Vielleicht war das ja auch seine Absicht. Ihre und Melanons Antworten auf seine wenigen Fragen waren auch mehr oder weniger einsilbig, und auch das gab ihr wieder zu denken. Waren sie alleine, konnten sich die beiden stundenlang unterhalten. Über Belangloses ebenso wie über ihre Familienprobleme (auch wenn Melanon seine nicht erwähnte, wusste sie, dass er welche hatte) oder Celias Forschungen. Sie hatte das Gespräch mit ihm wirklich vermisst. Und am Abend war sie zu müde, ihn noch nach Irokraxia zu fragen, oder danach, warum Reda zwei Namen hatte. * Am nächsten Tag ging Reda dazu über, Fragen nach der Vergangenheit seiner Mitreisenden zu stellen. Sowohl Oreas (Reda wurde nach einer vorsichtigen Frage in Grund und Boden gestarrt) als auch Melanon waren nicht sehr auskunftsfreudig. Melanon erzählte nur, dass sie schon lange Freunde waren, Oreas seinen Hof verlassen hatte, um Melanon zu begleiten, und dass ihr Leben in keinster Weise ungewöhnlich wäre. Celia und Reda konnten daran nur zweifeln, sagten aber nichts. Celia hingegen erzählte dem Händler vergleichsweise viel, nicht, dass ihr jemals großartig etwas passiert wäre. Jedenfalls, wenn man gewisse Kleinigkeiten verschwieg, zum Beispiel ihren Vater und die Tatsache, dass sie eine Prinzessin war. Aber sie erzählte von ihrem großen Interesse an den Menschen und dass sie ihre Gebräuche näher kennen lernen wollte. "Eine Forschungsreisende also", war Redas Kommentar, und er fragte sie, was ihr schon alles passiert war. Das wiederum brachte Celia dazu, erst die Geschehnisse im Dorf wiederzugeben und dann stundenlang über Häuser und Türen zu philosophieren. Danach kamen dann die verschiedensten Tierarten und merkwürdigen Bräuche (namentlich: Geld) an die Reihe. Ihre Taktik schien Erfolg zu haben, nach einiger Zeit hörte er nur noch mit halbem Ohr zu. Sie sah es als Rache für den Vortag an. Am Nachmittag gelang es Celia und Melanon endlich, sich etwas abzusetzen und so ritten sie Seite an Seite etwas hinter dem Wagen. Das gab Celia die Möglichkeit, ihren Freund endlich auszufragen. "Melanon, was ist Irokraxia?" Angesprochener schreckte aus seinen Gedanken hoch, wunderte sich aber sofort über seine Überraschung. Eigentlich hätte er die Frage erwarten sollen. "Irokraxia ist das Land nordwestlich deines Waldes. Es ist das kleinste auf Derlova und liegt auf einer Halbinsel." Celia sah ihn erwartungsvoll an. Für sie gab es immer noch offene Fragen, zum Beispiel warum Melanon und Oreas so merkwürdig auf Redas Herkunft reagiert hatten. Also sah sie ihn einfach an und wartete darauf, dass er fortfuhr. Sie wusste genau, dass Melanon sich vollkommen im Klaren darüber war, dass sie noch nicht zufrieden war. Er seufzte. "Irokraxia ist das einzige Land auf Derlova, in dem keine nichtmenschlichen Wesen wie Elfen oder Zwerge leben. In Caronia, Nikloral und Akweah gibt es beide, auch wenn die Elfen meistens unter sich bleiben und die Zwerge ein eigenes Reich besitzen. Nur die Wasser- und Erdelfen aus Nikloral bilden eine Ausnahme. Besonders die Erdelfen haben viel Kontakt zu den Menschen und in Nikloral gibt es auch kaum Ausgrenzung. Hier in Caronia gibt es einige Windelfen im Nordosten und eine handvoll Erdelfen im Süden. Dafür gibt es vergleichsweise viele Zwerge. Die Nichtmenschen werden bei uns geduldet, oder im Falle der Zwerge sehr geschätzt. In Irokraxia ist das anders. Der König hat vor mehr als hundert Jahren entschieden, dass kein Nichtmensch irokraxianischen Boden betreten darf. Er war der Ansicht, dass Elfen und Zwerge das Blut der Menschen schwächen. So ist es bis heute auch geblieben. Deswegen sind Oreas und ich natürlich nicht besonders gut auf sie zu sprechen. In der Schule der Magier gab es einige Irokraxianer und ich habe mich ziemlich oft mit ihnen angelegt." "Aber Reda ist anders, er ist nett zu mir." "Ja, aber bei der Vermischung des Blutes hört seine Toleranz wohl auf." "Warum denken sie denn, dass Elfen ihr Blut schwächen?" Melanon zuckte nur die Schultern. "Das wissen sie bestimmt selber nicht genau." Nach einer kurzen Pause fragte Celia erneut etwas: "Zwerge gibt es wirklich?!" Etwas eine Sekunde sah Melanon sie entgeistert an, nur um dann einen Lachanfall zu bekommen. Schließlich brachte er es doch noch fertig. Bejahend zu nicken. "Ich dachte immer, sie wären nur Sagengestalten..." "Sie leben gerne in Höhlen, und nicht mal die Erdelfen mögen sie. Ich weiß auch nicht, woran es liegt, aber Elfen und Zwerge kommen nicht miteinander aus." "Höhlen?!", Celia verzog das Gesicht, "Wie kann man nur in Höhlen leben?! Die sind so dunkel und sogar mit Fackel gruselig! Ich habe mal welche bei uns erkundet." Sie schüttelte sich - und Melanon lachte weiter. "Und warum hat Reda eigentlich zwei Namen? Einer reicht doch?" "Das ist in Irokraxia so üblich. Sein zweiter Name ist ein Familienname. Der gibt an, wer seine Verwandten sind, weil sie alle den selben haben. Bei uns sagt man stattdessen einfach den Namen seines Vaters und die Stadt oder Gegend aus der man kommt." "Aha." Familiennamen? Wozu brauchte man die denn? Gab es so viele Menschen, dass alle Namen so häufig waren, dass man sie noch weiter auseinanderhalten musste? "Hast du schon mal einen anderen Melanon getroffen?" Sie selbst wusste nur von einer Elfe, die ebenfalls Celia hieß, und die war schon über hundertfünfzig. "Nein, aber ich habe die letzten zehn Jahre auch auf einer kleinen Insel verbracht, da waren die Chancen wirklich gering." * Die kleine Gruppe reiste noch einige Tage weiter auf der Straße, bis sich die Hügel lichteten und sich eine große, blaue Fläche vor ihnen auftat. Wieder einmal konnte sie nicht anders, als mit weit aufgerissenen Augen auf das Wunder vor ihr zu starren. Es war einfach atemberaubend. Sie war sprachlos, so unglaublich war der Anblick. Fast automatisch fand ihre Hand den Ärmel von Melanons Kutte und zupfte daran, während sie mit der echten einfach auf das blaue Etwas zeigte. "Das Meer.", antwortete er und fügte hinzu, "ein ziemlich großer See aus Salzwasser, das heißt, wir sind bald in Erador." TBC Kapitel 8: Erador ----------------- Caronia Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 8/? (mindestens 15) Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: keine, außer dass der Schwachsinn von mir ist Claimer: wie gesagt, der Schwachsinn gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment Zusammenfassung: Der Titel sagt alles... A/N: Also, das hier ist mein bisheriges Lieblingskapitel. Ich hoffe ihr mögt es auch. Kapitel VIII: Erador Erador war ganz und gar nicht so, wie Celia es sich vorgestellt hatte. Auch, wenn sie im Nachhinein nicht mehr wusste, was sie sich eigentlich vorgestellt hatte. Vermutlich so etwas wie ein größeres Dorf, wie die, die sie bis dahin schon gesehen hatte. Eine Ansammlung brauner, halb verfallener Holzhütten, zwischen denen Tiere und Menschen im Schlamm lebten. Die Wirklichkeit jedoch war meilenweit von ihrer Vorstellung entfernt. Das erste, was sie an Erador überraschte, war seine Größe. Es war nicht einfach ein größeres Dorf. Wenn sie richtig schätzte, hätten alle Elfen ihres Waldes mehr als genug Platz in der Stadt. Auch wenn sie in dieser Größenordnung kaum vernünftig schätzen konnte. Womöglich würde auch die Hälfte der Stadt für ihr Volk reichen. Erador war einfach ein Superlativ, größer als alles, was sie jemals gesehen hatte. Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, wie viele Menschen es geben musste, wenn das hier nur eine von vielen Städten war. Die Elfen waren dagegen eindeutig in der Unterzahl. Die Größe war aber nicht das einzige, was die Elfe überraschte. Denn gleichzeitig waren die Häuser so gedrängt, dass es auf sie wirkte, als hätte ein Riese versucht, so viele wie möglich auf so wenig Platz wie möglich zu quetschen. Dabei hatte er die Häuser in die unmöglichsten Formen gedrückt und sie waren viel höher, als die Hütten auf dem Land. Ein paar der Häuser sahen so aus, als wollten sie einfach vornüber fallen, während andere so schräg gebaut waren, als hätte ein Blinder die Bauskizze gezeichnet. Celia vermutete, dass eines dieser Häuser alleine, ohne die Stütze der anderen, einfach in sich zusammenfallen würde. Doch da zwischen den Häusern nicht einmal genug Platz für ein Blatt Papier war und teilweise sogar die Straßen überbaut wurden, hielt das Gebilde Stadt aus einem unerfindlichen Grund. Besonders irritierte die Elfe die Abwesenheit von Pflanzen oder Erde. Die Straßen waren alle gepflastert, so wie die, auf der sie hier her gekommen waren, doch an ihren Rändern standen die Häuser. Sie ließen nicht einmal genug Platz für einige Grashalme. Überhaupt konnte Celia Erador nur als eng bezeichnen. Ein wenig wie die Höhlen, in denen die Elfen bei Gefahr Zuflucht suchten. Könnte sie nicht den Himmel über sich sehen, würde sie wohl schnellstmöglich die Flucht ergreifen. Die Straßen waren gerade breit genug, um theoretisch zwei nebeneinander fahrenden Wagen Platz zu bieten. Theoretisch. In der Praxis wäre es niemals möglich, da an den Straßenrändern kleine Buden standen und die Menschen immer wieder unvermittelt anhielten und sich mitten auf der Straße unterhielten, ohne auf Passanten zu achten. Die Zustände waren, gelinde gesagt, chaotisch. Dieser Eindruck wurde noch durch die unglaubliche Vielfalt von allem unterstützt. Es gab so viele Waren, Farben, Menschen und Muster, dass Celia nach den ersten paar Minuten der Kopf schwirrte. Ihre waren bald so mit Reizen überflutet, dass sie kaum noch etwas bewusst wahr nahm. Die Häuser waren in den unterschiedlichsten Farbtönen angestrichen und teilweise mit Mustern verziert. Fast so, als konkurrierten die Menschen darum, wer das schönste Haus besaß. Wirklich, Pflanzen und Tiere waren das einzige, was es nicht im Überfluss zu geben schien. Um diesen Mangel zu kompensieren hatten die Menschen wohl ihre Häuser mit ihnen verziert. Celia erkannte Waldtiere wie Bären, Wölfe und Rotwild, aber es waren auch viele Tiere an den Fassaden zu finden, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Und vermutlich würde sie auch keines dieser Tiere jemals sehen. Vor allem nicht in der Nähe der Stadt. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass auch nur eines von ihnen freiwillig in die Nähe Eradors kommen würde. Dazu war Erador viel zu laut und zu geruchsintensiv. Die Menschen und ihre Haustiere (es gab sie, aber sie waren in den Häusern, Celia konnte sie nur hören) machten einen für die Elfe unmenschlichen Lärm. Und sie stanken fürchterlich. Es roch nach Schweiß, Dreck und Fäkalien. Nur selten konnte sie angenehmere Gerüche wie Gewürze ausmachen, die stellenweise, besonders in der Nähe von Ständen, aber auch wieder so intensiv waren, dass es unangenehm war. Durch die enge Bauweise blieben alle drückenden Gerüche in der Stadt konzentriert, denn nicht einmal der stärkste Wind konnte den Gestank vollkommen aus den Gassen verdrängen. Celias Kopf fing an zu schwirren und zu brummen, bis die Kopfschmerzen so stark wurden, dass sie die Stadt nur noch als ein verschwommenes Wirrwarr von Farben, Formen, Gerüchen und Geräuschen wahrnahm. Das einzig Konstante war der Pferderücken auf dem sie saß. Herias Präsenz beruhigte sie und hielt ihren Geist in der Wirklichkeit. Zum Glück schien das kluge Tier zu wissen, was es zu tun hatte und folgte auch ohne Celias geistige Anwesenheit den anderen. Wie konnten die Menschen diese Stadt nur ertragen? Sie würde höchstens ein paar Tage hier bleiben, aber diese Menschen lebten hier. Erador war einfach nur fürchterlich. Es wurde schon dunkel, als Melanon Celia von der Seite antippte und ihr sagt, dass sie am Ziel waren und hier übernachten würden. Celia seufzte enttäuscht. Schlaf würde sie wohl kaum finden. In dieser Straße war es kaum ruhiger, als in den etwas belebteren, durch die sie noch vor ein paar Minuten geritten waren. Es fehlten lediglich die Stände and den Rändern. Kraftlos ließ sie sich von Heria Rücken gleiten und hielt sich an ihr fest, um nicht umzufallen. Mit einem Mal war es so ungewohnt, festen Boden unter den Füßen zu haben, dass ihre Beine zusammenzuklappen drohten. Würde sie nun einen Schritt machen, sie könnte nicht für ihr Gleichgewicht garantieren. Vor ihr stand ein Haus, das in grün und rot angestrichen und hauptsächlich mit Drachen verziert war. Wie der auf ihrer Kette. Melanon hatte ihr den Namen des komischen Wesens verraten. Ein Schild sagte ihr, dass sie sich hier vor "Cherads Gasthaus" befand. Auf dem Schild prangte ein großer, idealisierter roter Drachen auf schwarzem Grund. Sie mochte das Haus aus einem unerfindlichen Grund nicht. Es war ihr einfach zu dunkel. So folgte Celia auch nur zögerlich den anderen auf eine Art Innenhof, der sich hinter einem Torbogen befand. Auf der linken Seite erstreckten sich Ställe. Aus ihnen kamen Stallburschen und führten die Pferde weg. Einer übernahm Redas Wagen. Dann gingen sie gemeinsam zu einer Tür, auf der wieder der rote Drachen vom Schild zu sehen war. Vermutlich handelte es sich um eine Art Wappen, aber das war für Celia noch lange kein Grund, ihn überall hinzupinseln. Sobald Oreas die Tür aufgestoßen hatte, fühlte sie das dringende Bedürfnis, sich die Ohren zuzuhalten. Sie konnte sich gerade noch zusammenreißen. Im Raum auf der anderen Seite saßen Dutzende um Tische herum und unterhielten sich. Oder besser: Sie brüllten, lallten und einige sagen unerträglich schief. Der Schall wurde dabei immer wieder von den Wänden zurückgeworfen und so verstärkt, dass sich in der Elfe alles zusammenzog. Oreas schien es nicht anders zu gehen. Er verzog angewidert das Gesicht. Reda und Melanon gingen schließlich äußerlich ungerührt voran. Celia überwand sich schließlich auch. Der Geruch in diesem Haus war mehr als aufdringlich, doch wenigstens roch es nicht nach Fäkalien, wie Celia dankbar notierte. Da es ein geschlossener Raum war, konzentrierten sich aber alle anderen Gerüche. Die Männer (es gab zwar auch ein paar Frauen, aber die meisten Gäste waren Männer) schwitzten und hatte sich sicher seit Jahren nicht mehr gewaschen. Der Schweißgeruch wurde aber noch von dem des Alkohols, des gebratenen Fleisches und der brennenden Holzscheite in den Schatten gestellt. An einem Tresen blieben sie stehen. Dort wartete ein Mann, der Celia schon auf den ersten Blick unangenehm war. Seine schulterlangen schwarzen Haare waren entweder nass oder fettig und seine braungebrannte Haut wirkte im Lampenschein ledrig. Er musterte sie alle mit einem stechenden Blick, nur um gleich darauf das falscheste Grinsen aufzusetzen, das sie jemals gesehen hatte, und in seinen Augen blitzte Habgier auf. Unbewusste rückte Celia immer näher an Oreas heran und versteckte sich schließlich halb hinter ihm. Der Halbelf ließ sich von dem Mann jedoch nicht beeindrucken und sah ihn nur äußerst genervt an. "Ah, guten Tag Oreas!", rief der Mann mit einer übertriebenen und gekünstelten Freude, "Es ist ziemlich lange her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben! Wie geht's? Gut hoffe ich doch. Ist-" "Wir bräuchten Zimmer für die Nacht, Cherad.", unterbrach er ihn hastig. Der Mann rieb sich die Hände, bevor er eine schwarze Feder in die Hand nahm, sie zwei Mal in sein Tintenfass tunkte und sich über ein aufgeschlagenes Buch beugte. Seine schwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht. Abrupt riss er den Kopf wieder hoch und seine Augen richteten sich diesmal direkt auf die Elfe. Sie waren genauso schwarz wie seine Haare, stellte sie fest, und rückte noch ein wenig näher an Oreas heran. "Teilt sich die Kleine ein Zimmer mit dir?" Oreas Augenbraue zuckte verdächtig. "Sie bekommt ein Einzelzimmer." "Tatsächlich?", fragte der Wirt mit einem merkwürdigen Unterton in der Stimme, der Celia noch weniger gefiel. Zum Glück brachte Oreas ihn mit einem Blick zum Schweigen. Plötzlich hatte Cherad es dann auch sehr eilig, schrieb etwas in sein Buch, und drückte Oreas im Austausch gegen die kleinen Metallplättchen (Geld) einige Metallobjekte in die Hand. Eines drückte er gleich darauf Celia in die Hand, nahm dann sein Gepäck und verschwand hinter einer anderen Tür. Celia sah ihm einen Moment lang verdattert nach und dann verwirrt in ihre Hand. An dem Metallstück war ein Holzplättchen mit einer Nummer darauf befestigt. Was bitte sehr sollte sie damit anfangen? Fragend sah sie zu Melanon. "Melanon, was ist das?", demonstrativ hob sie das Ding hoch und besah es sich noch mal genauer. "Ein Schlüssel." "Bitte was?" Manchmal waren seine Antworten wirklich kryptisch, doch dieses Mal war er wohl nur müde von der Reise. "Komm mit, ich zeig es dir." Sie folgte ihm durch die Tür, durch die auch Oreas gegangen war, und dann einige Treppen hinauf. Wie es sich herausstellte, waren Schlüssel dazu da, Türen abzuschließen, so dass niemand hineinkam. So richtig verstand die Elfe zwar nicht, wozu das nötig war, doch sie folgte trotzdem Melanons Anweisung, immer abzuschließen, wenn sie das Zimmer verließ oder betrat. Im Grunde genommen war das Ganze einfach. Man steckte einfach das Metallstück mit dem dünnen Ende und den Zacken nach unten in ein kleines Loch unterhalb des Türgriffes und drehte es dann in eine Richtung, bis man einen Widerstand überwunden hatte. Das einzige Problem war es, die richtige Richtung zu finden. Die Nummer am Schlüssel bezeichnete das Zimmer, wie sich herausstellte, und auf die zu jedem Schlüssel gehörende Tür war ebenfalls eine große Nummer gemalt worden. Celias Zimmer an sich war klein. Es war gerade genug Platz für ein Bett und ein kleines Tischchen, am dem ein Stuhl stand. Und unter dem Bett befand sich eine Truhe. Die Größe des Raumes hatte die Erbauer aber nicht davon abhalten können, ihn an jeder Ecke zu verzieren. Das Holz von Tisch, Tür, Stuhl, Bett und Truhe war so kunstvoll und minutiös geschnitzt worden, dass Celia ganze Jagdszenen erkennen konnte. Und wieder war alles in verschiedenen Farben angemalt, sogar einige der Balken und der Türrahmen. Zum Glück waren die Wände Natur belassen aus einem merkwürdigen Muster aus Holzbalken und weißer Fläche, das so charakteristisch für Erador zu sein schien. In der Wand neben dem Tisch gegenüber der Tür befand sich ein kleines Fenster und Celia konnte nicht widerstehen, hinauszusehen. Die vergleichsweise frische Luft (immerhin, lag ihr Zimmer so hoch, dass es nicht allzu sehr stank, tat ihr gut und vertrieb ihre Kopfschmerzen ein wenig. Unter ihr lag die Straße, die um diese Zeit zum Glück fast ausgestorben war, und sie konnte über die Dächer einiger anderer Häuser sehen. So betrachtet war Erador gar nicht so schlimm. Bei Nacht konnte es ihr fast gefallen. Es war um Welten stiller und weniger chaotisch. Als würden ihr gar nicht so viele Menschen leben. Nur die Gäste unten machten immer noch unverändert Lärm. Celia konnte sich gerade noch dazu aufraffen, im Kerzenlicht alles aufzuschreiben, bevor sie sich ins Bett legte und das Kissen über ihren Kopf legte. Wäre sie nicht so erschöpft gewesen, sie hätte wohl die ganze Nacht wach gelegen, aber so fiel sie irgendwann in einen unruhigen Schlaf voller bunter Bilder, unangenehmer Gerüche und Lärm. Sie merkte nicht einmal mehr, wie es auch unten langsam leiser wurde und sich auch die letzten Bewohner der Stadt endlich zur Ruhe begaben. * Am nächsten Morgen wachte Celia auf, lange bevor Melanon an ihre Tür klopfte und sie zum Essen rief. Irgendwann, als es zu dämmern begann, wurde es einfach zu laut, um weiter zu schlafen. Aber da sie immer noch unendlich müde war, blieb sie einfach liegen und lauschte dem Treiben auf der Straße. Während es unten im Haus im Vergleich zum Abend noch recht ruhig war, herrschte auch der Straße schon reges Treiben. Ein Stück weiter hinunter pries ein Verkäufer seinen Fisch so lautstark an, dass sie ihn selbst bei geschlossenem Fenster noch ausgezeichnet verstehen konnte. Ansonsten wurde die Geräuschkulisse von einem einlullenden Zusammenspiel aus Klappern, Rumpeln und Ratschen bestimmt. Als sie sich dann schließlich doch von dem beinahe hypnotischen Lärm löste und Melanon nach unten folgte, war sie immer noch hundemüde und ununterbrochen am Gähnen. Im hinteren Teil des Gasthauses setzte sie sich zu den anderen an einen Tisch und sie bestellten zusammen ihr Frühstück. Melanon bestellte für sie mit, wofür sie sehr dankbar war, da sie nicht wusste, ob sie schon wach genug war, um etwas verständliches herauszubringen. Melanon selber gähnte auch noch hin und wieder und Oreas hatte deutliche Ringe unter den Augen. Allein Reda schien schon hellwach zu sein. Das Essen selbst war, nun ja... fett. Viel zu fett. Aber die Elfe würgte es trotzdem herunter. Wahrscheinlich hätte es gar nicht so schlecht geschmeckt, wenn die Eier und der Speck nicht so furchtbar triefen würden. Nicht, dass sie der Ansicht war, dass man Speck schon so früh am Morgen essen sollte. Nein, wirklich nicht. Zu ihrer Erleichterung war sie aber nicht die einzige, die mit ihrem fettigen Essen zu kämpfen hatte. Oreas schob sein Essen mehr auf dem Teller herum als er aß und Melanon machte auch nicht unbedingt ein genießendes Gesicht. Das erklärte wohl auch, warum es bei den beiden immer nur Brot und Käse gegeben hatte. "Was habt ihr heute vor?", fragte Reda völlig unvermittelt. Celia blinzelte ein paar Mal, bis die Bedeutung der Wörter zu ihr durchdrang. Eine Antwort hatte sie trotzdem nicht. Sie wusste ja nicht, was man in einer Stadt so machte. "Ich muss einen Brief an meinen Vater abschicken, um ihm zu sagen, dass ich mich verspäte.", Melanon zeigte ihnen ein gefaltetes Blatt Papier. "Ich habe auch etwas zu tun.", brummte Oreas, auskunftsfreudig wie immer. Mit einem Mal war Celia hellwach und hatte fürchterliche Angst. Sie wollte nicht alleine bleiben, nicht in einer Stadt, mit so vielen Menschen, wo sie niemanden kannte. Und zu allem Überfluss fiel ihr Blick just in diesem Moment auf Cherad, der sie schon wieder so schleimig angrinste. Sie wollte am liebsten einfach wieder in ihr Zimmer und es für den Rest des Tages nicht mehr verlassen. Zum Glück zerstreute Melanon ihre Ängste schon Sekunden später, indem er ihr anbot, ihn zu begleiten. Er wollte nur vorher zur Post, um den Brief abzuschicken, meinte aber, das würde nicht lange dauern. Die Post, so fand Celia, war atemberaubend. Alleine die Vorstellung, Briefe schnell und über große Distanzen zu verschicken... Melanon musste ihr alles haarklein erklären, während sie darauf warteten, dass Melanon an der Reihe war, für die Beförderung zu bezahlen. Außerdem beobachtete die Elfe die verschiedenen Menschen. Eine Frau wollte zum Beispiel einen Brief an ihren Neffen in Ario schicken. Da sie aber nicht das genaue Stadtviertel benennen konnte, wollte der Mann den Brief nicht annehmen, bis sie ihn schließlich doch dazu überreden konnte. Der Brief wanderte dann in den blauen Kasten an der Wand hinter ihm. Als der Mann Melanons Brief entgegennahm, runzelte er kurz die Stirn und schien, als wollte er etwas sagen. Doch er überlegte es sich anders und nickte nur zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Der Brief wurde einfach in den grünen Kasten gesteckt, der mit Abstand größte. Nachdem sie Melanons Brief abgeschickt hatten, ließ er sich von Celia dazu breitschlagen, ans Meer zu gehen. Schon, als sie das erste Mal einen Blick auf die große blaue Fläche geworfen hatte, war sie begeistert gewesen und hatte es unbedingt aus der Nähe sehen wollen. Vermutlich lag das an der endlosen Weite, die nur gelegentlich von Schiffsmasten durchbrochen wurde. Im ersten Moment wunderte sie sich, dass das Meer bei genauerer Betrachtung gar nicht blau war, sondern dieselbe Farbe wie das Wasser der Teiche und Flüsse hatte, die sie bis dahin gesehen hatte. Melanon hatte sie an den Rand der Stadt geführt, wo es einen ausgestorbenen Sandstrand mit einem Steg gab, an dem einige Boote lagen und auf dem sie saßen. Während die Elfe die kleinen Tiere am Grund des Meeres beobachtete, erklärte Melanon ihr, dass das Meer nur blau schien, weil sich der Himmel darin spiegelte und dass es weiter draußen noch um einiges tiefer wurde. Einen weniger offensichtlichen Unterschied zwischen Meer- und Seewasser stellte Celia dann aber fest, als sie Durst bekam und etwas trinken wollte. Sie streckte einfach ihre Hände aus und trank etwas vom Wasser. Infolgedessen konnte Melanon minutenlang nicht aufhören zu lachen und Celia konnte nicht anders, als angewidert das Gesicht zu verziehen. Igitt, war das salzig. Sie schüttelte sich, und sah Melanon vorwurfvoll an. "Du hättest mich warnen können!" Melanon lachte einfach weiter, und Celia stimmte mit ein, nachdem sie den widerlichen Geschmack losgeworden war. Als sie sich beide wieder beruhigt hatten, gingen sie zum Hafen, wo Melanon ihr die großen Schiffe mit ihren weißen Segeln zeigte. Celia war begeistert. An den Vorderseiten waren die verschiedensten Figuren angebracht (mit Vorliebe die Oberkörper nackter Frauen) und sie waren noch bunter als die Häuser von Erador. Auch die Seeleute waren in ihren Augen etwas sehr Besonderes. Einerseits waren sie ihr ein bisschen unheimlich (nicht so schlimm wie Cherad, aber doch unheimlich), andererseits waren sich auch interessant. Ihre Haut war unglaublich braun und sie trugen viele bunte Tücher und andere Kleidungsstücke, die die Elfe noch nie gesehen hatte. Dazu roch der gesamte Hafen nach Gewürzen, Fisch und Salz. Am Nordende des Hafens schließlich zeigte Melanon ihr ein großes Gebäude, dass sich eindeutig von allen anderen unterschied. Es war weder aus den merkwürdigen Holzbalken noch aus Brettern gemacht. Es war aus Stein und viel schlichter als die anderen. Und es war das erste Gebäude in Erador, das nicht so wirkte, als hätte man es zusammengequetscht. Der Eingang war von hohen weißen Säulen gesäumt und der Giebel war mit Statuen und ein klein bisschen blauer Farbe verziert. Außerdem schien es das einzige Gebäude in der gesamten Stadt zu sein, um das herum keine anderen Häuser standen. Es erinnerte sie an die Überreste des Elfenpalastes. Melanon erklärte ihr, dass es ein Tempel für die Wassergöttin war, der die Menschen dort opferten, um eine sichere Reise zu erwirken. Was dann folgte, war eines der merkwürdigsten Erlebnisse, die sie bis dahin gemacht hatte. Sie folgte Melanon in den Tempel, wo er Kerzen anzündete und stumm Wörter vor sich hin sagte. Dabei sah er unverwandt die Statue einer nur halb bekleideten, alterslosen Frau mit langen wallenden Haaren an. Im Tempel selbst war es, verglichen mit dem Rest der Stadt, totenstill. Eigentlich ein Wunder, denn durch die unglaublich hohe Decke und den riesigen Raum, in dem sie sich befanden, hallte jeder Schritt wieder. Nur die gedämpften Straßengeräusche und das Rascheln von Gewändern war zu hören. Es war Celia wirklich unangenehm und sie fühlte sich furchtbar fehl am Platz. Das hier war nicht ihre Welt, das wurde ihr schlagartig bewusst. In diesem steinernen leblosen Gebäude war alles so vollkommen anders, als im Wald. Es war kalt. Sogar im Lärm und Gewühl von Erador fühlte sie sich wohler. Immerhin hatte die Stadt einen eigenen Rhythmus, der ihr eine bizarre Lebendigkeit verlieh. Für alle anderen Menschen schien die Stimmung im Tempel aber vollkommen normal zu sein. Da fiel ihr auf, dass die meisten Gestalten die gleichen grauen Kutten wie Melanon trugen. Sie hatte sonst noch niemanden mit dieser Kleidung gesehen. Das waren also andere Magier. Warum sie wohl alle in dem Tempel waren und nicht in den Straßen? Nach dem Tempelbesuch gingen die beiden wieder zurück in die Innenstadt. Es war bereits weit über die Mittagszeit hinaus und so beschloss Melanon, dass es an der Zeit war, etwas zu essen zu kaufen. Die Wahl des Straßenimbisses (es gab unglaublich viele) überließ er aber Celia. Sie hatte zwar noch nicht wirklich Hunger, entschied sich dann aber doch für einen kleinen Stand, an dem es besonders gut roch. Das Mittagessen schmeckte ihr dementsprechend auch wesentlich besser als das Frühstück. Es war nicht so fett und sie stellte fest, dass sie gebratenen Fisch (laut Melanon war es einer mit acht Armen, der Tinte spucken konnte, aber das kaufte sie ihm nicht wirklich ab) wesentlich lieber mochte als Fleisch. Vielleicht lag das aber auch an der Soße. Den Nachmittag verbrachten sie schließlich wieder auf dem Steg am Strand, wo Melanon Celia dabei helfen musste, alles über das Meer, Schiffe und Fische aufzuschreiben. Dabei versicherte er ihr wiederholt, dass es die komischen Fische mit den acht Armen wirklich gab und zeichnete ihr sogar ein Bild. Als sie sich kurz vor Sonnenuntergang auf den Rückweg machten, war sie immer noch nicht fertig. Vor allem musste sie noch ihre Eindrücke aus dem Tempel aufschreiben, aber das wollte sie aus irgendeinem Grund alleine, ohne Melanons Erläuterungen. Im Gasthaus angekommen wurden sie wieder von Cherads widerlichem Grinsen und furchtbarem Lärm begrüßt. Celia lief es kalt den Rücken herunter. Oreas und Reda warteten wieder an einem Tisch in der hinteren Ecke. Ersterer war aus unerfindlichem Grund furchtbar schlecht gelaunt und letzterer sichtbar müde, aber Celia ließ sich trotzdem nicht davon abhalten, von ihrem aufregenden Tag zu erzählen. Den Tempel behandelte sie aber nur am Rande, weil sie immer noch nicht wusste, was sie davon halten sollte. Und schließlich wollte sie auch niemanden verletzten. Erst, als sie am Abend wieder im Bett lag, wurde ihr bewusst, wie sehr der Tag sie angestrengt hatte, auch wenn sie das durch ihre Aufgedrehtheit verdrängt hatte. Einen Vorteil hatte das allerdings: in ihrer zweiten Nacht in Erador schlief sie wesentlich besser und sie musste sich wohl oder übel eingestehen, dass die Stadt doch nicht so schlimm war, wie sie zu Anfang gedacht hatte. Genau genommen hatte es ihr sogar gefallen, und langsam lernte sie auch, den Lärm und den Gestank auszublenden. * An den folgenden Tagen schloss Celia sich nicht Melanon oder Oreas an. Genau genommen wusste sie nicht einmal, was die beiden den ganzen Tag trieben. Oreas hatte seit dem ersten Tag gar nichts mehr gesagt und war einfach jeden Morgen verschwunden und am Abend wieder aufgetaucht. Celia akzeptierte sein Verhalten inzwischen einfach schulterzuckend. Das war eben Oreas. Melanon hingegen hatte etwas von alten Bekannten gemurmelt und da wollte sie ihn nicht mit ihrer Anwesenheit belästigen. Sie hatte das Gefühl, dass er das lieber alleine machen wollte. Also hatte sie sich Reda angeschlossen und ihm beim Verkauf seiner Stoffe geholfen. Nun ja, eigentlich stutzte sie nur die Stoffe und half beim Tragen. Der Händler hatte ziemlich schnell festgestellt, dass Celia das kaufmännische Talent einer Fünfjährigen besaß. Sie konnte weder den Wert der Stoffe richtig einschätzen (sie wusste gerade mal, dass Seide mehr wert war als Baumwolle), noch konnte sie mit Geld umgehen (schließlich hatte sie keine Vorstellung davon, wie viel welche Münze wert war) oder mit den Kunden feilschen. Reda hatte es sie einmal versuchen lassen, aber nachdem ein paar Minuten mit einem anderen Kunden beschäftigt war, hatte sie ein paar Meter Leinen praktisch verschenkt. Doch da die Elfe Aufmerksamkeit auf seinen Stand lenkte, verkaufte er mehr seiner Ware als gewöhnlich, und das rechnete er ihr hoch an. In den Pausen sah Celia sich am liebsten die Schausteller an und aß dabei irgendein Fischgericht (sie hatte festgestellt, dass es nicht an der Soße lag, dass sie ihn bevorzugte). Gelegentlich sah sie sich auch die Auslagen der anderen Händler an (bei einem Fischhändler fand sie dann heraus, dass Melanon nicht gelogen hatte und es die achtarmigen Tintenfische wirklich gab). Aber die Schausteller, die ihre Bühne auf einem kleinen Platz in der Nähe von Redas Stand aufgebaut hatten, waren ihre Favoriten. Sie führte alles auf, was die Elfe sich vorstellen konnte. Von akrobatischen Kunststücken und Musik bis hin zu den verschiedensten Theaterstücken. Zugegeben, das Programm war nicht immer anspruchsvoll, aber es beeindruckte oder brachte sie zum Lachen. Besonders die Schauspiele hatten es ihr angetan. Die Komödien unterschieden sich von allem, was Celia aus dem Wald gewöhnt war. Die Elfen kannten hauptsächlich Gedichte und Lieder, und erst recht nichts Komisches. Die Stücke hatten so also auch einen bildenden Wert. Sie brachten ihr viel über die gesellschaftlichen Strukturen und Werte bei, auch wenn das sicher nicht die Absicht der Autoren war. Manchmal zeigten sie auch Stücke, in denen die aktuelle politische Situation behandelt wurde (der König wurde als vom Gold besessener Schwachkopf dargestellt), die offenbar mehr als angespannt war. Reda musste seine Hilfskraft jedes Mal zum Stand zurückziehen, weil sie immer die Zeit vergaß, wenn sie den Charakteren in ihre geschriebenen Welten folgte oder den Jongleuren bei ihren Kunststücken zusah. So blieb dann auch ein guter Teil des Geldes, das Celia bei Reda verdiente, bei den Schaustellern. Der Händler hatte darauf bestanden, sie zu entlohnen, auch wenn er meinte es wäre nicht viel. Die Elfe wusste natürlich nichts mit dem Geld anzufangen, geschweige denn, wie viel sie wirklich besaß, und so gab sie das meiste einfach den Menschen, die es ihrer Meinung nach verdienten. Nur einen Teil behielt sie selber. Für den Notfall. Celia hatte ein paar Mal mit sich gerungen, hatte dann aber doch nicht den Mut gefunden, einen der Schausteller anzusprechen. Dabei hätte sie wirklich gerne mit ihnen über ihre Stücke geredet. Aber jedes Mal, wenn sie es vorhatte, hatte sie das Gefühl, man würde sie auslachen, wenn sie es versuchen würde. Wenigstens hatte sie am Ende ihres Aufenthaltes in Erador genug Selbstsicherheit gefunden, um alleine durch die Stadt zu gehen. Ohne, dass sie die Nähe von Oreas, Reda oder Melanon brauchte. Sie hatte nicht mehr länger Angst, dass einer der Menschen sie verletzten würde. Die meisten starrten sie nur an, ignorierten sie oder wollten ihr etwas verkaufen. Sie stellte auch fest, dass sie sich hier viel leichter orientieren konnte, als zwischen den Hügel auf dem Land. Melanon hatte sogar zugegeben, dass er sich in dem Straßengewirr öfter verirrte, aber Celia machte das gar keine Probleme. Auch wenn sie immer noch der Ansicht was, dass Erador laut und stinkig war, sie würde die Stadt irgendwie doch vermissen. Die urigen Häuser und die Vielfalt hatte sie zu schätzen gelernt, und auch an das Chaos und Gewimmel hatte sie sich gewöhnt. Alles, was sie nun noch brauchte, waren Ohrstöpsel und eine Nasenklammer. TBC Kapitel 9: Die Nacht im Wald ---------------------------- Caronia Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 9/? Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: keine, außer dass der Schwachsinn von mir ist Claimer: wie gesagt, der Schwachsinn gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment Zusammenfassung: Es wird ein bisschen ernster als bisher. Und die Reise geht weiter. A/N: Ich weiß nicht, so ganz bin ich noch nicht zufrieden, aber was soll's das bin ich eigentlich nie. Erstaunlich fand ich es allerdings, dass ich die gesamte Actionszene in einem Rutsch durchgeschrieben habe. Kapitel IX: Die Nacht im Wald An dem Tag, an dem sie Erador verließen, fing es am Nachmittag an, in Strömen zu gießen. Celia machte das nicht wirklich etwas aus. Ihre Kleidung war aus einem Stoff gemacht, der schnell wieder trocknen würde. Es war ja schon fast Sommer, und wenn die Sonne schien, kam man schnell ins Schwitzen. Ihre Mitreisenden aber freuten sich nicht wirklich über das Wetter. Reda war ständig um seine Stoffe besorgt und kontrollierte so oft wie möglich die Abdeckung. Melanons Kutte war nach einigen Minuten so durchtränkt, dass sie mindestens drei Mal so schwer zu sein schien. Celia war sich ziemlich sicher, dass es Tage in der Sonne brauchen würde, bis sie vollkommen getrocknet war. Oreas behielt, zu niemandes Überraschung, seine stoische Haltung auch bei Regenwetter bei, war aber aufmerksamer als sonst, da durch den rutschigen Boden eine größere Gefahr für seine Pferde bestand. Auch in der Nacht hörte es nicht auf zu gießen, und auch wenn das monotone Platschen ihr beim Einschlafen half, so fühlte Celia sich am nächsten Morgen doch etwas unwohl, weil alles an ihr klebte. Während sie am Vormittag weiter ritten, hörte es dann auch endlich auf zu regnen, und die Sonne brach zwischen den Wolken hervor. Den ganzen Tag über konnte Celia beobachten, wie sie alles aufheizte und von überall her winzige Wassertröpfchen aufstiegen und einen leichten Nebel bildeten. Sogar Melanons Kutte dampfte sichtlich, was ihn irgendwie wie einen Geist wirken ließ. Überhaupt wirkte alles so unwirklich und nach dem Lärm in der Stadt schien ihr alles so gedämpft und still zu sein, wie in einem bizarren Traum. Am späten Nachmittag schließlich erblickte Celia etwas, das ihr Herz vor Aufregung höher schlagen ließ. Vor ihnen lag eine Front aus Bäumen. Wirklich vielen Bäumen. Sie freute sich so sehr, wieder einen Wald zu sehen, dass sie Heria die Sporen gab und ein Stück voraus ritt. Sobald sie die Grenze zwischen Wald und Wiese passiert hatte, bekam sie das merkwürdige Gefühl, sich selbst und aller Dinge absolut sicher zu sein. Das war ihre Welt. Hier konnte ihr keiner das Wasser reichen. Hier brauchte sie Melanons Hilfe nicht, um sich zurecht zu finden. Sie war zuhause. Die anderen belächelten den Enthusiasmus der Elfe nur. Melanon konnte sie irgendwie verstehen. Es war schließlich fast wie wieder nach Hause zu kommen, auch wenn er sich nicht ganz sicher war, wo sein Zuhause lag. Der Ritt durch den Wald würde etwas zwei Tage beanspruchen, also konnte die Waldelfe diese Zeit ausgiebig genießen. Was sie im Übrigen auch vorhatte. Während die anderen das Abendessen an ihrem Lagerplatz, einer kleinen Lichtung am Rande der Straße, zubereiteten, erkundete Celia die nähere Umgebung. Dieser Wald war definitiv anders, als ihr Zuhause, ein paar Bäume aus ihrer Heimat fanden sich nicht, dafür gab es einige Sträucher, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Die Tiere waren jedoch dieselben, so weit sie es feststellen konnte. Nach dem Abendessen nahm sie sich dann einfach ihre Sachen und verabschiedete sich. Sie hatte auf ihrer Erkundungstour einen Baum gefunden, der sich wunderbar zum Schlafen eignete. Seine Äste waren breit und bildeten eine Gabel, in die sie sich legen konnte. Und aus irgendeinem Grund hatte sie das dringende Bedürfnis, das auch zu tun. Reda machte zwar ein unverständiges Gesicht (was Oreas zu amüsieren schien), als sie ihren Begleitern ihr Vorhaben erklärte, aber abbringen ließ sie sich davon trotzdem nicht. Der Baum war nicht groß und auch sonst nichts besonderes, aber in Celias Augen war er unglaublich bequem und sicher. Es erinnerte sie so sehr an Zuhause, in einem Baum zu schlafen. Alles war so vertraut. Vom Geruch leicht nasser Rinde und Moos, bis hin zu den Geräuschen. Dem Rascheln der Blätter und das Knartzen, das durch das sanfte hin- und herwiegen des Baumes entstand. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich fast einbilden, sie hätte den Wald nie verlassen. * Celia wachte plötzlich auf, ohne irgendeinen erkennbaren Grund. Es war immer noch dunkel, der Wald wurde nur von sanftem Mondlicht erhellt. Im ersten Moment wusste sie nicht, was sie geweckt hatte, denn alles war ruhig. Nirgendwo bewegte sich etwas. Es dauerte etwas, bis sie schließlich realisierte, dass es genau das war, was sie aufgeweckt hatte. Es war zu ruhig gewesen. Viel zu ruhig. Nirgendwo regte sich ein Tier. Nicht einmal eine vereinzelte Eule schuhute. Etwas, das war ihr jetzt klar, stimmte hier ganz und gar nicht. Dann fiel ihr ein, dass die anderen mit ihren weniger guten Ohren vermutlich gar nichts merkten und seelenruhig weiterschliefen. Sie musste sie unbedingt warnen. Also ließ sie sich von ihrem Baum gleiten und spitzte dabei die Ohren. Sie machte praktisch kein Geräusch. Erst recht keines, das einem potentiellen Angreifer auffallen würde. Sie schaute sich noch einmal gründlich um, sah aber nichts. Im Wald musste das allerdings nichts heißen, denn immerhin konnte man selbst bei Tageslicht nicht sehr weit sehen. Celia schlich sich langsam und ohne ein Geräusch zu machen zwischen den Bäumen und Sträuchern hindurch zum Lager ihrer Freunde. Als sie es erreicht hatte, blieb sie im Dickicht versteckt und suchte den Platz nach etwas verdächtigem ab. Hier war bei jedem Schritt Vorsicht angebracht. Genau in dem Moment, in dem sie eine verdächtige Bewegung am anderen Ende der kleinen Lichtung ausmachte, wurde sie von hinten gepackt. Instinktiv wollte sie schreien und die anderen warnen, aber eine Hand wurde auf ihren Mund gepresst und ließ nur ein ersticktes Winseln zu. "Shhh", zischte jemand. Sie brauchte ein paar Sekunden, im zu begreifen, dass es kein Feind war, der sie gepackt hatte, sondern Oreas. Er musste wohl auch durch die Stille aufgewacht sein. Ihr wurde klar, wie sehr sie den Halbelf immer unterschätzt hatte. Er war zwar "nur" ein Halbelf, aber er hatte viel mehr Zeit in der Menschenwelt verbracht und wusste besser mit ihren Gefahren und Tücken umzugehen, als sie. Sobald Oreas spürte, dass sie sich entspannt hatte, ließ er sie los und drehte sie zu sich um. Sie wollte ihn gerade fragen, was los war, als er ihr den Zeigefinger auf die leicht geöffneten Lippen legte und ihr direkt in die Augen sah. Sein Blick war voll konzentriert und gab ihr zu verstehen, dass sie besser seinen Anweisungen folgen sollte. Celia hatte nicht wirklich das Bedürfnis, dem zu widersprechen. Dann nickte er in Richtung Lagerplatz und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das direkte Problem. Auf der Lichtung konnte sie Melanons und Redas schlafende Formen erkennen. Oreas verlassenen Schlafplatz, die Pferde, den Wagen - und dann sah sie sie. Fünf Männer, die sich langsam zu den Schlafenden bewegten. Sie hatten Gegenstände in den Händen. Einige blitzen im Mondlicht auf. Arqua hob den Kopf, schnaubte und bewegte sich unruhig. Die Männer blieben aus Vorsicht stehen. Nun konnte die Elfe auch ihre zerschlissene Kleidung und die diversen Knüppel und Waffen sehen. Einer von ihnen begutachtete den Wagen, während die anderen weiter auf Reda und Melanon zuschlichen, die immer noch tief schliefen, ohne die Gefahr zu ahnen. "Weck Melanon, ich lenke sie ab.", flüsterte Oreas in ihr Ohr, dann war er verschwunden. Es dauerte nur Sekunden, und er war auch schon auf der anderen Seite des Platzes aufgetaucht. Seine blasse Haut und sein Haar schimmerten im Mondlicht, fast als würde er von innen heraus strahlen. Ob sie wohl auch so surreal wirkte? Die Männer hatten ihn sofort bemerkt und drei von ihnen stürzten auf ihn zu, während die anderen sie von hinten deckten. Niemand beachtete mehr die Schlafenden. Ohne auch nur einen weiteren Gedanken an Oreas zu verschwenden, huschte Celia zu Melanon, wie es ihr befohlen wurde. Sie war so leise, wie sie nur konnte, auch wenn man sie durch das Gewirr von Schritten wohl kaum gehört hätte. Sie brauchte Melanon nur einmal zu schütteln, schon riss er die Augen auf. Da zerriss auch schon ein Klirren von Metall auf Metall die unnatürliche Stille. Celia konnte gar nicht so schnell reagieren, da war Melanon schon aufgesprungen und schien sich stark zu konzentrieren. Sie verstand nicht, folgte aber seinem Blick. Oreas war von den Männern gegen einen Baum gedrängt worden, den er im Rücken als Deckung verwendete. Die Männer griffen ihn immer wieder mit ihren Schwertern an, und er hielt dagegen. Er konnte ihre Angriffe erstaunlich gut abwehren, und sogar Celia konnte sehen, dass seine Bewegungen Kraft sparender und präziser waren, als die seiner Gegner. Von der bizarren Eleganz ganz zu schweigen. Die zwei anderen Männer, die bis dahin nur daneben standen, wanden sich nun wieder dem Rest ihrer Beute zu, nur um zu entdecken, dass sie aufgewacht waren. Auch Reda stand inzwischen verschlafen, geschockt und unschlüssig neben seinem Wagen. Einer der Männer stürzte sich auf ihn. Er tat das einzig kluge - er floh in den Wald. Der andere ging auf Melanon zu und hob seinen Knüppel in die Luft. Doch der Magier hatte seine Augen inzwischen geschlossen und sah die Gefahr nicht, in der er sich befand. Celia musste ihm helfen. Verzweifelt sah sie sich nach einer Waffe um und griff schließlich willkürlich einen Stein vom Boden. So stark sie konnte schmetterte sie ihn von der Seite gegen den Kopf des Angreifers. Der hatte mit so einer Attacke nicht gerechnet und nicht schnell genug reagiert, um den Schlag noch anzufangen. Er fiel mit einem dumpfen Aufschlag zu Boden und rührte sich nicht mehr. Ein kurzer Blick auf Oreas verriet ihr, dass auch er einen seiner Gegner zu Boden geschickt hatte, doch die anderen beiden kämpften verbissen weiter. Die Schritte des Mannes, der erst Reda verfolgt hatte, zogen nun ihre Aufmerksamkeit auf sich. Er rannte auf Melanon zu, eine Axt in der Hand. Ohne groß nachzudenken hob Celia ihre Hände, in denen immer noch der Stein lag, und schleuderte ihn auf den Angreifer zu. Sie traf ihn im Magen und er strauchelte, fing sich aber wieder. Just in diesem Moment streckte Melanon seine Hände aus. Einen endlosen Moment schien die Welt im Stillstand zu verharren, dann schossen plötzlich zwei gleißende Blitze aus seinen Händen auf die zwei Angreifer von Oreas zu. Getroffen gingen beide zu Boden und schrieen unmenschlich. So schnell er konnte, machte sich der übrig gebliebene Mann davon, ebenso wie seine Freunde, die immer noch Höllenqualen von Melanons Blitzen zu leiden schienen. Oreas machte erst Anstalten, ihnen zu folgen, entschied sich dann aber doch dagegen. Es war so schnell vorbei, wie es begonnen hatte. Kaum bestand keine Gefahr mehr, begann Melanon bedrohlich zu schwanken. Celia fiel der Schweiß auf seiner Stirn auf. Dann fiel er zur Seite. So schnell sie konnte, rannte sie Elfe zu ihm, um herauszufinden, was nicht mit ihm stimmte. Er atmete schwer, doch ansonsten war er unversehrt. "Er hat sich überanstrengt.", antwortete Oreas auf ihre unausgesprochene Frage. Inzwischen stand er hinter ihr. "Lass ihn eine Weile schlafen und leg ihm einen feuchten Lappen auf die Stirn." Celia tat wie ihr geheißen, und blickte wieder zu Oreas, sobald sie fertig war. Der Halbelf blickte konzentriert ins Dunkel, um die Angreifer zu sehen, falls sie noch einmal wiederkämen. Sie folgte seinem Blick, konnte aber nichts Verdächtiges feststellen. "Was war das?", fragte sie. "Was war was.", war die Gegenfrage. "Die Männer, die Blitze... alles." Oreas seufzte erschöpft. "Die Männer waren Räuber. Sie wollte wohl den Wagen von Reda stehlen. Vielleicht auch die Pferde. Kann auch sein, dass die dachten, Melanon hätte etwas Wertvolles dabei. Oder sie waren hinter die her.-" "Hinter mir?", fragte Celia überrascht. "Ja, hinter dir.", bestätigte Oreas "Mich hat schon die ganze Zeit gewundert, warum Cherad dich jedes Mal so angestarrt hat. Ich hätte mir denken können, dass er was im Schilde führt. Er könnte die Männer bezahlt haben, dich zu stehlen, so dass er dich verkaufen kann. Das weiß man bei ihm nie. Er ist ein ziemlich gerissener Hund. Dummerweise ist er auch der beste Gastwirt in ganz Erador." "Verkaufen, aber... das... ich bin doch-" "Eine Elfe. Eine Waldelfe. Es gibt Menschen, die ein Vermögen für dich bezahlen würden. Offiziell gibt es zwar keine Sklaverei mehr in Caronia, aber in Akweah ist sie noch erlaubt. Für eine Seltenheit wie dich würde jeder Sklavenhändler dort mehr bekommen, als er normalerweise in einem ganzen Jahr verdienen würde." "Aber das ist doch falsch! Niemand kann an einen anderen Menschen verkauft werden! Jeder gehört sich selbst!", empörte sie sich. "Sieh es ein. Es gibt Menschen, die anderen Menschen gehören, und es gibt Menschen, die andere Menschen fangen, um sie zu verkaufen. So ist es nun mal.", antwortete Oreas schulterzuckend. Celia schwieg eine Weile. Das musste sie erst einmal verdauen. So etwas wie Sklaverei sollte es in ihren Augen nicht geben. Dagegen musste man doch etwas tun können. So ein schreiendes Unrecht gehörte bestraft. Dann fiel ihr ein, dass sie ja noch andere Fragen hatte, und sie etwas vom Thema abgekommen waren. "Und die Blitze?" "Du weißt doch, dass Melanon ein Magier ist. Er hat ihnen Schmerzflüche auf den Hals gehetzt." "Aber er hat seine Ausbildung noch nicht beendet, kann er das dann überhaupt richtig? Ist er deshalb umgekippt?" "Ja und nein. Seine Magie wäre normalerweise mehr als ausreichend, um in Sekundenschnelle mehr als einem Dutzend Männer so etwas anzutun. Und noch mehr." Oreas machte eine Pause. Celia hatte nicht gewusst, dass Melanon zu so etwas in der Lage war. Sie wusste nicht, ob sie beeindruckt oder verängstigt sein sollte. Dann fuhr er fort: "Aber wenn ein Magierschüler die Ausbildung abbricht, wird er von den ältesten und mächtigsten Magiern versiegelt, so dass er seine Magie nicht mehr benutzen kann. Weil Melanon aber so stark ist, dass er es selbst mit den Ältesten aufnehmen könnte, wirkt der Bann nicht richtig. Wenn er genug Energie benutzt, kann er immer noch Magie anwenden. Es ist nur sehr anstrengend. Deswegen ist er jetzt bewusstlos." Das war wohl mit Abstand das meiste, das Oreas je zu ihr gesagt hatte, aber sie war viel zu sehr mit Melanon beschäftigt, um das zu bemerken. Er sah ungewöhnlich blass und ausgezehrt in dem spärlichen Licht aus. Und er atmete immer noch schwer, auch wenn er nicht mehr so sehr schwitzte, wie zu Beginn. Durch Zufall fiel ihr Blick auf den Mann, dem sie den Stein gegen den Kopf geschlagen hatte. Und ihr wurde bewusst, was sie getan hatte. "Oreas... ist... ist er... tot?", sie deutete auf den Körper und ihre Kehle schnürte sich zu. Tränen ließen ihre Sicht verschwimmen, ohne, dass sie es verhindern konnte. Eigentlich brauchte sie die Antwort gar nicht. Sie konnte es spüren. "Ja, er atmet nicht mehr." Celia konnte nicht anders, als in Tränen auszubrechen. Immer wieder murmelte sie unverständliche Wörter zwischen ihren Schluchzern vor sich hin. Oreas konnte gerade noch "wollte ich nicht" und "meine Schuld" heraushören. Die Situation war ihm mehr als unangenehm, und für einen Moment war die immer noch drohende Gefahr vergessen. Er war einfach nur hilflos, angesichts der Tatsache, dass er nun eine aufgelöste Elfe vor sich hatte, der er irgendwie helfen musste. Bald konnte er sich das einfach nicht mehr mit anhören. "Du hattest keine Wahl. Er hätte dich vielleicht, aber mit Sicherheit Melanon getötet. Du konntest nichts dafür" Das war das einzige, was ihm einfiel, aber seine Worte hatten nicht die gewünschte Wirkung. Die Elfe weinte ununterbrochen weiter. Bald wurden ihre Schluchzer aber von selber leiser. Schließlich schlief sie vor Erschöpfung ein und rollte sich neben Melanon zusammen. Oreas blieb die ganze Nacht wach. Nachdem Reda zurückgekommen war, schafften sie zusammen die Leichen weg. Es war nicht nötig, die Elfe am nächsten Morgen noch mehr zu verstören, und wenn er ehrlich war, war ihm die Anwesenheit der Toten selber unangenehm. Nicht, dass er abergläubisch wäre, aber trotzdem. Die toten Körper ließen sie einfach ein Stück weiter im Wald liegen. Zum verscharren blieb keine Zeit. Den Rest der Nacht verbrachte er damit, in die Dunkelheit zu starren und zu horchen, doch es blieb ruhig, oder laut, wie auch immer man es sah. Nichts war ungewöhnlich, als wäre nie etwas passiert. * Celia ging es am nächsten Morgen immer noch nicht viel besser. Sie hatte einen Menschen getötet. Damit musste sie fertig werden. Und sie musste es mit sich selbst ausmachen. Das Schlimmste war, dass sie nicht wusste, wer ihr mehr leid tat: der Mann, den sie getötet hatte, oder sie selbst. Die Schuldgefühle ließen jedoch nicht im Mindesten nach. Melanon war immer noch stark geschwächt und saß wie ein Schatten seiner selbst auf Arqua. Er war kaum in der Lage, sich auf etwas anderes als das Sitzen im Satten zu konzentrieren. Aber wenigsten konnten sie weiter und mussten nicht noch länger bleiben. Oreas und Reda waren einfach nur übermüdet. Von dieser Nacht an verabredeten sie eine Nachtwache. Die erste sollte Celia halten, und sie hielt auch durch, auch wenn es nicht wirklich das Beste für sie war, nachts alleine wach zu bleiben. Nur mit ihren Gedanken als Gesellschaft. Mehr als einmal sah sie Bewegungen in der Dunkelheit, von denen sie wusste, dass sie nur ihrer Fantasie entsprangen. Es fiel ihr schwer, die Tatsache zu akzeptieren, dass sie getötet hatte. Es war, als habe sie gleichzeitig einen Teil ihrer selbst erschlagen, der nicht mehr ersetzt werden konnte. Und auch wenn sie sich dessen noch nicht bewusst sein, sie hatte einen Teil ihrer Unschuld in dieser Nacht verloren. Sie war so sehr damit beschäftigt, sich wieder zu fangen und zu ordnen, dass die folgenden Tage in ihrem Gedächtnis nur sehr verschwommen waren. Sie nahm weder war, wie sie den Wald verließen, noch, was die anderen zu ihr sagten. Nur der große See, den sie zuerst für einen anderen Teil des Meeres gehalten hatte, sollte sie in Erinnerung behalten. Melanon hatte ihr erklärt, dass es sich um einen großen Süßwassersee handelte, aber ihre übliche Begeisterung wollte nicht so recht aufkommen. Erst, als sie endlich Ronia erreichten, kehrte die ihr neugieriges Ich zurück. Die Bilder der verhängnisvollen Nacht verblassten immer mehr, und sie fing an, Oreas Worten Glauben zu schenken. Sie hatte keine Wahl gehabt. Zumindest keine wirkliche. Sie hatte aus Reflex gehandelt und nicht wirklich gewusst, was passieren würde. Oder wenigstens nicht darüber nachgedacht. Was sie aber am meisten erschreckte, war die Tatsache, dass sie wohl genauso gehandelt hätte, wenn sie es gewusst hätte. Sie bekam dadurch ein leicht schlechtes Gewissen. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass Melanon ihr einfach zu wichtig war, als dass sie ihn hätte verlieren können. Ihre Reaktion auf Ronia war eine ähnliche wie die auf Erador. Nur aus anderem Grund. Die Stadt war so gar nicht, wie sie es erwartet hatte. Sie hatte damit gerechnet, dass Ronia wie Erador laut, stickig, eng und schmutzig wäre. Aber dem war nicht so. Keines dieser Wörter konnte auf die Hauptstadt von Caronia verwendet werden. Die Straßen waren breit genug, um vier Wagen nebeneinander Platz zu bieten. Und die Gebäude waren hoch und aus weißem Stein, ein bisschen wie der Tempel der Wassergöttin. Alles war nach einem orthogonalen Netz organisiert, als hätte jemand die Stadt genau so geplant, bevor sie gebaut worden war. Die Straßen waren zwar belebt, aber weil es nicht so eng wie in Erador war, war es auch nicht so laut. Es stank auch überhaupt nicht, auch wenn die Elfe nicht erkennen konnte, woran es lag. Außerdem gab es Gärten und Parks, die man zwischen den Toren und Mauern erkennen konnte. In ihren wuchsen die verschiedensten Pflanzen, von denen Celia die meisten nicht kannte. Ronia war, und dafür gab es kein anderes Wort, einfach überwältigend. Die Stadt war pompös und schien an nichts zu sparen. Doch Celia wusste genau, dass es ihr hier nicht so gefallen würde, wie in Erador. Wo Erador lebendig und farbenfroh war, auf seine eigene charmante Art und Weise chaotisch und frei, war Ronia künstlich und auf eine merkwürdige Art unehrlich. Alles war so gerade, geordnet und weiß. Tot. Selbst die Gärten waren künstlich, nichts schien so zu wachsen, wie es von Natur aus würde. Alles war kontrolliert. Es war gruselig. Reda verabschiedete sich, als sie das Händlerviertel erreichten, und Celia war sich sicher, dass sie ihn vermissen würde. Wann immer sie mit Melanon oder Oreas nichts mehr anzufangen gewusst hatte, hatte er sich mit ihr unterhalten oder sie abgelenkt. Sie würden nun weiter zu Melanons Vater reiten, um dort zu bleiben. Für wie lange wusste sie nicht. Sie hatte Angst vor dem Treffen mit dem Mann. Hauptsächlich weil Melanon und Oreas ihm gegenüber sehr reserviert waren und sich weigerten, ihr etwas über ihn zu erzählen. Ob er genauso war wie alles andere in dieser Stadt? Zu dritt ritten sie weiter in die Stadt hinein. Celia dachte fast, sie würden gar nicht mehr ankommen, als sie schließlich vor einem riesengroßen Tor standen, dass den Durchgang durch die höchste Mauer der Stadt ermöglichen würde. Die Tore öffneten sich. Melanons Gesichtsausdruck, so fiel Celia auf, wurde härter und verschlossener, als sie jemals erlebt hatte. Es wurde ernst. Er ritt voran, und sie und Oreas folgten ihm, instinktiv blieb sie auf Heria etwas zurück. In dem riesengroßen Gewirr von Mauern und Türen gab es kaum einen Menschen, wie ihr auffiel. Jedes Geräusch, das es in der Stadt noch gegeben hatte, war hinter den Mauern geblieben; die Menschen huschten hin und her, fast als fürchteten sie, zuviel Lärm zu machen. Das Klappern der Pferdehufe auf dem Stein wurde von den Mauern so stark reflektiert. Dass es sich anhörte, als ritten zwanzig Mann zwischen ihnen. Irgendwie erreichten sie einen Hof, an dessen rechter Seite sich eine Unmenge von Stalltüren befanden. Für einen Moment wunderte sich Celia, wie Melanon den Weg zwischen den Mauern mühelos finden, sich aber in Erador verirren konnte. Sie wusste beim besten Willen nicht mehr, wie sie hier her gelangt waren. Alles war so weiß, dass es anfing, in ihren Augen zu brennen. Männer huschten auf sie zu und kümmerten sich um die Pferde und das Gepäck, wieder so leise, dass es ihr unheimlich vorkam. Erst jetzt bemerkte sie die Blicke, die die Männer Melanon zuwarfen. Sie schienen ihn zu respektieren und sahen ihn auf eine Art und Weise ehrfürchtig an. Ronia wurde gruseliger und gruseliger. Etwas stimmte in ihren Augen ganz und gar nicht. Melanon ging immer noch voraus ins innere eines gigantischen Gebäudes mit einer goldglänzenden Kuppel, auf die Celia aber nur einen Blick werfen konnte. Auch im Inneren war alles weiß, nur gelegentlich fand sich ein Farbtupfer in Form einer Vase oder eines Teppichs. Und es war so unmenschlich still, leer und kalt. Niemand sprach. Celia lief es kalt den Rücken herunter. Schließlich kamen sie an einer großen Tür an, die von zwei bewaffneten Männern in derselben lächerlich bunten Kleidung bewacht wurde. Jetzt fühlte sich die Elfe erst richtig unwohl und ihr Innerstes zog sich bei dem Gedanken zusammen, was die Männer wohl tun könnten. Doch sie taten nichts, sondern machten nur wortlos den Weg frei. Oreas und Melanon schienen etwa gleich begeistert von der Aussicht, den dahinter liegenden Raum zu betreten. Nämlich gar nicht. Der Halbelf war sogar noch mürrischer als sonst. Doch trotzdem gingen sie weiter. Der Raum war bunter als ganz Ronia, stellte die Elfe staunend fest, schien aber ansonsten nach demselben Prinzip gebaut und eingerichtet worden zu sein. Er sollte beeindrucken. Hoch oben waren riesengroße Fenster, von denen Banner mit den verschiedensten Motiven bis auf den Boden reichten. Die Rückwand war komplett von einem Wandteppich mit einem epischen Schlachtmotiv bedeckt, vor dem zwei reich verzierte Stühle auf einem Podest standen. Ein Thron, schoss es ihr durch den Kopf. An den Wänden bei den Bannern standen weitere Bewaffnete. Weder Oreas noch Melanon beachteten die Verzierungen. Sie blickten starr auf den Thron, oder besser, auf den Mann, der darauf saß. Er bedeutete ihnen mit einem beiläufigen Wink seiner Hand, vorzutreten. Und das taten sie. Celia folgte dem Beispiel ihrer beiden Begleiter und kniete vor dem Podest nieder. Sie wartete. "Euer Majestät.", grüßte Melanon, und nickte dabei leicht. Seine Miene war zu Stein erstarrt. "Du bist spät, mein Sohn." TBC Kapitel 10: Enthüllungen ------------------------ Caronia Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 10/? Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: keine, außer dass der Schwachsinn von mir ist Claimer: wie gesagt, der Schwachsinn gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment Zusammenfassung: Der Kapiteltitel ist dieses Mal wirklich einfallsreich, aber er fasst es ziemlich gut zusammen. A/N: Also, ehrlich, ich HASSE dieses Kapitel. Ich habe alles bestimmt drei Mal umgeschrieben, aber es wird und wird nicht besser. Von allen bisherigen Kapiteln war dieses am schwersten zu schreiben. Gruß an Rainman70, außer dir hat mich niemand drauf angesprochen *grins* aber ich habe mich ja auch zu Andeutungen hinreißen lassen. Kapitel X: Enthüllungen König Meror war ein beeindruckender Mensch, wie er da obern auf seinem Thron saß ("thronte" beschrieb seine Haltung eigentlich besser) und auf Celia und die anderen herabsah. Seine Haltung strahlte Würde aus, keine Frage, aber gleichzeitig wirkte er locker, wie er sich mit seinem rechten Arm auf der Lehne abstützte. Seine Haare und sein Vollbart waren hellbraun. Seine dunklen Augen passten nicht in das Gesicht, das von einer markanten Nase dominiert wurde. Doch das war nicht das erste, was der Elfe an ihm auffiel. Es war seine Aura. Genauer gesagt, die Art, auf die er seinen Sohn ansah. Kalt. Herablassend. Sie konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass dieser Mann Melanons Vater sein sollte. Er war so anders. Und natürlich würde das Melanon zu einem Prinzen machen, und es enttäuschte Celia irgendwie, dass er ihr nicht davon erzählt hatte. Lange ansehen konnte Celia den König aber nicht. Sie konnte nur aus den Augenwinkeln schauen. Den Kopf bewegte sie lieber nicht. Genau wie ihre Begleiter. Langsam kam sie sich lächerlich vor, wie sie sich auf dem Boden kniete und sich nicht zu bewegen wagte. Das war ziemlich unhöflich vom König, wie sie fand. Seine Gäste so zu behandeln. Sie spürte förmlich, wie er sie unter die Lupe nahm, während sie so unauffällig wie möglich von einem zum anderen schielte. "Dein Brief war nicht besonders aufschlussreich.", sagte der König schließlich. Sein Ton schwankte zwischen ärgerlich und gelangweilt. Seine Augen blickten irgendwo in den hinteren Teil des Saales, so, als nähme er seinen Sohn gar nicht war. Nur hin und wieder bohrte sich sein Blick in Melanons Kopf. "Es tut mir leid, Vater." Das erste Mal, dass Melanon ihn so nannte, fiel Celia auf. Aber sie merkte deutlich, dass es ihm nicht Leid tat. Die Entschuldigung war reine Formsache. Und der König schien das auch zu wissen. Er presste die Lippen ärgerlich zusammen. Melanon hätte den Brief anders schreiben können. Mit Sicherheit. Egal, was er geschrieben hatte. Dass er es nicht getan hatte, bedeutete entweder, dass es egal war, oder dass sein Vater so oder so wütend gewesen wäre. Sie hätte zu gerne gewusst, was zwischen den beiden vorgefallen war, dass sie so miteinander umgingen. "Du hättest daran denken können. ,Keine Sorge, mir ist nichts passiert. Ich habe einen Freund besucht und ich wurde aufgehalten', das hat mir nicht wirklich viel verraten. Das nächste Mal, hättest du vielleicht die Güte, zu erklären, was dich aufgehalten hat, und wen du besucht hast, und warum? Das wäre wirklich zu freundlich." Sein Ton war bissig und spöttisch. Celia fragte sich ernsthaft, was er mit dem nächsten Mal meinte. Melanon sagte nichts. Es schien, als warte er auf die nächste verbale Attacke seines Vaters. "Ihr könnt jetzt aufstehen." Der König gestikulierte mit seiner Hand. Sie standen auf. In diesem Moment war Celia ihm wirklich dankbar. Es war ziemlich unbequem auf dem harten und kalten Steinboden gewesen. Ihr Knie fing schon an wehzutun und fühlte sich komisch an, als sie schließlich stand. Oreas sah den König direkt an, was Celia sich nicht traute. Es lag an seiner Präsenz, dass ihre Augen sich weigerten, ihm in die seinen zu schauen. Oreas Blick war ausdruckslos. Irgendwie stumpf. So sah sie ihn selten. Normalerweise brannte in seinen Augen ein Feuer. Wut. Vielleicht war es auch einfach nur der unbändige Wille, sich nicht unterkriegen zu lassen. Aber jetzt fehlte das. Und es ließ ihn irgendwie seltsam erscheinen. Celia hätte zu gerne auch in Melanons Gesicht gesehen, aber er stand mit dem Rücken zu ihr, und so ging es nicht. Aber wenigstens konnte sie sehen, dass er den Kopf nicht hängen ließ, sondern kerzengerade dastand. Der König musterte sie noch einmal. Oreas ließ er dabei aus. Er würdigte ihn nicht einmal eines Blickes. "Nun Melanon, ich weiß nicht, warum du diesen Nichtsnutz hier angeschleppt hast. Es wäre besser gewesen, er wäre bei seinem Vater geblieben. Du weißt, ich kann und werde ihn hier nicht dulden. Der alten Zeiten wegen darf er diese Nacht bleiben, aber morgen soll er wieder gehen. Und ich hoffe für ihn, dass er nicht in Richtung Süden reitet." "Oreas hat nichts mehr mit seinem Vater zu tun, Vater." Melanons Stimme war ruhig. Fast so, als würde er Celia ein Problem zum fünften Mal erklären, weil sie es beim vierten immer noch nicht verstanden hatte. Nun, er würde ihr nach diesem Tag einige Fragen beantworten müssen, denn sie verstand nicht, worum es ging. "Und woher willst du das wissen? Er könnte dich angelogen haben, um an Informationen zu kommen. Ich weiß, du hast ein loses Mundwerk, was ihn angeht. Oder er könnte selber versuchen, mich oder dich umzubringen." "Vater, Oreas ist mein Freund. Er würde mich niemals-" "Euer Majestät", schaltete Oreas sich ein "Ich habe meinen Vater vor fünf Jahren das letzte Mal gesehen. Wir haben uns gestritten und er ist gegangen. Ich habe seitdem nichts mehr von ihm gehört, geschweige denn ihn gesehen. Ich weiß nicht mal, wo er ist. Für mich ist er gestorben." Der König bedachte ihn mit einem besonders herablassenden und verachtenden Blick. In etwa so, als würde er ihn gleich von einem der bewaffneten Männer hinausschleifen lassen. Aber Oreas ließ sich nicht einschüchtern. Er fuhr ungerührt fort. "Wenn ich Kontakt zu ihm gehabt hätte, würdet ihr es wissen. Ihr habt mich doch sicher überwachen lassen. Sowohl persönlich, als auch meinen Briefverkehr. Ich an eurer Stelle hätte es mit Sicherheit getan. Haben euch eure Spione etwa gesagt, dass ich auf der Seite meines Vaters stehe?" Die beiden lieferten sich ein Blickduell, das seinesgleichen suchte. Der König starrte Oreas wütend an, und Oreas starrte den König wütend an. Celia hatte das Gefühl für Zeit verloren, als der König endlich nachgab. "Nun gut, er kann bleiben," sagte er, und klang dabei etwas eingeschnappt. Es gefiel ihm wohl nicht, dass Oreas die Oberhand gewonnen hatte. Celia schätzte den König als einen Menschen ein, der Kontrolle liebte. Man brauchte sich nur die Stadt anzusehen, die er geschaffen hatte. "Aber auf deine Verantwortung, Melanon.", setzte er noch hinzu. Melanon nickte. Der König seufzte. "Also, zum nächsten Punkt. Wer ist die Elfe?" Celia merkte auf. Sie wollte schon antworten, da kam Melanon ihr zuvor. "Celia." "So, Celia also. Und von wo kommt sie?" Celia hielt es für besser, nicht zu antworten und Melanon das Gespräch zu überlassen. Jedenfalls, solange sie nicht direkt angesprochen wurde. Er wusste einfach besser, wie man mit ihm umzugehen hatte, und sie wollte nicht unangenehmer als nötig als nötig. Irgendwie hatte sie schon so ein Gefühl, dass der König sie nicht mochte. Also würde sie zwangsläufig jede Unterstützung brauchen, die sie kriegen konnte. Der König... es schockte sie immer noch, dass Melanon ein Prinz war. Sie hatte wirklich mit allem gerechnet, nur nicht damit. Aber da sie ja selber eine Prinzessin war, konnte sie es akzeptieren. Sie verstand nur nicht, wieso Oreas es sich erlauben konnte, so unhöflich mit dem