ZdM von RandomThoughts (Der Zirkel der Macht - Buch 1) ================================================================================ Kapitel 10 ---------- 10 Roter Feuerschein färbte Beas Kimono in der Farbe frischen Blutes. Flammen umgaben sie auf allen Seiten, aber die konnten ihr nichts anhaben. Hier, in Findracors Halbwelt gab es nichts, das ihr gefährlich werden konnte. Sie war hier auf Wunsch des alten Drachen, und er lies nicht zu, dass ihr hier irgendetwas geschah. Schweigend trieben sie nebeneinander her, die winzige Gestalt Beas, ihre Haare rot von Natur, die weiße Seide ihrer Kleidung gleichermaßen gefärbt vom Schein des allgegenwärtigen Feuers, aus dem die gesamte Halbebene zu bestehen schien, und direkt neben ihr die Gestalt des alten Feuerdrachens, so gigantisch, dass seine funkelnden, roten Schuppen in der Entfernung mit den Flammen zu verschmelzen schienen. Schweigens trieben sie nebeneinander her. Es war ein einvernehmliches Schweigen. Sie hatten bereits ausgiebig darüber diskutiert, warum das Lateinische sich besser als andere Sprachen zum Rezipieren von Zauberformeln eignete, und später hatte Bea sich mit Findracor über Eva unterhalten, darüber warum sie keine rechten Fortschritte zu machen schien und wie man ihr helfen könnte. Nun trieben sie schweigend nebeneinander her, wie es nur wahre Freunde konnten, nicht getrennt durch Worte, sondern vereint in der Stille. Schließlich erklang der tiefe, hallende Bass von Findracors Stimme erneut: "Du musst nun gehen!" Es lag nichts gebieterisches in seiner Stimme. Es war mehr als würde er sie an eine Verabredung erinnern, oder einen Termin. Ohne zu widersprechen folgte sie seiner Anweisung. Sie wusste, dass sie jederzeit hierher zurückkommen konnte. Langsam verblasste die Ebene des elementaren Feuers um sie herum, als ihr Geist in ihren Körper zurückkehrte. Das Gefühl zu atmen war wie immer das erste, was zurückkehrte. Dann wurden ihr langsam ihre Arme und Beine bewusst, bis schließlich als letztes ihr Seevermögen zurückkehrte. Während sie ihren Körper langsam aus seiner Verspannung löste wurde ihr bewusst, dass ihr Handy läutete. Sie konnte später nicht sagen, ob es gerade erst angefangen hatte zu klingeln, oder ob es das schon länger tat. Ohne weiter darüber nachzudenken nahm sie den Anruf an. "Eva hier. Wir sind in der Quelle. Kannst du bitte so schnell wie möglich herkommen? Wir haben ein Problem." Ohne weiter nachzufragen sagte Bea ja, sie legten auf, und begann sich fertig zu machen. Ohne sich groß umzuziehen zog sie einfach einen Mantel über ihren Kimono, zog ein paar schwarzer Lederstiefel über und machte sich auf den Weg. Was wohl passiert war? Evas Stimme hatte ganz ruhig geklungen. Sie schien gefasster zu sein als sonst, keine Spur von Unsicherheit. Das überraschte Bea etwas. Im Falle eines echten Notfalles hätte sie doch aufgeregter sein müssen als sonst, nicht ruhiger. Kopfschütteln sah sie sich im Bahnabteil um. Ihr beinahe direkt gegenüber, nur eine Sitzreihe weiter vorne sah sie ein knutschendes Liebespaar. Sie merkte, wie ihre Stimmung rapide sank. Die Anderen kannten nur ihre vitale, selbstsichere, unabhängige Seite. Die Einsamkeit verbarg sie tief in ihrem Inneren. Es war erst einige Wochen her, dass sie Eva erzählt hatte, dass sie mit Findracors Hilfe ihr Leben in den Griff bekommen habe, dass sie jetzt glücklicher sei als je zuvor. Was sie ihr nicht erzählt hatte war wie sehr sie es oft vermisste, einfach nur im Arm gehalten zu werden. Sich einfach fallen lassen zu können, und zu wissen, dass jemand da war, der sie auffangen würde. Aber sie konnte nicht. Sie hatte sich von Steffen getrennt, weil sie begriffen hatte, dass sie ihn nicht wirklich liebte, und seither wartete sie darauf, dass sie