König umzugehen. Melanon ließ sich Zeit mit seiner Antwort. "Sie ist eine Waldelfe." Die vier Worte hatten eine Wirkung, mit der Celia nicht gerechnet hatte. Der König setzte sich abrupt gerade hin und starrte sie an. Instinktiv machte sie einen Schritt zurück. Sie wusste nicht, was los war. Die Art, auf die er sie anstarrte. Ungläubig. Aber auch mit einer starken Abneigung. Wieso reagierte der König so merkwürdig darauf, dass sie eine Waldelfe war. Bisher hatten alle komisch reagiert. Nur nicht so. "Und was", er atmete schwer "macht eine Waldelfe außerhalb ihres Waldes?" Er schien kurz vorm Explodieren. Offenbar war das unkontrollierbare Temperament noch etwas, was Melanon nicht von seinem Vater geerbt hatte. Zum Glück. "Sie wollte mehr über die Menschen wissen, Vater." "Hat sie das gesagt, ja?" "Ja." "Und wie lange wird es dauern, bis sie sich den Rebellen anschließt, was meinst du? Mit diesem verdrehten Gerechtigkeitssinn der Waldelfen bestimmt nicht lange. Ein Jahr? zwei Jahre? Länger wird es mit Sicherheit nicht dauern, bis sie zu dem Schluss kommt, dass die Welt so wie sie ist vollkommen falsch ist. Die Waldelfen passen nicht in diese Welt. Sie soll wieder in ihren Wald verschwinden! Hier will ich sie nicht haben! Sie ist eine Gefahr für mein Land!" "Sie ist nicht Toheras, Vater." Toheras?! Celia war wie vom Donner gerührt. Sie kannten ihren Vater? Er lebte noch? Sie wusste wirklich nicht, was sie in diesem Moment fühlen sollte. Freude? Ja, sie freute sich definitiv. Sie konnte es nicht erwarten, sich auf die Suche nach ihm zu machen. Und sie hatte endlich einen Anhaltspunkt. Sie hätte Melanon schon früher nach ihm fragen sollen. Er hätte ihr bestimmt geholfen. Doch dann sickerte die Realität zu ihr durch, das, was die Menschen in diesem Saal offenbar mit ihrem Vater verbanden. Einen Verräter. Eine Gefahr. Der Gedanke machte ihr angst. Aus zweierlei Gründen. Sie hatte auch Angst, ihm tatsächlich zu begegnen. Es war plötzlich nicht mehr bloß der Traum eines kleinen, einsamen Mädchens. Es war real. Und vielleicht wollte er sie gar nicht sehen. Vielleicht würde er ihr sagen, sie solle wieder gehen. Er war ja nie zurückgekommen. Und vielleicht, ganz vielleicht, war er nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte, flüsterte eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf, so leise, dass sie sie fast überhörte und so schnell wie möglich wieder verdrängte. Und würde Melanon ihr wirklich helfen? Nachdem, was über ihren Vater gesagt wurde, bezweifelte sie es. Was er wohl getan hatte? Würde Melanon überhaupt noch mit ihr zu tun haben wollen, nachdem er von ihrem Vater erfahren hatte? Was war hier überhaupt los? Hoffentlich würde Melanon es ihr bald erklären. Er konnte sich auf jeden Fall auf einige Fragen einstellen. Denn Celia verstand einfach nicht, was hier los war. Es waren zu viele Informationen auf einmal, als dass sie sie zu einem Ganzen zusammensetzten konnte. "Nein, sie ist nicht Toheras, aber sie ist garantiert wie er. Die Waldelfen sind doch alle gleich.", erwiderte der König trotzig. Ein Ton, der nicht zu ihm passte, notierte Celia leicht abwesend. Ein Ton, wie man ihn von einem kleinen Kind erwarten würde, das versuchte, mit seiner Mutter um Süßigkeiten zu argumentieren. "Du übertreibst, Vater, du hast erst einen Waldelf getroffen. Sie sind mit Sicherheit nicht alle wie die anderen." "Und woher willst du wissen, dass es nicht so ist? Sag, Elfe, es hat kein Elf jemals den Wald verlassen, bis auf einen. Kanntest du ihn?" Er sah sie mit demselben Grinsen an, wie Cherad es immer getan hatte. Wie die Katze den Kanarienvogel. Und sie hasste es. Was sollte sie nur antworten? Sie würde ihm bestimmt nicht verraten, dass er ihr Vater war. Dann wäre sie geliefert. Und schließlich war sie eine Elfe. Und auch wenn die anderen Elfen es ihr nie geglaubt hätten, sie besaß tatsächlich Taktgefühl. Wenn sie wollte. Für menschliche Verhältnisse sogar sehr viel. Und im Moment wollte sie. Außerdem war sie eine Prinzessin, obwohl sie es selber gerne vergaß. Sie hatte gelernt, mit Menschen zu reden und sie richtig einzuschätzen. Der König machte einen Fehler und unterschätzte sie. Sie war kein Kanarienvogel. Sie war auch eine Katze, wenn sie wollte. Garantiert keine leichte Beute. "Nein, das war vor meiner Geburt." Sie log noch nicht einmal. "Was? So jung bist du noch? Aber bei Elfen kann man das ja schlecht schätzen. Gut, du kanntest ihn nicht. Aber du hast von ihm gehört. Was erzählen sich die Elfen über den guten alten Toheras?" "Sie erzählen sich eigentlich nichts über ihn, euer Majestät. Nur sehr selten wird er namentlich erwähnt. Ich weiß eigentlich nur, dass er ziemlich merkwürdig gewesen sein sollte. Dass er nicht in den Wald gepasst hat. Die meisten mochten ihn nicht besonders. Meine Großmutter hat mir immer gesagt, dass ich bloß nicht wie er werden soll, weil das für mich böse ausgehen würde." Der König hob die Augenbrauen. "Offenbar mögen die Waldelfen ihn genauso gerne wie die Menschen. Kein Wunder, dass er gegangen ist." Celia war erleichtert. Es schien so, als hätte sie einen guten Anfang gemacht. Jetzt durfte sie sich nur keinen Patzer erlauben. Sie war immer noch nicht aus dem Schneider. Innerlich hasste sie sich für das, was sie gerade getan hatte. Dabei hatte sie wirklich nicht gelogen. Nicht direkt, jedenfalls. Aber dem König schien ihre Antwort gefallen zu haben, und das war alles, was in diesem Moment zählte. "Was hältst du bisher von der Menschenwelt... Celia?" Er hatte ihren Namen benutzt, ein gutes Zeichen, er nahm sie als Person wahr. "Hmm, das ist schwierig, weil mir schon so viel passiert ist. Aber im Großen und Ganzen mag ich es. Die Städte sind ein bisschen laut und in Erador stank es fürchterlich, aber das ist hier zum Glück besser. Die Menschen, die ich kennen gelernt habe, waren auch nett... na ja, bis auf die Banditen, die-" "Banditen?" Der König war sichtlich irritiert. "Ja Vater, wir wurden auf dem Weg von Erador hierher überfallen. Glücklicherweise sind wir alle mit dem Schrecken davon gekommen." "Ihr wurdet überfallen? Das waren garantiert keine normalen Diebe. Ihr macht schließlich nicht unbedingt den Eindruck, als hättet ihr irgendetwas Wertvolles bei euch. Jemand muss dich erkannt und verraten haben, Melanon." Die Augen des Königs musterten Celia und Oreas. Doch bevor einer von beiden protestieren konnte, hatte Melanon das Wort wieder ergriffen. "Sie haben mir das Leben gerettet, Vater, also sieh sie nicht so an. Wenn sie mich nicht geweckt hätten, wäre ich tot. Du weißt, Elfen hören besser als Menschen. Celia wusste ja noch nicht einmal, dass ich ein Prinz bin. Und ich glaube auch nicht, dass ich erkannt wurde. Vermutlich hatten sie es auf den Wagen des Händlers abgesehen, den wir ein Stück des Weges begleitet haben. "Sie haben dir das Leben gerettet, würdest du das erläutern?" "Ich denke, dass sollten sie lieber selber tun. Ich habe ja nicht alles mitbekommen." Jetzt sah der König Celia und Oreas erwartungsvoll an, von denen keiner wirklich erzählen wollte, was passiert war. Celia erbarmte sich schließlich. "Ich habe etwas außerhalb des Lagerplatzes geschlafen, weil es ein Wald war, und ich mich da wohler fühlte. Dann bin ich mitten in der Nacht aufgewacht, weil es zu ruhig war. Da dachte ich mir, dass etwas nicht stimmt und wollte die anderen warnen. Oreas war schon wach, als ich beim Lagerplatz ankam, und hat mir gesagt, was ich tun sollte. Er hat die Banditen abgelenkt und ich habe Melanon geweckt. Zusammen haben wir es geschafft, sie in die Flucht zu jagen, aber ich hatte trotzdem ziemliche Angst. Das war das erste Mal, dass ich so bedroht wurde." Sie wollte wirklich nicht ins Detail gehen und hoffte der König würde die Geschichte so akzeptieren. Einige Dinge blieben wohl auch besser ungesagt, zum Beispiel, dass Melanon gezaubert hatte. Oreas hatte ihr ja erklärt, dass er das eigentlich nicht durfte und sie wollte ihren Freund nicht in Schwierigkeiten bringen. Um das ganze zu unterstreichen setzte sie ihren besten unschuldig-leidenden Blick auf, und es schien tatsächlich zu wirken. "Nun, da ihr meinem Sohn das Leben gerettet habt, kann ich euch schlecht wegschicken. Sie können beide bleiben." Er winkte mit der Hand, was zu bedeuten schien, dass das Gespräch jetzt beendet war. Es war das letzte, was Celia an diesem Tag von dem König zu sehen bekam, und sie war mehr als froh darüber. Zusammen mit Oreas und Melanon folgte sie einem der Diener durch das unübersichtliche Labyrinth aus weißen Gängen, bis sie vor einer Tür stehen blieben, die der Diener öffnete, bevor er leise weghuschte. Melanon befahl ihm noch, seiner Mutter bescheid zu geben, dass er sie in seinen Gemächern zu sprechen wünschte. Er war nicht dafür geschaffen, Befehle zu geben, entschied Celia. Es lag ihm einfach nicht. Noch etwas, was ihn von seinem Vater unterschied. Beim König sah es so aus, als wäre es das Natürlichste der Welt, während Melanon sich einfach nur nicht wohl in seiner Haut zu fühlen schien. Einen Moment lang fragte sie sich, wie seine Mutter wohl war, ob er ihr ähnlicher war. "So, hier werdet ihr bleiben. Ich werde in mein altes Zimmer ziehen. Oreas, du weißt hoffentlich noch, wo es ist." Oreas nickte. Dann verabschiedete Melanon sich mit einem Lächeln von ihnen und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Sein Lächeln wurde immer trauriger, stellte Celia betrübt fest. Ronia bekam ihm nicht. Sie wollte ihn hier nicht gerne alleine lassen. Nun, das hatte wohl zwei Gründe. Die peinliche Stille, die jetzt zwischen ihr und Oreas herrschte war der andere. "Das hast du geschickt gemacht.", hörte sie Oreas sagen. "Hmm?" "Wie du den König dazu gebracht hast, dich nicht auf der Stelle köpfen zu lassen, meine ich. Du hast ihm genau das gesagt, was er hören wollte." Celia errötete wegen des Komplimentes. "Du hast das gemerkt? Ich hoffe, er hat das nicht getan." "Keine Sorge, dann hätte er dich erst recht hinrichten lassen." Oreas' Meinung vom König war offenbar noch niedriger als die von ihr. "Ich schätze, es hat seine Vorteile, als Prinzessin aufgewachsen zu sein. Das lernt man so was. Aber ich schätze ich war im Vorteil, weil er mich unterschätzt hat." Oreas nickte. Dann schwiegen sie wieder beide und die unangenehme Stille kehrte zurück. Celia konnte sehen, wie Oreas versuchte, sich zu einer anderen Frage durchzuringen. Sie fragte sich, wann sie ihn so gut kennen gelernt hatte, dass sie das erkennen konnte. Zu Anfang war es ihr sehr schwer gefallen, seine Mimik zu deuten. Vielleicht lag es daran, dass man seine Gedanken diesmal besonders gut ablesen konnte. Ein paar Mal öffnete er leicht den Mund, schloss ihn dann aber wieder. Was war es bloß, was er fragen wollte? Sie wusste beim besten Willen nicht, was ihn an ihr interessieren könnte oder was er von ihr wissen wollte. Aber offenbar gab es etwas. "Sag mal", begann er schließlich "stimmt das, was du über Toheras gesagt hast, oder hast du da gelogen." "Ja, es stimmt, jedenfalls teilweise, wieso?", antwortete Celia verwundert. Warum interessierte er sich für ihren Vater? Sie konnte es sich wirklich nicht erklären. Bestimmt kannte er ihn, aber da war noch mehr, das spürte sie. Oreas antwortete nicht, also entschloss sie sich, etwas mehr zu erzählen: "Die Waldelfen mochten ihn wirklich nicht besonders. Den meisten hat er furchtbar Leid getan, weil er so rastlos und unzufrieden war. Und, weil er so früh gestorben ist." Oreas stutzte "Ja, die Elfen denken, die Menschen hätten ihn umgebracht, weil er nicht wieder zurückgekommen ist, weißt du." "Nein, das war sicher nicht der Grund." Oreas lächelte bitter. So kannte sie ihn nicht. Sonst war er immer wütend, wenigstens ein bisschen. Aber nun war er melancholisch, er erinnerte sie an Melanon, und vermutlich waren sich die beiden ähnlicher, als sie vermutet hatte. Irgendwie hatte sie die beiden immer völlig unterschiedlich eingeschätzt. Oreas als wütend und leicht reizbar und Melanon als ruhig und freundlich. Ob in Melanon auch irgendwo ein Oreas schlummerte? "Kennst du ihn?", fragte Celia neugierig. Auch, wenn sie es sich wirklich schon denken konnte, anders ließ sich Oreas' Interesse wirklich nicht erklären. "Kann man so sagen." Er machte eine Pause und verzog das Gesicht. "Er ist zwar mein Vater, aber deshalb muss ich ihn noch lange nicht kennen. Nicht wirklich." Celia starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. Hatte Oreas das wirklich gerade gesagt? Sie musste sich verhört haben. Aber sie hatte es doch verstanden. "Dein Vater?", fragte sie ungläubig und mit zitternder Stimme. Das konnte nicht sein. Das war unmöglich. "Ja, leider.", sagte Oreas voller Verachtung. "Das kann nicht sein." Sie sagte, was sie dachte. Oreas runzelte die Stirn. "Es ist aber so. Auch wenn ich mir seit Jahren wünsche, es wäre nicht so. Ändern kann ich das nicht. Und ich bedaure es jeden Tag meines Lebens." Seine Stimme triefte nur so vor Hass und Bitterkeit. Da war sie wieder, die unbändige Flamme in seinen Augen. "Das kann nicht sein.", wiederholte sie. Es konnte wirklich nicht sein. Es ging nicht. Ihr Vater hätte niemals... das war bestimmt nur ein Missverständnis... oder ein Traum, versuchte sie sich einzureden. Auch wenn sie wusste, dass dem nicht so war. "Und wieso nicht?", fragte Oreas genervt. Er wollte wirklich nicht, dass die Elfe in seinen Wunden herumstocherte. Als er sie aber sah, merkte er, dass das nun wirklich nicht ihre Absicht war. Celia sah ihn an. Tränen standen ihr in den Augen. Sie hatte sich auf eines der gepolsterten Sitzmöbel gesetzt. Die Beine waren angewinkelt und sie hatte die Arme um sie geschlungen. Das konnte nicht sein. Er hatte ihrer Mutter doch versprochen, zurückzukommen. Ihr Vater würde sein Versprechen halten. Tränen liefen ungehindert ihre Wangen hinunter. Ihr Vater hatte sie verraten. Er war nicht zurückgekommen. Er hatte eine neue Frau getroffen. Und er hatte ein neues Kind bekommen. Und dieses Kind saß ihr jetzt gegenüber. Sie hatte einen Bruder. Und der sah sie jetzt fragend an. "Was ist los?" Oreas war verwirrt. Celia schluckte und atmete ein paar Mal tief durch. Mit ihrem Arm wischte sie die Tränen weg. Sie musste es ihm sagen. Er hatte ein Recht darauf, es zu wissen. Aber sie wusste nicht, wie. Sie schluckte noch einmal. "Er hatte Mutter doch versprochen, zurückzukommen.", flüsterte sie, und machte eine weitere Pause, um ihre Tränen zurückzudrängen und ihre Stimme wieder soweit in den Griff zu kriegen, dass sie ihr nicht mehr versagte. "Deshalb habe ich immer geglaubt, dass er zurückkommen würde. Dass ich ihn endlich kennen lernen würde. Ich habe so oft davon geträumt, dass er mich mitnehmen würde um mir die Welt zu zeigen, die ich schon mein ganzes Leben sehen wollte. Ich wollte nur, dass er wiederkommt. Aber er ist nicht gekommen. Deshalb dachten alle er wäre tot, weil er es versprochen hatte." Sie machte noch eine Pause. Oreas starrte sie entsetzt an. Offenbar konnte er genug von ihrem Rumgestammel verstehen, um den Sinn zu erkennen. Sie lächelte traurig. "Mutter hatte ihm noch nicht einmal von mir erzählt. Ich war ja noch lange nicht geboren. Und als ich dann da war, da haben alle gesagt, wie ähnlich ich ihm bin. Ich wollte immer die große weite Welt sehen und Menschen treffen. Und ich habe immer so viel riskiert. Ständig war ich wegen irgendetwas in Schwierigkeiten. Aussehen tue ich wie meine Mutter, aber meinen Charakter habe ich von ihm, das haben alle gesagt." Ihre Stimme stockte wieder und der Kloß im Hals wollte einfach nicht mehr verschwinden. Sie hatte die ganze Zeit geflüstert, aber sie war sich sicher, dass Oreas jedes Wort verstanden hatte. "Du bist seine Tochter." Er sog scharf die Luft ein. Es war eine Feststellung gewesen. Seine Stimme zitterte. Er hatte sich auch gesetzt und umklammerte die Kante des Tisches, auf dem er saß. Celia nickte, auch, wenn es überflüssig war. "Du bist Toheras' Tochter." Sie nickte wieder. Lange Zeit saßen sie einfach nur da und schwiegen einander an. Es war einfach zu bizarr. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Vater vielleicht einfach nicht zurückgekommen war, weil er in der Menschenwelt ein besseres Leben hatte. Eine bessere Familie. Sie war immer davon ausgegangen, dass er einfach nur zuviel zu tun hatte. Oder dass er den Weg nicht gefunden hatte. Sogar damit, dass er tot war, wenn sie ehrlich zu sich selbst war. Sogar das war wahrscheinlicher als der Gedanken, dass er nicht wieder zurück wollte. Sie schluchzte. Und jetzt hatte sie einen Bruder. Und sie wusste nichts mit ihm anzufangen, weil sie so einen schlechten Start gehabt hatten. Er mochte sie nicht einmal. Irgendwann durchbrach sie die Stille. "Erzähl mir von ihm.", verlangte sie mit brüchiger Stimme. Oreas hob den Kopf und schien einige Sekunden zu brauchen, bis er sie verstanden hatte. Dennoch dauerte es etwas, bis er anfing zu antworten. "Vater... Vater ist ein schwieriger Mensch. Elf, wenn man es genau nimmt. Vielleicht hatten die anderen Elfen ja Recht, als sie gesagt haben, dass du ihm ähnlich bist. Irgendwie. Aber nicht ganz. Vater ist ein Idealist. Und er kümmert sich um Dinge, die ihn nichts angehen. Dafür ignoriert er die Dinge, um die sich kümmern sollte. Er folgt immer einer Art größerem Ziel, weißt du. Dafür verrät er seine Freunde, auch obwohl sie ihm etwas bedeuten. Wir hatten einen Streit deswegen. Nachdem meine Mutter gestorben war. Danach wurde er irgendwie so rastlos, als bräuchte er unbedingt eine neue Beschäftigung. Ich wollte, dass er mir beim Hof hilft. Aber er wollte die furchtbare Welt verbessern. Mich hat er alleine gelassen. Mit dreizehn. Weil ihm Fremde wichtiger waren als ich. Und mir hat er damit mein Leben ruiniert, aber das war ihm egal." Man hörte ihm an, wie bitter und verletzt er war. Er war kurz davor, zu weinen, aber Celia sagte nichts dazu, sie wollte ihn nicht gegen sich aufbringen. "Er und der König waren einmal gute Freunde.", fuhr er fort. "Der König mochte meinen exotischen Vater. Und mein Vater mochte ihn. Vielleicht war es auch nur die Aufmerksamkeit. Keine Ahnung. Damals war ich noch zu klein, um das alles zu verstehen. Aber dann hat er angefangen ihn zu kritisieren. Ihm zu sagen, dass er sich mehr um sein Volk kümmern muss. Er hat ihm gesagt, dass er mit schuld den Problemen seiner Bürger ist. Wie du aus unserem kleinen Treffen heute schließen kannst, mag der König keine Kritik. Und erst recht keine direkte. Sie haben sich zerstritten. Das war kurz nachdem Melanon nach Perelos geschickt wurde. Und Vater hat sich mit einer Gruppe von Leuten zusammengetan, die sich gegen ihn auflehnen. Weil er das Leben der Menschen verbessern will. In Wirklichkeit macht er alles nur noch schlimmer, aber das sieht er ja nicht." Die beiden schwiegen sich wieder an. Jeder war damit beschäftigt, das neue Wissen in das Bild ihres Vaters einzufügen. "Ich verstehe ihn nicht.", sagte Celia schließlich. "Da bist du nicht allein.", erwiderte Oreas. "Womit ist sie nicht allein?" Zwei Köpfe fuhren herum. Melanon stand in der Tür und sie beide hatten die Scharniere überhört, so versunken waren sie in ihren Gedanken. Er sah abwechselnd von einem zum anderen. Es dauerte, bis Celia ihn erkannte. Er trug nicht mehr dieselbe graue Kutte wie sonst. Stattdessen trug er ein blaues Gewand mit langen, wallenden Ärmeln, zahlreichen gestickten Details und einer Unmenge goldener Knöpfe. Als Celia ihn erkannte, konnte sie nicht anders, als offen zu starren. Er sah so... anders aus. Ja, anders war ein gutes Wort. Sie konnte die Art der Veränderung nicht wirklich benennen, aber es war, als wäre er ein komplett anderer Mensch. Es war nicht so, dass ihm diese Kleidung nicht stand. Das war es mit Sicherheit nicht. So sah er nur mehr wie ein Prinz aus. Etwas, das Celia niemals vermutet hätte. Kleider machten eben doch Leute. "Damit, dass sie Vater nicht versteht.", antwortete Oreas matt. Melanon zuckte mit den Schultern. Eine Geste, die in dem blauen Gewand irgendwie merkwürdig aussah. "Toheras versteht wohl kaum einer. Außer deiner Mutter vielleicht." Er sah sich die beiden noch einmal an. Und runzelte die Stirn. Celia war klar, dass sie und Oreas ein ungewöhnliches Bild abgeben mussten. Sie selbst hatte sich auf dem Sofa zusammengekauert und war furchtbar verheult. Oreas saß auf dem Tisch und krallte sich immer noch in die Kante. Es musste inzwischen wehtun. Und natürlich konnte Melanon nicht im Geringsten ahnen, was los war. "Vater lässt euch ausrichten, dass er euch nach der langen Reise nicht zuviel zumuten will, deshalb könnt ihr hier essen. Mit anderen Worten: Er will euch heute nicht mehr zu Gesicht bekommen. Die Diener werden das Essen bringen. So erspart ihr euch jedenfalls das zweifelhafte Vergnügen, mit meinen Geschwistern zu speisen. Bis Morgen, da wird eure Anwesenheit ausdrücklich erwünscht." Er erhielt keine Reaktion. "In Ordnung, raus mit der Sprache, was ist hier los?" Wieder antwortete keiner. Oreas starrte in die Leere und Celia versuchte krampfhaft überall hinzusehen, nur nicht zu den beiden. Die Blumenvase in der Ecke zum Beispiel war sehr interessant, oder das feine Muster des Steines auf dem Boden. Die feinen, gräulichen Linien mit dem teilweise bräunlichen oder bläulichen Einschlag, zerteilten den weißen Stein in viele kleine Eisschollen. Offenbar musste sie ihre Meinung über Ronia revidieren. Es war nicht weiß, es war nur weißlich. Oreas atmete schließlich tief ein, vermutlich, um sich etwas zu entspannen, und zog damit die Aufmerksamkeit Melanons und Celias auf sich. "Als ich gesagt habe, dass sie Vater nicht versteht, habe ich nicht von meinem Vater gesprochen, sondern von unserem.", es war Celia ein Rätsel, wie er das in einem sachlichen trockenen Ton hervorbringen konnte. Ohne zu stottern, noch dazu. Es herrschte Totenstille. Celia schniefte. Oreas atmete hörbar wieder aus. Und Melanon sah wieder von einem zum anderen. Celia nickte nur leicht, um die Aussage ihres Bruders (das klang in ihren Ohren einfach nur fremd und ungewohnt) zu bestätigen. "Oh.", war das einzige, was Melanon dazu einfiel. Komisch, dabei hatte er sonst immer etwas Intelligentes gesagt. Das musste ihn wirklich geschockt haben. Und so ganz verarbeitet hatte er es wohl auch noch nicht. Denn er blinzelte immer noch. "Ihr seid also Geschwister?", hängte er noch an. Oreas schnaufte. Man konnte das wohl als "ja" deuten. Die Stille wurde erst wieder unterbrochen, als drei Diener mit vollbeladenen Platten den Raum betraten. Es war Celia ein Rätsel, wie es ihnen gelang, die riesigen, mit Essen beladenen Dinger zu balancieren. Sie waren garantiert furchtbar schwer. Aber es klappte, und sie sahen dabei sogar irgendwie elegant aus. Als sie schließlich vor ihr standen, staunte sie nicht schlecht. Sie wusste beim besten Willen nicht, wer das alles essen sollte. Es hätte locker für sechs Personen gereicht. Das Essen wurde eine schweigsame Angelegenheit. Jeder nahm sich, was er mochte, oder in Celias Fall, das, wovon sie dachte, dass es ihr schmecken könnte. Sie kannte die ganzen Sachen nicht. Beziehungsweise erkannte sie nicht. Das Essen war in eine so kunstvolle Form gebracht worden, dass sie einige Gemüse- und Obstsorten nicht erkannte, obwohl sie sie schon gegessen hatte. Am Ende blieb über die Hälfte übrig. Was für eine Verschwendung. Melanon verabschiedete sich und sagte, er würde am nächsten Morgen wiederkommen. Um sie "zur Folter abzuholen", wie er es ausdrückte. Celia hatte jetzt schon Angst vor seiner Familie, obwohl sie erst seinen Vater getroffen hatte. Celia und Oreas blieben alleine zurück. Sie schwiegen sich weiter an, bis Oreas schließlich aufstand und zu seinem Zimmer ging. An der Tür hielt er inne und brummte ein "Gute Nacht". Celia wünschte ihm das gleiche. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, blieb sie noch eine Weile sitzen, bis sie es ihm gleichtat. In ihrem Zimmer holte sie sich ihr Schreibzeug aus ihrem Rucksack, von dem sie keine Ahnung hatte, wie er hier hin gelangt war, und schrieb alles auf, was an diesem Tag passiert war. Vor allem das, was Oreas über ihren Vater erzählt hatte. Sie verstand ihn wirklich nicht. Und sie musste einsehen, dass das Bild, das sie von ihm hatte, falsch war. Aber noch hatte sie kein neues Bild, um das zerstörte zu ersetzten. Und das verunsicherte sie, denn das Bild von ihrem Vater hatte sie ihr ganzes Leben lang begleitet. Ohne es fehlte ihr ein Teil ihrer Identität, denn sie hatte sich immer über ihren Vater definiert. Sie wusste nicht, ob sie noch länger wie er sein wollte. Oder überhaupt mit ihm verglichen werden wollte. Ihr ganzes Ich war in seinen Grundfesten erschüttert worden. Oreas war eine ganz andere Sache. Und sie fühlte sich ihm auf eine nicht genau zu erklärende Art nahe. Vielleicht lag es daran, dass sie beide von demselben Menschen im Stich gelassen wurden. So konnte sie ihn auch besser verstehen. Warum er so war. Und warum er so abweisend auf sie reagiert hatte. Für Celia stand fest, dass sie ihren Bruder (sie hatte sich immer noch nicht an dieses Wort gewöhnt) besser kennen lernen wollte. Er war schließlich ihre Familie. Und vermutlich war er ihr ähnlicher, als sie beide wussten. Schließlich waren sie beide dem Rest ihrer Familie nicht besonders nahe. Celias Verwandtschaft verstand sie nicht und belächelte sie. Und Oreas' Verwandte wollten nichts mit ihm zu tun haben (sie erinnerte sich an den Besuch bei seinem Vetter). Auf eine verdrehte Art war auch beides die Schuld ihres Vaters. Sie hoffte nur, dass Oreas sie akzeptieren und nicht zurückstoßen würde. Sobald sie die Gelegenheit dazu hatte, würde sie außerdem Melanon und vielleicht Oreas ausfragen. Etwas ging in diesem Land vor, was sie nicht im Geringsten verstand. Und sie wollte Antworten, denn es hatte mit ziemlicher Sicherheit mit ihrem Vater zu tun. Und somit auch mir Oreas, egal wie sehr er es zu ignorieren versuchte. Und da Melanon der Prinz war, war er zwangsläufig auch in alles verstrickt. Noch so ein Punkt. Melanon hatte ihr eine Menge zu erklären. Als sie sich endlich hinlegte, stellte sie fest, wie sehr der Tag sie erschöpft hatte. Sie war praktisch sofort eingeschlafen. TBC Kapitel 11: Déjà vu ------------------- Caronia Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 11/? Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: keine, außer dass der Schwachsinn von mir ist Claimer: wie gesagt, der Schwachsinn gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment A/N: Mal wieder ein mehr oder weniger sinnloses Kapitel. Trotzdem war es mir wichtig, ein bisschen mehr über Melanons Familie zu schreiben. Kapitel XI: Déjà vu Am nächsten Morgen durfte Celia feststellen, dass Melanon nicht übertrieben hatte, als er von einem Essen mit seiner Familie als "Folter" gesprochen hatte. Es sollte eine der merkwürdigsten und surrealsten Erfahrungen werden, die sie in der Menschenwelt gemacht hatte. Und es hatte nicht besonders viel mit einem Frühstück in der Familie gemein. Sogar sie verhielt sich besser, wenn sie mit ihren Verwandten aß. Das hoffte sie zumindest. Der Tag versprach schon, verwirrend zu werden, als Melanon sie abholte - und sie ihn wieder nicht gleich erkannte. Dieses Mal trug er weinrot mit goldenen Knöpfen und nicht so langen Ärmeln, dafür mit einem übermäßig stark geschmückten Gürtel und einem auffälligen Kragen. Es würde definitiv dauern, bis sie sich an den ständigen Wechsel der Kostüme gewöhnt hatte. Der Speisesaal war die nächste Überraschung. Es handelte sich wirklich um einen Saal, genauso weiß wie der Rest des königlichen Palastes, aber dieses Mal fiel es ihr nicht so sehr auf, denn ihr Blick klebte an der langen Tafel, die über und über mit Essen beladen war. Der Umgang mir Nahrung verstörte sie wirklich, denn es blieb immer so viel übrig. Sie hoffte, dass man es nicht einfach wegwerfen würde, aber einige der Waren sahen so aus, als würden sie verderben, wenn man sie nicht sofort essen würde. Im Wald war Essen knapp gewesen, deswegen verschwendeten die Elfen nichts und lagerten alles so lange wie möglich. Es machte sie wütend, dass all das Essen nur für die acht Personen gedacht war, die um sie Tafel herum Platz nahmen. Celia setzte sich zwischen Oreas und Melanon, auch wenn man nicht wirklich von "zwischen" reden konnte, denn beide saßen zwei Meter von ihr entfernt. Sie hoffte, es machte nichts, dass sie sich einfach an irgendeinen Platz setzte, die Tafel machte nämlich den Eindruck auf sie, dass es feste Plätze gab. Aber niemand beschwerte sich. An den beiden Enden der Tafel hatten Melanons Eltern Platz genommen. Meror blickte genauso von sich selbst eingenommen wie am Vortag und musterte seine Gäste und seinen jüngsten Sohn, die von ihm aus gesehen auf der rechten Seite der Tafel saßen. Seinen anderen Kindern an der linken Seite schenkte er keine Beachtung. Celia freute sich nicht wirklich ihn wiederzusehen. Ein Essen, bei dem sie das Gefühl hatte, von Blicken durchbohrt zu werden, reizte sie nicht wirklich. Gegenüber dem König saß die Königin. Jamia, wie Melanon ihr gesagt hatte. Man sah deutlich, dass sie seine Mutter war, denn er hatte seine dunkelblonden Haare, sein Gesicht und seine ausdrucksstarken blauen Augen von ihr geerbt. Nur wenn man ganz genau hinsah, konnte man auch Spuren von seinem Vater in ihm erkennen. Königin Jamia war schön, und es lag nicht nur an ihrem ebenmäßigen Gesicht, sondern vor allem an ihren Augen. Sie waren warm. Während der Blick des Königs ihr ganz und gar nicht behagte, störte der der Königin sie überhaupt nicht. Es ergab eine nicht einzuordnende Gefühlsmischung, als beide sie gleichzeitig studierten. Gegenüber von Oreas saß der ältere Sohn des Königs, Treor. Melanons älterer Bruder war arrogant, das sah man auf den ersten Blick. Seine Kleidung war bunt und auffällig und Celia hatte den schleichenden Verdacht, dass Melanon sich seine Kleidung von ihm borgen musste. Treor hatte die Haare seiner Mutter geerbt, aber unglücklicherweise außerdem die Nase seines Vaters, die in seinem Gesicht sehr unvorteilhaft war. Obwohl das vielleicht daran lag, dass er und Oreas sich gerade hasserfüllt anstarrten, er besaß vielleicht eine eigene Art Attraktivität, wenn er einmal freundlich aussah. Falls er das denn jemals tat. Und für Oreas stellte er im Sich-Mit-Blicken-Angiften auch nicht wirklich eine Herausforderung dar. Celia wurde von ihm zum Glück die meiste Zeit ignoriert und Melanon bedachte er hin und wieder mit demselben Blick, der sonst für Oreas zu reserviert sein schien. Celia gegenüber saß Melanons ältere Schwester, Hina, die in wenigen Tagen ihren dreiundzwanzigsten Geburtstag feiern würde. Genauso wie ihre Verlobung. Wer auch immer der Ärmste sein mochte, Celia war froh, nicht in seiner Haut zu stecken. Hina war schön, keine Frage. Ihre braunen Haare umrahmten ein symmetrisches Gesicht. Dennoch war sie nicht auf dieselbe Art schön wie ihre Mutter. Jamia bildete mit ihrer waren Ausstrahlung einen krassen Gegensatz zu ihrer Tochter, die mit ihrer kühlen Art wie ein Raubtier auf Celia wirkte. Eine Eigenschaft, die sie von ihrem Vater hatte. Und das machte sie nicht unbedingt sympathischer. Denn im Moment war Celia eindeutig die Beute, die von Hina ins Auge gefasst wurde. Sie sah von oben bis unten abschätzig an ihr herab (soweit es die Tafel ihr erlaubte) und nahm dabei jedes noch so kleine Detail in sich auf. Die Verzierung am Kragen ihres Wamses, ihre Augen, die Haltung. Und offenbar missfiel ihr, was sie sah, den sie verzog die Lippen und rümpfte leicht die Nase. Celia wusste beim besten Willen nicht, was an ihr nicht stimmte, aber die Prinzessin machte auch keine Anstalten, es ihr zu erklären oder sie lächerlich zu machen. Unglücklicherweise war es dafür auch noch nicht zu spät. Aber wenigstens schien ihr eine Schonfrist eingeräumt worden zu sein, und Celia wandte ihren Blick der letzten Person zu, die an der Tafel saß. Melanons kleine Schwester Phila war fünfzehn und der einzige Mensch aus Melanons Familie, mit Ausnahme Jamias, den Celia auch nur annähernd auf den ersten Blick mochte. Wie gesagt, annähernd. Denn die anfänglich vorhandene Sympathie wurde augenblicklich von der Tatsache gedämpft, dass es für Phila offenbar nichts Interessanteres gab als die Elfe. Ihre Ohren schienen es ihr besonders angetan zu haben und die junge Prinzessin starrte sie unentwegt an. Außerdem konnte sie nicht still sitzen und rutschte immer wieder auf ihrem Stuhl hin und her. Vielleicht lag es auch nur an ihrer Ähnlichkeit zu ihrer Mutter und Melanon, dass sie das Mädchen sympathisch fand. Irgendwie jedenfalls. Vielleicht auch einfach nur daran, dass sie ihr keine bösen Blicke schenkte. Das Essen hatte also noch nicht einmal begonnen und sie wurde von vier der anwesenden acht Personen angestarrt. Es gelang ihr gerade noch, einen erleichterten Seufzer zu unterdrücken, als der König endlich begann zu essen. Das Zeichen, dass die anderen es auch durften (sie war Melanon jetzt noch dankbar dafür, dass er ihr auf dem Weg zum Saal in der Zusammenfassung alles wichtige über seine Familie und den Ablauf des Essen erklärt hatte, sie hätte sie restlos blamiert). Auch, wenn sie dank der Blicke nicht wirklich hungrig, sondern eher nervös war, nahm sie sich etwas und aß tapfer. Sie wusste zwar nicht wirklich, was es war, aber schenkte dem auch nicht gerade viel Beachtung. Die anderen, besonders Hina und Phila, starrten sie immer noch an. "Oreas, Celia", sprach die Königin schließlich, "Ich möchte euch dafür danken, dass ihr meinem Sohn das Leben gerettet habt." Sie neigte ihren Kopf leicht, um ihre Aussage zu unterstreichen. Oreas nickte. Celia folgte nach der anfänglichen Überraschung seinem Beispiel. Vielleicht würde das Essen doch nicht so fürchterlich werden, wie sie es sich vorstellte. Doch sie sollte sich irren, denn offenbar glaubt nun jeder ungehindert reden zu können. "Wie lange werden sie bleiben, Vater?", fragte Treor. Man hörte deutlich, dass er auf eine antworte hoffte, die ihm eine weiteres Zusammentreffen mit Oreas ersparen würde. Anstatt zu essen war er nämlich nun wieder damit beschäftigt, seinem Gegenüber hasserfüllte Blicke zuzuwerfen. Der König seufzte. "Nun, das steht noch nicht fest. Eine Woche bleiben sie sicherlich." Ah, wie gut, dass man sie auch fragte. Sie fand den König äußerst unhöflich. Und Melanons großen Bruder auch. "Dann müssen wir sie aber unbedingt zu Hinas Verlobungs- und Geburtstagsfeier einladen, Meror.", sagte Jamia erfreut. Das war wirklich keine gute Idee gewesen, das war Celia sofort klar. Und wie sie es sich dachte- "Aber das geht doch nicht Mutter!", empörte sich Hina. Ihre Stimme klang unangenehm in Celias Ohren nach, so hoch war sie. "Wieso denn nicht, das wäre doch toll!", jauchzte Phila. In diesem Moment hätte Celia sich am liebsten unter dem Tisch verkrochen, denn die Stimmung wurde immer angespannter. Die ältere Schwester war kurz davor, die jüngere zu massakrieren. "Das ist eine Waldelfe Phila! Sie besitzt doch noch nicht einmal etwas Vernünftiges zum Anziehen. Sieh dir diesen... diesen Fetzten doch an. In so etwas kann ich sie unmöglich auf der Feier dulden!" Celia fand nichts, was es an ihrem Wams auszusetzen gab, aber andererseits hatte sie sich noch nie viel aus Mode gemacht. Und wenn sie ehrlich war, der Gedanke, auf die Feier zu gehen machte ihr eher Angst als dass er sie reizte. Nein, das musste wirklich nicht sein. Sie stellte sich den Rest der Oberschicht Ronias so vor, wie den König und seine Familie und sie wollte auf keinen Fall mehr als nötig in Gesellschaft solcher Menschen verbringen. "Na und, dann leihen wir ihr eben etwas. Du brauchst doch sicher nicht alle deine schönen Kleider. Es wäre doch eine Verschwendung, wenn du sie in deinem Schrank vermodern lässt!", erwiderte Phila trotzig. Celia wusste nicht, ob sie dem Mädchen dankbar sein sollte, weil sie sie verteidigte. "Aber ich kann ihr doch nicht einfach eines meiner Kleider geben! Es würde ihr gar nicht passen. Sie sind nämlich alle maßgeschneidert und sieh dir nur an, wie dürr die Elfe ist! Und ich will, dass alles perfekt ist. Die Elfe kann bestimmt noch nicht einmal tanzen. Ganz zu schweigen von ihren Manieren.! Ich will sie nicht auf meiner Feier!" Hina hatte sich auf das Niveau ihrer Schwester herabgelassen. Jetzt argumentierten sie beide wie Kleinkinder. "Du kannst doch seit Monaten von nichts anderem reden als von deiner dummen Feier, du blöde Kuh!" "Halt die Klappe, du kleines Monster. Das ist der wichtigste Tag in meinem Leben, natürlich soll alles perfekt sein. Du bist doch nur sauer, weil es mal nicht um dich geht." Noch während Phila ihrerseits ihre Schwester beleidigte, mischte sich Treor ein. "Hina hat recht, Mutter", hörte sie ihn von der anderen Seite des Tisches, "Was würde das Volk denken, wenn der da" - er nickte in Oreas' Richtung - "zu so einem wichtigen Anlass eingeladen wäre? Du weißt, wer sein Vater ist. Das wäre ein Skandal. Unsere Position ist so schon unsicher genug. Wir können uns keine Patzer erlauben. Und erst recht nicht so einen groben. Wer weiß schon, was er machen würde? Wahrscheinlich würde er uns alle an diesem Abend bloßstellen." "Ich fürchte, ich muss Treor zustimmen, meine Liebe. Es würde keinen guten Eindruck machen, wenn er eingeladen wäre.", schaltete der König sich ein. "Aber sie haben unseren Sohn gerettet. Es würde unsere Position sicher nicht schwächen, wenn wir seine Retter einladen würden. Was seinen Vater angeht, so denke ich, dass es unseren Großmut beweisen würde, wenn er kommen würde. Du würdest einen positiveren Ruf bekommen, Meror.", protestierte die Königin. "Ich will sie aber nicht dabei haben, Mutter!", empörte sich Hina erneut. Ihre Stimme wurde immer lauter und Celia musste sich zusammenreißen, um nicht zusammenzuzucken, wann immer sie etwas sagte. "Warum musstest du nur die Dummheit begehen und die beiden mit hierher bringen, Bruder? Es ist schon schlimm genug, dass du die Schule der Magier verlassen musstest, bevor du deinen Abschluss gemacht hast. Kannst du eigentlich nichts richtig machen? Nein, wohl eher nicht, du kannst ja nicht einmal auf dich selbst aufpassen.", spottete Treor. "Stimmt, du machst uns nur Probleme. Du könntest uns wirklich allen mal einen Gefallen tun und dich wie ein anständiger Prinz benehmen.", warf Hina ein. Und so ging es das gesamte Frühstück über weiter. Hina und Phila stritten sich und benutzten dabei Schimpfworte, die Celia noch nie gehört hatte. Hinas Stimme tat ihr in den Ohren weh. Der König und die Königin argumentierten, ob sie und Oreas nun kommen würden oder nicht, dabei waren sie nicht einmal so höflich zu fragen, ob sie überhaupt kommen wollten. Ihre Argumente wiederholten sich auch mit der Zeit. Treor meckerte über alles und jeden, vorzugsweise seine streitenden Schwestern und Oreas. Melanon machte nicht einmal den Versuch, sich zu verteidigen und Celia war bald total verwirrt, weil sie versuchte, allen auf einmal zu folgen. Oreas schien der einzige zu sein, der die Bezeichnung "Frühstück" wirklich ernst nahm. Es aß seelenruhig und ignorierte alles um sich herum. Es war schon ein komisches Bild und sie wunderte sich insgeheim, dass keiner der Diener, die an der Wand und an den Türen standen, auch nur eine Miene verzog. Sie selbst war einfach zu paralysiert von dem ständigen hin und her. Wie es Oreas allerdings gelang, Treor auszublenden, war Celia ein Rätsel, denn der schien einen Großteil seiner abfälligen Bemerkungen über ihn zu machen. Das Ganze (Frühstück) endete damit, dass Hina eingeschnappt und die Arme verschränkt schmollte, Phila fröhlich auf ihrem Stuhl herumrutschte, Treor sichtlich wütend, der König resigniert und die Königin zufrieden war. Das selbstzufriedene Grinsen von Phila ließ Celia böses ahnen, auch wenn sie noch nicht wusste, was. Die Königin hatte am Ende schließlich ihren Willen bekommen. Dieses Mal. Celia und Oreas würden zu dem Ball gehen müssen. Dabei wäre Celia an diesem Abend am liebsten in ihrem Zimmer geblieben. Sie war auch etwas wütend, zeigte es aber nicht, weil das den Gastgebern gegenüber unhöflich gewesen wäre. Sie hätten wirklich fragen können. Aber wie es aussah hätte Widerspruch sie auch nicht weitergebracht. Dabei wären so alle (außer der Königin und Phila vielleicht) glücklicher und sie hätten ein friedliches Frühstück gehabt. Aber man hatte ja nicht gefragt und so hatte sie jetzt den Schlammassel. Sie würde Hina am besten für den Rest ihres Aufenthaltes aus dem Weg gehen. Wer wusste schon, was sie ihr antun würde, wenn sie sie alleine erwischte. Vielleicht würde sie ihr die Augen auskratzen. Sobald die Tür zu ihren Räumen hinter ihr ins Schloss fiel, stöhnte Celia auf und ließ sich an der Tür auf den Boden sinken. Das war wirklich zuviel gewesen, so früh am Morgen. Oreas Mundwinkel zuckten leicht, aber auch ihn schien die Aussicht auf einen Abend unter Hyänen sonst nicht gerade zu amüsieren. * Nachdem Melanon ihr den Palast gezeigt hatte, verbrachte Celia einen Großteil ihrer Zeit in der Bibliothek, um alte Geschichtsbücher, Chroniken und Enzyklopädien zu wälzen. Sie verlor sich meistens so sehr im Studium der Bücher, dass man sie immer extra zum Essen rufen musste. Die restlichen Mahlzeiten liefen zum Glück friedlicher, was wohl alle Beteiligten freute. Nur Treor und Hina hackten öfter auf ihrem Bruder herum. Außer ihr schien sich aber niemand darüber zu wundern. Natürlich war Hina auch alles andere als freundlich ihr gegenüber. Sie fing sich einige missbilligende Blicke ein, wenn sie mit Tintenflecken auf den Händen zu spät zum Essen erschien. Am vierten Tag hatte Celia aber ausnahmsweise keine große Lust auf staubige Bücher. Am Vortag hatte es geregnet, aber nun war es wieder schön, und so entschloss sie sich, in die Gärten des Palastes zu gehen. Sie hatte die Sonne vermisst, an all den Tagen, die sie in dem unnatürlich weißen Gebäude eingesperrt gewesen war. Die Gärten hatten auch noch einen weiteren Vorteil. Dort konnte sie sich wenigstens nicht so leicht verlaufen. Es war ihr im Inneren des Palastes schon öfter passiert, dass sie die falschen Türen geöffnet hatte und einmal hatte sie sich sogar in der Küche wiedergefunden. Die Gärten waren wirklich schön. Exotisch und gut gepflegt, aber Celia war das alles eigentlich viel zu künstlich. Sie mochte die freie Natur um Welten lieber. Besonders die Wälder, aber das würde wohl niemanden überraschen. Dort sah jeder Baum anders aus und hatte durch Wind und Wetter seinen eigenen Charakter bekommen. Hier waren alle Pflanzen so zurecht gestutzt worden, dass sie gleich aussahen. Nichts war echt, alles war unwirklich. Aber nichtsdestotrotz schön. Und wenigstens waren es Pflanzen und die hatten ihr in den leblosen, kalten Steinwänden wirklich gefehlt. Sie stoppte, als sie Oreas erspähte, der unter einem Baum im Schatten saß und auf einen steinernen Springbrunnen mit Statuen von Tieren und Menschen, der aus mehreren kleineren und größeren Fontänen bestand. Sie waren sich gegenseitig aus dem Weg gegangen, seit dem ersten Abend. So ganz war es immer noch nicht zu ihr durchgedrungen, dass er tatsächlich ihr Bruder war. Ihr kleiner Bruder noch dazu. So konnte sie ihn sich wirklich nicht vorstellen. Als älteren Bruder schon eher, und sie hatte das Gefühl, dass sie ihn auch unbewusst immer so sehen würde. Sie waren wohl auch fast gleich alt, da war das nicht so wichtig. Einen Moment lang wollte sie wieder umkehren, doch dann entschied sie, dass es an der Zeit war, dass sie mit ihm redete. Schweigen brachte sie auch nicht weiter. Und schließlich konnte sie hoffen. Die wenigen Worte, die sie gewechselt hatte, waren zwar distanziert, aber trotzdem noch höflich gewesen. Eine echte Verbesserung, wenn man bedachte, wie sie angefangen hatten (Sie erinnerte sich mir Schaudern an das eine Mal, als er sie angeschrieen hatte.). Also setzte sie sich einfach neben ihn unter den Baum. Er reagierte nicht, aber sie war sich sicher, dass er sie bemerkt hatte. Er war ja ein Halbelf. Und vielleicht verunsicherte ihn das alles genauso wie sie. Sie wusste nicht, wie lange sie schon unter dem Baum gesessen hatten, bis sie endlich ihren Mut zusammenkratzte und eine Frage stellte. Auf jeden Fall saß sie inzwischen zur Hälfte in der Sonne. Es war zwar warm, aber noch nicht zu heiß, also blieb sie einfach sitzen. "Oreas... könntest du mir von deiner Mutter erzählen?" Sie hatte ihm diese Frage schon lange stellen wollen. Was für eine Frau sie wohl gewesen war? Immerhin hatte ihr Vater sich in sie verliebt. Sie musste also auf jeden Fall etwas besonderes gewesen sein, dessen war sie sich sicher. Oreas machte nicht die geringste Bewegung, die andeutete, dass er sie gehört hatte. "Meine Mutter...", er machte eine Pause, als schwelge er in Erinnerungen an bessere Zeiten. Celia kannte diesem Blick von Melanons Gesicht. Oreas lächelte kurz. "Sie war großartig. Eigentlich war sie nichts besonderes, die Tochter eines Bauern, aber sie hatte so eine Ausstrahlung. Jeder mochte sie. Ich kann es nicht genau erklären. Auf jeden Fall war sie wunderschön. Und so voller Liebe für alles auf der Welt. Ich kann mich nicht daran erinnern, sie je wütend gesehen zu haben. Vater hat sie kennen gelernt, kurz nachdem er den Wald verlassen hatte und sie haben sich sofort verliebt. Es hat kein Jahr gedauert, bis ich geboren wurde. Leider war meine Mutter auch sehr kränklich. Bei meiner Geburt wäre sie fast gestorben, deswegen habe ich auch keine Geschwister, na ja, du weißt schon." Er lachte kurz auf und zupfte nervös an den uniformen Grashalmen um sie herum. "Und dann ist sie krank geworden. Eine Lungenentzündung. Sie ist nicht wieder gesund geworden. Da war ich elf." "Was ist mit deiner Mutter?", fragte er schließlich. Celia überlegte, wie sie es ausdrücken sollte. "Na ja... ich habe kein so gutes Verhältnis zu ihr. Sie liebt mich, das weiß ich. Und Vater liebt sie auch immer noch. Aber sie hat mich schon lange aufgegeben. Genau wie ihn. Irgendwann hat sie einfach gemerkt, dass ich ein hoffnungsloser Fall bin, dass da was in mir drin ist, das sie einfach nicht versteht und das mich von ihr entfremdet. Wie bei Vater. Das tut weh, aufgegeben zu werden, meine ich, sie hätte sich ja wenigstens etwas mehr um mich bemühen können. Ich musste nur noch für öffentliche Auftritte so tun, als wäre alles in Ordnung. Jetzt ist sie Elfenkönigin. Ich bin am Tag ihrer Krönung weggegangen. Ich habe noch nicht einmal zugesehen." Oreas sagte nichts. "Weiß du wirklich nicht, wo Vater ist?", fragte Celia. Sie erinnerte sich an das, was er dem König gesagt hatte. "Nicht genau. Er ist irgendwo im Süden in der Steppe. In Erador habe ich ein paar alte Bekannte gefragt. Daher weiß ich es so ungefähr." "Du hast den König belogen." "Nein, ich habe es nicht anders gemacht als du. Es hängt ganz davon ab, wie man "wissen" definiert. Ich weiß mehr als der König, aber immer noch nichts genaues." Die beiden grinsten sich an. Sie konnten den König also beide hinters Licht führen ohne zu lügen. "Sag mal, was machst du hier eigentlich den ganzen Tag." "Trainieren, was sollte man hier sonst machen?" "Lesen?" "Das ist vielleicht etwas für dich, aber den ganzen Tag in einer stickigen und verstaubten Bibliothek zu sitzen... das kann ich einfach nicht. Da wird man doch irgendwann verrückt." "Hmm, nach ein paar Tagen hält man es da drin wirklich nicht mehr aus. Es gibt ja kaum Fenster." Schweigen. "Was trainierst du denn den ganzen Tag?" "Schwertkampf." "Bist du gut? Du bist es bestimmt. Ich habe dich ja gesehen." Für ein paar Sekunden flackerten die undeutlichen Bilder von der Nacht im Wald vor ihren Augen, aber sie verdrängte sie bald wieder. Oreas nickte. Sein Blick was wieder auf die Fontäne gerichtet, aber Celia war sich sicher, dass er sie gar nicht sah. "Kann ich mal zusehen?" Oreas war erst überrascht, aber er fing sich wieder, auch wenn es ihm sichtlich schwer fiel, ein Schmunzeln zu unterdrücken. "Ja." Sie hatte sich wirklich nicht geirrt, als sie vermutet hatte, dass Oreas gut war. Er war sogar mehr als gut. Er trainierte mit den Soldaten der königlichen Wache (den Männern in den komischen Kostümen, die Celia am ersten tag so verunsichert hatten) in einer großen Halle am südlichen Rand des Palastbezirkes. Und er besiegte sie immer wieder. Sie hatten nicht einmal die geringste Chance. Dabei war es der Beruf dieser Männer, jeden zu besiegen, der dem König oder seiner Familie etwas antun wollte. Wenn Oreas wirklich vorhätte, den König oder jemand anderen in diesem Palast zu töten, stünden die Chancen gut, dass er es auch schaffen würde. Seine Bewegungen waren fließender als die seiner Gegner und er war schneller. Außerdem schien er Techniken zu beherrschen, die die anderen nicht einmal kontern konnten. Beim Training zuzusehen war im einiges spannender als über den Büchern zu hängen. Auch wenn sie Bücher liebte, hin und wieder musste sie einfach raus (und die Bücher durfte sie nicht mitnehmen, das hatte man ihr verboten). Seit diesem Tag saß sie öfter daneben, wenn Oreas trainierte. Mit der Zeit merkte sie sich sogar ein paar der Attacken und konnte vorhersagen, wie Oreas reagieren würde. Komisch, dass es den anderen nicht gelang. Sie konnte es sich auch nicht erklären, aber seit dem Gespräch war die Stimmung zwischen ihr und ihrem Bruder um einiges gelöster. Die ganze Spannung war irgendwie weg. Da konnten nicht einmal die komischen Seitenblicke der anderen Schlossbewohner ihre gute Stimmung trüben. Oreas hatte ihr erklärt, dass es sich für Frauen nicht schickte, sich für Schwertkampf zu interessieren. Aber die Meinung der anderen interessierte sie nicht. Oreas schien es sogar irgendwie witzig zu finden, wenn auch auf eine nette Art und Weise. An die Seitenblicke war sie auch schon irgendwie gewöhnt. Bei genauerer Betrachtung war der Palast genauso wie der Elfenwald. Eine abgeschottete Welt für sich. Und sie gehörte nicht dorthin. Sie wusste, sie würde nicht mehr lange bleiben. Und auf die Dauer würde sie es auch nicht aushalten. * Wirklich, je länger sie im Palast blieb, desto ähnlicher wurde er dem Elfenwald. Natürlich sahen die Bäume denen in ihrer Heimat nicht ähnlicher oder es wurde beim Essen das serviert, was sie aus ihrer Heimat gewöhnt war. Nein, die Ähnlichkeit war um einiges subtiler. Es würde niemandem auffallen. Außer ihr. Im Moment trug sie ein Kleid. Ein zitronengelbes, langes, mit Rüschen und dezenter Stickerei in einem etwas dunkleren Gelb. Der Ausschnitt war ihr viel zu tief und so ganz passte es ihr auch nicht. Das Kleid gehörte Prinzessin Hina. Und sie trug es auf ihrer Geburtstagsfeier. Unnötig zu sagen, dass die Prinzessin kochte, aber sie war gut darin, es sich nicht anmerken zu lassen. Oder aber niemand schenkte ihr genug Beachtung, um es zu bemerken. Was zutraf, da war sich Celia noch nicht ganz sicher. Die Wahl des Kleides war ebenfalls ein merkwürdiges Déjà vu gewesen. Phila hatte sie in Hinas Umkleidezimmer (so etwas gab es?) gezerrt und sie jedes einzelne Kleid anprobieren lassen. Bis auf das, was die Prinzessin auf ihrer Feier tragen würde. Ein violettes, das Celia wohl auch so nicht gestanden hätte. Einige Kleider musste sie sogar zwei Mal anprobieren, weil Phila schon vergessen hatte, wie sie an ihr aussahen und sie aus irgendeinem Grund trotzdem in die engere Wahl gekommen waren. Es war wirklich bizarr, wie sehr die Fünfzehnjährige Celias Mutter ähnelte. Es schockte die Elfe sogar so sehr, dass sie komplett vergaß, sich zu beschweren. Auch wenn das bei Phila wohl nicht wirklich gewirkt hätte. Das Mädchen war einfach zu stur. Nach Stunden der Tortur hatte sie sich köstlich amüsiert und sich schließlich für das zitronengelbe Kleid entschieden, weil es "ihre violetten Augen und ihren blassen Teint so gut betonen würde". Celia war an diesem Abend kraftlos ins Bett gefallen und wollte nicht einmal mehr essen. Nun, wo Celia auf dem Fest war, verstand sie auch endlich, warum Hina nicht gewollt hatte, dass sie kam. Alle, aber auch wirklich alle, starrten sie an. Und das seit einer guten Viertelstunde. Sie gaben sich noch nicht einmal ansatzweise Mühe, das zu verstecken. Es musste wohl daran liegen, dass sie eine Elfe war, und daran, dass sie zwischen Oreas (der sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hatte, von Phila in ein goldgelbes Gewand gesteckt zu werden und damit zwei Tage böser Blicke provoziert hatte. Er trug jetzt eines von Melanons grasgrünen Gewändern.) und Melanon (dieses Mal in violett, wie seine große Schwester) saß. Sie wäre am liebsten im Boden versunken, aber leider ging das nicht. Und höchstwahrscheinlich lag es doch nicht an Hinas ausgezeichneten Schauspielkünsten, dass niemand bemerkte, wie wütend sie war. Außer Celia (und Oreas und Melanon, die einzigen, die nicht damit beschäftigt waren sie anzustarren) schien das aber wirklich niemand zu bemerken. Selbst ihr Verlobter beachtete sie nicht. Inzwischen tat die Prinzessin ihr sogar irgendwie leid. Dieser Tag schien ihr wirklich wichtig zu sein, und sie sollte im Mittelpunkt stehen, tat es aber nicht einmal ansatzweise. Auch der König schenkte Celia mehr Aufmerksamkeit als seiner Tochter. Als sie ihr Zimmer verlassen hatte, hatten Oreas und Melanon nicht anders reagiert. Es musste wirklich an dem Kleid liegen. Wahrscheinlich hatte das dieselbe Wirkung auf die anderen wie Melanons ständig wechselnde Gewänder zu Anfang auf sie gehabt hatten. Als aufgetischt war, erhob sich der König schließlich und hielt eine Rede, in der er wohl davon sprach, wie stolz er auf seine Tochter war und wie sehr er sich doch freue, dass sie so einen guten Verlobten hatte. Jedenfalls glaubte Celia das. Sie hörte nicht wirklich zu, sondern sah sich die anderen Gäste etwas genauer an. Jetzt sahen sie nämlich nicht mehr sie, sondern den König an. Die meisten mit glasigem Blick und aufgesetztem Interesse. Nur einer schien sich nicht für seine Majestät zu interessieren. Er starrte sie immer noch unverwandt an. Seine spitzen Ohren waren das erste, was Celia an ihm auffiel. Das spitze, beinahe alterslose Gesicht und das schlohweiße Haar das nächste. Ganz unzweifelhaft ein Elf. Seine Augen waren grau, ebenso wie das weite Gewand, das er trug. "Zylas, das Anführer der Windelfen.", flüsterte Melanon kaum hörbar in ihr Ohr, er musste ihren Blick bemerkt haben. Der König schien seine Rede inzwischen beendet zu haben, denn mit einem Mal wurde es laut im Saal und die Menschen fingen an mit dem Geschirr zu klappern. "Man sieht ihn hier selten. Die Windelfen mögen die Menschen nicht besonders. Und erst recht keine größeren Menschenansammlungen. Ich frage mich, warum er da ist. Die Zwerge haben auch keinen Vertreter geschickt. Na ja, Hina hätte sie wohl auch nicht geduldet. Sie würden nicht ins Bild passen." Das Essen war köstlich. Daran konnte Celia nicht zweifeln. Auch wenn sie kaum etwas herunter bekam. Es war ihr einfach unangenehm, mit den vielen Menschen in einem Raum zu sein. Ihr Instinkt sagte ihr, sie solle vorsichtig sein. Komisch, dass sie dieses Gefühl in Erador am Ende nicht mehr hatte. Es musste wohl daran liegen, dass die Menschen dort meistens mit sich selbst beschäftigt waren und arbeiten. Vielleicht lag es auch daran, dass diese Situation aus dem Elfenwald so vertraut war und sie die Bankette dort schon immer als unangenehm empfunden hatte. Nach dem Festmahl wurde der Ball von Hina und ihrem Verlobten eröffnet. Die Prinzessin freute sich offensichtlich sehr über die Aufmerksamkeit, die ihr (endlich!) zuteil wurde. Celia konnte auch nicht bezweifeln, dass sie so wirklich großartig aussah. Ein echter Blickfang. In diesem Moment fand sie es schwer vorstellbar, dass die Prinzessin einen so furchtbaren Charakter hatte. Celia nutzte die Gelegenheit, um sich in einer Ecke zu verkriechen. Melanon hatte ihr zwar unter großer Mühe und mit (dank ihr) schmerzenden Füßen ein paar der üblichen Tänze beigebracht, aber sie konnte Musik und Tanz immer noch nicht wirklich auseinanderhalten und wollte nicht wirklich riskieren, sich bis auf die Knochen zu blamieren. Oreas Grinsen hatte ihr gereicht, er hatte nämlich beim Üben zugesehen und sich dabei ungemein amüsiert. Irgendwann war es Melanon dann aber doch gelungen, sie zu einem Tanz zu überreden. Sie hatte eingewilligt, weil sie Mitleid mit ihm hatte. Melanon konnte sich nicht einfach davor drücken, er war ja ein Prinz. Also tanzte sie mit ihm. Es war doch nicht so schlimm, wie sie es sich vorgestellt hatte und sie schaffte es sogar, ihrem Tanzpartner nicht wieder auf die Füße zu treten, aber wiederholen wollte sie diese Erfahrung deshalb noch lange nicht. Das war irgendwie wie ein Spießrutenlauf. Das permanente Angaffen hatte auch nicht unbedingt dazu beigetragen, dass sie sich wohler fühlte. Als sie die Tanzfläche wieder verließ, kamen dann auch noch einige Männer auf sie zu und wollte sie auch zum Tanz auffordern. Da wurde es ihr schließlich zuviel. Sie entschuldigte sich und sagte, dass es ihr nicht so gut ginge. Um auch weiter ihre Ruhe zu haben, ging sie hinaus in den Garten. Bei Nacht gefiel er ihr um Welten besser, auch wenn es etwas kühl war. Warum bedeckte dieses dumme Kleid auch kaum ihre Schultern? Die Sterne und der Halbmond spiegelten sich im Wasser der Halbmond standen an einem klaren Himmel und spiegelten sich im Wasser der zahlreichen Bäche, Teiche und Fontänen. Wenn man genau hinsah, funkelte der ganze Garten. Wirkte er schon bei Tag wie aus einer anderen Welt, so kam sie sich bei Nacht wirklich wie in einem Traum vor. Offenbar war sie auch nicht die einzige, die um diese Zeit noch im Garten war. Immer wieder wich sie einigen anderen Gästen der Feier aus (zum Glück hörte sie so gut). Nach einer halben Stunde traf sie schließlich auf Oreas und den anderen Elfen, wie hieß er noch? Zylas. Genau. Sie standen unter dem Baum, an dem sie Oreas schon vor einigen Tagen durch Zufall gefunden hatte, und unterhielten sich. Der Baum schien wirklich Oreas' Lieblingsplatz zu sein. Es kam ihr ein weinig komisch vor, dass Oreas sich mit jemandem einfach so unterhielt, er war sonst immer mürrisch und verschlossen. Neugierig ging sie zu den beiden hinüber. Der Elf und der Halbelf merkten gleichzeitig auf. Oreas lächelte kaum sichtbar und Zylas starrte sie sofort wieder so durchdringend an. Celia beschloss, das zu ignorieren, so gut es eben ging. "Ich habe es da drinnen einfach nicht mehr ausgehalten.", sie lächelte entschuldigend. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum.", erwiderte Oreas gespielt empört. Zylas räusperte sich. "Willst du uns nicht vorstellen, Oreas? Deine Manieren haben in der Zeit in dieser jämmerlichen Hütte wirklich nachgelassen." Oreas grinste, daraus schloss Celia, dass der Elf es nicht wirklich ernst meinte. Andernfalls hätte Oreas ihm einen patentiert bösen Blick zugeworfen. Sein Verhalten irritierte sie trotzdem gewaltig. "Zylas, meine Schwester Celia. Celia, mein alter Schwertmeister und neuer Anführer der Windelfen, Zylas." Oreas grinste. Celia war verwirrt und geschockt zugleich. Oreas hatte sie als seine Schwester vorgestellt, das erste Mal, dass einer von ihnen diesen Umstand direkt erwähnte. Sonst hatten sie es immer nur angedeutet oder umschrieben. Daran, anderen davon zu erzählen, hatte sie auch noch gar nicht gedacht. Wer wusste schon, was andere daraus machen würden. Immerhin war ihr Vater nicht unbedingt beliebt. Zylas war ebenfalls sichtlich überrascht. So sichtlich wie es eben ging. Eine seiner elegant geschwungenen Augenbrauen wanderte in die Höhe und seine Augen waren etwas weiter geöffnet als üblich. Sie als aufgerissen zu bezeichnen wäre übertrieben gewesen. "Schwester?", fragte er spitz. "Offenbar war Vater ein richtiger Weiberheld bevor er Mutter traf und hatte bereits eine Frau im Elfenwald." Die Augenbraue senkte sich zwar nicht komplett, aber der Windelf fragte auch nicht weiter. "Schwertmeister?", lenkte Celia von Thema ab. "Habt Ihr ihm beigebracht, so gut zu kämpfen?" "Ihr habt ihn kämpfen gesehen?" Celia nickte begeistert. "Ja, er ist wirklich gut." Zylas war augenscheinlich amüsiert und grinste nur. Celia verstand nicht recht warum. Aber sie fand es gar nicht witzig, dass er sich offensichtlich über sie lustig machte. Oreas seufzte. "Ich habe dir doch gesagt, dass es nicht üblich ist, dass Frauen sich ein Schwerttraining ansehen.", erklärte er und schüttelte dabei den Kopf. "Oh, stimmt. Das hatte ich vollkommen vergessen." Celia kam sich in diesem Moment wirklich dumm vor. Zylas grinste noch breiter. "Du hast eine interessante Schwester, Oreas, ungewöhnlich, aber interessant. Pass bloß auf, dass sie nicht aus Versehen an die falschen Leute gerät. So ein naives Ding." "Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment werten soll.", erwiderte Oreas trocken. Celia war immer noch etwas ratlos, wie sie mit den beiden umgehen sollte. In Gesellschaft von Zylas und Oreas wurde der Rest des Abends dann doch erträglicher. Es fing sogar an, ihr Spaß zu machen, nachdem sie sich an den etwas eigenartigen Humor der beiden gewöhnt hatte und Zylas aufgehört hatte, sie ständig mit Blicken zu durchbohren. Das Geplänkel der beiden war auch auf seine Art und Weise unterhalten. Irgendwann fing Zylas dann an, von Oreas' Kindheit zu erzählen und was er alles für dumme Sachen angestellt hatte. Oreas war natürlich wütend und lief sogar etwas rot an, aber das berührte den Elfen nicht im Geringsten. Es schien ihn eher anzuspornen, noch mehr peinliche Anekdoten zu erzählen. Am Ende des Abends stellte Celia fest, dass sie Zylas irgendwie mochte. So ganz geheuer war er ihr aber immer noch nicht. Und sie wusste, dass es besser war, ihn nicht gegen sich aufzubringen. Jedenfalls wenn man Oreas hieß. Er würde einen gnadenlos blamieren. * Am nächsten Morgen waren alle entsprechend müde. Es war wirklich spät geworden. Und Hina war immer noch wütend auf Celia. Der König räusperte sich, bevor er mit dem Essen begann. "Melanon, ich habe eine Aufgabe für dich." TBC Kapitel 12: Am Fluss -------------------- Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 12/16 Wörter: 4461 (dieser Teil) Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13, um sicher zu sein (wenn ihr besonders erwachsen seid, könnt ihr es auch lesen, wenn ihr jünger seid) Warnungen: nicht gebetat Claimer: Alles gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment A/N: Ich weiß, ich weiß, lang, lang ist’s her. Das soll aber nicht heißen, dass ich die Geschichte aufgegeben habe. Mein Studium nimmt mich nur zunehmend in Beschlag. Wenigstens bin ich mit den Vorschriften schon bis zur Hälfte von Teil 16, jetzt muss ich nur noch alles überarbeiten. Wenn ich endlich mit der Geschichte fertig bin, wird sie wohl noch einmal überarbeitet, aber erstmal muss ich ja etwas zum Überarbeiten haben. Über Kritik freue ich mich immer. Kapitel XII: Am Fluss Sie verließen Ronia noch am selben Tag in Richtung Süden. Oreas und Celia hatten sich entschieden, Melanon zu begleiten. Der König sah sie daraufhin schief an, aber er sagte nichts weiter. Celia erinnerte sich daran, dass er Oreas gedroht hatte, er solle nicht nach Süden gehen. Aber offensichtlich hatte er seine Meinung geändert. Er schien zwar nicht übermäßig glücklich zu sein, doch er akzeptierte es, ein Fakt, der die Elfe verunsicherte und in ihr ein nagendes Gefühl von Gefahr verursachte, dass sie so gut es eben ging verdrängte. Sie war beschäftigt genug damit, nichts in ihrem Zimmer zu vergessen und alles sicher zu verstauen. Falls Melanon sich von seiner Familie verabschiedet hatte, hatte Celia es nicht mitbekommen. Celia bezweifelte es. Nur von Phila und seiner Mutter konnte sie sich vorstellen, dass es sie überhaupt interessierte, ob er wegging oder nicht. Aber Melanon redete ja nicht über das, was an diesem Tag passiert war, bevor sie den Palast wieder verließen. Genau genommen redete er gar nicht, und Celia kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, wann sie ihn nicht ansprechen sollte. Er wirkte bedrückt und besorgt und bemerkte kaum, was um ihn herum vorging, so tief war er in Gedanken versunken, und die Elfe erwischte sich dabei, wie sie ihn minutenlang anstarrte und sich fragte, was denn los war. Am Himmel zogen sich Wolken zusammen und bildeten bedrohlich erscheinende graue Türme, als sie wieder durch das große Tor ritten, das beim Öffnen knarrte, dass es Celia Schauer über den Rücken laufen lief. Es erinnerte sie fast ein wenig an Donner, und die Luft roch schon nach Regen. Sie fühlte sich einfach nicht wohl, fast so, als stünde ihre Reise unter einem schlechten Stern. Wenigstens waren sie dieses Mal nicht zu dritt. Der König war trotz seiner offensichtlichen Abneigung um seinen Sohn besorgt. Genug, um ihm eine Leibgarde zur Verfügung zu stellen. Insgesamt sechs Mann, in den typischen Uniformen des Palastes, sollten ihn beschützen. Oreas hatte bei dem Anblick der Männer die Nase gerümpft und resigniert den Kopf geschüttelt. „Zu auffällig“, hatte er gemurmelt. Und Celia musste ihm zustimmen. Die roten und gelben Streifen auf den sonst schwarzen Uniformen mit den unpraktisch langen Ärmeln ließen schnell erkennen, von wo die Männer kamen. Und wen sie begleiteten. Das mulmige Gefühl in ihrem Magen kehrte zurück. Die Reise, die vor ihnen lag, schien gefährlich zu werden. Trotzdem stand ihr Entschluss fest. Sie wollte Melanon und ihren Bruder begleiten. Verwundert stellte sie fest, dass es ihr kaum noch um die Menschen ging, sondern vielmehr um ihre Freunde, doch der Gedanke wurde schnell wieder aus ihrem Bewusstsein verdrängt. Es gab wichtigeres, fürs Philosophieren hatte sie keine Zeit. Der einzige Lichtblick an diesem Unheil verkündenden Nachmittag war Heria. Celia freute sich, die braune Stute wieder zu sehen und dem Tier erging es offensichtlich ähnlich. Die Streicheleinheiten, die sie von Celia bekam, genoss sie in vollen Zügen. Am Abend war der Himmel noch dunkler geworden, sodass ihre Ahnungen ihr immer mehr aufs Gemüt schlugen. Inzwischen hatte sie aus Oreas wenigstens den ersten Teil ihrer Route herausbekommen. Es gab wohl nur den einen Weg nach Süden. Sie würden dem Fluss Drelos folgen, der im Norden, im Gebirge der Windelfen, entsprang, nach Süden fast ganz Caronia durchfloss und schließlich im westlichen Nikloral ins Meer mündete. Sie hatten den Fluss östlich von Ronia bereits überquert und ritten nun am Ostufer entlang. Die Männer waren genauso angespannt wie Melanon und sie ließen sich Zeit bei der Wahl ihres Lageplatzes. Nach langem Überlegen entschlossen sie sich dann für eine kleine Lichtung, die an einer Seite von einer Felswand begrenzt wurde. Die Männer machten sich sofort daran, das Lager aufzubauen (für den Fall, dass es regnete) und Celia fiel auf, wie stark sie sich von ihnen distanzierten. Es verunsicherte sie außerdem, dass sie nur das Nötigste miteinander regneten und jeder wie automatisch zu wissen schien, was er zu tun hatte. Nur sie fühlte sich hilflos und wusste nicht, was von ihr erwartet wurde. Also blieb sie einfach bei Oreas und Melanon. Letzter war immer noch mit sich beschäftigt, oder besser gesagt, mit dem Problem, von dem sie nicht wusste, was es war. Bei Oreas konnte sie wenigstens sagen, wo er mit seinen Gedanken war, wenn schon nicht bei seinem Abendessen, das inzwischen auf seinem Teller lag. Seine Ohren waren gespitzt und man sah ihm an, dass er mit allen seinen Sinnen auf die nähere Umgebung fixiert war. Allein das machte Celia schon angst, denn wenn ihr Bruder so reagierte, musste wirklich etwas nicht stimmen. Und noch schlimmer, sie hatte nicht einmal den leisesten Schimmer, von wem oder was Gefahr drohte. Geräuschvoll legte sie ihr Metallgeschirr auf den Boden, aber ihre Begleiter schreckten trotzdem nicht aus ihren Gedanken hoch. Dafür sahen die Soldaten aus, als wären sie soeben um zehn Jahre gealtert. Einen Moment starrte sie einfach in ihre entsetzten Gesichter, wandte sich dann aber doch ihren beiden Freunden zu. „Melanon… wohin reiten wir eigentlich?