sich neu verlieben würde. Aber es geschah nicht. Sie hatte damals sogar darüber nachgedacht, auf Alex' Annäherungen einzugehen, aber irgendetwas hatte sie zurückgehalten, und dann hatte sie Alex' dunkle Stunden miterlebt, zuerst die Geschichte mit Andrea, und später jenen anderen Vorfall. Seitdem war jeglicher Gedanke an sie und Alex als Paar undenkbar geworden. Die bloße Erinnerung daran, wie ihm das Fleisch aus dem Gesicht gelaufen war – ihr schauderte. Dabei hatte sie sich vorher schon nicht dazu durchringen können, mit ihm etwas anzufangen. Und er war nicht der einzige. Seit sie sich von Steffen getrennt hatte, hatte es kein Mann mehr geschafft, sie zu beeindrucken. Einige hatten es schon bei ihr versucht, sie sah ja schließlich gut aus, aber sie hatte bei keinem von ihnen das Gefühl gehabt, dass es richtig wäre, mit ihm etwas anzufangen. Zwei mal hatte sie tatsächlich nachgegeben, aber schon am nächsten Tag war ihr bewusst gewesen, dass das nicht das war, was sie wirklich wollte und sie war auf Abstand gegangen. Das Paar stieg aus, und ihre Gedanken kehrten zurück in das Hier und Jetzt. Viel dachte sie sowieso nicht darüber nach. Wenn überhaupt, dann gelegentlich in den einsamen Stunden nachts vor dem Einschlafen. Was konnte an der Quelle nur geschehen sein? Während die S-Bahn langsam auf ihre Station zuvor tastete sie mit ihren übernatürlichen Sinnen hinaus. Sie konnte die Quelle von hier aus bereits schwach spüren. Aber irgend etwas stimmte nicht. Die Aura unberührter Ruhe, die normalerweise von der Quelle ausging war gestört. Es schien ihr, als habe irgendetwas das Gleichgewicht gestört, als kämpfe die Quelle gegen eine unsichtbare Bedrohung an. Besorgt stieg sie aus, rannte so schnell sie konnte in die Hagengasse. Schwer schnaufend kam sie in der alten Fabrikhalle an. Das vage Gefühl war mittlerweile konkreter geworden, sie konnte deutlich die Verunreinigung spüren, die vom Teich in der Mitte ausging. Dann sah sie Eva und Alex. Alex sah übel aus. Sein Körper hatte jegliche Konsistenz verloren, war kaum mehr als menschliche Hülle zu erkennen. Gefasst berichtete Eva ihr, was geschehen war. Gemeinsam brachten sie Alex in sein Zimmer, und mehr aus Gewohnheit als weil es wirklich nötig gewesen wäre beruhigte sie Eva. Sie fragte sich kurz, ob Alex ihr bereits erzählt hatte, was mit seinem Körper los war, aber das ging sie eigentlich nichts an. Sie hatte nun zudem Wichtigeres, auf das sie sich konzentrieren musste. Sie begab sich zurück an die Quelle und lies sich direkt neben dem Teich nieder. Mit einem dürren Ast zeichnete sie einen Kreis um sich selbst herum in die Erde, um den Übergang zu erleichtern, ehe sie zu meditieren begann. *** Blinzelnd öffnete Bea ihre Augen. Der Anblick lies sie bis in die Knochen erschaudern. Hier auf der anderen Seite der Realität hatte sie die Quelle bisher immer als Ort überirdischer Ruhe und Schönheit erlebt. Davon schien nichts mehr übrig zu sein. Ein eisiger Wind fuhr über vertrocknete, verkohlte Erde, zwischen dürren, ausgetrockneten Sträuchern hindurch, und zog an den kahlen Ästen, die leblos von den Bäumen hingen. So viel Schaden, angerichtet in so kurzer Zeit. Der Dämon hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Zorn stieg in ihr auf, aber die Sorge um die Quelle war größer. Ihr ganzen Können aufbietend nahm sie die Aura des sie umgebenden Raumes in sich auf. Und da, ganz deutlich, im Zentrum der Quelle, des Teiches spürte sie neue Kraft, die aus den Urgründen der Magie in diesen Ort sprudelte, ihn erneuerte. Die Schäden, die das Unwesen angerichtet hatte würden heilen. Darin war sie sich sicher. Sie beschloss, ihren Teil beizutragen, um die Quelle wieder in den Garten Eden zurückzuverwandeln, als den sie sie kannte, sobald