“, fragte sie vorsichtig. Oreas blickte auf, aber Melanon reagierte immer noch nicht. „Melanon!“, wiederholte sie etwas lauter. Abgesprochener bemerkte sie immer noch nicht. „Melanon“, sagte Oreas genervt und stupste ihn in die Seite. Er blickte verwirrt auf. „Was?“ „Wohin reiten wir?“, fragte Celia erneut, ein Hauch von Ungeduld schwang in ihrer Stimme mit. Melanon antwortete nicht sofort. Stattdessen schien er wieder in seinen trüben Gedanken zu versinken. Sie war schon kurz davor, ihn erneut in die Seite zu stoßen, als er den Kopf hob und an ihr vorbei in die Büsche blickte, ohne etwas zu sehen. „Nach Süden, Elikos, um genau zu sein. Das ist eine kleine befestigte statt am Rand der Berge östlich des Flusses, fast an der Grenze zur Steppe“, fügte er als Erklärung für Celia hinzu. „Aha“ Es war die Sorte Antwort, die klar machte, dass sie absolut nicht verstanden hatte. „Und was machen wir da?“ Melanon seufzte. „Vater hat mir den Auftrag gegeben, mich um die Stadt zu kümmern. Ich bin der neue Stadthalter.“ Celia schwieg einen Moment. „Und warum hat er dich ausgewählt?“ „Um mir etwas zu tun zu geben, vermute ich. Und vielleicht um mich scheitern zu sehen. Wer weiß schon, was im Kopf meines Vaters vorgeht. Und irgendwer musste er wohl schicken. Ein überaus bequemer Weg, um mich loszuwerden, wenn du mich fragst.“ Er lächelte bitter. „Warum solltest du scheitern?“ Melanon seufzte wieder und Celia wusste, dass er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. „Weißt du, das Ganze ist gar nicht so leicht zu erklären. Aber scheitern werde ich, weil ich sowieso auf verlorenem Posten stehe. Es ist nur eine Frage der Zeit, und das weiß Vater ganz genau. Elikos wird schon seit Jahren wieder und wieder angegriffen. Und die Situation wird immer ernster.“ Mit einem Mal sah Melanon viel müder und älter aus, als er in Wirklichkeit war. Schatten flackerten über sein Gesicht, wann immer der Wind die Flammen des Lagerfeuers anfachte. Celia war gar nicht aufgefallen, dass es schon so dunkel war. „Am besten ich erkläre dir das genauer“, fuhr er fort. „Aber ich warne dich am besten schon mal vorher. Die ganze Situation ist so komplex, dass ich unmöglich alles bis ins Detail erläutern kann. Genau genommen kann ich noch nicht einmal sagen, wie alles angefangen hat.“ „Mein Großvater – und nach ihm mein Vater – hatten das Ziel, Caronia zum mächtigsten Land auf Derlova zu machen. Mein Großvater hatte nicht so viel Geld und Energie darauf verwendet, wie mein Vater. Es ging ihm hauptsächlich darum, die Festungsanlagen zu verstärken. Du musst wissen, damals waren die Zeiten nicht so sicher wie heute. Wir hatten häufiger Kriege mit den anderen Nachbarländern. „Unter meinem Vater gab es dann wieder Frieden, wenn auch einen wackligen, hauptsächlich, weil der Erzherzog von Nikloral gestürzt wurde. Die Ereignisse in Nikloral, damals, vor zwanzig haben alle ziemlich aufgerüttelt, und mein Vater wollte die Stabilität des Landes nicht gefährden, also hat er seine Präsens verstärkt. Diesmal nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. Also hat er einen enormen Aufwand betrieben, um Ronia zur prächtigsten Stadt auszubauen. Die meisten der Gebäude und Gärten wurde erst in den letzten zwanzig Jahren gebaut. Als ich weggegangen bin, war die Stadt noch eine riesige Baustelle. „Gleichzeitig wurden die Bauern aber immer ärmer und schließlich nahmen sie sich ein Beispiel an Nikloral und rebellierten. Seitdem kämpfen die Rebellen gegen die Truppen meines Vaters, mit mäßigem Erfolg. Der Süden, hauptsächlich die Steppe, ist fest in Rebellenhand, aber seit Jahren konnten sie nicht wirklich Boden gut machen. Elikos liegt an der Grenze und war mal ein wichtiger Stützpunkt, deswegen wird die Stadt von den Rebellen in zunehmendem Maße attackiert. Mein Vater meint scheinbar, sie verlieren zu können und setzt im Moment darauf, neue Festungen entlang einer Verteidigungslinie gegen die Rebellen zu bauen, um den Norden und die drei großen Städte zu schützen. Im Moment läuft es wohl auf eine Teilung des Landes hinaus.“ Melanon hatte seinen Vortrag beendet, und Oreas sein Abendessen. Celia konnte nicht von sich behaupten, dass sie verstanden hatte, was Melanon ihr klar zu machen versucht hatte. Auch wenn sie sich sicher war, dass es nicht an den Worten lag, sondern eher an den Konzepten, die sie noch mehr verwirrt hatten. Kriege, Steuern, Festungen… all das sagte ihr nur oberflächlich etwas. Trotzdem fragte sie nicht nach. Melanon machte den Eindruck, als hätte er schon seit Tagen nicht mehr geschlafen und würde jeden Moment vor Müdigkeit zusammenbrechen, jetzt, wo er wieder geistesabwesend in die sterbenden Flammen starrte. Celia dachte sich, dass es besser war, ihm seine Ruhe zu lassen. Er würde sie brauchen. Ein kurzer Blick zu ihrem Bruder sagte ihr, dass es ihm wohl ähnlich ging. Auch er war definitiv nicht in der Stimmung, ihre Fragen ausführlich zu beantworten. Celia seufzte. Dieses Mal würde es an ihr liegen, sich den Sinn dieser Worte zu erschließen, und sie hoffte inständig, dass es ihr mit der Zeit gelingen würde. * Am nächsten Morgen konnte Celia nicht wirklich von sich behaupten, dass sie gut geschlafen hatte, und es hatte den Anschein, als wäre es ihren Mitreisenden auch so ergangen. Oreas gab sich natürlich große Mühe dabei, sich nichts anmerken zu lassen und gähnte nur, wenn niemand hinsah, beziehungsweise wenn er glaubte, dass niemand hinsah. Aber es brauchte nicht Celia Auffassungsgabe, um ihm seine Verfassung anzusehen – die Ränder unter seinen Augen sprachen für sich. Melanon sah nicht besser aus, auch wenn er das Ganze tapfer ertrug. Die Männer machten sich auch nicht die Mühe, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen, machten sie doch einen ähnlichen Eindruck. Celia selbst hatte wegen der Anspannung der anderen nicht schlafen können. Je weiter sie kamen, desto mehr konnte man sie spüren. Sie ging von jedem aus, und um die Mittagszeit konnte sie sie fast körperlich spüren. Die Vorsicht und Spannung erdrückte Celia und ließ sie ein paar Mal Schlucken oder tief Luft holen. Sie hoffte wirklich, sie würden ihr Ziel bald erreichten, denn sie wusste beim besten Willen nicht, wie lange sie das durchhalten würde. Am Abend fragte sie Oreas, Melanon war immer noch ein wenig distanziert, sodass Celia begann, sich Sorgen zu machen. Allerdings wusste sie auch nicht, wie sie ihm helfen könnte. Oreas meinte schließlich (nachdem er ihren flüchtigen Blick zu Melanon gesehen hatte und leicht die Stirn runzelte), dass sie mindestens zwei Wochen unterwegs sein würden. Celia reagierte äußerlich nicht, sondern fragte sich nur im Stillen, wie sie das nur durchstehen sollte. * Sie waren schon über eine Woche unterwegs, und noch immer war nichts passiert. Das sorgte dafür, dass die Männer sich ein wenig entspannten. Celia war diese Woche unendlich lang erschienen, und ein Teil freute sich darüber, dass die Stimmung ein wenig lockerer wurde. Ihr Bruder jedoch betrachtete die Soldaten nur mit Missbilligung; er wusste, dass sie noch lange nicht außer Gefahr waren. Das Gegenteil war der Fall, je näher sie ihrem Ziel kamen, desto gefährlicher wurde es, und Nachlässigkeit könnte ihren Tod bedeuten. Es war ein ungewöhnlich kalter Sommermorgen, an dem sie erneut ihr Lager abbrachen um weiter zu reiten. Im Flusstal stieg Neben auf, der verhinderte, dass die Sonne sich einen Weg zum Boden bahnte. Trotzdem waren die Soldaten recht entspannt. Wenn sie den Feind nicht sehen konnten, konnte er sie schließlich auch nicht sehen. Es war also recht sicher. Oreas’ Wachsamkeit ließ trotzdem nicht nach. Wie ihm das gelang, war Celia jedoch ein Rätsel, denn sie war inzwischen mehr als erschöpft und Melanon ging es ähnlich. Seit Tagen wünschte sie sich nichts mehr als ein warmes Bett und eine Nacht Schlaf. Sie führte Oreas’ Ausdauer schließlich auf sein Training zurück. Während sogar den Soldaten langsam aber sich die Kräfte ausgingen, biss er einfach die Zähne zusammen und schien alleine dank seiner puren Willenskraft aufrecht zu stehen, als wäre nichts. Auch Celia war in diesem Fall mit ihrem Bruder einer Meinung. Der Nebel dämpfte die Geräusche der Umgebung so sehr, dass nur das entfernte Plätschern des Flusses und das Geklapper der Hufe der immer schlechter werdenden Straße zu hören waren. Kein noch so schwacher Windstoß drang bis ins Tal vor, was den Neben nur weiter in der vom Fluss gegrabenen Senke hielt. Celia hatte schon ein paar neblige Morgen auf ihrer Reise erlebt, doch trotzdem war dieser für sie besonders beunruhigend. Sie schüttelte leicht den Kopf. Nun sah sie auch schon Gespenster, so erschöpft war sie. Sie fühlte sich, als wäre ihr schon den ganzen Morgen Blicke gefolgt, obwohl das praktisch unmöglich war. Oreas schien auf sie abzufärben. So hielt sie ihren Blick weiter auf die Bäume und Felsen am Wegrand gerichtet, die kaum mehr als schattenhafte Schemen waren, die wie Geister die Stille des Nebels durchbrachen, nur. Um lautlos wieder darin zu versinken. Die plötzlich einsetzende Stille riss sie aus ihrer Trance. Das Hufgeklapper vor ihr war verstummt, und auch Heria blieb abrupt stehen. Auf der Suche nach der Ursache sah sie sich nach allen Seiten um, doch weder bewegte sich irgendetwas, noch wurde die bedrohliche Stillte durchbrochen. Vor ihrer kleinen Gruppe konnte sie schließlich einen Schatten dort ausmachen, wo eigentlich die Straße weitergehen sollte. Die Männer, drei ritten vor ihr und Oreas, tauschten besorgte und verwirrte Blicke untereinander aus, bis einer von ihnen, der, der an der Spitze ritt, absaß. Man sah an seiner Haltung, wie sehr ihn dieses unerwartete Hindernis alarmiert hatte. Die auf den Pferden zurückgebliebenen hielten unbewusst den Atem an und horchten in die Nebelschwaden hinein, während der Soldat sich langsam dem Objekt näherte. Als er schon fast vom Nebel verschluckt worden war, ohne dass etwas passiert war, folgten die anderen zögernd. Aber keiner von ihnen wagte es, ebenfalls abzusitzen. Celia erwartete, dass sie jeden Moment jemand aus den Bäumen am Straßenrand ansprang – für einen Moment flackerten die Gesichter der Männer aus dieser verhängnisvollen Nacht im Wald an ihrem geistigen Auge vorbei. Ihr Herz setzte beinahe aus, als sie meinte, eine Bewegung in den Schatten gesehen zu haben, aber nichts geschah. Erst da fiel ihr auf, wie sehr ihr Herz raste. Je näher sie dem Objekt kamen, umso besser konnte Celia erkennen, dass es sich scheinbar um einen alten, nicht besonders großen Wagen handelte. Ein Gespann, das wohl von einem oder zwei Ochsen gezogen werden sollte. Doch die Ochsen fehlten, und ebenso der Mensch, dem der Wagen gehörte. Unsicher warf sie einen Blick zu Oreas, der links von ihr ritt, doch der ließ seinen Blick weiter über den Karren wandern. Anspannung war in sein Gesicht geschrieben. Auch aus Melanons Zügen war jede Müdigkeit gewichen und durch grimmige Bestimmtheit ersetzt worden. Ein ähnlicher Ausdruck lag auf den Gesichtern der Soldaten, auch wenn hier und da etwas Unsicherheit und Angst in ihren Augen glomm. Celia nahm an, dass sie wohl ähnlich aussehen musste. Das Hindernis blockierte fast die gesamte Straße, sodass es unmöglich war, einfach an ihm vorbei zu reiten. Aber sie mussten auf der Straße bleiben, denn soweit Celia wusste, war das der einzige Weg nach Elikos. Noch ehe sie den Gedanken zu Ende geführt hatte, nahm der Soldat, der sozusagen der Auskundschafter war, sein Pferd bei den Zügeln und führe es rechts am Wagen vorbei. An der linken Seite erhoben sich Felsen und das Gelände war für ein Pferd nicht geeignet, doch an der rechten ragten Bäume in die Höhe. Der Wald reichte bis ans Flussufer weiter unten im Tal. Sowohl das Pferd als auch der Mann stolperten noch durch das Gestrüpp, als die nächsten beiden Soldaten ihrem Kameraden folgten, ohne abzusitzen. Celia beäugte das Ganze misstrauisch. Irgendetwas gefiel ihr an der Situation nicht. Sie fühlte sich immer noch beobachtet. Fast wie ein Hase, der vom Fuchs belauert wird. Zuerst begriff sie nicht was geschah, als zwei Mal die Luft sirrte. Ihr Blick war immer noch auf die Soldaten vor ihr gerichtet. Dann wurde der zweite von ihnen von irgendetwas am Hals getroffen und sein Pferd bäumte sich unter schmerzerfülltem Wiehern auf. Ihr blieb nichts anderes übrig, als hilflos mit anzusehen, wie der Soldat mit weit aufgerissenen Augen und leicht geöffnetem Mund wie in Zeitlupe seitwärts vom Pferd fiel. Und plötzlich ging alles ganz schnell. Ihr wurden die Zügel aus den Händen gerissen und Herias Kopf wurde herumgerissen, sodass sie fast das Gleichgewicht verlor, als die Stute lospreschte. In letzter Sekunde bekam sie den Hals des Tieres zu fassen und klammerte sich mit aller Macht an ihn, während sie den Kopf in die Mähne presste und die Augen zukniff. Hinter sich konnte sie Schreie und Wiehern hören, gemischt mit Schwertergeklirr und Hufgetrappel. Und immer wieder zischte etwas an ihr vorbei. Irgendwo nahm sie ein unterdrücktes Aufstöhnen wahr, doch sie wagte es nicht, sich vom Hals des Pferdes zu lösen, während es immer schneller galoppierte. Etwas Kaltes und Nasses schlug gegen ihr Gesicht und als sie für einen kurzen Augenblick die Augen öffnete, erkannte sie, dass sie nicht länger auf der Straße waren, sondern dass die durch den Wald zum Fluss hinunter jagten. Das Wasser näherte sich bedrohlich schnell und ehe sie sich darauf einrichten konnte, war Heria auch schon hinein gesprungen. Die Kälte raste wie eine Welle durch ihren Körper und lies sie hochschnellen. Sobald sie sich vom Schock erholt hatte, fiel ihr die für sie fast schmerzende Stille auf, die nun herrschte. In der Ferne konnte sie noch immer Menschen rufen hören, aber durch den Nebel war es unmöglich, irgendetwas zu sehen. Vor sich hörte sie das schnelle Atmen ihrer Freunde und auch sie selbst war außer Atem, obwohl sie nichts getan hatte. Oreas’ Hand umklammerte immer noch Herias Zügel und zog das Pferd hinter sich her. Erst jetzt bemerkte Celia, dass sie offenbar flussabwärts schwammen, doch warum wusste sie nicht. Und sie traute sich nicht, auch nur einen Laut von sich zu geben. Fast unbewusst glitt ihre Hand zu ihrem Gepäck und überprüfte, ob es noch da war. Sie atmete erleichtert auf, als sie feststellte, dass es immer noch wasserdicht verpackt war und sicher hinter ihr am Sattel befestigt war. Es kam ihr schließlich wie eine Ewigkeit vor, als die Männer beschlossen, den Fluss zu verlassen. Wie sie das entschieden hatten war ihr zwar nicht klar, denn keiner hatte auch nur ein Wort gesagt, doch irgendwie handelten sie alle so, als wäre es abgesprochen gewesen. Irgendwann fanden sie im Wald eine Höhle, die hinter ein paar Tannen versteckt lag, in die sie sich zurückzogen, doch die Elfe war viel zu erschöpft, um sich davor zu ängstigen. Der Schock saß immer noch zu tief und alles fühlte sich dank der Kälte taub an. Auch die Pferde wurden zur Sicherheit in die Höhle geführt. Celia tat es regelrecht weh, ihre verkrampften Hände vom Hals des Pferdes zu lösen und sie war kaum in der Lage, auf eigenen Beinen zu stehen. Erst, als sie halbwegs sicher stand, bemerkte sie, dass einer der Soldaten immer noch auf seinem Pferd saß, das Gesicht schmerzverzerrt. Sein schwerer Atem hallte in der kleinen Höhle wider. Ein Pfeil ragte aus seiner linken Schulter und er hatte sich vornüber gebeugt, um nicht herunterzufallen. Die zwei anderen Soldaten halfen ihrem Kameraden vom Pferd und trugen ihn in eine Ecke, in der Melanon schon eine Decke ausgebreitet hatte. Mit einem Mal kam sie sich wieder vollkommen nutzlos vor. Jeder kannte seine Aufgabe, nur sie nicht. Am liebsten hätte sie sich zusammengerollt und geweint, aber sie wusste nicht, ob sie dazu noch die Kraft hatte. Und selbst dafür, dass sie in so einem Moment so selbstsüchtig war, kam sie sich schlecht vor. Es blieb ihr einfach nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen und die Tränen wegzublinzeln. Sobald sie sich einigermaßen unter Kontrolle hatte, atmete sie einmal tief und immer noch zitternd durch und sah sich um. Die Männer in der Ecke hatten ihren Kameraden auf den Bauch gelegt und hielten ihn an beiden Armen fest, während Melanon ihm ein Stück Leder zwischen die Zähne schob. Der Anblick verstörte sie, und sie wollte nicht wirklich miterleben, was als nächstes geschah, also wand sie den Blick ab und entdeckte Oreas, der am Ausgang der Höhle stand. Sein Gesicht hatte den für ihn typischen angespannten Ausdruck und er stand halb im Schatten versteckt und lauschte. Ohne groß darüber nachzudenken stellte sie sich zu ihm und horchte in den Nebel hinaus, konzentrierte sich auf jedes Geräusch. Nur um die gedämpften Schreie aus dem hinteren Teil der Höhle nicht hören zu müssen. Doch trotzdem drehte sich unweigerlich ihr Magen um. * Den Tag und die darauf folgende Nacht verbrachte die kleine Gruppe in der Höhle. Bevor es am Nachmittag zu regnen angefangen hatte, waren Männer durch den Wald gegangen, doch sie hatten sich dem Eingang nicht genähert, sodass Celia und Oreas sie nur dank ihrer guten Ohren bemerkten. Während der ganzen Zeit hatten sie angespannt gewartet und gehofft, und die Götter schienen gnädig zu sein. Lantes, der Mann, der an der Schulter verwundet wurde, hatte noch während Melanons Behandlung das Bewusstsein verloren. Er lag immer noch auf dem Bauch, doch sein Atmen hatte sich in den letzten Stunden ein wenig beruhigt. Sobald der Regen eingesetzt hatte, zogen sich Celia und Oreas tiefer in die Höhle zurück. Einerseits konnten sie durch das Prasseln sowieso kaum hören und andererseits würde man sie dank des Wetters wohl nicht finden. Keiner wollte das Risiko eingehen, ein Feuer zu machen, daher waren sie alle immer noch durchnässt und froren. Celia knabberte lustlos an einem Kanten Brot. Ihr Hunger hatte sich noch nicht wieder eingestellt, aber sie würde etwas essen müssen, wenn sie bei Kräften bleiben wollte. Lantes, ein junger Mann mit hellbraunen Haaren und einer auffällig langen Nase, erlangte erst kurz nach Anbruch der Dunkelheit wieder das Bewusstsein. Ein gutes Zeichen, do Melanon, und er hatte auch noch kein Fieber bekommen. Besonders die beiden anderen Soldaten, Miras und Thero, waren sichtlich erleichtert. Celia selbst war nur noch müde. Die nervliche Anspannung hatte ihr übriges getan und ihre Erschöpfung noch verstärkt. Also hatte sie sich neben Oreas zusammengerollt und hoffte einfach nur, dass sie bald an ihrem Ziel ankommen würden. „Was machen wir jetzt eigentlich?“, fragte sie völlig unvermittelt. „Auf der Straße können wir nicht bleiben“, stellte Oreas nüchtern fest. Aus den Augenwinkeln sah sie Melanon zustimmend nicken. „Bleiben nur noch die Wälder am Fluss.“ „Solange sie da nicht auf uns lauern.“ Die beiden unverletzten Soldaten hatten sich zum ersten Mal in die Unterhaltung zwischen Celia, Oreas und Melanon eingemischt, aber außer der Elfe schien niemandem dieser Umstand aufzufallen. Der Überfall hatte jedenfalls endgültig das Eis zwischen ihnen gebrochen. „Das hängt wohl davon ab, was sie wissen oder vermuten“, warf Melanon ein. „Was meinst du?“ „Sie werden die Uniformen gesehen haben. Wenn das einfach Banditen waren, haben wir kein Problem, aber die Rebellen könnten zwei und zwei zusammenzählen und wüssten, dass sie es entweder mit einem Mitglied der königlichen Familie oder einem hochgestellten Adligen zu tun haben. Wenn sie nicht schon einen Boten abgefangen und nur darauf gewartet haben, dass wir vorbeikommen“, erklärte Melanon. „Wie auch immer, wir sollten uns beeilen. Ich für meinen Teil bin nicht besonders wild darauf, noch länger als Zielscheibe herumzulaufen“, brummte Oreas, die Arme vor der Brust verschränkt. „Eine Wahl haben wir aber trotzdem nicht. Wir haben einen Verletzten dabei und müssen die Straße meiden. Dafür brauchen wir mindestens elf Tage.“ „Und das Gelände wird schwieriger“, bemerkte Miras. „Wenn Oreas und ich zu Fuß vorgehen würden, kämen wir dann schneller voran? Wir können schließlich besser sehen und hören.“ „Und wir könnten auf der Straße bleiben.“, ergänzte Oreas, und Celia meinte, fast so etwas wie Anerkennung gehört zu haben. Der Hauch eines Lächelns schlich sich auf ihre Lippen. „Schneller kämen wir trotzdem voran“, murmelte Thero. „Ich halte es trotzdem für die beste Option.“ Und damit beendete Melanon die Diskussion. In Momenten wie diesen entwickelte der Magier eine Aura, die jedem in seiner Nähe klar machte, dass er ein Anführer war, auch wenn er sich dessen nicht bewusst war. Er war einfach ein geborener Anführer. Am nächsten Morgen verließen sie die Höhle, auch wenn keiner von ihnen wirklich geschlafen hatte. Außer Celia, die sich vor Erschöpfung einfach nicht mehr hatte wach halten können. Melanon half dem immer noch geschwächten Lantes aufs Pferd, während Oreas und Celia den Wald bis hinauf zur Straße durchkämmten. Zum Glück gab es nirgends auch nur die Spur eines Menschen. Der Rest der Woche verlief ähnlich. In den Morgenstunden gab es oft Nebel und der Himmel war die meiste Zeit mit Wolken bedeckt. Sie alle waren bald ständig durchnässt. Celia hasste das Gefühl der an ihr klebenden Kleidung und konnte sich einfach nicht an die Nässe gewöhnen, die durch die Kälte sogar in ihren Körper zu kriechen schien. Aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden, also murrte sie auch nicht. Lantes’ Zustand, der sich zuerst zu verbessern schien, verschlechterte sich nach zwei Tagen. Die Wunde hatte sich entzündet und Melanon versuchte sein Bestes, aber Heilmagie konnte auch nicht alles heilen. Außerdem gab er selbst zu, dass er sie nur am Rande studiert hatte. In Momenten wie diesen verfluchte er die Tatsache, dass er sein Studium nicht hatte beenden können. Es war ein weiterer nebliger Morgen, an dem sie den Fluss verließen und der Straße folgten, die nun kaum mehr als ein Schotterweg war. Sie führte in die Berge, an deren Anblick Celia sich inzwischen gewöhnt hatte (zu Anfang hatte sie vor ihnen Angst gehabt), auch wenn die Hohen Gipfel sie immer noch in Staunen versetzten. Gegen Mittag wuchsen um sie herum keine hohen Bäume mehr. Die Landschaft wurde von kleinen Nadelbäumen dominiert. Den ganzen Nachmittag ritten sie tiefer in die Berge hinein, die Celia das Gefühl gaben, als würden sie sie erdrücken. An ihnen vorbei zu reiten war eben doch etwas anderes. Es wirkte bedrohlich, die die Berge so unbeweglich dastanden, obwohl sie auf sie den Eindruck machten, als wäre sie lebendig. Es sollte noch einen weiteren Tag dauern, bis sie das hohe Tor und die Festungsmauern der Bergstadt vollkommen erschöpft erreichten. Sie alle dankten den Göttern, dass es keine weiteren Zwischenfälle gab. TBC Kapitel 13: Mauern und Schwerter -------------------------------- Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 13/16 Wörter: 4204 (dieser Teil) Abgeschlossen: nein Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13 Warnungen: nicht gebetat Claimer: Alles gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment A/N: Ich weiß, ich weiß, lang, lang ist’s her. Das soll aber nicht heißen, dass ich die Geschichte aufgegeben habe. Mein Studium nimmt mich nur zunehmend in Beschlag. Inzwischen bin ich aber schon fast fertig. Nur Kapitel 16 muss noch endgültig geschrieben werden. Kapitel XIII: Mauern und Schwerter Elikos erinnerte Celia irgendwie an Erador. Nicht, dass sie viele Vergleichsmöglichkeiten hatte, aber der Unterschied zu Ronia war frappierend. Das einzige, was es in Ronia und Elikos, aber nicht in Erador gab, waren die hohen Festungsmauern, die die Elfe an den königlichen Palast erinnerten. Die kleine Festungsstadt war an einer der wichtigsten Handelsstraßen zwischen Caronia und dem Zwergenreich errichtet worden. Eine Tatsache, die Celia niemals in den Sinn gekommen wäre, da die Straße inzwischen einen wirklich schlechten Zustand hatte. Die inzwischen schon zehn Jahre währenden Unruhen, vor allem im Süden, hatten dafür gesorgt, dass die Händler die unsichere Route mieden und stattdessen über Akweah reisten. Gegründet wurde Elikos von Melanons Großvater und zum Zweck der Grenzsicherung an einer besonders engen Stelle des Tals gebaut. Die Mauer wurde an der engsten Stelle errichtet und die Stadt erstreckte sich in einem Halbkreis ins Landesinnere, so dass eventuellen Angreifern aus den Nachbarreichen eine möglichst geringe Angriffsfläche geboten wurde. Mit Ausnahme der durch die hohen Felsen geschützten Teile war die gesamte Stadt von einer zwei Meter dicken Festungsmauer umgeben, die nur zwei Tore besaß, durch die die Haupthandelsstraße führte. Die Tore waren aus dickem Eichenholz gezimmert worden und von Zwei Wachtürmen eingefasst, die ständig besetzt waren. Auch an anderen Teilen hatte man Türme in das Bollwerk eingebaut. In der Ferne konnte Celia auch auf ihnen die winzigen Gestalten auf und ab gehen sehen. Hatte man das Tor passiert, erreichte man ein weiteres, das ebenfalls den Durchlass zu einer zweiten, ebenso dicken Mauer bildete. Der zwischen den Mauern liegende Gang lag düster und verlassen da, sodass Celia bei seinem Anblick ein kalter Schauer über den Rücken lief. Ihr war nicht ganz klar, ob sie sich darüber freuen sollte, endlich aus der Gefahrenzone heraus zu sein, oder ob sie sich davor fürchten sollte, zwischen diesen mächtigen Mauern gefangen zu sein. Hinter dem zweiten Tor erwarteten sie dann schließlich die ihr schon bekannten, eng aneinander stehenden Häuser, zwischen denen enge und dreckige Straßen lagen. Nur die Handelsstraße, die schnurgerade verlief, war etwas breiter und gab den Blick auf das gegenüberliegende Tor frei. Auffallend war jedoch, dass die Häuser weniger farbenfroh als die in Erador waren. An vielen Stellen blätterte die Farbe von den Holzbalken, sofern die Bewohner sich jemals die Mühe gemacht hatten, sie zu bemalen. Auch waren die Häuser nie komplett aus Holz gebaut, sie bestanden vielmehr aus einer Mischung von Holz und Stein. Trotzdem besaß jedes Haus eine Eigenheit, die es von den anderen unterschied, obwohl die Unterschiede meist sehr subtil waren. Manchmal war ein Relief in die Mauersteine eingemeißelt, ein anderes Mal war die Tür bunt verziert und in den Fenstern hingen farbenfrohe Vorhänge. Hinter den Fassaden lebten viele Menschen, meist auf engem Raum. Celia konnte sie hören und war wieder einmal erstaunt, wie laut Städte doch waren. In der Zeit des ständigen Lauschens in den Wäldern hatten sich ihre Ohren wieder an die relative Stille gewöhnt. Es würde wieder etwas dauern, bis sie sich an die Kakophonie in der Stadt gewöhnt haben würde. Die Stärke der Gerüche überwältigte sie ebenfalls von neuem, dabei gab es in Elikos keine so exotischen Gewürze wie in Erador. Trotzdem hatte die Elfe den Eindruck, dass hier die Gerüche intensiver waren. Vielleicht lag es an den hohen Mauern, die jeglichen Luftzug verhinderten. Die kleine Gruppe ritt auf der Hauptstraße unter den neugierigen Blicken der Bewohner auf das andere Ende der Stadt zu. Die Blicke verunsicherten Celia. In den Augen einiger stand Hoffnung, in denen anderer Misstrauen geschrieben, aber kein einziger nahm die Ankunft der Fremden einfach emotionslos hin. Sie kam sich fast vor, wie einer der Schausteller, die sie in Erador beobachtet hatte. Wie eine Jahrmarktsattraktion. Vielleicht lag sie mit dieser Vermutung gar nicht so falsch, wenn sie die drei verdreckten Uniformen, Melanons ehemals kostbare Gewänder und ihre und Oreas’ auffällige Ohren bedachte. Die Menschen hatten sich an den Straßenrand gestellt und begafften sie, bis sie fast das nächste Tor erreicht hatten. Rechts von ihnen lag nun ein großer Platz, der Marktplatz, auch wenn kaum ein Händler seine Waren anpries. Die wenigen, die hauptsächlich Nahrungsmittel anboten, wirkten auf der riesigen gepflasterten Fläche irgendwie verloren. Als Celias ihren Blick zum anderen Ende des Platzes schweifen ließ, fiel er auf eine weitere hohe Mauer, an deren Tor Wachen standen. Ihr Ziel lag hinter dieser Mauer. Melanon hatte ihr erklärt, dass sich dort der Sitz des Stadthalters und das Rathaus befanden. Melanons neues Zuhause. Hinter dem dritten Tor erwartete sie bereits ein vornehm gekleideter älterer Herr. Sein Gesicht war voller Sorgenfalten, dabei war sein Haar noch nicht ganz grau. „Mein Name ist Milam, ich bin der bisherige Verwalter, seid willkommen, Eure Hoheit.“ Er verbeugte sich, und Melanon antwortete mit einem leichten Nicken und einem müden Lächeln. „Wir hatten früher mit Euch gerechnet“, fuhr er mit der klaren und tiefen Stimme eines Mannes fort, der daran gewöhnt war, vor anderen zu sprechen. „Die zwei Boten, die es bis hierher geschafft haben meinten, Ihr hättet schon vor Tagen eintreffen sollen. Wir hatten schon befürchtet, Euch wäre etwas passiert“ „Es gab Komplikationen“ Celia fragte sich, was es mit den Boten auf sich hatte, und Oreas murmelte ihr von der Seite her die Erklärung zu. Er musste ihr nachdenkliches Gesicht bemerkt haben. „Es werden immer fünf Boten losgeschickt, um sicherzugehen, dass die Nachricht auch ankommt“ Melanon stieg von Arquas Rücken, und die anderen taten es seinem Beispiel gleich. Sofort wurden die Tiere von den Stallburschen abgeführt, sodass Celia gerade noch Zeit hatte, ihren Rucksack zu nehmen. Milams Augen musterten nun die Augen seines neuen Vorgesetzten. „Solltet Ihr nicht von sechs Wachen begleitet werden?“ „Wie gesagt, es gab Komplikationen“ Und Melanon fasste möglichst knapp die Ereignisse dieses schicksalhaften nebligen Morgens zusammen. Währenddessen wurde Milams Gesichtsausdruck zunehmend besorgt und er folgte Melanons Ausführungen aufmerksam. „Ich fürchte die Straße wird immer unsicherer. Bald wird es gar kein Durchkommen mehr geben“ „Ja, das fürchte ich auch“ Celia war unglaublich müde und wollte eigentlich nur noch schlafen. Egal wo, Hauptsache sie hatte ihre lang ersehnte Ruhe. Ihr fielen schon im Stehen fast die Augen zu und. Zu ihrem Glück schien Melanon es ähnlich zu sehen, denn er fuhr nicht fort, wie Milam es offensichtlich erwartet hatte. Der Mann zögerte kurz und starrte dann ganz unverwandt Oreas an. „Ist das sein Sohn?“ Das Misstrauen und die Verachtung in seiner Stimme waren kaum zu überhören. Unbewusste presste Celia die Lippen zusammen. „Ja“ Ohne weitere Fragen zuzulassen wandte Melanon sich ab und ging auf das Haupthaus zu. Die Soldaten waren sichtlich verwirrt und Milam schien über Oreas Anwesenheit mehr als unzufrieden zu sein, sagte aber nichts, sondern biss nur die Zähne zusammen. Trotzdem hatte Celia ein ungutes Gefühl bei der Sache. Als würde es noch ein Nachspiel geben. Milam konnte sie nur schwer einordnen. Was er wirklich von Melanon hielt konnte man unter seiner höflichen Fassade kaum erkennen. Die Zimmer, in denen man sie und ihren Bruder unterbrachte, lagen im dritten Stock des vierstöckigen Haupthauses. Lantes wurde sofort ins Lazarett gebracht und Miras und Thero bekamen ein Zimmer bei den Wachen der Stadt, deren Kaserne in unmittelbarer Nähe des Marktplatzes lag. Melanons Zimmer lag einen Stock unter ihrem und war wahrscheinlich das prunkvollste in der ganzen Stadt. Genau genommen handelte es sich nicht um ein Zimmer sondern um eine Suite mit Vorzimmer und eigenem Bad. Celia mochte das Haus irgendwie. Es war nicht übermäßig hell, aber da die Wände mit Holz oder Teppichen verkleidet waren, wirkte alles recht warm. Auch ihr Zimmer war mit rotbraunen Teppichen an den Wänden und auf dem Boden ausgestattet. Das Bett stand an der linken Wand, an der rechten befand sich ein kleiner Schreibtisch, bei dessen Anblick das Herz der Elfe automatisch einen Sprung machte. Doch das hatte Zeit. Sie ließ ihren Rucksack einfach auf den Boden fallen, zog die nassen Stiefel und Kleidung aus und ließ sich aufs Bett fallen. Es dauerte keine zwei Minuten, bis sie eingeschlafen war. * Celia gewöhnte sich schnell an die Routine in der Stadt. Meistens begleiteten sie und Oreas Melanon bei der Inspektion der Befestigungsanlagen und der Soldaten oder brüteten mit ihm über Verteidigungsplänen und den spärlichen, meist schlechten Nachrichten aus der Hauptstadt. Die Kundschafter, die ausgesandt wurden um die Fortschritte der Rebellen zu beobachten, berichteten immer öfter von deren Vorrücken, falls sie denn wieder zurückkamen. Die Stimmung in der Stadt war eine gespannte, alle Bewohner schienen auf den Sturm zu warten, der sich untern im Flusstal zusammenbraute und unweigerlich in die Berge hinaufziehen würde. Trotzdem waren die Bürger fröhlich und lebten ihr Leben so gut es eben ging weiter. Eine Einstellung, die Celia nur bewundern konnte. Sie selbst konnte das mulmige Gefühl in ihrem Bauch nur selten verdrängen. Aber die Menschen waren es wahrscheinlich schon gewöhnt, schließlich lebten sie inzwischen schon seit zwei Jahren in ständiger Gefahr. Die Stadt hatte schon zwei Angriffe überstanden und jeder kannte die Evakuierungspläne, die für den Notfall ausgearbeitet worden waren. Wann immer Milam darauf bestand, alleine mit Melanon zu sprechen (meistens wurde diese Bitte von einem vielsagenden Blick in Richtung Oreas begleitet), ging die Elfe mit ihrem Bruder zum Trainingshof der Soldaten, wo er mit ihnen trainierte. Es überraschte sie nicht wirklich, dass er besser war als die Männer. Es war ein sonniger Tag mitten im Sommer als Milam sie wieder einmal aus dem Planungszimmer verbannt hatte. Langsam begann es sie zu ärgern, dass der Mann nicht nu Oreas, sondern auch ihr so viel Misstrauen entgegenbrachte. Vor allem konnte sie sich nicht erklären, was er gegen sie hatte. Offen sprach er jedenfalls keine seiner Verdächtigungen aus, dazu hatte er zu viel Respekt vor Melanon. Trotzdem bereitete ihr sein Verhalten Sorgen. Jedes Mal, wenn er ihr einen seiner merkwürdigen Blicke zuwarf, kam die dunkle Vorahnung, die sie bei ihrer ersten Begegnung gehabt hatte, wieder in ihr auf. Wie immer begleitete sie Oreas zu dem Trainingsplatz und setzte sich an den Rand. Eine Weile betrachtete sie das Hin und Her der Schwerter, die in der Sonne aufblitzen. Oreas gewann wie gewöhnlich mühelos und das Schwert seines Gegners landete mit klirrend zu seinen Füßen. Nachdenklich blickte die Elfe auf das Schwert. Sie hatte schon öfters überlegt, ob sie Oreas fragen sollte, aber im entscheidenden Moment hatte sie immer gezögert. Dabei hatte es sicher nur Vorteile, auch wenn die Menschen ihre Ansicht sicher nicht teilen würden. Kurzentschlossen stand sie auf und ging zu ihrem Bruder. Dieses Mal würde sie keinen Rückzieher machen. „Oreas?“, der Kopf des Angesprochenen fuhr herum. „Ja?“ „Bringst du mir bei mit dem Schwert zu kämpfen?“ Oreas war nicht so erstaunt, wie sie erwartet hatte, im Gegensatz zu den Soldaten, die sich noch in der Nähe befanden. Der, den Oreas eben besiegt hatte, sog hörbar die Luft ein und starrte sie aus großen Augen an. Ihr Bruder jedoch blickte eher nachdenklich durch sie hindurch und schien zu überlegen. Schließlich nickte er. „Nimm dir eins von den Schwertern“ Sofort stand sie auf, ging zum Ständer mit den Schwertern und überlegte sich, welches sie wohl am besten nehmen sollte. Die Schwerter hatten verschiedene Längen und Breiten, einige waren abgenutzt und schartig, andere noch relativ neu. Schließlich entschied sie sich für das Schwert mit der schmalsten Klinge, hauptsächlich weil es am leichtesten aussah. Trotzdem erwies es sich als schwerer als sie erwartet hatte, als es in ihrer Hand lag. Erwartungsvoll ging sie zu Oreas, der in der Mitte des Platzes auf sie wartete. Er begutachtete das Schwert, nickte zufrieden und reichte ihr ein paar Handschuhe aus Leder mit Metallbesatz. „Zieh sie an, das schont deine Hände und schützt sie etwas, falls ich dich treffen sollte“ Celia nickte nur leicht nervös und folgte seiner Anweisung. Die Handschuhe saßen fast perfekt und sie konnte nicht umhin sich zu wundern, wo er sie herhatte. Die Hände der Soldaten waren alle größer und kräftiger als ihre. „Sie haben mir gehört als ich jünger war, du kannst die behalten.“, antwortete Oreas auf die ungestellte Frage. „Jetzt nimm das Schwert und nimm die Grundhaltung ein“ Celia konnte nur vermuten was gemeint war. Also umfasste sie das Schwert mit beiden Händen und hielt es vor sich in die Luft. Oreas überprüfte ihre Haltung und ihren Griff und aus irgendeinem Grund wurde sie noch nervöser, auch wenn sie nicht wusste warum. „Du kannst ihr doch nicht das Kämpfen beibringen!“, empörte sich einer der Soldaten plötzlich. „Es ist schon schlimm genug, dass die uns immer beim Üben zusieht“ Oreas sah den Mann mit seinen inzwischen zu Schlitzen verengten Augen an. „Und warum sollte ich das nicht können?“ Sein Ton war wieder so eisig wie damals, als sie ihn kennen gelernt hatte. „Mädchen sollte einfach nicht kämpfen“, mischte sich ein anderer ein. „Sowas gehört sich einfach nicht“ Oreas beschloss, dass es wohl das Beste war, die Männer einfach zu ignorieren und begann, seiner Schwester die Grundtechniken zu erklären. Doch da die Soldaten immer weiter murrten, konnte sie sich zu Anfang kaum konzentrieren. Trotzdem ließ Oreas sie die Übungen solange wiederholen, bis ihre Arme und Beide wehtaten und sie kaum noch in der Lage war, dass Schwert zu halten. Er hatte an jeder Kleinigkeit etwas zu kritisieren, und Celia wurde klar, dass er sich erst zufrieden geben würde, wenn alles perfekt war. Am Ende des Tages war sie nicht nur hundemüde und ihr tat alles weh, sie fühlte sich auch auf eine merkwürdige Art glücklich und zufrieden. Etwas, das ihr nicht mehr passiert war, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war und den ganzen Tag damit verbracht hatte, im Wald zu spielen und vor Selion wegzulaufen. Die beiden fanden Melanon schließlich immer noch über die Pläne der Stadt gebeugt. Er schien müde, wenn auch nicht mehr so müde wie auf der Reise. Seit sie Elikos erreicht hatten, konnte man ihm seine Sorge ständig ansehen. Kaum etwas erinnerte noch an den fröhlichen jungen Mann, mit dem sie do viel Zeit auf Oreas Hof verbracht hatte. Es fühlte sich an, als wäre das alles vor Jahren und nicht erst vor Wochen passiert. Der Prinz warf ihr und Oreas einen fragenden Blick zu den Oreas nur mit einem bei ihm seltenen Grinsen beantwortete. Da fiel Celia auf, dass sie ebenfalls unbewusst grinste. Sie war wirklich viel zu müde, stellte sie fest. „Celia hat mich gebeten, ihr den Umgang mit dem Schwert beizubringen“, antwortete Oreas auf die Frage, die Melanon ins Gesicht geschrieben stand. Einen Moment lang starrte der seine Freunde nur an und blickte kurz zu Celia, bevor sich auf seinem Gesicht ebenfalls ein Grinsen ausbreitete. Es verschlug Celia fast den Atem wie jung er plötzlich aussah. Nein, jung war das falsche Wort, er sah eher so alt aus, wie er wirklich war. Für einen kurzen Moment war er einfach nur Melanon, ohne die Last, die auf seinen Schultern lag. Doch dieser Moment verging so schnell wie er kam, als Milam sich räusperte und seinen Lehnsherren daran erinnerte, dass er weiter an den Plänen zu arbeiten hatte. * Seit diesem Tag verbrachte Celia fast täglich mehrere Stunden zusammen mit Oreas beim Training. Er stellte sich als strenger und geduldiger Lehrer heraus. Er ließ sie alles bis zum Umfallen wiederholen und meckerte bei jedem noch so kleinen Fehler herum. Aber er gab ihr nie das Gefühl, dass sie eigentlich besser sein müsste und da sie nach den ersten paar Tagen der Ehrgeiz gepackt hatte, ertrug sie alles und arbeitete umso härter. Die größten Probleme bereitete ihr immer noch das Gewicht der Klinge. Die hatte nun mal einfach nicht so viel Kraft in den Armen wie die Menschenmänner. Oreas hatte ihr sogar erzählt, dass sie Elfen für gewöhnlich leichtere Schwerter verwendeten, weil sie generell nicht so muskulös wie die Menschen waren. Sie waren wieder beim Trainieren, als eines Tages etwas ungewöhnliches passierte. Oreas ließ seine Schwester gerade seine Hiebe parieren, als einer der Soldaten in die Arena gelaufen kam. „Eine Delegation von den Zwergen!“, rief er außer Atem. „Sie passieren gerade das Tor“ Sofort ließen alle ihre Arbeit stehen und liegen und liefen zum Marktplatz. Auch Oreas und Celia warfen sich kurz einen Blick zu und kamen stumm überein, es den Soldaten gleichzutun. Celia legte ihr Übungsschwert zurück (das inzwischen keiner der anderen Soldaten mehr benutzte) und folgte ihrem Bruder. Sie kamen gerade rechtzeitig, um die Delegation über den Platz ziehen zu sehen. Zwerge, so entschied Celia, waren merkwürdige Kreaturen. Sie waren viel kleiner als Elfen oder Menschen, dafür aber bestimmt doppelt so breit und kräftig. Außerdem waren sie alle unglaublich haarig und blickten mürrisch drein. Ihre Kleidung bestand hauptsächlich aus Fellen, Leder und Kettenhemden. Es waren also eindeutig Krieger. Ob sich alle Zwerge so gaben? Alle trugen Hellebarden und Schwerter und Celia war sich sicher, dass sie ihnen nie alleine begegnen wollte. Auf eine nicht klar zu fassende Weise machten sie ihr angst. Die Zwerge ritten auch nicht, wie Celia angenommen hatte. Jetzt, wo sie sie sah, wurde ihr auch klar, dass sie dafür vermutlich zu klein waren. Nein, die Zwerge marschierten und wurde von einigen Ponys begleitet, die ihnen als Lasttiere dienten. Die Zwerge durchschritten, genau wie ihre eigene kleine Gruppe vor Wochen, eines der Tore zum Verwaltungssitz, und Celia vermutete, dass sie dort von Melanon oder Milam in Empfang genommen wurden. Eine Vermutung, die sich als zutreffend erwies, sobald sie und Oreas wieder ins Innere der Mauern zurückgekehrt waren. Celia wollte schon zu Melanon gehen und sich die Zwerge genauer ansehen (ihre Neugier hatte wieder einmal die Oberhand gewonnen), aber Oreas packte sie am Arm und zog sie hinter sich her in das Innere des Gebäudes. Dort folgte sie ihm in den Speisesaal, in dem fieberhaft gearbeitet wurde. Die Diener versuchten, sich in aller Eile auf die Gäste vorzubereiten und arbeiteten daran, den kaum genutzten Saal sauberzumachen, während andere bereits die Tafel deckten. Es dauerte nicht lange, bis Melanon, Milam und die Zwerge ankamen. Die Zwerge sahen sich um, während sie mit den beiden Menschen redeten, doch sie verzogen keine Miene. Nur in den Augen weniger konnte Celia Anerkennung sehen, ganz im Gegensatz zu denen Milams. Sobald er Oreas entdeckt hatte verdüsterte sich seine Miene, was seinen Gesprächspartnern nicht entging. Melanon schien das Verhalten seines Beraters allerdings nicht im Mindesten zu beeindrucken. Er winkte seine Freunde zu sich hinüber. Celia hielt sich die ganze Zeit leicht hinter Oreas. Die Zwerge waren ihr nicht ganz geheuer, und sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Sie schienen aus der Nähe noch grimmiger, auch wenn man die Gesichter hinter den langen Bärten kaum erkennen konnte. „Meine Freunde Oreas und Celia.“, stellte Melanon sie vor. Die Blicke der Zwerge glitten über sie und ihren Bruder hinweg, als seien sie es nicht wert, dass man ihnen mehr Aufmerksamkeit als nötig schenkte. Hatte sie ein Begrüßung oder wenigstens eine kurze Antwort erwartet, so wurde sie enttäuscht. Entweder mochten die Zwerge sie nicht oder sie waren ihnen egal. Auf jeden Fall wandten sie ihre Aufmerksamkeit wieder Melanon und Milam zu um mit ihnen belanglose Höflichkeiten auszutauschen. Beim Essen schließlich wandte sich das Gespräch ernsteren Themen zu. Vor allem den Handelsbeziehungen zwischen den Zwergen und Elikos. Ein heikles Thema, da die Stadt abhängig von den Waren aus dem Zwergenreich war, besonders dem Getreide, aber gleichzeitig kaum etwas im Gegenzug anzubieten hatte. Auch wenn die Elikaner für ihre Schmiede und Baumeister bekannt war, nützte es nicht viel, denn die der Zwerge hatten sie in ihrem Können noch lange nicht erreicht. Am Ende kam man überein, dass sie Zwerge die Schmiedearbeiten aus Elikos weiterverkaufen würden. Melanon sicherte ihnen sogar ein zeitweiliges Monopol auf den Handel zu. Celia konnte nicht einschätzen, ob Milam mit dem Ausgang der Gespräche zufrieden war. Er schien besonders mit dem Zugeständnis eines Handelsmonopols zu kämpfen zu haben. So unauffällig wie möglich fragte sie ihren Bruder, was daran denn so besonderes wäre, und während die anderen weiter die Einzelheiten besprachen erklärte er ihr, dass sich die Stadt damit mehr oder weniger von Caronia lossagte und sich an das Zwergenreich angliederte. Sie wurde also mehr oder weniger zu einem staatsfreien Raum, was den König wiederum mit Sicherheit verärgern würde. Trotzdem machte es in seinen Augen Sinn, fuhr er fort, da es kaum noch Kontakt zur Hauptstadt gab und Elikos selber nur über eine sehr geringe landwirtschaftlich zu nutzende Fläche verfügte. Und der Großteil der Fläche befand sich außerdem vor den Toren der Stadt in Richtung Flusstal. Sie wurde teilweise aufgegeben, als die Festung zum ersten Mal belagert wurde und lag inzwischen völlig brach. Nach diesem Tag taten Celia nicht nur die Muskeln, sondern auch der Kopf weh. Die politischen Feinheiten waren ihr immer noch zu kompliziert und so wirklich hatte sie auch nicht verstanden, warum der König so erbost über die Abmachung seines Sohnes sein würde. In Momenten wie diesen freute sie sich wirklich, keine Menschenprinzessin zu sein. Sie wäre mit den Aufgaben restlos überfordert. Selbst eine Elfenkönigin hatte es verglichen mit Melanon leicht. * Die Zwerge blieben noch einige Tage. Der Höhepunkt ihres Aufenthaltes war für Celia der Tag, an dem sie die Schwerter, die sie verkaufen wollten, mit auf den Trainingsplatz brachten. Selbst die Soldaten wurden für einige Stunden zu kleinen Kindern, auch wenn diese wohl kaum mit langen spitzen Schwertern spielten. Oreas ließ sie schließlich auch hinüber gehen, obwohl er sie eigentlich noch hatte üben lassen wollen. Doch Celia war einfach zu neugierig und konzentrierte sich am Ende trotzdem mehr auf die Zwergenschwerter als auf ihr eigenes oder seines. Als sie schließlich hinüber zu den auf einem Tuch ausgebreiteten Schwertern ging, bekam sie wieder die typischen missbilligenden Blicke der Soldaten zugeworfen und die vorher lebhaften Gespräche um die herum verstummten. Celia ignorierte sie. So langsam bekam sie ein Gefühl dafür, wie es Oreas immer ergehen musste. Wenigstens konnte sie sich immer wieder sagen, dass sie nicht alleine war. Oreas war ihr gefolgt und beobachtete sie dabei, wie sie sich die verschiedenen Schwerter ansah. Unwillkürlich schlich sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen. Es war wirklich erstaunlich wie neugierig und kindlich seine Schwester sein konnte. Die Schwerter schienen sie zu beeindrucken und er konnte das gut verstehen. Seine Reaktion auf das erste Zwergenschwert, das er zu Gesicht bekam, war eine ähnliche gewesen. Sein Meister hatte ihn damals mitgenommen um ihm sein Schwert zu kaufen. Es hatte ewig gedauert, bis er sich entschieden hatte, doch er war immer noch zufrieden mit seiner Wahl. Die Zwerge waren unbestritten die besten Schmiede auf der ganzen Insel. Eine Tatsache, die die Soldaten seiner Meinung nach nur halb zu würdigen wussten. Sie bestaunten vor allem die Schwerter, deren Griffe aufwendig gearbeitet waren. Dabei waren die die harten und schwer zu zerbrechenden Klingen der eigentliche Höhepunkt ihrer Schmiedekunst. Sein eigenes Schwert hatte kaum Scharten und es lag vom Gewicht her gut in der Hand. Celia zog seine Aufmerksamkeit wieder auf sich, als sie nach einem der Schwerter griff, aber von einem der Zwerge daran gehindert wurde. Er hatte ihre Hand weggeschlagen. „Aua!“, rief sie empört und rieb mit der anderen über den Handrücken. „Was soll das?!“ „Was will ein kleines Mädchen wie du mit einem Schwert?“, brummte der Zwerg. Celia zog einen Schmollmund. Oreas musste grinsen. So würde sie der Zwerg auch nicht ernster nehmen. „Ich will es ausprobieren“, sagte sie trotzdem, mit einer Spur Stolz in der Stimme. „Als ob du damit etwas anfangen könntest, Elfenmädchen“ Inzwischen schwang leichte Belustigung in der tiefen Stimme mit. Celias Auftreten wurde mit einem Mal ernster und zum ersten Mal seit langem konnte man ihr fast ansehen, dass sie in Wirklichkeit älter und nicht jünger war als ihr Bruder. „Selbstverständlich kann ich das“, erwiderte sie ruhig. „Ein guter Witz, Mädchen“ „Das ist kein Witz“ Die beiden so unterschiedlichen Kontrahenten fochten ein Blickduell aus, das keiner aufzugeben bereit war. Kurzerhand nahm sich Oreas das Schwert und begutachtete es. Es war weder verziert noch von der Form her ein besonderer Blickfang, aber deswegen dürfte es auch nicht die Aufmerksamkeit seiner Schwester auf sich gezogen haben. Er konnte auf den ersten Blick erkennen, dass es ursprünglich wohl für die Windelfen geschmiedet worden war. Die Klinge war zwar lang, aber trotzdem dünn und schmal, wirkte neben den anderen beinahe zerbrechlich. Das ideale Schwert für Celia, den es war bei weitem das leichteste, das er seit langem zu Gesicht bekommen hatte. Ideal deshalb, weil Celia immer noch stark durch das Gewicht des Schwertes eingeschränkt wurde. „Wie viel?“, fragte er. Der Zwerg sah ihn einen Moment abschätzend an. „Zehn Goldtaler“ Teuer also, wie jedes Zwergenschwert, aber vergleichsweise billig, wenn man bedachte, dass man in Ronia mindestens fünfzehn bezahlen müsste, da die Nachfrage nach Elfenschwertern dort wesentlich größer war. „Acht, die Klinge könnte besser sein“ Der Zwerg schien zu überlegen. „Neun, und keinen Silberling weniger“ Oreas schlug ein. Ein gutes Geschäft. Selbst trotz der nicht ganz einwandfreien Klinge war das Schwert für Celia immer noch besser geeignet als die anderen. Zum Glück hatte er die letzten zehn Jahre sehr sparsam gelebt. Nicht, dass er jemals viel Luxus gehabt oder gewollt hatte. Das passte nicht zu ihm. Nachdem er bezahlt hatte, reichte er Celia das Schwert, der man die Freude über ihr neues Spielzeug wirklich ansah. Sie strahlte regelrecht. Der Zwerg und die Soldaten warfen ihnen komische Blicke zu, aber es störte ihn nicht sonderlich und seiner Schwester schien es gar nicht aufzufallen. Den Rest des Tages verbrachten sie mit Üben und am Abend präsentierte Celia ihr Schwert immer noch strahlend Melanon, der sich von ihrem Enthusiasmus sogar ein wenig anstecken ließ. TBC Kapitel 14: Unter Feuer ----------------------- Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 14/16 Wörter: 5827 (dieser Teil) Abgeschlossen: ja Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13 Warnungen: nicht gebetat Claimer: Alles gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment A/N: Inzwischen habe ich die Geschichte (endlich) abgeschlossen. Die nächsten zwei Kapitel kommen also ein bisschen schneller als bisher. Kapitel XIV: Unter Feuer Ein ohrenbetäubendes Donnern schallte durch die Luft und riss die Bewohner Elikos’ aus ihrem ohnehin nicht tiefen Schlaf. Celia war schlagartig hochgeschnellt und hatte sich aufgesetzt, ehe ihr Geist ihrem Körper folgte und ihre Augen durchs Zimmer glitten, bis auch das letzte bisschen Schlaf sie verließ. Die Ursache für den Lärm fand sie aber trotzdem nicht. Sie hoffte inständig, dass es nur ein Sommergewitter war, doch irgendetwas sagte ihr, dass es etwas anderes sein musste. Wahrscheinlich lag es daran, dass das Wetter der letzten Tage zwar heiß gewesen war, die nötige Spannung in der Luft aber gefehlt hatte und auch weiterhin fehlte. Außerdem gab es eine wesentlich naheliegendere Erklärung: Es hatte begonnen. Wieder donnerte es, und dieses Mal konnte sie ein Knacken und Krachen ausmachen, das sehr untypisch für ein Gewitter wäre. Eilig sprang sie vom Bett und rannte zum einzigen Fenster ihres Zimmers und stolperte dabei um ein Haar über ihre Stiefel, nur um an den westlichen Stadtmauern die Fackeln entzündet zu sehen. Unter sich konnte sie schemenhaft die Soldaten sehen, die in aller Eile in Richtung Stadttor strömten, ganz wie die kleinen schwarzen Ameisen, die sie als Kind so gerne beobachtet hatte. Einen Moment noch blickte sie zum Horizont, in der Hoffnung etwas erkennen zu können, doch selbst ihre guten Augen konnten nichts gegen die drückende Dunkelheit der Vollmondnacht ausrichten. Alles, was sie erkennen konnte, waren die immer noch lodernden Feuer, und hin und wieder ein Widerschein an einer Mauer oder einem Stück Metall. Dann hielt sie es, unruhig und nervös wie sie war, nicht mehr länger aus, einfach nur herumzustehen und in die nichtssagende Leere der Nacht zu starren, die ihre Geheimnisse ja doch nicht preisgeben würde. In Windeseile und leicht zitternd zog sie sich an und stürzte aus ihrem Zimmer, ohne überhaupt zu wissen, wohin sie rannte. Sie war schon auf halbem Weg zum Planungszimmer, als Oreas ihr über den Weg lief. Er war ebenso verwirrt wie sie und der Schlaf stand noch in seinen Augen. Zusammen setzten sie ihren Weg fort, und fanden an ihrem Ziel schließlich Melanon und seine Berater ebenso überrumpelt vor. Einige hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich umzuziehen und bei anderen lugten die Nachthemden unter hastig angelegten Kleidern hervor. Melanon allerdings trug wieder sein Magiergewand, das er schon seit ihrer Ankunft in Ronia nicht mehr getragen hatte. Immer wieder hasteten Soldaten aus dem Raum hinein und hinaus, um der Stand des Angriffs und Befehle zu übermitteln. Die Offiziere blickten nur ungläubig hin und her, so als könnten sie nicht glauben, dass die Rebellen tatsächlich vor der Stadt standen. Immer wieder schnappte Celia geflüsterte Satzfetzen auf, wie „mitten in der Nacht“, „kein Anstand“ und „Rebellenbastarde“. „Nein, niemand schießt zurück!“, durchbrach Melanons schneidende Stimme ihre Gedanken, und offenbar auch die aller anderen Anwesenden. Alle Augen richteten sich auf ihn, als er den Befehl einem weiteren Soldaten gab. Der sah ihn nur an, als wäre er soeben vom Blitz getroffen worden. „Aber Euer Majestät, das geht doch nicht.“, widersprach ihm einer der Offiziere, woraufhin Melanons Augen ihn durchbohrten und unweigerlich einen Schritt zurückweichen ließen. „Was bringt es“, setzte er in eisigem Ton an, „auf einen Gegner zu schießen, den man nicht sieht? Löscht die Feuer, dann bringt es ihnen genauso wenig. Schlagt nur zurück, wenn sie versuchen, die Mauern zu stürmen.“ Er blickte wieder zu dem jungen Soldaten, der aus seiner Trance erwachte, salutierte, und aus dem Zimmer eilte. Einen Moment lang herrschte absolute Stille, durchbrochen nur von entferntem Donner der Kriegsmaschinen. Der Anblick Melanons, der sich mit beiden Händen auf den Tisch mit den eilig ausgebreiteten Karten abstützte und dabei ins Leere starrte, brannte sich Celia ins Gedächtnis wie kaum etwas zuvor. Keiner wagte es sich zu rühren. Aller Augen waren starr auf den Prinz gerichtet, in dessen Augen eine dunkle Wut und Entschlossenheit brannten, sie jeden in seinen Bann zog. Schatten flackerten über sein Gesicht und ließen seine Züge wie zu Stein erstarrt wirken. Hart und unbeugsam. Und majestätisch. Es fiel Celia schwer, diesen einem zum Sprung bereiten Raubtier gleichenden Herrscher mit dem Mann in Verbindung zu bringen, den sie vor so wenigen Wochen auf einem Hof im Westen kennen gelernt hatte. Die Spannung wurde jäh durchbrochen, als Melanon abrupt herumfuhr und zur Tür herauseilte. Er hinterließ perplexes Schweigen. Sie fingen sich alle gleichzeitig und folgten halb gehend und halb laufend, die Berater in ihren Nachthemden laut schnatternd. Wieder hörte Celia nur mit halbem Ohr zu, Wörter wie „was“ und „wohin“, während sie über den Platz liefen. In Gedanken war sie immer noch bei Melanons Gesicht, das so gar nicht wie sein Gesicht ausgesehen hatte. Die Berater versuchten derweil, ihn aufzuhalten, aber er hörte ihnen nicht zu. Entschlossen marschierte er weiter, begleiten von den Augen der Bürger, die vor ihren Türen standen oder verstört aus ihren Fenstern blickten. Ihre vom entfernten Feuerschein erleuchteten Gesichter wirkten auf Celia, als wären sie nur halb real, gefangen in einer Welt aus Angst und Dunkelheit. Ihr bizarrer Zug hatte die Hälfte seines Weges zurückgelegt, als die Fackeln eine nach der anderen verloschen und die Stadt in tintenschwarze Dunkelheit tauchten. Ein Donnern folgte, und sie hielten einen Moment inne, lauschten gespannt in der Stille. „Majestät...“, setzte einer der Berater an. „Schweig!“, herrschte Melanon ihn an und fuhr herum. Einen Augenblick musterte er seine Begleiter. „Ich weiß, was ich tue. Also versucht nicht, mich wie einen kleinen Jungen herumzukommandieren. Und bitte, bei allen Göttern, zieht euch etwas an.“ Die beschämten Mienen seiner Berater ließen seine Augen kurz aufleuchten, bevor er sich wieder seiner Aufgaben besann und die Weg zu den Festungsmauern fortsetzte. Celia und Oreas wechselten amüsierte Blicke. Oreas grinste sogar leicht, auch wenn er es sich merklich verkneifen musste, und Celia merkte, dass es ihr genauso ging. Ohne ein Wort zu sagen folgten sie ihrem Freund. Zielstrebig und ohne auf seine Umgebung zu achten eilte der bereits durch das erste Tor auf den linken der beiden großen Wachtürme zu. Es verschluckte immer wieder in unregelmäßigen Abständen kleine Trupps halbverschlafener Soldaten, und schließlich auch Melanon, gefolgt von Oreas und Celia. Im Innern befand sich eine enge Wendeltreppe, die in Celia unweigerlich eine leichte Panik hervorrief und ihr den Brustkorb zuschnürte. Doch Melanon und Oreas verschwanden schon hinter der nächsten Biegung und sie schluckte ihre Angst herunter. Als sie schließlich oben ankam, war ihr leicht schwindelig. Der Turm, wie auch der Gang auf der Mauer selbst, war voller Soldaten, die alle angespannt in die Dunkelheit hinabspähten. In ihren Augen standen Angst und Nervosität. Schuhe scharrten über den Steinboden, es klapperte hier und da eine Waffe, und die Augen aller, die sich in der Nähe befanden richteten sich auf Melanon, für den Augenblick zu verblüfft um Fragen zu stellen. Hinter ihnen marschierten weitere Soldaten die Treppe hinauf, ihr Ziel irgendwo an der Balustrade. Es kam Celia wie mehrere Stunden vor, die sie alle so auf dem Turm standen und warteten. Hier und da konnte man Fackeln sehen und Celia nahm auch die Stimmen der Menschen unten auf der Ebene wahr. Verstehen aber konnte sie nur das Flüstern der Männer neben sich. Die Soldaten hatten sich gerade einigermaßen entspannt, als aus den kleinen Leuchtpunkten plötzlich Bälle wurden. Mit einem Schlag richtete sich die Aufmerksamkeit aller wieder nach unten, aber die Neumondnacht erschwerte die Sicht soweit, dass weiter nicht viel zu erkennen war, so angestrengt sie die Augen auch zusammenkniffen. Celia selbst, mit ihren Elfenaugen, konnte einige wandelnde Schatten ausmachen, und Menschen, da wo der Schein des Feuers sie streifte. Allerdings verstand sie trotzdem nicht, was gerade vor sich ging. Ein ersticktes Keuchen von Oreas ließ ihren Kopf herumfahren. Seine Augen waren weit aufgerissen und starrten entsetzt auf die roten Kugeln. „Feuerkugeln!“ Sie haben die Steine durch Feuerkugeln ersetzt und wollen die Stadt in Brand setzten!“ Auch auf den Gesichtern der anderen zeichnete sich Erkenntnis ab. Melanon griff den Soldaten rechts von sich am Arm und zischte: „Lauf in die Stadt und sag allen, auch den Zivilisten, dass sie soviel Wasser aus den Brunnen schöpfen sollen wie sie können. Und ihr“, rief er „Jeder zweite geht hinunter und hilft, wo immer es nötig ist!“ Die Männer befolgten die Befehle ohne zu zögern, und Celia fragte sich, wie eine derartige Präzision wohl zustande kam. Sie hatten sicherlich lange trainieren müssen um so zusammenzuarbeiten. Ihr Verhalten erinnerte sie an die Zugvögel, die sich auch immer bewegten, als wären sie ein einziges Wesen, das nur durch Zufall in mehrere Körper geteilt wurde. Ein peitschendes Geräusch riss sie zurück in die Wirklichkeit, hinaus aus den Erinnerungen an vergangene Zeiten voller Bäume und Frieden. Sie konnte gerade noch sehen, wie einer der Feuerbälle einem Kometen gleich über sie hinwegraste und in der Oberstadt nahe dem Tempel in die Häuser schlug. Es folgte ein weiteres Peitschen und nach eines, und die Flammenbälle hagelten auf die Stadt nieder, während die Männer nur fassungslos zusehen konnten wie sich die Dachstühle in Brand setzten und die Stadt sich dunkelrot färbte. „Dreht euch um! Kümmert euch nicht darum“ Euer Feind ist in der anderen Richtung!“, schrie Melanon, und weckte sie so aus ihrer Starre. „Wir werden Feuer mit Feuer bekämpfen. Du“, er deutete auf einen Mann „Lass die Pfeile dazu aus dem Arsenal holen. Und du: Sag den anderen, dass sie die Feuer wieder anzünden sollen!“ Beide salutierten und liefen die Wendeltreppe hinunter. Celia blickte ihnen nach, bis sie hinter dem zweiten Tor verschwanden. Derweil entzündete Oreas das Feuer im Turm. Als Lichtquelle diente hier nicht eine Fackel, sondern eine Metallschale voll mit Öl, dessen unangenehmer Geruch Celia unweigerlich dazu brachte, die Nase zu rümpfen. Hinter sich hörte sie die Menschen rufen und schreien, während sie verzweifelt versuchten, die Feuer unter Kontrolle zu bekommen. Ein weiteres Peitschen. Und wieder einer der verteufelten Feuerbälle. Er zischte knapp über die erste Mauer hinweg und prallte etwa hundert Meter weiter gegen die zweite. Da nichts Brennbares in der Nähe war, richtete er keinen größeren Schaden an. So eingekeilt zwischen den Mauern wirkte er sogar fast harmlos. Noch ein Peitschen, ein Zischen und – ein ohrenbetäubendes Krachen, das die Mauer erschütterte. „Wieder Felsen“, brummte einer der Soldaten. Es dauerte noch drei weitere Feuerkugeln und vier Felsen, bis die Männer den Nachschub aus der Kaserne herbeigeschafft hatten. Sie schleppten körbeweise Pfeile und Bögen herauf; einen ließen sie direkt auf dem Turm stehen. Sofort griff Oreas sich zwei der Bögen und drückte Celia einen weiteren in die Hand. Sie beäugte die Waffe nur misstrauisch. „Aber ich weiß doch gar nicht, wie…“ „Macht nichts. Bis zum Anschlag spannen, zielen, feuern, und hoffen, dass du triffst. In do einer Nacht hast du genauso gute Chancen wie die anderen. Versuch einfach, von Schuss zu Schuss zu lernen.“ Celia fühlte sich trotzdem nicht besser. Sie sah den Männern zu, wie sie die präparierten Pfeilspitzen ins Feuer hielten, anlegten, und sie hinunter in die Dunkelheit feuerten. Zwar trafen sie auf diese Art nicht besonders viel, aber die Pfeile setzen Gras in Brand und niemand löschte die kleine, eher unbedeutenden Feuer, und so konnte Celia mit der Zeit die Schemen der Menschen ausmachen. Oreas legte wieder einen Pfeil an, und dieses Mal traf er eines der Geräte, die die Kugel abfeuerten („Katapulte“, wie man ihr später erklärte). Immer mehr Pfeile bohrten sich in das dunkle Holz, und bald bemühten die Rebellen sich, es zu löschen. Zögernd folgte sie schließlich dem Beispiel der anderen, nachdem sie einen kurzen Seitenblick auf einen viel beschäftigten Melanon riskiert hatte, und hielt einen Pfeil über die brennende Ölschale. Immer nach skeptisch legte sie ihn an und zog die Sehne zurück so gut es ging, doch ihre Kraft reichte nicht aus, sie vernünftig zu spannen. Ihre Arme begannen zu zittern und ehe sie sich versah, hatte sie losgelassen und der Pfeil sauste abseits in Gras. Celia keuchte. Bei den anderen sah es immer so einfach aus. „Nicht so viel denken“, murmelte Oreas. „Versuch einfach, es so schnell zu machen wie du kannst und tu so, als würdest du es können.“ Sie atmete einmal tief durch. Ein weiterer Versuch. Dieses Mal hielt sie sich nicht so lange damit auf, zog die Sehne mit einem Ruck nach hinten und ließ los, sobald es nicht mehr weiter ging. Dieses Mal flog der Pfeil tatsächlich weiter, doch von ihrem Ziel war sie immer noch weit entfernt. Sie versuchte es ein weiteres Mal, und noch eines, hielt die Sehne so lange wie möglich gespannt und versuchte zu zielen, und langsam aber sicher näherten sie sich dem Ziel, dem immer noch brennenden aber funktionierenden Katapult. Pfeil um Pfeil feuerte Celia ab, und schließlich traf sie, wenn auch nicht wirklich genau, hin und wieder ihr Ziel. Dabei zielte sie niemals auf Menschen, sondern immer nur auf eines der Katapulte, auch wenn es sich als Sisyphos-Arbeit herausstellte, denn so schnell, wie sie die Brandpfeile abfeuerte, löschten die Rebellen sie auch wieder. Bis zum Morgengrauen waren gerade einmal zwei der Holzkonstruktion zerstört. Die anderen acht feuerten weiter. Erschwert wurde ihre Arbeit außerdem durch die Bogenschützen am Boden, die, durch Schilde geschützt, auf die Soldaten an der Balustrade schossen. Immer öfter mussten sie einem Pfeil ausweichen anstatt selber einen abzufeuern. Die Verletzten und Toten, Celia bemühte sich sie zu ignorieren, wurden die Treppen hinter ihnen herunter getragen und durch andere ersetzt, begleiten von immer neuem Schreien und Wimmern. Ständig musste sie schießen oder ausweichen. Erst als es zum Morgen dämmerte wurde ihre Routine unterbrochen, von Oreas, der eine Hand auf ihre Schulter legte, als sie nach dem nächsten Pfeil griff. Er nickte zur Treppe, und wortlos folgte sie ihm hinunter. Die Hauptstraße war für diese Tageszeit außerordentlich belebt. Eines der Häuser brannte, und die Menschen versuchten verzweifelt es zu löschen. Sie hatten eine Kette gebildet, um Wasser aus dem nächstgelegenen Brunnen herbeizuschaffen und das Feuer so daran zu hindern, auf eines der Gebäude überzugreifen. An ihnen vorbei wurden Menschen auf Tragen so schnell es ging zum Lazarett getragen, und wer noch gehen konnte stolperte mehr schlecht als recht in Richtung Marktplatz. Die Leichen hingegen wurden auf dem Trainingshof aufgebahrt. Ein älterer Beamter ging an ihnen vorbei und notierte die Namen mithilfe des Quartiermeisters. Die identifizierten Körper wurden dann auf einen Karren geladen und zu einem Holzstapel mitten auf dem Marktplatz gebracht. „Sie werden gemeinsam eingeäschert“, antwortete Oreas auf Celias entsprechende Frage. Es war das erste Mal, dass sie sprachen seit sie den Turm verlassen hatten. „Wenn sie man sie zulange liegen lässt würde es Krankheiten geben, und begraben kann man sie hier nicht. Es ist noch nicht mal genug Holz da, um sie alle einzeln zu verbrennen.“ Celia ließ ihren Blick noch einmal über den Stapel wandern. Ein Grab also. Als sie das Haus betraten, war sie mit einem Mal schrecklich erschöpft. Sie hatte kaum geschlafen diese Nacht. Und es war ihr vorher gar nicht aufgefallen, dass sie so müde war. Vor Oreas Zimmertür blieben sie schließlich kurz stehen. Als sie endlich ihren müden Kopf hob, blickte Celia in Oreas’ Augen. Er musste in etwa so aussehen, wie sie sich fühlte, dachte sie benommen. Auch wenn er es wohl im Notfall besser überspielen konnte. „Sollten wir nicht weiterhelfen?