sie zurück war. Jetzt ging die Jagd auf den Dämonen vor. Mit Hilfe der Formel der Canis Ignem rief sie ein Rudel Feuerwölfe, vier riesige Wolfsrüden mit schwarzem Fell und glitzernden Zähnen und Krallen, aus deren Augen und Rachen Flammen züngelten. Einen Moment lang schienen sie sich gegen sie auflehnen zu wollen, doch dann beugten sie sich ihrem mächtigen Geist. Sich unterwürfig zu Boden drückend harrten sie ihrer Befehle. "Findet den Dämon, der diesen Ort entweiht hat!", befahl sie ihnen mit eiserner Stimme. Ihren Befehl mit einem durch Mark und Bein gehenden, urzeitlichen Heulen beantwortend liefen sie los. Sie liefen um die Quelle herum, begannen zu schnüffeln, zu wittern, und dann legte einer von ihnen den Kopf in den Nacken, stieß ein erneutes Geheul aus und stürmte los. Er stürmte los, lief von der Quelle weg, zwischen zwei Bäumen hindurch – und verschwand einfach. Das Selbe geschah mit den anderen Dreien, als sie ihm folgten. Bea wusste zunächst nicht, was sie davon halten sollte. Sie näherte sich der Stelle an der die Wölfe verschwunden waren, konzentrierte alle ihre übernatürlichen Sinne darauf und – tatsächlich, da war etwas: Sie versuchte es genauer zu ergründen, aber sie hatte so etwas vorher noch nie gesehen. Sie musste einen Moment an Alex denken. Er wüsste bestimmt schon, was das war. Er war bei so etwas einfach cleverer als sie, so wenig sie es sich eingestehen wollte. Aber er ist nicht hier! Er liegt in seinem Zimmer und wird wahrscheinlich die nächsten Tage nicht in der Lage sein, irgendwas zu machen. Ich schaff das auch alleine! Sie versuchte erneut, die magischen Auren des unbekannten Phänomens zu lesen, aber sie verstand sie nicht. Schließlich beschwor sie die stärksten Schutzzauber die sie kannte und trat zwischen den beiden Bäumen hindurch. Nichts geschah. Die Wölfe sind hier verschwunden. Wie? Sie überlegte. Sie hatte irgendetwas gespürt, als sie verschwunden waren, da war sie sich sicher. Was war das gewesen? Sie war sich nicht mehr sicher. Aber vielleicht konnte sie es herausfinden. Sie untersuchte die Aura des Ortes an dem sie stand erneut, und ganz schwach konnte sie die Rest-Auren der Wölfe ausmachen. Sie hatten sich verändert, kurz bevor sie verschwunden waren. Alle vier, auf die gleiche Art und Weise. Bea wünschte sich erneut, Alex wäre jetzt hier. Er war viel besser als sie darin zu improvisieren. Schließlich gelang es ihr, eine halbwegs genaue Kopie der Wolfs-Auren um sich herum zu erzeugen. Sie veränderte sie so, wie sie es bei den Wölfen gespürt hatte – und spürte plötzlich wie sie in eine andere Ebene gezogen wurde. Der Übergang dauerte nur einen Moment, aber sie spürte, wie ihr übel wurde. Das hätte normal nicht geschehen dürfen. Es sei denn – ich habe die Realität ganz verlassen. Vielleicht wurde mein Körper mit in diese Welt gezogen. Während ihre Augen ziellos umherwanderten versuchte sie ihren Körper bewusst zu spüren, und tatsächlich – sie konnte spüren, wie ihre Brust sich beim Atmen hob und senkte. Sie konnte ihre Muskeln fühlen, wenn sie sie anspannte, ihre Augen waren da, zu trocken wie immer. Was immer gerade geschehen war, das war nicht ihr Astralkörper, das war ihr echter Körper. Ein merkwürdiges Gefühl der Beklemmung nahm von ihr Besitz, während sie sich erstmals bewusst umsah. Das erste das ihr auffiel war die Sonne. Eine gleißende, weiße Scheibe, die den ganzen Himmel golden zu färben schien. Am Horizont waren einige schwarze Wolken zu sehen, kaum heller als die schwarzen Felsennadeln, die überall aus dem Boden ragten. Als Beas Blick langsam tiefer glitt sah sie die Wälder. Bäume erstreckten sich bis an den Horizont. Zunächst dachte sie, hier sei vielleicht Herbst, angesichts des ganzen roten Laubes, aber dann wurde ihr