“, fragte sie matt. Oreas schüttelte nur den Kopf. „Nein. So müde wie wir sind bringt das auch nichts. Nachts haben unsere Augen wenigstens geholfen. Da haben nicht mal deine Schießkünste gestört.“ Er lächelte, auch wenn es seine Augen nicht ganz erreichte. „So schlecht war es doch gar nicht für das erste Mal“, protestierte sie leise, doch Oreas gab nur ein weiteres erschlagenes Lächeln zurück. „Gute Nacht“ „Nacht.“ Und schon war Oreas hinter seiner Tür verschwunden. Auf dem Weg zu ihrem eigenen Bett wurde Celia schließlich von einer merkwürdigen Taubheit erfasst. Wie durch Watte hörte sie immer noch die Steinbrocken – sie waren inzwischen dazu übergegangen, keine Feuerkugeln mehr zu benutzen – als sie sich umzog und in ihr Bett stolperte. Trotzdem fühlte sie sich noch viel zu wach um einzuschlafen. Einige Sekunden später schlief sie tief und fest. * Die Tage der Belagerung waren von einer merkwürdigen Routine geprägt. Nach den ersten paar Tagen, in denen Celia und Oreas hauptsächlich nachts auf einem der Türme gekämpft hatten, waren die Rebellen des ständigen Kampfes überdrüssig geworden und griffen nur noch tagsüber an. Also standen sie wieder morgens auf und verbrachten den Tag kämpfend. Celia bekam sogar ein paar Mal die Chance, ihre neu erworbenen Schwertkünste unter Beweis zu stellen. Die Rebellen versuchten nämlich mehrere Male die Mauern zu stürmen, aber bis auf diese paar Ausnahmen war die Situation festgefahren. Keine der beiden Seiten konnte Boden gutmachen und die Verbissenheit ließ bei keinem nach. Eher im Gegenteil. Und so wurden aus Tagen Wochen und aus Wochen ein Monat. In der Stadt gingen Gerüchte um, dass der Rebellenführer Toheras die Armee persönlich anführte. Immer wenn sie das hörte, bekam Celia ein mulmiges Gefühl im Magen. Und ihr und Oreas brachte es noch weitere Probleme. Die hatte eigentlich damit gerechnet, dass die Menschen in Krisenzeiten zusammenhalten würden, doch ihr wurde bald klar, dass sie sich geirrt hatte. Nun ja, nicht ganz. Sie hielten zusammen, nur gegen sie und Oreas, wobei sich der Hauptteil der Feindseligkeit gegen Oreas richtete. Zuerst waren es ja nur Milam und die Berater gewesen, die in ihrer Gegenwart jedes Mal verstummten und sie nicht aus den Augen ließen. Nicht einmal Melanons warnende Blicke hatten mehr geholfen, so wie es vor der Belagerung gewesen war. Dann hörte sie immer öfter das Geflüster über ihren Vater und es machte Sinn, irgendwie jedenfalls. Sie dachten, Oreas würde sie verraten. Eine in ihren Augen völlig unsinnige Behauptung, denn sie wusste ja noch nicht einmal, wie man Nachrichten aus der Stadt schmuggeln könnte, ohne dabei beobachtet zu werden. Die Mauern waren zu dick und ständig bewacht. Dann warfen auch die Bürger und Soldaten ihnen scharfe Blicke zu, auf den Mauern und unten hielten alle so viel Abstand wie nur menschenmöglich, und hinter ihren Rücken wurde leise getuschelt. Meistens ging es um die Frage, warum Melanon ihnen vertraute. Celia konnte man schließlich schon deshalb nicht trauen, weil sie eine Waldelfe war, und der Konsens war, dass sie ihn verzaubert hatte. Und dass sie mittels Elfenmagie mit Toheras kommunizierten. Gegen Anbruch der fünften Woche überhörte sie einen der Soldaten, wie er zu einem anderen sagte, dass es am besten wäre, wenn man sie einfach beseitigen würde, Scheiterhaufen gäbe es ja genug. Sie erzählte Oreas davon, während sie eine Pause zum Essen machten: „Ich bekomme langsam immer mehr Angst vor ihnen, mehr als ich vor den Rebellen habe. Ich traue mich ja kaum noch, jemandem den Rücken zuzudrehen.“ Oreas blickte nur finster zu einer Gruppe von Menschen hinüber, die sie misstrauisch beäugten. Dann nickte er. „Mir geht es genauso. Sie werden langsam gefährlich. Ich habe schon mit Melanon darüber geredet. Sobald es zu gefährlich wird, werden wir durch das andere Tor gehen. Dann müssen wir wohl oder übel durch Akweah reisen. Das ist zwar auch nicht ungefährlich, aber wenigstens müssen wir da nicht drauf achten, was man uns ins Essen mischt“ Celia starrte zweifelnd auf ihren Teller. Dann kam ihre ein anderer Gedanke: „Und was ist mit Melanon?“ „Was soll schon mit ihm sein?“ „Wir können ihn doch nicht alleine lassen“ Oreas sah sie mit einem unidentifizierbaren Ausdruck im Gesicht an. „Wir haben keine Wahl. Sein Platz ist jetzt hier. Er kann nicht einfach gehen. Dann könnte er nie wieder nach Caronia zurückkehren. Seine einzige Wahl wäre Nikloral, aber er würde es trotzdem nicht machen. Sein verdammtes Verantwortungsgefühl lässt es niemals zu, dass er die Menschen hier im Stick lässt, egal wie schlecht sie uns behandeln.“ Celia schluckte. Sie wollte nicht gehen. Melanon war der Erste, der sie jemals verstanden hatte. Ihr bester Freund. Der Gedanke war ihr noch gar nicht gekommen. Ohne Melanon zu sein, das konnte sie sich nicht so wirklich vorstellen. Nein, das war nicht ganz richtig. Vorstellen konnte sie es sich schon, sie wollte es nur nicht. „Wir sollten mal wieder bei den wunderbaren Strategen vorbeischauen und sie in Angst und Schrecken versetzen, meinst du nicht?“ Ein schiefes Grinsen zierte Oreas’ Gesicht. Und Celia erwiderte es. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg, vorbei an wispernden Menschen, die stehen blieben sobald sie vorbeigingen und alles andere stehen und liegen ließen. So musste es Oreas sein ganzes Leben lang gegangen sein, dachte Celia. Nur hatte bisher wohl kaum jemand ernsthaft daran gedacht, ihn umzubringen. In der Kommandozentrale herrschte wie immer ein gelinde gesagt diskussionsfreudiges Gesprächsklima. Die Berater und Kommandanten redeten aufeinander ein, und besonders auf Melanon. Der saß in einem Stuhl und stützte verzweifelt den Kopf auf beide Hände. Die Belagerung zehrte an der Energie aller, doch Melanon traf es besonders schlimm. Tag und Nacht wurde von ihm verlangt, dass er Entscheidungen über irgendwelche Belanglosigkeiten traf. Es schien fast so, als wäre ohne ihn niemand in der Lage klar zu denken, als wäre Elikos ohne ihn wie kopflos. Oreas unterbrach eine erhitzte Diskussion über den Wideraufbau der abgebrannten oder zerstörten Häuser, als er sich räusperte. Melanon war augenscheinlich der einzige, der sich darüber freute, und der ihre Anwesenheit nicht verabscheute. Die anderen erdolchten sie mit Blicken. Kaum war der Feind erschienen, vergaßen die Berater ihre Konflikte und konzentrierten sich wie immer voll und ganz auf sie und Oreas, wie ein Rudel Wölfe auf seine Beute. Peinliches Schweigen senke sich über die gespannte Atmosphäre, doch keiner schien in der Lage, es zu brechen. Celia war sich auch nicht sicher, ob es überhaupt jemand wollte. Nicht einmal sie hatten einen bestimmten Grund, mit Melanon zu reden. Jedenfalls keinen, der den anderen Anwesenden genügen würde. Oreas wollte gerade das Wort ergreifen, als Milam ihm schließlich doch zuvorkam: „Was wollt ihr hier? Ihr habt hier nichts verloren, ihr-“ Oreas brachte ihn mit einem seiner berüchtigten eiskalten Blicke zum Schweigen. „Wir“ – er betonte das Wort unnötig stark – „wollten nur unseren Freund besuchen. Und es ist immer noch seine Entscheidung, wo wir etwas verloren haben und wo nicht.“ Milam antwortete nur mit einem beißenden Blick. „Nun, dummerweise ist Ihre Majestät von seiner Gutmütigkeit geblendet und sieht nicht, dass wir den Feind in unserer Mitte haben und ihm alle Informationen geben, die er braucht. Jeder weiß doch, dass dieser Bastard und seine kleine Elfenfreundin diesem vermaledeiten Verräter Toheras helfen!“ „Danke Milan, für diese tiefgehenden Einblicke in meine Seele, aber ich denke ich bin durchaus noch in der Lage zu beurteilen, wem ich vertrauen kann und wem nicht.“, gab Melanon mit ruhiger Stimme und einem Hauch Ironie zu verstehen. Er gab sich nicht einmal die Mühe, die Wut in seinem Blick und seiner Mimik zu dämpfen. „Aber-“ „Schweig! Ich will nichts mehr davon hören!“ „Euer Hoheit!“ Alle Köpfe fuhren in einem herum und brachten den jungen Soldaten, der in der Tür stand, dazu, unbehaglich zu schlucken. Es musste wirklich komisch auf ihn wirken, wie sie alle da standen, Milam mit hochrotem Kopf und Melanon voll unverhohlener Wut. „Ähm…“ „Ja?“ Melanon gestikulierte auffordernd mit der Hand. „Es…“ Er strahlte plötzlich übers ganze Gesicht. „Es ist unglaublich! Sie ziehen sich zurück“ Die Rebellen ziehen sich zurück!“ Unglauben stand in die Gesichter aller geschrieben und die Freude stellte sich nur langsam ein. Es war vorbei! Keine Kämpfe mehr, und auch das unaufhörliche Krachen der Steine gegen die unnachgiebigen Mauern war verstummt. Es war Celia gar nicht aufgefallen, so sehr hatten ihre dunklen Gedanken sie abgelenkt. Auch Melanon schien zu begreifen und ein erleichtertes Grinden schlich sich auf sein Gesicht. Die Jahre, die er die letzten Monate mit sich herumgeschleppt hatte, fielen mit einem Mal von ihm ab. * Es sollte noch zwei weitere Tage dauern, bis der Freudentaumel die Stadt wieder aus seinen Fängen entließ. Nicht einmal das drückend schwüle Wetter und die Zerstörungen hielten die Menschen davon ab, sich tag und Nacht bei Wein und Musik zu amüsieren. Celia selbst war nicht nur wegen des plötzlichen Friedens vor den Mauern erleichtert. Jetzt, wo den Menschen die Nerven nicht mehr blank lagen und ihre Euphorie jede andere Emotion verdrängte, waren die „Verräter“ vergessen. Also sonnte sich Celia in ihrer neu gewonnenen Anonymität. Niemand beachtete sie oder Oreas noch groß. Das mag aber auch daran gelegen haben, dass sie sich größtenteils in ihrem Zimmer aufhielt und es nur zu den Mahlzeiten mit Melanon verließ. Sie verbrachte die Zeit weniger mit feiern und vielmehr damit, das Erlebte aufzuschreiben und aufzuzeichnen. Nicht einmal fürs Schlafen nahm sie sich besonders viel Zeit. Die Kämpfe hatte ihr nämlich nicht nur jede Menge Stoff zum Berichten geliefert, sie hatte in den Wochen auch nicht einmal die Feder in die Hand genommen. Genau genommen hatte sie ihre Aufzeichnungen sogar ganz vergessen gehabt. Und so erging sie sich ausführlich über Kriegsgeräte und deren Funktionen und in der detaillierten Darlegung von den Kriegstaktiken beider Seiten. Sie löcherte Oreas, bis er ihr alles genauestens erklärt hatte und bat ihn schließlich ihr beim Schreiben zu helfen. Er lehnte allerdings ab. Und ihr blieb nichts anderes übrig, als sich alleine durch den verwirrenden Wust an Wissen zu wühlen. Am Abend des zweiten Tages konnte sie endlich zufrieden die Feder beiseite legen. Kurz musterte sie noch ihr Werk, bevor sie sich ausgiebig streckte und dem letzten Rest Tinte beim Trocknen zusah. Sie würde sich nie an Schreibtische und Stühle gewöhnen. Eigentlich bevorzugte sie es auch im Schneidersitz zu schreiben, ein Brett auf den Knien, aber sie hatte in ihrem Zimmer keine passende Unterlage gefunden. Und sie wusste nicht, an wen sie sich hätte wenden müssen um eine zu bekommen. Melanon wollte sie mit so einer Kleinigkeit jedenfalls nicht belästigen. Also war ihr nichts anderes übrig geblieben, als sich mit verspannten Schultern abzufinden. Da half auch Massieren nicht mehr. Seufzend stand sie auf. Die Sonne tauchte gerade den Horizont in die verschiedensten Rottöne. Es wurde Zeit fürs Abendbrot. Wie immer, bevor die Vorkriegsroutine so harsch durchbrochen worden war, war die Tafel mit dem immerweißen Tischtuch reich gedeckt. Die Farbkontraste überraschten Celia immer noch, wie an den Tagen zuvor. Es wirkte so irreal, wenn sie den Reichtum vor dem Hintergrund der blutigen Leichen und des Feuers betrachtete. Etwas in ihr schrie sie an, dass das alles hier nicht sein sollte. Doch sie blieb stumm und setzte sich neben Oreas. Die Hälfte der üblichen Verdächtigen hatte bereits Platz genommen, und die anderen trafen binnen weniger Minuten ein. Melanon trat, immer noch ungewohnt leichtfüßig, als letzter ein und lächelte in die Runde. Er setzte sich an den Kopf der Tafel. Ein Räuspern riss Celia aus ihren Gedanken, mit denen sie immer noch zur Hälfte bei ihren Aufzeichnungen war. Milam war aufgestanden. Die anderen sahen selbstzufrieden in die Runde. Etwas ging vor, und Celia war sich sicher, dass es ihr nicht gefallen würde. Melanon hob nur fragend eine Augenbraue. „Euer Hoheit, wir fühlen uns verpflichtet, sie auf etwas hinzuweisen.“ Der fragende Ausdruck verstärkte sich noch, und auch etwas Besorgnis mischte sich in seine Augen. „Wir?“ „Wir, Euer Hoheit“, schaltete sich einer der anderen ein. Melanon blickte trotzdem weiter Milam an. Der räusperte sich erneut. „Es ist so, Euer Hoheit“, fuhr er fort, und gab sich Mühe, dabei so seriös und neutral wie möglich zu klingen. „Wir sind der Ansicht, dass die Anwesenheit dieser“ – er gestikulierte zu Oreas und Celia – „Personen nicht mehr tragbar ist.“ Es folgte eine gewichtige Pose. „Wir sprechen auch im Namen der gesamten Stadtbevölkerung. Keiner, wirklich keiner von uns will sie noch hier. Es ist eine Beleidigung für uns alle. Besonders jetzt, wo die Gefahr durch die Rebellen so groß ist. Seht es endlich ein, sie sind eine Gefahr. Und wenn sie weiter bleiben, wir sich irgendwann einer des Problems annehmen“, setzte er wie beiläufig hinzu. Sein Gesicht war rot angelaufen, und sein Atem ging etwas schwerer als sonst, wie immer, wenn er das Wort ergriffen hatte. „Einer?“, hakte Melanon nach. „Einer“, sagte Milam mit grimmiger Miene. Eine unbehagliche Stille legte sich über die Tafel, alle warteten, und Celia verstand nicht. Jedenfalls den letzten Teil. Schließlich sprang Oreas auf und Blickte mit einer Wut in die Runde, die selbst für ihn selten war: „Mir geht es hier nicht um mich, aber euch ist doch hoffentlich klar, dass ihr davon sprecht, euren Kommandanten zu verraten.“ Dann stürmte er zur Tür hinaus. Und Celia folgte ihm ausnahmsweise nicht. Sie wollte ihm lieber nicht in die Quere kommen, wenn er in so einer Stimmung war. Hilflosigkeit übermannte sie und in ihre Kehle bildete sich ein Kloß der einfach nicht weichen wollte. Sie wusste nicht, was geschehen würde, und irgendwie fühlte sie sich seltsam allein. Eine irrationale Angst ergriff von ihr Besitz, und ohne dass sie es sich erklären konnte wusste sie, dass in den nächsten Stunden etwas passieren würde. „Geht!“, befahl der Prinz. Die Untertanen blickten verwirrt. „Raus!“, diesmal lauter und bestimmter. Eilig erhoben sich die Männer und machten sich zum Narren, als sie fast über die Stühle oder ihre Füße stolperten. Celia war gerade im Begriff, selber aufzustehen, als Melanon ihn eine Hand auf den linken Arm legte. Seine Augen lächelten traurig. Die Tür fiel zu. Stille. Dann ein Seufzen. „Ich möchte, dass du etwas für mich tust“, begann Melanon. Merkwürdig, dachte Celia, in all der Zeit hatte er sie nie um etwas gebeten. „Oreas ist sturer, als gut für ihn ist. Das war schon immer so. Und er war auch noch nie gut im Weglaufen. Jedenfalls im offensichtlichen Weglaufen. Vor sich selbst, das ist eine andere Geschichte“ Noch ein Seufzen. „Ich möchte, dass du ihn dazu bringst, morgen mit dir abzureisen. Ihr müsst noch heute Nacht packen.“ „Aber-“ „Nein“; unterbrach er sie scharf. „Nein, ihr müsst gehen.“, fügte er sanfter hinzu. „Milam hat sich zwar zuviel herausgenommen, aber er wird ernst machen. Eifersucht bringt die Menschen dazu, Dinge zu tun… Ihr seid hier in Gefahr. Es ist besser so.“ Sein Ton ließ keinen Widerspruch zu, und Celia wusste, dass er vermutlich Recht hatte. So sehr es ihr auch wehtat. Sie wollte nicht gehen. Sie wusste nicht einmal wohin, schoss es ihr durch den Kopf. Seit sie den Wald verlassen hatte, war er so etwas wie ihr Leitstern gewesen. Sie war ihm bedingungslos gefolgt, und jetzt fühlte sie sich verloren, orientierungslos. Und sie wollte nicht gehen. „Am besten wäre es wohl, wenn ihr heute Nacht noch geht. Verschwendet keine Zeit darauf, euch zu verabschieden.“ Sie blickten sich lange in die Augen und alles in Celia schrie sie an, etwas zu tun. Irgendetwas. Sie sollte ihn überreden mitzukommen, irgendetwas, aber kein Wort kam ihr über die Lippen. Stattdessen fing sie einfach an zu weinen. „Geh jetzt.“ Der sanfte Ton seiner Stimme blieb ihr ewig im Gedächtnis, wie so vieles an ihm, zusammen mit seinem traurigen Lächeln. Ein weiterer Blick, und dann wandte sie sich um und ging durch die Tür. Ihr Herz schmerzte, als sie krampfhaft versuchte ihre Tränen zu unterdrücken. Nachdem sie sich wieder gefangen hatte, machte sie sich schweren Herzens auf die Suche nach ihrem Bruder. Zuerst sah sie in seinem Zimmer nach, doch keine Spur von ihm. Ratlos wanderte sie ohne Ziel durch die Gänge, in der Hoffnung, ihn irgendwie zu finden, währen ihre Gedanken immer noch um Melanon kreisten. Jetzt, wo sie nicht mehr in seiner Gegenwart war, hatte der Schmerz nachgelassen, und doch wünschte sie sich nichts mehr, als bei ihm zu bleiben. Ohne sie und Oreas wäre er alleine, und diese Qualen wollte sie ihm nicht zumuten. Er brauchte Freunde, und in Elikos hatte er schließlich keine. Wahrscheinlich hatte er nirgendwo welche, dachte sie bitter, wenn nicht einmal seine Familie ihm besonders nahe zu stehen schien. Bleiben können würden sie wohl aber auch nicht, nicht, wenn sie tatsächlich in so einer Gefahr schwebten, auch wenn sie das immer noch nicht so recht verstand. Sie fand Oreas schließlich auf dem Übungshof. Ihre Schritte hatten sie wie automatisch dorthin geführt, wohl weil sie den Weg schon so oft gegangen war. Einen Augenblick sah sie ihm zu, wie er im schwachen Mondlicht seine Übungen machte, dann räusperte sie sich. Er fuhr erschrocken herum. Und Celia konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ein Mensch hätte ihn wohl kaum so überraschen können. Doch sobald sie sich wieder an den Grund für ihre Begegnung erinnerte, verblasste es. Oreas sah sie bloß fragend und leicht genervt an. „Melanon… er hat gesagt, wir sollen sofort gehen. Ohne uns von ihm zu verabschieden“ „Das kann er vergessen! Was denkt er denn wer ich bin? Ein Feigling? Nein, diese Genugtuung werde ich diesem Idioten Milam nicht geben“, donnerte er, und stürmte vom Platz, offenbar um Melanon zu sagen was genau er von seiner Idee hielt. „Oreas!“, schrie Celia verzweifelt. Sie bereute es, dass sie sich nicht überlegt hatte, was sie sagen wollte, bevor sie den Mund aufgemacht hatte. „Wart-“ Eine blitzende Klinge schoss aus der Dunkelheit des Tores zum Haupthaus hervor. Oreas konnte dem Hieb gerade noch ausweichen und parierte einen zweiten. Und dann war er schon nahe genug an seinen Gegner herangekommen, um ihm den Schwertknauf gegen den Kopf zu schlagen. Der Mann sackte zusammen. „Oreas?“ Celia war selber darüber erstaunt, wie schwach ihre Stimme klang. Der Schock, den sie gar nicht bemerkt hatte, war ihr tief in die Glieder gefahren. „Ich… ich denke wir sollte tun was Melanon sagt.“ Sie blickte ihrem Bruder starr in die Augen, und konnte förmlich sehen, wie sich Oreas Widerstand widerwillig aber sicher in Rauch auflöste, wie die Wut in seinen Augen einer schmerzhaften Erkenntnis wich. Matt nickte er. Der Rest der Nacht zog wie ein Traum an Celia vorbei. Im Nachhinein konnte sie sich nicht an die Details erinnern, daran, wie sie in aller Eile ihre Sachen wahllos in den Rucksack stopfte und sich mit Oreas zu den Ställen schlich. Sie hatte Heria schon ewig nicht mehr gesehen, aber trotzdem erkannte sie sie wieder. Zum Glück war außer ihnen kaum ein Mensch wach – die Feiern der letzten Tage waren sehr ausgeufert. Elikos wirkte seltsam, fast wie eine Geisterstadt, und das Klappern der Hufe auf dem Kopfsteinpflaster hallte an den Wänden der Häuser wider. Am Tor angekommen stellte sich ihnen das erste Hindernis. Die Soldaten, die das äußere Tor bewachten, bemerkten sie trotz ihrer Unaufmerksamkeit und wussten nicht so recht, wie sie sich entscheiden konnten. Es machte sie augenscheinlich misstrauisch, dass sie ausgerechnet durch das Westtor wollten. Doch Oreas hatte sich schon eine Maske aus Langeweile zurechtgelegt. „Hört mal“, begann er „Ich weiß, dass ihr uns misstraut. Aber so seid ihr uns am Ende wenigstens los. Und wir haben auch keine Informationen, die der Feind nicht von selbst hätte erraten können. Wir sind weg, ihr seid uns los, und alle sind zufrieden, also lasst und durch.“ Nicht alle, dachte Celia, während die beiden Soldaten sich nur zweifelnd ansahen, bis der Hauptmann zögerlich nickte. Der andere setzte den Mechanismus in Gang, der die Tore knarrend auseinanderfahren ließ. Es dauerte eine Ewigkeit, oder zumindest kam es ihr so vor, bis sie endlich das Tor passiert hatten und außer Schussweite waren. Erleichtert atmete Celia aus. Es war unangenehm gewesen, mit dem Rücken zur Stadt zu reiten. „Freu dich nicht zu früh. Der schwierige Teil kommt erst noch. Wir müssten an den Rebellen vorbei. Das wird uns eine Menge Zeit kosten“, bemerkte Oreas finster. Und sie hatten noch nicht einmal ihr Ziel festgelegt, fiel Celia auf. Doch sie nickte nur stumm. TBC Kapitel 15: Durch die Steppe ---------------------------- Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 15/16 Wörter: 4329 (dieser Teil) Abgeschlossen: ja Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13 Warnungen: nicht gebetat Claimer: Alles gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment A/N: Inzwischen habe ich die Geschichte (endlich) abgeschlossen. Es fehlt nur noch das letzte Kapitel, und das kommt auch noch diese Woche. Kapitel XV: Durch die Steppe Sie hatten sich schließlich darauf geeinigt, erst einmal zu Oreas’ Hof zurückzukehren. Dabei wollten sie durch die Steppe reiten. Die war zwar nach wie vor Rebellengebiet, aber gerade dadurch wohl sicherer, immerhin wurden die Hauptstraßen entlang der Steppe immer häufiger überfallen und zwei Reiter würden in den hauptsächlich unbewohnten Weiten der Steppe wohl weniger auffallen als an einem Ort, dem die Rebellen so oder so schon viel Aufmerksamkeit schenkten. Zumindest meinte Oreas das. Da sie nicht wussten, wo die Rebellen sich aufhielten, bewegten sie sich nur sehr langsam vorwärts, immer horchend und spähend. Doch solange sie zwischen den Bäumen blieben waren sie sicher. Celias innere Unruhe ließ sich aber trotzdem nicht vertreiben. Im Gegenteil, sie wurde noch dadurch verstärkt, dass sie sich vorkam, als würden sie blind durch die Dunkelheit stolpern. Sie waren vielleicht schon längst auf Rebellengebiet, ohne es bemerkt zu haben. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht langen die feindlichen Linien schon weit hinter ihnen, die Soldaten konnten aber auch genauso gut in den Büschen direkt vor ihnen sitzen. Celias leichter Schlaf wurde mehr und mehr von Alpträumen durchzogen, in denen ihr dunkle Gestalten auflauerten und sie verfolgten. Am gefährlichsten war wohl die Durchquerung des Flusses, der in ihr wieder unangenehme Erinnerungen wachrief, und der gleichzeitig ein beklemmendes Gefühl in ihren Magen kriechen ließ. Doch sie riss sich zusammen, was blieb ihr auch anderes übrig? Zur Sicherheit hatte Oreas ihr Herias Zügel abgenommen und führte sie durch den Fluss, dessen Wasser hier vergleichsweise ruhig war. Nach dieser Stelle hatten sie drei Tage suchen müssen. Das Wasser war kälter, als sie es in Erinnerung hatte, und sie fragte sich flüchtig, ob das nur an ihr lag, oder ob es wirklich kälter war. Sie erreichten das andere Ufer beunruhigt und erleichtert zugleich. Einerseits gab es immer noch keine Spur von den Rebellen, und andererseits waren sie ihnen waren sie ihnen immer noch nicht begegnet. Celia wusste nicht, warum sie das so sehr irritierte, aber sie spürte, dass es Oreas genauso ging. Komisch, wie sehr sie inzwischen aneinander gewohnt waren. Sie redeten kaum, aber trotzdem konnte sie meistens sagen, was hinter Oreas’ starrer Miene vor sich ging. Als sie die Steppe endlich erreicht hatten, hatte das Laub an den meisten Bäumen schon damit begonnen, sich langsam rot zu färben. Einige Bäume waren schon ganz rot gekleidet und beim kleinsten Windhauch segelten die Blätter zu Boden. Nässe hing in der kühlen Luft und Nebel waberte über der Ebene am Rand des Waldes, in dem sie immer noch kein Zeichen von menschlichem Leben ausgemacht hatte. Und auch in der Ebene schien nie ein Mensch gewesen zu sein, so friedlich und ruhig lag sie im trüben Licht. Ein kurzer Blick zu Oreas und sie machten sich auf den Weg, dieses Mal zu Pferde. Sie hatten vor ein paar Nächten besprochen, dass sie von jetzt an nicht mehr herumschleichen würden. Das wäre nur noch verdächtiger. Stattdessen würden sie so tun, als wäre alles so, wie es sein sollte, als gehörten sie in die Steppe. So kämen sie auch endlich viel besser voran, denn in ihrem bisherigen Tempo würden sie es nie im Leben vor dem Winter schaffen. Die ersten Menschen begegneten ihnen nach zwei Tagen in der endlos weiten Steppe. Es waren Viehhirten, die ihnen im vorbeigehen freundlich zunickten. Celia erwiderte den Gruß unsicher. Das mulmige Gefühl, das sie beim ersten Anblick der winzigen Gestalten in der Ferne ergriffen hatte, ließ erst wieder nach, als die Hirten mit ihren Schafen außer Sichtweite waren. „Spätestens in fünf Tagen wissen die Rebellen, dass wir hier sind“, murmelte Oreas. Celia schwieg. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, nur dass es wohl unvermeidbar gewesen war. Zwischen den sanften Hügeln konnte man sich nicht verstecken, denn sobald man jemanden sah, wurde man selber gesehen. Und irgendwie war sie auch auf seltsame Art und Weise erleichtert, dass sie es jetzt endlich hinter sich hatten. In der folgenden Nacht saßen sie beide nachdenklich am Lagerfeuer, während die Pferde etwas abseits standen. Die Nacht war sternenklar, wie schon seit Tagen nicht mehr. Es würde kühl werden, und Celia kuschelte sich in eine Decke, obwohl sie eigentlich noch gar nicht fror. Ganz plötzlich hatte sie das Bedürfnis, sich wieder mit Oreas zu unterhalten. Sie hatten seit ihrer mehr als überstürzten Abreise kaum länger miteinander geredet. Und auch wenn es Celia nicht wirklich gestört hatte, in dieser Nacht hoffte sie auf eine Ablenkung von der drückenden Nachdenklichkeit, die sie seit dem Treffen mit den Hirten umgab. Sie war zwar erleichtert, aber dafür malte sie sich nun umso genauer aus, wie das Aufeinandertreffen mit den Rebellen wohl ablaufen würde. Eigentlich hatte sie erwartet, dass Oreas nicht in der Stimmung zum Reden war, das war er im Grunde nie, doch irgendetwas bewegte ihn dazu, ihr diesen kleinen Gefallen zu tun. „Oreas?“ „Hmm?“ „Was willst du eigentlich machen, wenn wir wieder zurück sind“ Wenn, nicht falls. Oreas runzelte die Stirn. „Auf meinem Hof arbeiten, was sonst?“ Etwas in Celia sträubte sich gegen diese Antwort. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie wusste, dass Oreas auf dem Hof nie wirklich glücklich werden würde. Und sie hatte sich längst entschlossen, wieder nach Hause zu gehen. Sie hatte genug Abenteuer für ein Leben gehabt. Nur ihren Bruder wollte sie nicht alleine lassen, und das stellte sie vor eine Wahl, die sie nicht unbedingt treffen wollte. „Du könntest doch mit mir kommen“, schlug sie mit hoffnungsvollem Ton vor. „Und wohin wäre das?“ „Celia zögerte. „Ich möchte wieder nach Hause gehen“ „Und was soll ich da? Bis auf Zylas konnte mich noch kein Elf leiden. Und die Waldelfen sind bestimmt noch schlimmer mit ihrer panischen Angst vor Menschen“ „Trotzdem… denkst du nicht, du solltest den Wald wenigstens einmal gesehen haben? Er ist schließlich ein Teil von dir. Ob du nun da warst oder nicht“ Oreas schwieg. Und Celia auch. Es war alles gesagt. Nun musste sie abwarten, wie Oreas sich entschied. Entschieden kuschelte sie sich tiefer in die Decken und legte sich auf die Seite. Hoffentlich würde es nicht zu kalt werden. * Zehn Tage später hatte man sie gefunden. Celia war wütend. Nach Oreas’ Schätzung hätten sie in ein paar Tagen die Hauptstraße nach Erador erreichen können. Sie hatten sich nachts angeschlichen, so gut es eben ging. Celia und Oreas hatten wieder ein Feuer gemacht, das es nachts zu kalt wurde, und sich dann so nahe am Feuer wie möglich zusammengerollt. Die Rebellen waren klug genug gewesen, sich von allen Seiten gleichzeitig anzuschleichen, andernfalls hätten sie wahrscheinlich noch in der Dunkelheit fliehen können. So aber hatten sie keine Chance. Die Aktion war alles in allem vergleichsweise unspektakulär verlaufen. Sobald Celia und Oreas durch das Trampeln der Männer aufgewacht waren, waren sie auch schon umzingelt. Celia wollte instinktiv nach ihrem Schwert greifen, doch Oreas hinderte sie daran, indem er eine Hand auf ihren Schwertarm legte. Ein Blick in seine Augen verriet ihr, dass sie sich jetzt besser ruhig verhalten sollte. Fast gelangweilt hob Oreas die Hände und blickte die Männer erwartungsvoll an. Gesichtslose Gestalten nahmen ihnen die Waffen ab und drückten Celias Arme schmerzhaft hinter ihrem Rücken zusammen. Sie biss die Zähne zusammen, als grobe Seile um ihre Handgelenke zusammengezurrt wurden. Oreas hingegen verzog keine Miene. Nachdem die Männer sichergegangen waren, dass sie keine versteckten Waffen mehr trugen (und Oreas einen Dolch abgenommen hatten), stellten sie sich in ein paar Metern Entfernung in einem Kreis um sie auf. Oreas blickte weiter absolut unberührt und blickte gelangweilt in die Runde, obwohl er unmöglich etwas in den Gesichtern erkennen konnte. Es war einfach zu dunkel. Trotz des Mondes konnte man alles nur schemenhaft erkennen. Celia hingegen machten die Männer nervös. Sie hatte es noch nie gemocht, beobachtet oder angegafft zu werden, und sie würde sich wohl auch nie im Leben daran gewöhnen. Ein klickendes Geräusch brachte sie dazu, den Kopf nach rechts zu wenden. Immer wieder flogen Funken und ihr wurde klar, dass den Männern die Dunkelheit offenbar genauso wenig gefiel wie ihr selbst. Nach acht missglückten Versuchen gelang es ihnen, und nach und nach wurde die Welt in dunkles Rot getunkt. Die zwei Fackeln, die sie entzündet hatten, wurden von zwei Männern in den Kreis herein getragen, und sie wurden an ihre Gesichter gehalten, sodass die Rebellen ihre Gesichter besser sehen konnten. Erst da verstand Celia wirklich, dass sie viel schlechter sahen und deshalb bei diesen Lichtverhältnissen fast blind sein mussten. Sie selber konnte immerhin fast Details in den Gesichtern ausmachen, nur Farben konnte sie gar nicht mehr sehen. Eine Bewegung lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Wirklichkeit. Ein Mann, etwas älter als die anderen, schätze Celia, trat hervor und musterte sie genau. Dabei blieb sein Blick selbstverständlich an der ungewöhnlichen Kleidung und den großen Ohren hängen. Bei Oreas’ Anblick verzog er kurz das Gesicht, vermutlich hatte er erkannt, dass er ein Halbelf war. Aber der Mann hat sich gut im Griff und so blieb Celia nichts anderes übrig, als in ihrer Hilflosigkeit zu schmoren, bis er sich dazu entschied, etwas zu unternehmen. Es dauerte etwas, bis er sich dazu durchgerungen hatte, und Celia wurde das Gefühl nicht los, dass er sich absichtlich viel Zeit ließ. Schließlich lächelte er. „Was machen ein Elfe und ein Halbelf mutterseelenallein in unserem Gebiet?“, fragte er, so als ob es ihn nicht wirklich interessieren würde. Doch als die Antwort ausblieb, schob er ein scharfes „Ich warte“ nach. „Wir sind auf der Durchreise“, antwortete Oreas im selben Ton. „Durchreise? Nach Norden? Keine besonders gute Idee in diesen Tagen“ „Aber zeitsparend. Falls es ihnen noch nicht aufgefallen ist, es ist Herbst“ Das gezwungene und kalte Lächeln verschwand aus dem Gesicht des Mannes und es nahm unangenehm harte Züge an. „Schluss damit. Namen!“ „Oreas“ „Celia“, murmelte sie. Sie wäre am liebsten im Erdboden verschwunden, nur um den begutachteten Blicken und den bohrenden Fragen zu entkommen. Der Mann nickte, aber es war klar, dass die Sache damit noch lange nicht ausgestanden war. Sie sollte Recht behalten. „Und woher kommt ihr? Windelfen? Stolz genug dafür seid ihr ja. Oder doch Erdelfen?“ Dieses Mal zögerte Oreas bei seiner Antwort. Und Celia vermutete, dass es das Beste wäre, wenn sie auch nichts sagen würde. Oreas hatte sich mit Sicherheit schon Pläne zurechtgelegt, und wenigstes wusste er einigermaßen, womit er zu rechnen hatte. Sie hingegen war vollkommen hilflos und rechnete mit allem. Und vor allem wusste sie nicht, was wahrscheinlicher war, dass man sie gehen ließ oder dass man sie umbrachte. „Waldelfen“, antwortete Oreas schließlich matt. Und damit schien er den Mann wirklich aus der Bahn zu werfen. Für einen Moment starrte er sie mit offenem Mund an, bevor er sich fing und noch einmal nachfragte. „Wir sind Waldelfen. Zumindest zur Hälfte“, wiederholte Oreas, dieses Mal etwas klarer. „Und was genau machen Waldelfen hier in der Steppe?“ „Sich die Welt der Menschen ansehen?“ „Unsinn!“, donnerte der Mann, so laut, dass Celia erschrocken zusammenzuckte. „Ihr seid hier, um für den König zu spionieren!“ „Sie reden Unsinn“, entgegnete Oreas ruhig. „Wenn wir spionieren wollten, würden wir es geschickter anstellen. Außerdem würde es wohl kaum Sinn machen, dafür zielstrebig nach Nordwesten zu reisen“ „Du hast dir also schon Gedanken darüber gemacht, wie du dich verteidigst“ „Ich benutze nur meinen gesunden Menschenverstand“ „Zu dumm, dass du dabei ein paar Kleinigkeiten vergessen hast. Zum einen tragen Frauen keine Waffen, nicht einmal bei den Elfen“ – es folgte ein abschätziger Blick zu Celia – „Und zum zweiten gibt es keine Waldelfen außerhalb ihres verfluchten Waldes, mit einer Ausnahme, und da behauptest du, du wärst zur Hälfte einer?!“ „Ja“, erwiderte Oreas ruhig. „Und wie willst du das beweisen?