bewusst, dass hier alle Pflanzen rot waren. Die Blätter an den Bäumen, die beinahe wie Kiefern aussahen, das Gras unter ihren Füssen, sogar das Moos, das an den rötlich-braunen Stämmen der Bäume wuchs. Und zwischen dem roten Grass und den karmesinfarbenen Farn, der überall zu wuchern schien waren einzelne Steine auszumachen, schwarz wie die Felsen, die immer wieder aus den roten Baumkronen hervorstachen. Bea ignorierte ihre Unbehaglichkeit. Sie hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Sie sah sich um, konnte aber keine Spur von den Feuerwölfen entdecken. Sie waren hier aber vorbei gekommen, sie konnte ihre Auren noch deutlich spüren. Sie hätte sie zurückrufen können, aber das hätte wenig Sinn gemacht, denn schließlich galt es ja den Dämonen einzuholen. Er hatte bereits genug Vorsprung, Eile war geboten. Es gab noch eine zweite Formel, die sie zusammen mit der Canis Ignem gelernt hatte, die Equus Ignem. Sie war schwieriger, und hier konnte sie auch nicht auf die Kraft der Quelle zurückgreifen, aber es gelang ihr trotzdem sie korrekt auszuführen. Aus dem Nichts erschien ein Nachtmaar, ein schwarzer Hengst mit glitzernden Hufen und Zähnen, aus dessen Maul und Augen ebenfalls Flammen schlugen. Bea hatte diese Formel noch nie zuvor angewandt, und die Gestalt des Geisterrosses war wahrhaft ehrfurchtgebietend. "Ich habe dich gerufen. Du musst mir gehorchen!", befahl sie ihm. Als Reaktion darauf senkte der Nachtmaar mit einem lauten Wiehern das Haupt, einem Wiehern, das mindestens ebenso sehr durch Mark und Bein ging wie das Heulen der Feuerwölfe – das Heulen der Feuerwölfe, das wie als Antwort auf das Wiehern des Hengstes in der Entfernung einsetzte. "Ich brauche deine Dienste. Du musst mich tragen. Ich bin auf der Jagd, und meine Beute darf nicht entkommen. Verstehst du mich?" Der Hengst antwortete mit einem erneuten Wiehern, und wieder erklang das Heulen der Wölfe als Antwort darauf. Bea war früher gelegentlich geritten, und sie konnte nur hoffen, dass sie sich auf dem Nachtmaar würde halten können. Zunächst benötigte sie einen Sattel. Sie formte einen prächtigen Sattel aus dunkelrotem und schwarzen Leder in ihrem Geist, lies ihn dann erscheinen. Sie hatte sich schon öfter mit Alex über die Anderswelt unterhalten. Er war der Meinung, dass es sich dabei um einen Ideenraum handle, der vollständig aus Vorstellungen und Ideen bestand, in dem Gedanken also feste Form annehmen konnten. Sie hatte sich nie von dieser Vorstellung überzeugen lassen, wusste selbst aber auch nicht, warum sie hier Dinge aus dem Nichts beschwören konnte. In der realen Welt konnte sie das nämlich nicht, konnte es keiner von ihnen. Dort waren sie auf subtilere Magie angewiesen. Der Sattel, den sie sich in Gedanken ausgemalt hatte erschien, und sie schnallte ihn auf den Rücken des Nachtmaars. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube schwang sie sich auf den Rücken des Hengstes, der größer war als jedes reale Pferd auf Erden. Den Sattelknauf festhaltend rief sie ihm zu: "Folge den Wölfen! Sie bringen uns zu unserer Beute!" Das Geisterpferd richtete sich auf, stieß einen wahrhaftigen Kriegsschrei aus und gallopierte los. Bea gelang es mit Mühe sich festzuhalten. Immer wieder schlugen ihr rote Äste ins Gesicht, und einmal bemerkte sie, wie ihr Reittier in einem weiten Satz über einen kristallklaren Bach setzte. Als sie langsam anfing sich sicher zu fühlen sah sie die Wölfe, die teils vor ihnen, teil neben ihnen liefen, zielgerichtet ihrer Beute entgegen. *** Plötzlich wurde der Hengst langsamer. Bea verstand zunächst nicht, warum. Die Wölfe hielten ihr Tempo bei, der Abstand vergrößerte sich schnell. Dann sah sie das tote Pferd. Es war ein schlankes, geradezu filigranes Tier, mit strahlend weißem Fell und langer, geflochtener Mähne. Riesige Wunden waren in seine Seite gerissen worden, das Blut lief in Strömen davon. Nicht weit von dem toten Tier lag eine Frau. Irgendwie waren Beas Sinne in dieser Welt besonders sensibilisiert, denn sie konnte spüren, dass die Frau noch lebte. Sie sprang vom Rücken des Nachtmaars herab und eilte zu ihr hin. Als sie sich über sie beugte hatte sie Zeit, sie genauer anzusehen. Die Frau war jung, höchstens so alt wie Bea selbst, nur wenig größer als sie und noch mal um einiges schlanker. Bea hätte es nie für möglich gehalten, dass ein Mensch so schlank sein konnte, aber die Frau schien überhaupt kein Mensch zu sein. Ihr Gesicht wirkte zu schlank und spitz, und ihre langen weißblonden Haare waren feiner als Bea es je bei einem Menschen gesehen hatte. Das fremdartigste an der unbekannten Frau waren aber ihre Augen. Als Bea sich über sie beugte öffneten sie sich, und sie waren groß, größer als Menschenaugen, mandelförmig, leicht schräg gestellt, und anstelle einer Pupille gab es nur eine funkelnde, von innen heraus leuchtende, ozeanblaue Iris. "Lis'tai du lifail tan tiel?", fragte die Unbekannte. Bea wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie kannte die Sprache nicht. In der Hoffnung, die Andere würde sie vielleicht verstehen sagte sie schließlich: "Ich verstehe dich nicht. Verstehst du mich?" Die Fremde verstand sie jedoch nicht, und so blickten sie einander zunächst schweigend an. Bea nutzte die Gelegenheit, sich die Kleidung der unbekannten Frau genauer anzusehen. Sie trug einen vielfach verzierten Panzer aus einem schwarzen Metall, darunter ein weitärmliges blauweiß gemustertes Seidenhemd. Unten herum trug sie weite Beinkleider aus leichter schwarzer Seide, die über den zierlichen Lederschuhen mit Bändern zugebunden waren. Das ganze erinnerte sie stark an traditionelle chinesische Kleidungsstücke. Der Brustpanzer passte aber nicht so recht dazu, genauso wenig wie die beiden geschwungenen Samuraischwerter, die an ihrer Seite hingen. Die Frau war offenbar nicht schwer verletzt, denn sie erhob sich grazil, mit schnellen aber koordinierten Bewegungen. Alles an ihr erinnerte an eine Kriegerin, nicht besonders kräftig, aber schnell und tödlich. "Ich komme in Frieden", versuchte Bea es schließlich in gebrochenem Latein. Das schien zu funktionieren. "Was willst du dann hier?", antwortete die Unbekannte, ebenfalls in gebrochenem Latein. "Ich jage einen Dämon. Hast du ihn gesehen?", fuhr Bea fort. "In der Tat. Ich begegnete ihm. Er überraschte mich. Er griff mich an, verwundete mein Pferd. An mehr kann ich mich nicht erinnern." "Dein Pferd ist tot. Es liegt dort drüben." Die fremde Frau folgte Beas Blick, dann sah sie das tote Pferd. Das Leuchten ihrer Augen schien plötzlich schwächer zu werden, als sie langsam zu ihm hinüber hing, ohne dabei Bea jedoch ganz aus den Augen zu lassen. Sie beugte sich über es, strich ihm einmal sanft über die Stirn, und schloss dann seine Augen. "Ji'etail tu numiniel sin durail, ki tail'que coer nur tail", sprach sie in feierlicher Stimme. "Was hast du mit dem Dämon zu schaffen?", wollte sie dann von Bea wissen. "Ich jage ihn. Er hat meinen Freund angegriffen und verletzt. Er hat Schaden angerichtet. Ich will ihn finden und vernichten", antwortete Bea darauf. "Das kann ich verstehen. Doch, wer bist du, woher kommst du?" "Mein Name ist Beatrice und ich komme aus einer anderen Welt." Die Fremde sah sie mit großen Augen an, akzeptierte diese Aussage aber scheinbar. "Ich bin Cey'Lan, aus der Kaste der Krieger, vom Hofe Dir'Lathwain. Ich heiße dich willkommen in unserer Welt. Wir haben ein gemeinsames Ziel. Wollen wir den Dämon gemeinsam jagen, Beatrice aus der Anderswelt?" "Ich nehme dein Angebot