“ „Ihr könnt ja meinen Vater fragen“ „Und wie stellst du dir das vor?“ „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie ihn kennen“ „Ach ja?“ „Sein Name ist Toheras, das sagt Ihnen doch sicher was, oder?“ Totenstille. Nun waren die Männer wirklich verblüfft. Nach der ersten Schrecksekunde fingen sie an zu tuscheln und hörten erst auf, als der Anführer die Hand hob. „Was für Beweise hast du?“ „Keinen“ Man konnte dem Mann deutlich ansehen, dass ihm widerstrebte, was er würde tun müssen. Sein Gesicht zuckte, als er sich endlich dazu durchrang. „Fesselt sie auf ihre Pferde und verbindet ihnen die Augen“, befahl er mit einer Sicherheit, die Celia überraschte und die Soldaten dazu brachte, ihm augenblicklich zu gehorchen. * Celia wusste nicht, wie lange sie bewegungsunfähig und blind auf Heria gesessen hatte. Das gleichmäßige Schaukeln ließ sie schnell jedes Gefühl für Zeit verlieren und lullte sie ein, sodass sie am Ende nur noch sagen konnte, dass es wohl mehrere Stunden gewesen sein mussten. Durch einen Schlitz am unteren Rand der Augenbinde konnte sie irgendwann Licht sehen, und sie spürte, wie die Sonne ihr Gesicht wärmte. Sie wurden also nach Osten geführt. Die Männer unterhielten sich fröhlich, meistens über Belanglosigkeiten wie Frauen, aber immer wieder fiel der Name Regon. Das musste wohl der Anführer sein, denn er wurde immer im Zusammenhang mit Kommandos oder seinem Verhalten in bestimmten Situationen genannt. Außerdem machten sie sich über Oreas’ „Finte“, wie sie es nannten, lustig. Sie glaubten seine Geschichte nicht und waren sicher, dass der Schwindel bald auffliegen würde. Nach einer Ewigkeit, so schien es zumindest, erreichten sie das Lager. Es war voller Menschen, soviel konnte Celia sagen. Es mussten viele sein, denn die Kakophonie des Lagerlebens ließ ihren Kopf schwirren. Es klirrte, schepperte und klapperte, und die Menschen, hauptsächlich Männer, riefen, lachten und redeten. Doch trotz des Lärms, an den sie sich wie immer erst gewöhnen musste, fiel ihr auf, dass die Menschen verstummten, sobald sie sich näherten. Und sie hatte das bestimmte Gefühl, dass man sie anstarrte. Schließlich, sie mussten schon tief im Lager sein, brach das Klappern der Hufe ab und die Pferde hörten auf zu schwanken. Jemand zog an ihrem Bein und ließ sie so unsanft vom Sattel gleiten. Glücklicherweise fing man sie auf und stellte sie auf ihre Beine, aber die Männer mussten die weiter aufrecht halten, weil sie durch das Gezerre an den Fesseln und der Augenbinde immer wieder das Gleichgewicht verlor. Außerdem wehrte sie sich gegen das Gefühl, wie eine Ware behandelt zu werden. Angst schoss ihren Rücken hoch, als dir vielen Hände immer wieder an ihr herumrissen. Mussten sie denn unbedingt so grob sein? Doch dieses Gefühl verschwand fast ganz, sobald sie wieder sehen konnte. Trotz des Anblicks der Männer, die abwartend um sie herumstanden und sie begafften als wäre die ein besonders außergewöhnliches Exemplar. Nun, für sie war sie das vielleicht auch. Automatisch machten sich ihre Augen auf die Suche nach Oreas, bis sie rechts von sich einen hellblonden Haarschopf zwischen den Menschenköpfen ausmachte. Er hatte ihr den Kopf zugewandt und sah sie mit einem furchtbar unergründlichen Blick an, der alles und nichts zugleich sagte. Regon räusperte sich. „In das Zelt“, befahl er. Und deutete auf die Jurte vor ihnen. Ohne groß zu zögern befolgten sie den Befehl und traten in das Vorzelt ein. Nur Regon folgte ihnen und trat dann schließlich durch einen Vorhang in den Hauptraum ein. Celia wollte ihm folgen, aber Oreas hielt sie fest. Regon steckte schließlich wieder den Kopf heraus und hielt einladend den Vorhang auf. „Jetzt könnt ihr eure schwachsinnige Geschichte erzählen“, spottete er. Oreas ging vor, Celia folgte ihm Sekunden später. Das Innere des Zeltes war bunter, als das Äußere vermuten ließ. Der runde Innenraum war mit Teppichen ausgelegt und in der Mitte, dort, wo die Feuerstelle war, schwelte noch immer die Glut der letzten Nacht. Oder des Morgens. Celia wusste nicht wirklich, wie spät es war. „Danke Regon, du kannst gehen“ Die warme Stimme kam aus hinteren Ecke, wo man einige Tische aufgebaut hatte, die vor Papier nur so überquollen. Ein Bild von Melanon, gebeugt über die Stadtpläne von Elikos, schoss ihr durch den Kopf, doch sie verdrängte es schnell wieder. Sie konnte es sich wirklich nicht leisten, sich ausgerechnet in diesem Moment ablenken zu lassen. Sie musste— „Hallo Vater“ Im Gegensatz zu Celia hatte Oreas seine Zeit nicht damit verschwendet, die Innenausstattung der Jurte zu bewundern, sondern sich gleich ihrem Bewohner zugewandt. Toheras sah seinen Sohn halb amüsiert, halb besorgt an, fiel Celia auf. Sie beachtete er gar nicht erst, und es versetzte ihr einen Stich, während ein Schauer der Erkenntnis durch ihren Körper lief. Sie spürte, wie ihr Herz einen Sprung machte und sie sich verkrampfte, als ihr Blick auf den Mann fiel, der ihr Vater war. Er war blond, sogar noch blonder als Oreas, relativ groß, mit schlankem Körper und schmalem Gesicht. Seine warmen, grünen Augen stachen besonders hervor, während sie Oreas von oben bis unten musterten. „Du bist groß geworden“, stellte er nüchtern fest, und nickte. „Hattest du etwa erwartet, ich würde ewig der kleine Junge bleiben, den du einfach im Stich gelassen hast?“, presste Oreas wütend hervor. Toheras seufzte bitter. „So klein warst du auch nicht mehr“ Oreas ballte zur Antwort die Fäuste und biss die Zähne zusammen. „Aber du bist immer noch viel zu jung, um das zu verstehen“ „Aber offenbar nicht zu jung, um alleine zu überleben. Ich weiß wenigstens, dass man die Menschen, die einem etwas bedeuten, nicht einfach im Stich lässt. Dazu brauche ich nicht erst hundert zu werden.“ Toheras schüttelte den Kopf. „Was willst du eigentlich hier?“ „Wir wollen einfach nur zurück nach Hause“ „Aus Elikos, nehme ich an?“ Oreas nickte. Das „wir“ hatte Toheras dazu gebracht, sich Celia zuzuwenden. Er musterte sie von Kopf bis Fuß und sie konnte nicht verhindern, dass ihre Wangen vor Nervosität rot anliefen. Alles in ihr schrie danach, etwas zu sagen oder zu tun, doch kein Laut kam über ihre Lippen und sie blieb versteinert stehen. „Eine Waldelfe?“, Celia brachte gerade noch den Hauch eines Nickens zustande. „Eine interessante Freundin hast du da, Oreas. Darf man fragen, was du hier machst? Die Elfen verlassen doch sonst nie den Wald“, fragte er freundlich. „Das hat einige Gründe“, murmelte Celia nach einer Pause. Wie sollte man jemandem sagen, dass man seine Tochter war, fragte sie sich. Einerseits wollte sie nichts mehr, als es ihm zu erzählen, so, wie sie es vorgehabt hatte, seit sie ihre Heimat verlassen hatte. Und andererseits wollte sie nur so schnell wie möglich von dort weg. Dieser Mann war ein Fremder, erkannte sie. Da waren kein Band und keine magische Verbindung, wie sie es sich immer erträumt hatte. Sie mochte ihm zwar ähnlicher sein, als allen anderen Elfen, aber trotzdem war sie ganz und gar nicht wie er. Sie wusste nicht einmal mehr, was sie überhaupt erwartet hatte. Dass er mit einem Mal der Vater sein würde, den sie sich immer gewünscht hatte? Nun, diese Illusion war schon in Ronia zerstört worden. „Einige Gründe?“, bohrte Toheras nach. Doch Celia brachte keine Antwort zustande und wich seinem Blick aus. „Sie war auf der Suche nach dir“, mischte sich Oreas sein. Seine Stimme brannte immer noch mit unterdrückter Wut, die sich irgendwie zu befreien versuchte. Und Celia begann zu ahnen, was dieser Ausweg sein würde. Verzweifelt schloss sie die Augen. „Nach mir?“ „Ja Vater, sie ist nämlich deine Tochter musst du wissen“ Geschockte Stille. Mit viel Mühe öffnete Celia wieder die Augen. Toheras starrte sie entgeistert an. Musterte sie von oben bis unten, bis er schließlich die Augen aufriss und kaum hörbar „Cilea“ flüsterte. Doch Celia hatte es gehört. Ihr Vater starrte sie immer noch an und schien genauso hilflos und überfordert zu sein wie sie. Obwohl, es musste ihn wohl noch mehr treffen als sie. Er hatte schließlich nie die Zeit gehabt, sich mit einer Tochter abzufinden. Irgendwie hatte Celia Mitleid mit ihm. Sein ganzes Auftreten hatte sich binnen Sekunden verändert. Zuvor war er gefasst und selbstbewusst gewesen, und nun zerbrach er sich sichtlich den Kopf über die richtigen Worte. „Ich habe nichts gewusst“, stammelte er schließlich zur Rechtfertigung. „Ich weiß“, flüsterte Celia erstickt. „Warum hat sie mir nichts erzählt?“, fragte Toheras verzweifelt. „Sie wollte dich nicht belasten. Das hat sie mir jedenfalls immer erzählt“ Toheras schwieg. „Sie wartet immer noch auf dich“ Daraufhin blickte er schuldbewusst zu Boden. Wahrscheinlich erinnerte er sich an sein gebrochenes Versprechen, dachte Celia zynisch. Wenigstens wusste er jetzt, was für Folgen sein Verhalten gehabt hatte. Peinlich Stille senkte sich über das Zelt. „Können wir dann gehen?“, fragte Oreas schließlich mit genervtem Unterton. Toheras hob scharf den Kopf. „Wohl kaum. Ihr könntet unsere Position dem König verraten, und das würde ich nie zulassen“ „Selbst wenn, er würde uns kein einziges Wort glauben. Oder denkst du etwa, ich hätte ein leichtes Leben mit dir als Vater? Kein Mensch traut mir mehr über den Weg“ Da musste Celia ihm zustimmen. Die Erinnerung an die Belagerung und alles, was damit zu tun hatte, war immer noch zu frisch in ihrem Gedächtnis. „Man würde euch sehen und wissen woher ihr kommt. Ihr hättet besser in Elikos bleiben sollen. Das hier ist jetzt Kampfgebiet“ „Wären wir ja gerne, aber nach einem Attentat hat Melanon, seine Hoheit“ – der sarkastische Unterton war unüberhörbar – „Uns befohlen zu fliehen“ „Eine andere Route hättet ihr nicht nehmen können?“ „Natürlich, die Straße nach Ronia ist doch längst Rebellengebiet. Und über Akweah – sei ehrlich, das wäre eine noch dümmere Idee gewesen“ „Hm, da hast du wohl Recht. Und bei der Straße hast du gut geraten“ Toheras nickte anerkennend. „Die Fronten haben sich also weiter nach Norden verschoben. Gratulation. Aber in der nächsten Zeit wird sich nicht mehr viel ändern. Alle bereiten sich auf den Winter vor. Außerdem hat der König auch seine Späher. Da spielen wir doch keine Rolle mehr“ Toheras seufzte und streifte Celia nachdenklich mit seinem blick. Fast automatisch setzte sie ihren besten Hundeblick auf und flehte ihn stimm and. Seine Schuldgefühle waren es dann wohl letztendlich auch, die ihn zum Einlenken bewegten. „Also gut“, sagte er. Mit sicheren Schritten ging er zum Eingang und rief Regon herein. Der blickte überlegen in die Runde. „Gib ihnen ihre Pferde und ihr Gepäck zurück. Auch die Waffen“, befahl Toheras. Regons Selbstgefälligkeit löste sich in Luft auf. „Aber—“, protestierte er. „Kein aber. Sie können gehen“ Regon sah seinen Vorgesetzten misstrauisch an, bedeutete dann aber Celia und Oreas widerwillig, ihm zu folgen. „Auf Wiedersehen, Oreas“, Toheras merkte auf. „Wie war noch gleich dein Name?“ „Celia“, murmelte sie, während sie gleichzeitig gegen ihre Tränen kämpfen musste. Sie wusste nicht, warum sie weinen wollte. Es war jedenfalls nicht, weil sie bleiben wollte. Ganz und gar nicht. Sie wollte nach Hause, jetzt mehr als je zuvor. Sie sehnte sich nach dem Wald, in dem sie jeden Baum kannte. Sogar nach den Elfen, die sie nicht verstanden. Vielleicht weinte sie auch einfach ihren Kindheitsträumen nach, die sie in ihrem Herzen beerdigte. Das letzte, das sie von ihrem Vater sah, war das Nicken zum Abschied. Sie erwiderte es. Oreas nicht. Er blickte nicht einmal zurück. In Toheras’ Gesicht spiegelte sich seine Zerrissenheit wider. Seine Selbstkontrolle überspielte das zum größten Teil, trotzdem konnte Celia die Bitterkeit über Oreas’ Verhalten spüren. Außerdem Trauer, Sturheit und Entschlossenheit. In diesem Moment begriff sie wirklich, dass keiner von beiden je auf den anderen zugehen würde, gerade weil sie sich nicht nur äußerlich ähnelten. Sie war in Gedanken immer noch bei diesen wenigen Minuten mit ihrem Vater, als man ihr widerstrebend und mit irritiertem Blick ihr Schwert zurückgab. Heria wieherte freudig, und brachte sie damit in die Wirklichkeit zurück. Die Menschen um sie herum tuschelten und starrten. Einige zeigten mit dem Finger auf sie. Sie würde sich wirklich niemals daran gewöhnen. Dieses Mal ließ man sie ohne Augenbinde reiten. Oreas ritt voraus, den Kopf hoch erhoben. Er schien den Weg zu kennen. Celia blieb nichts anderes übrig, als darüber zu staunen. Sie würde sich niemals in einer Ebene zurechtfinden. Dazu sah alles einfach zu gleich aus. * Sie erreichten Oreas’ Hof zwei Wochen später. Seine Nachbarn kümmerten sich gut um ihn, soviel konnte man sehen. Zwei Männer arbeiteten gerade im Stall, als sie ankamen. Oreas saß ab und rief sie zu sich. Beide sahen überrascht auf und ihre Blicke verdunkelten sich, sobald sie Oreas erblickten. Celias Magen zog sich unangenehm zusammen. Die Männer waren ihr alles andere als geheuer, und auch Heria scheute. „Danke, dass ihr euch um meinen Hof gekümmert habt. Aber jetzt könnt ihr wieder gehen“, rief Oreas ihnen entgegen, als sie nah genug waren. „Das glaube ich nicht“, murrte der Größere. Oreas stutzte. „Was?“ „Dieser Hof gehört jetzt uns. Du kannst ja gerne versuchen, ihn uns wieder wegzunehmen, aber dann hast du das gesamte Dorf gegen dich. Da kannst du noch so viel mit diesem Zahnstocher herumfuchteln. Selber Schuld“ Der andere schwenkte zur Betonung die Heugabel hin und her. Celia war gerade noch rechtzeitig vom Schwert gestiegen, um sich jetzt an Oreas’ Schwertarm zu klammern und ihn davon abzuhalten, auf die Männer loszugehen, die zur Sicherheit schon einen Schritt zurückgegangen waren. Oreas versuchte fluchend, sie abzuschütteln, doch sie ließ sich nichts abschütteln. Im Gegenteil, sie ließ ihn erst los, als er sich wieder beruhigt hatte. Er warf den Männern noch einen vernichtenden Blick zu, bevor er zum Wohnhaus stapfte. „Halt! Wohin willst du?“, donnerte der Mann wieder. „Meine Sachen holen“, erwiderte Oreas mit eisiger Ruhe. „Das ist Diebstahl!“ „Was wollt ihr denn machen? Vor einer Heugabel fürchte ich mich nämlich nicht“ Die Männer knirschten mit den Zähnen. „Vielen herzlichen Dank“, ätzte er. Eine halbe Stunde später kam er mit einem gefüllten Kissenbezug zurück und schwang sich unbeeindruckt auf sein Pferd. Celia hatte die ganze Zeit nervös zwischen den Pferden gewartet, während die zwei Männer sie und vor allem ihr Schwert missgünstig musterten. Als sie den Hof zum zweiten Mal verließen, blickte Oreas wieder nicht zurück. Erst als sie außer Sichtweite waren, sprang er vom Pferd und boxte in den Boden. Celia konnte nur stumm daneben stehen und zusehen, wie er langsam zu zittern begann. Zögernd ging sie auf ihn zu, und als er sie nicht wegscheuchte, umarmte sie ihn vorsichtig von hinten. Ruckartig drehte Oreas sich um und vergrub sein Gesicht an ihrer Schulter. Er weinte solange, bis ihr die Füße schon lange wegen ihrer unbequemen Haltung eingeschlafen waren. Dann stand er auf, wischte sich die Tränen vom Gesicht und blickte schweigend zum Horizont. „Kommst du mit mir?“, fragte Celia. „Mir bleibt ja kaum etwas anderes übrig“, seufzte er. TBC Kapitel 16: Wieder zurück ------------------------- Titel: Caronia Autor: Doro-chan Teil: 16/16 Wörter: 2932 (dieser Teil) Abgeschlossen: ja Genre: Original, Fantasy Rating: PG-13 Warnungen: nicht gebetat Claimer: Alles gehört mir, aber wenn ihr klauen wollt, ich sehe das als Kompliment A/N: Fertig! Juchuu! Ich entschuldige mich nochmal dafür, dass es so lange gedauert hat. Bei diesem Kapitel hatte ich wenigstens einen guten Grund: Ich lag zwei Tage mit Fieber im Bett. Kapitel XVI: Wieder zurück Eiskalter Wind fegte über das Gras vor dem Wald und er ließ Celias Gesichtsmuskulatur fast erstarren. Im Gegensatz dazu schlug ihr Herz beim Anblick ihrer Heimat höher und sie wollte am liebsten sofort in den Wald hineinlaufen. Gleichzeitig fühlte sie sich aber seltsam benommen, denn die Bäume starrten sie an, als würden sie es ihr vorwerfen, dass sie weggegangen war. Alles schien ihr merkwürdig fremd, während ihr gleichzeitig alles so bekannt vorkam. Entschlossen und mit freudiger Nervosität nahm sie Herias Zügel in die Hand in die Hand und führte sie auf den Wald zu. Sowohl sie als auch Oreas’ Pferd scheuten, folgten dann aber doch ihren Herren in das Dickicht. Oreas war dabei mindestens genauso nervös wie die Pferde; seine Zweifel gegenüber ihres Vorhabens hatten sich in den zwei Tagen seit dem schicksalhaften Nachmittag auf dem Hof noch nicht in Luft aufgelöst. Am Waldrand sah er sich zögernd um, und Celia musste lächeln, als sie sich an den Tag im Frühsommer erinnerte, an dem sie selbst in eine andere Welt gegangen war. Doch auch Celia hatte ihre Zweifel. Sie wusste, dass die Elfen ihren Bruder nicht ohne weiteres bei sich aufnehmen würden, und die betete inständig, dass sie ihre Mutter dazu bewegen konnte ihn aufzunehmen. Und so legte sie sich die Worte zurecht, während sie immer tiefer in den Wald vordrangen, langsam, um den Pferden ihre Zeit zu lassen, und immer noch aufmerksam horchten. Die Vögel in ihrer Umgebung verstummten schnell, und Celia wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die Elfen sie bemerken würden. Schließlich waren sie viel zu laut und die Vögel und Insekten zu leise. Sie passierten gegen Mittag einen Grenzstein. Er stand immer noch so unverändert da, wie er es in den letzten Jahrhunderten getan hatte. Das Moos wucherte immer noch fröhlich auf dem verwitterten grauen Fels. Celia war zuhause. Die Stille im Wald wurde nur doch das dumpfe Pochen der Hufe auf dem Waldboden und das sanfte Rascheln der roten Blätter über ihnen gestört. Man hätte meinen können, dass es kaum eine idyllischere Szenerie gab, wäre da nicht dieser Hauch von Spannung gewesen, der in der Luft lag. Die Pferde scheuten wieder, und sowohl Celia als auch Oreas klammerte sich an ihren Zügeln fest. Beruhigen strich Celia Heria die Hand durch die Mähne und flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr. Leise knickten Zweige um und das Laub raschelte. Sie waren da. Sich immer noch an Heria festhaltend wandte Celia den Kopf. Es waren mindestens zwanzig Männer, bewaffnet mit Holzlanzen, die sich als erstes aus dem Unterholz hervorschoben. Alle zeigten entweder auf sie oder auf Oreas. Vergeblich suchte sie nach einem bekannten Gesicht, bis— „Celia!“ Sie erkannte die Stimme sofort und fuhr herum. „Selion!“ Ihr Freund hatte kaum eine Sekunde mehr um sich vorzubereiten, da war sie ihm schon um den Hals gefallen. Es tat so gut, wieder zuhause zu sein, und ihr war gar nicht aufgefallen, dass er ihr doch gefehlt hatte. Vermutlich lag das daran, dass sie mit der Zeit fast gar nicht mehr an ihn gedacht hatte. „Du bist wieder da“, raunte er, als er sie in die Arme schloss. Doch wie jeder andere schöne Moment war auch dieser viel zu schnell vorbei. „Wer ist das?“, fragte er, und nickte dabei zu Oreas hinüber, der immer noch inmitten der Lanzen stand. Celia löste sich aus seiner Umarmung. „Das ist Oreas“, sagte sie so nonchalant wie möglich. „Mein Bruder“, fügte sie nach einigen fragenden Blicken hinzu. Und dabei versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen. Sie hoffte inständig, dass es niemandem auffallen würde, dass ihre selbstsichere Fassade eben nur eine Fassade war. Oreas hingegen fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut und wandte die Augen nicht ein einziges Mal von den zugespitzten Stöcken ab. „Da hast keinen Bruder“, stellte Selion irritiert fest. „Doch. Er ist mein Halbbruder, um genau zu sein“ Nach einem Moment schien er endlich zu verstehen, was genau Celia mit dem Wort „Halbbruder“ implizierte. Seine Augen weiteten sich und er starrte Oreas erschrocken an. Sie konnte förmlich spüren, wie er jedes Detail in Oreas’ Gesicht aufs Genaueste betrachtete und analysierte. „Er ist ein Halbelf“, erläuterte Celia, bevor Selion seine Frage überhaupt in Worte fassen konnte. „Er ist Halbmensch?! Wie konntest du ihn hierher bringen? Er wird anderen Menschen von uns erzählen, und dann werden sie auch herkommen und die Bäume fällen und den Wald zerstören. Du bringst uns alle in Gefahr!“ „Oreas würde so was niemals tun. Außerdem ist er immer noch einer von uns. Wenigstens zur Hälfte. Du hast doch keine Ahnung, wovon du redest!“ „Und du schon? Woher willst du überhaupt wissen, dass er dein Bruder ist? Er könnte dir sonst was vorlügen und du würdest ihm alles glauben“ Celia schwieg. Sie wusste nicht, wie sie es am besten beschreiben sollte. Es war so viel passiert, und alles schwirrte ihr zur selben Zeit durch den Kopf. Schließlich entschied sie sich: „Ich habe Vater getroffen. Außerdem gibt es ja nicht gerade viele Waldelfen, die den Wald jemals verlassen haben, oder?“ „Er lebt noch?!“ Nicht nur Selion war sichtlich erstaunt darüber, auch die anderen Elfen um sie herum hatten damit wohl nicht gerechnet. Sie hatten ja schließlich auch Jahre damit verbracht, sich Geschichten von dem törichten Elf zu erzählen, der auszog, nur um in der Außenwelt irgendeinen mysteriösen Tod zu finden. „Ja. Und er wird niemals zurückkommen“, sagte sie bitter. „Warum?“ „Er mag es in der Welt der Menschen. Und er hat eine Aufgabe gefunden, für die er alles andere im Stick lassen würde. Wirklich alles“ “Und warum hast du den da“ – er gestikulierte wild zu Oreas hinüber – „dann mitgebracht?“ „Weil der da dummerweise nirgendwo anders hin kann“, mischte sich Oreas bissig ein. „Glaub mir Elf, ich bin darüber etwas genauso froh wie du, aber meine Möglichkeiten für den Winter sind leider etwas beschränkt. Andernfalls wäre ich doch nie im Leben auf die Idee gekommen, ausgerechnet hierher zu gehen“ „Und was ist mit deinem Verräter von Vater? Warum gehst du nicht zurück zu ihm und deiner Schlampe von Mutter?“, entgegnete Selion. Oreas war kurz vorm Explodieren, das konnte jeder sehen. Seine Finger zuckten, als wollten sie sich zu Fäusten ballen, doch zum Glück für alle hatte er sich genug unter Kontrolle, um Selion nicht anzufallen wie ein wildes Tier. Selion starrte ebenso feindselig zurück und der Griff um seine Lanze verstärkte sich so sehr, dass seine Fingerknöchel weiß hervorstanden. „Seine Mutter ist tot und mit Vater versteht er sich nicht, aber das kannst du alles nicht verstehen. Bring uns einfach zu Mutter. Ich werde ihr alles erklären, bitte Selion“, bettelte sie. Das Blickgefecht brach aber trotzdem erst ab, als Celia ihn am Arm berührte. Und selbst dann gab Selion nur sehr widerwillig den Befehl dazu, die Lanzen zu senken. „Also gut, aber wenn der da irgendetwas anstellt, kann er was erleben. Bei diesem Menschenpack weiß man schließlich nie, was sie als nächstes tun werden“ „Keine Sorge, Elf. Ich kann mich benehmen, wenn ich das will. Bei dir bin ich mir da aber nicht so sicher“ Auf diese Beleidigung hin warf Selion Oreas noch einen abfälligen Blick über die Schulter zu, bevor er sichtlich angespannt vorausging. Celia hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache und irgendetwas sagte ihr, dass das nicht der letzte Streit zwischen ihrem Bruder und Selion gewesen sein würde. Es war ja fast so, als würde es ihnen Spaß machen, sich zu streiten und einander zu bedrohen. Die Pferde tänzelten immer noch etwas unsicher, da die Anwesenheit der Elfen sie nervös machte. Die Elfen hingegen hatten gehörigen Respekt vor den Pferden und steckten sie so mit ihrer Nervosität an. Die wenigsten der Elfen hatten jemals ein Pferd aus der Ferne betrachtet, so wie Celia früher. Es schien ihr fast schon ein Leben lang her gewesen zu sein, dass sie sich hinausgeschlichen hatte, um die Wagen auf der Straße zu beobachten. Die stille Prozession, die sie bildeten, drang langsam aber sicher immer tiefer in den Wald vor, und schlängelte sich dabei zwischen moosbewachsenen Baumstämmen und Bächen hindurch. Selion warf Oreas immer wieder abschätzige Blicke zu, doch der sah sich entweder mit gespieltem Interesse die Umgebung zu und versuchte sich den Weg zu merken, oder er widmete seine Aufmerksamkeit seinem Pferd. Celia konnte deutlich den Zweifel auf Oreas’ Gesicht sehen, als sie das Elfendorf schließlich erreichten. Es hatte wirklich nicht viel Ähnlichkeit mit den Dörfern, die er kannte, auch ihn Vater ihm mit Sicherheit hin und wieder von seiner Heimat erzählt hatte. Wahrscheinlich entsprach seine Vorstellung nur nicht dem, was er dann tatsächlich sah. Die Plattformen in den Bäumen sahen genauso aus, wie sie sie in Erinnerung hatte und für einen kurzen Moment führte sie sich unendlich erleichtert. Sie war zuhause. Endgültig. So wirklich konnte sie gar nicht mehr verstehen, dass sie je weggewollt hatte. Doch dann fiel ihr Blick auf die Elfen, die ihre kleine Gruppe entsetzt anstarrten. Es stimmte, hier war alles noch wie vorher, aber sie hatte sich verändert. Unsicher sah sie zu Oreas hinüber, und mit einer Bestimmtheit, die sie sich nicht wirklich erklären konnte, wusste sie, dass das hier etwas war, das sie beide tun mussten. Sofern man sie nicht gleich wieder davon jagte. Sie hoffte nur, dass sie ihre Mutter überreden konnte. Sie würde mit Sicherheit bleiben können, die Frage war nur, ob sie Oreas akzeptieren würde. Sie wollte lieber gar nicht daran denken, solange sie nicht wirklich musste. Je näher sie ihrem Zuhause kamen, desto mulmiger wurde ihr zumute, und als sie ihre Mutter auf sich zulaufen sah, wollte ein Teil von ihr am liebsten so schnell wie möglich davonlaufen. Innerlich bereitete sie sich auf ein furchtbares Donnerwetter vor uns sie kniff die Augen zu, um es wenigstens nicht mit ansehen zu müssen. Doch entgegen ihren Erwartungen fühlte sie, wie ihre Mutter ihr um den Hals fiel und sie so stark drückte, dass Celia fast keine Lauft mehr bekam. Erst da merkte sie, dass ihre Mutter vom Weinen zitterte und Tränen auf ihre Schulter tropften. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich mit einem hohlen Gefühl in ihrem Magen. Sie hatte gar nicht darüber nachgedacht, wie es ihrer Mutter dabei ging, dass sie einfach so verschwunden war. Vor allem, weil eine Reise in die Menschenwelt für sie dem sicheren Tod gleichen musste. „Mama“, flüsterte sie erstickt. „Celia“, schluchzte ihre Mutter. „Was stellst du bloß immer für Sachen an…“ Celia wurde rot. Wenn ihre Mutter so etwas sagte, kam sie sich immer vor wie ein kleines Kind. Für die Elfen war sie das wohl auch irgendwie noch. „Wir müssen reden, Mama“, murmelte Celia schließlich. Mit einem undeutbaren Blick löste sich Cilea von ihr und beachtete zum ersten Mal die, die hinter ihrer Tochter standen. Ein Hauch von Angst schlich sich in ihre Augen, als sie die Pferde sah, die immer noch ein wenig nervös waren (Celia vermutete es lag an dem Verhalten der Elfen) und besonders lange blieb ihr Blick an Oreas hängen. Celia konnte sich vorstellen, was in ihr vorging. Sie konnte ihn nicht einordnen, so wie sie es damals nicht gekonnt hatte. Mit einer Geste bedeutete Cilea ihrer Tochter, ihr zu folgen, doch Celia zögerte und drehte sich zu Oreas um. Der schien etwas unentschlossen. „Ich will die beiden nicht mit denen alleine lassen, wer weiß, was sie mit ihnen machen“ Die Elfen waren sichtlich beleidigt und Celia runzelte nachdenklich die Stirn. „Keine Sorge. Dafür haben sie viel zu viel Angst vor ihnen“ Oreas wollte immer noch nicht so wirklich von den Pferden weg, doch dann rang er sich doch noch dazu durch, zu Celia hinüberzugehen. Doch Selion hatte andere Pläne. „Halt!“, rief er. „Wir können ihn unmöglich mit euch alleine lassen“ Celia rollte nur mit den Augen. „Er tut niemandem was. Also lass es gut sein“, erwiderte sie ärgerlich. Widerstrebend ließ Selion sie gewähren, doch man sah ihm an, dass es das letzte war, was der tun wollte. Schweigend kletterten Celia und Oreas hinter ihrer Mutter die Leitern herauf. Es sah alles genauso was, wie sie es verlassen hatte. Oreas beäugte das Mobiliar misstrauisch, während Cilea ihn beäugte. „Wisst du uns nicht vorstellen?“, fragte sie, die Stimme immer noch etwas schwach vom Weinen. „Mutter, das ist Oreas“, begann sie brav. „Er ist ein Halbelf“, fügte sie erklärend hinzu. Cilea war sichtlich überrascht. „Ein Halbelf? Wie kann das sein?“ Celia schwieg. Sie wusste beim besten Willen nicht, wie sie es ihrer Mutter am besten beibringen sollte. Fast so, wie sie es kurz vorher bei Selion nicht wusste. „Er ist mein Bruder, Mutter“ Cilea riss die Augen auf und es schien fast so, als würde sie Oreas in diesem Moment zum ersten Mal richtig sehen. Der hingegen fühlte sich sichtlich unwohl unter dem Blick von Celias Mutter und starrte mürrisch in die Baumkronen. „Toheras…“, murmelte Cilea, uns es wirkte so, als wolle sie wieder anfangen zu weinen. „Ist er, ich meine, lebt er noch?“ Celia konnte nicht anders, als zu Boden zu blicken. Sie hatte sich selten so mulmig gefühlt, vor allem, weil ihr gerade klar wurde, dass sie nicht einmal wusste, was ihre Mutter überhaupt für ihren Vater empfand. Liebte sie ihn noch? Oder hatte sie ihn schon längst vergessen. Hatte sie ihn zusammen mit ihren Erinnerungen begraben? Würde sie sein Verhalten als Verrat sehen oder würde sie ihn verstehen? In Wirklichkeit kannte sie ihre Mutter kaum, und über solche Dinge hatten sie nie miteinander gesprochen. „Ja“, sagte Celia knapp. „Geht es ihm gut? Ist er glücklich?“ „Ich weiß es nicht“ Cilea hatte zum Glück genug Feingefühl, um nicht weiter nachzufragen. Stattdessen blickte sie einfach nur in die Leere, ausdruckslos, so als wäre sie an einem völlig anderen Ort. „Kann er bleiben?“, fragte Celia schließlich zaghaft. Ihre Mutter schreckte hoch. „Ich weiß nicht. Es… er sollte besser nicht bleiben. So wäre es besser“ „Aber es ist doch schon Herbst. Und er wüsste nicht, wo er sonst den Winter über bleiben sollte“ Cilea seufzte und runzelte die Stirn. Dann musterte sie Oreas ein Weile, doch er starrte immer noch nach draußen. „Willst du wirklich bleiben?“ Oreas hob zur Antwort nur die Augenbraue. „Also gut. Er kann bleiben. Vorläufig“ Celia nickte erleichtert. * Oreas sollte bei ihnen wohnen. Eine gute Entscheidung, soweit es Celia betraf. Eine ausgesprochen schlechte, wie Selion ihr lautstark zu verstehen gab, als sie Oreas durch das Dorf führte. Er und seine Freunde blieben immer in der Nähe, fast so, als erwarteten sie, dass Oreas jeden Moment über sie herfallen könnte. Dabei mussten sie doch gehört haben, was sie besprochen hatten. Elfen kannten schließlich keine Wände, und im Weghören waren sie schon immer schlecht gewesen. Celia ließ ihren Bruder schließlich etwas abseits vom Dorf mit seinem Schwert alleine. Er wollte üben, und wohl auch für einen Moment alleine sein. Er fühlte sich von alldem wohl irgendwie bedroht. Und sie verstand das, denn sie wusste noch zu gut, wie es sich angefühlt hatte, plötzlich in der Welt der Menschen von allem überrumpelt zu werden. Außerdem hatte er sich nie wirklich daran gewöhnt, von allen angestarrt zu werden. „Na, hat er sich doch noch entschieden, wieder zu seinesgleichen zurückzukehren?“ Celia fuhr herum. Selion lehnte an einem Baum und verzog missmutig das Gesicht. Celia fiel auf, dass sie sich nicht einmal mehr daran erinnern konnte, wann sie ihn das letzte Mal glücklich gesehen hatte. Irgendwie wirkte er meistens unzufrieden. War es nicht anstrengend, nie gute Laune zu haben? „Nein. Und das wird er wohl erstmal auch nicht“ „Warum hast du ihn mitgebracht. Er hat hier nichts zu suchen!“ „Er ist mein Bruder, Selion. Und er konnte doch sonst nirgendwo hin“ „Er hat hier trotzdem nichts zu suchen. Er ist keiner von uns“ „Weißt du, das ist mir ziemlich egal. Lass mich in Ruhe!“ Selions Ohrenspitzen wechselten gerade ihre Farbe, als Celia sich umdrehte und eilig davonstapfte. Er rief ihr noch etwas hinterher, aber sie verstand nicht, was es war. Im Grunde genommen war es ihr auch egal. Sie wollte einfach nur noch von ihm in Ruhe gelassen werden. Und der einzige Ort, an den er ihr nicht hinterherlaufen würde, war ihr Zuhause. Als sie dort ankam, saß ihre Mutter immer noch da, wo sie Stunden zuvor gesessen hatte, und sie blickt erstaunt auf, als Celia die Leiter hinaufgeklettert kam. „Wo ist… Oreas?“ „Er wollte ein bisschen für sich sein“ Cilea zögerte sichtlich, so als wüsste sie nicht recht, ob sie wirklich die Antwort auf die Frage hören wollte, sie ihr im Halse steckte. Schließlich wurde ihr Blick entschieden. „Wie ist sie?“ „Wer?“ “Die Frau, für die Toheras… seine Mutter“ „Ich weiß nicht. Sie ist tot. Schon seit Jahren“ „Aber dein Vater—“ „Lebt wirklich noch“ „Hast du ihn gesehen?“ Celia nickte. „Bevor wir hierher gekommen sind. Er… er hat sich entschieden. Für etwas, das weder Oreas noch ich verstehen. Es ist ihm viel wichtiger als alles andere“ „Ist das der Grund, warum er nicht zurückgekommen ist?“ „Nein. Ich glaube es wäre nicht… Er mochte es draußen. Das ist seine Welt“ „Aber du bist zurückgekommen“ Celia nickte. „Was ist so besonderes an der Welt da draußen?“ Celia dachte nach, darüber, wie sie es in Worte fassen sollte. Bis ihr einfiel, dass sie das ja schon einmal getan hatte. Sie ging hinüber zu ihrem Rucksack, der an den Baumstamm gelehnt worden war, und nahm ihre Notizen heraus. Sie drückte sie ihrer Mutter in die Hände, die sie fragend ansah. „Das habe ich geschrieben, während ich weg war“ Als Oreas zur Abenddämmerung zurückkam, las ihre Mutter immer noch, über Pferde, Hühner, Betten, Türen und den Krieg. Oreas sah erst ihre Mutter und dann sie an, legte das Schwert ab und setzte sich neben sie. Fast so, als wären sie eine richtige Familie. Als wäre sie Zuhause. Ende © Doro-chan 12. März 2007 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)