an, Cey'Lan." Bea führte ihre neue Gefährtin daraufhin zu ihrem Nachtmaar. Cey'Lan schien sichtlich beeindruckt zu sein, als sie das Tier sah. "Ein Feuerpferd!", rief sie beeindruckt. "Ich habe bisher noch nie gehört, dass eines geritten würde!" Beinahe ehrfürchtig setzte Cey'Lan sich hinter Bea, ehe sie losritten, erneut den Wölfen hinterher. Der Nachtmaar richtete sich erneut auf ehe er los gallopierte, stieß erneut sein furchtbares Wiehern aus, und wieder antworteten die Wölfe. Dann ging es weiter, mit hohem Tempo quer durch den herbstfarbenen Wald. Endlich holten sie die Wölfe ein. Doch nicht nur die Wölfe, auch den Dämonen. Auf einer Lichtung hatten sie ihn eingeholt und zum Kampf gestellt. Er war jedoch ungleich mächtiger als sie. Zwei von ihnen lagen bereits verwundet am Boden, brennendes Blut strömte aus ihren Wunden wie glühende Lava. Die anderen beiden umkreisten ihn noch immer, auf der Suche nach einer Lücke in seiner Verteidigung. Aber sie suchten vergebens. Seine vier in Krallen endenden Beine waren schnell und beweglich, und sein Panzer stark. Es war ein beeindruckendes Bild, dass sich Bea darbot. Die gotisch anmutende Gestalt des Dämons, in blau und violett gesprenkeltes Chitin gehüllt, ohne erkennbare Sinnesorgane, nur aus einem verknöcherten Rumpf und vier feingliedrigen, mit unzähligen Spitzen besetzten Beinen bestehend stand inmitten roten Laubes. Um das fremdartige Wesen herum lagen die schwarzen Leichen der beiden toten Feuerwölfe, aus deren Wunden brennendes Blut strömte. Die anderen beiden Feuerwölfe, ebenfalls in Schwarz und mit flammenden Augen, umkreisten das fremdartige Wesen, immer wieder, bis der erste zustieß. Der zweite folgte augenblicklich, und von zwei Seiten fielen sie das Wesen an. Sie hatten jedoch keine Chance, messerscharfe Klauen erfassten sie beide, schleuderten sie durch die Luft und rissen dabei tiefe Wunden. Blitzartig ihre Schwerter ziehend sprang Cey'Lan vom Rücken des Nachtmaars und wollte sich auf den Dämonen stürzen, aber Bea rief sie zurück: "Warte. Lass mich das machen!" Dann öffnete sie ein Tor in Findracors Sphäre und rief die Kraft des elementaren Feuers daraus hervor. Das Unwesen schien zunächst widerstehen zu können, aber nicht lange. Bea schleuderte ihm noch mehr Flammen entgegen, und schließlich brach es zusammen. Mit einem furchtbaren Schrei, der klang als würden Hunderte von Neugeborenen zu Tode gequält schmolz es dahin, begann zu brennen, und schließlich blieb nur Asche zurück. Das war Bea aber immer noch zu viel. Sie rief pure Magie aus ihrem Innersten hervor. Wie gleißendes Licht brach es aus ihren Händen hervor und tilgte noch den kleinsten Ascherest, der von dem Wesen übrig war. Dann erst war Bea zufrieden. "Das hätten wir erledigt", verkündigte sie Cey'Lan in ihrem brüchigen Latein. "Du bist wahrhaft eine mächtige Magierin, Beatrice aus der Anderswelt. Es wäre mir eine Ehre, dich nach Dir'Lathwain einladen zu dürfen." Beas Neugier war geweckt. Sie hatte große Lust, das Angebot anzunehmen. Als sie erfuhr, dass sie dazu eine Woche lang reiten müssten lehnte sie jedoch ab. Sie wurde in ihrer eigenen Welt gebraucht, und sie wusste noch überhaupt nicht, wie sie überhaupt dorthin zurückkehren sollte. Sie brachte Cey'Lan noch zurück zu der Stelle, an der der Leichnam ihres Pferdes lag, dann rief sie ihrem Nachtmaar zu: "Bring mich zurück, zurück in meine Welt!" Das Geisterpferd richtete sich erneut auf, ein weithin hörbares Wiehern erklang, und dann stürmten sie davon durch das rote Unterholz. ___________________________ Gespannt wies weitergeht? Dann nichts wie ENS an den Autor, dann gibts die ganze Geschichte in einer Datei zum bequemen ausdrucken oder offline am PC lesen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)