Das Buch von Runzelstrunz ================================================================================ Das Buch „Oje, ich habe sie ganz schön angefaucht. Ich brauche etwas als Wiedergutmachung. Nur was?“ Völlig gedankenversunken schlenderte Hekaib durch die Straßen. „Hm, ein Buch, ja genau, sie steht total auf Bücher. Gut, jetzt brauche ich nur noch einen Buchladen. Komm schon, hier muss doch irgendwo einer sein!“ Hektisch umherschauend erspähte er ein schäbiges Schild, auf dem zu lesen war: „Seschat – Alte Bücher seit 3824 v. Chr.“ „Wow, der Besitzer hat wohl zu viel Harry Potter gelesen. Ob das wirklich ein Buchladen ist? Soweit ich weiß, gab es vor 6000 Jahren noch keine Bücher... Na ja, was soll’s, der hat sich bestimmt nur verschrieben.“ Knarrend ging die Tür auf, irgendwo über Hekaib war eine Klingel zu hören. Überall im Laden roch es nach altem Papier. Jedes Regal war über und über mit Büchern vollgestopft. Murmelnd ging Hekaib zwischen zwei Regalreihen hindurch: „Oh Mann, gleich kommt ein schrulliger, alter Mann hinter einem der Regale hervorgesprungen und schreit: ‚Ach, wie gut, dass niemand weiß...’ “ „Verwechselst du da nicht etwas?“ Erschrocken drehte Hekaib sich um. Hinter ihm stand ein Mädchen, das kaum älter war als er selbst. Mit ihren klaren grünen Augen sah sie ihn an. „Wie meinst du das?“ „Nun, es müsste dir doch klar sein, dass: ‚Ach, wie gut, dass niemand weiß...’ Rumpelstilzchens Text ist, den er während seiner Tänze um das Feuer singt. Außerdem hat der Gute nie einen Buchladen von außen, geschweige denn von innen, gesehen. Solltest du dich bei der Beschreibung des alten, schrulligen, hinter Regalen hervorspringenden Mannes auf den Besitzer des Buchladens in ‚Die unendliche Geschichte’ beziehen, der Bastian das Buch zu lesen gibt, so muss ich dir leider mitteilen, dass dieser nie hinter Regalen hervorsprang und auch niemals Märchengeschöpfe zitierte. Und wie du sicher mitbekommen hast, bin ich weder alt, noch schrullig, obwohl du das sicher bezweifelst, oder ein Mann und ich bin auch nicht hinter irgendwelchen Sachen hervorgesprungen.“ „Ja..., sicher!“ „Also, wonach steht dir der Sinn?“ „Ähm, ich hätte gern ein Buch, wenn es dir nichts ausmacht.“ Mit angehobener Augenbraue sah ihn das Mädchen an. „Okay, das habe ich mir schon fast gedacht. Schwebt dir etwas Bestimmtes vor?“ „Hm ..., irgendetwas Ausgefallenes, etwas zum Spielen, mit Spannung und Schokolade!“ „Iss lieber ’mal ’nen Apfel!“ „Du kennst dich also auch in Filmen gut aus!“ „Natürlich, aber was hat das denn jetzt mit dem Buch zu tun, das du haben willst?“ „Nichts.“ „Okay“, wieder sah sie ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Du suchst also etwas Außergewöhnliches ... mal sehen, oh ja, hier habe ich etwas. Das sollte dir gefallen, wir haben es gerade hereinbekommen.“ „Aber es soll nicht für mich sein!“ „Keine Sorge, deiner Freundin gefällt es bestimmt auch.“ „Woher...?“ „Intuition.“ Hekaib sah sich das Buch näher an. In langsam abblätternden, rotleuchtenden, großen Buchstaben war der Titel in den leicht verblichenen, kastanienbraunen Umschlag gestanzt: Verflucht und verachtet – die Geschichte eines Missverstandenen – von Höllenfürst Luzifer“. „Hm, klingt gar nicht mal so schlecht. Wie viel soll es denn kosten?“ „Ach, weil du es bist, sagen wir fünf Euro.“ „Abgemacht!“ Froh, endlich aus dem komischen Laden heraus zu können, so wenig bezahlen zu müssen, zum Schluss doch noch etwas gefunden zu haben und über die Aussicht sich mit Aya zu versöhnen, gab er dem seltsamen Mädchen die fünf Euro. „Also dann, einen schönen Tag noch und empfiehl uns weiter, Hekaib!“ „Tschüss!“ Gemütlich schlenderte Hekaib nach Hause. Erst auf halbem Weg fiel ihm auf, dass er dem wunderlichen Mädchen seinen Namen gar nicht gesagt hatte. „Was soll’s, hab’ schon Mysteriöseres erlebt.“ Zu Hause angekommen nahm er das Buch genauer unter die Lupe. „Oh Mann, das sieht wirklich interessant aus. Aya hat bestimmt nichts dagegen, wenn ich es einmal durchblättere.“ Obwohl er genau wusste, dass Aya eine Menge dagegen hatte, wenn man zu verschenkende Bücher vorher durchblätterte, schlug er vorsichtig den schweren Buchdeckel auf. Auf der ersten Seite lag ein Zettel, der eindeutig nicht zum Buch gehörte. Hekaib betrachtete ihn genauer. In Schreibmaschinenschrift war darauf zu lesen: „Liebe Leserinnen und Leser, wir gratulieren Ihnen zum Erwerb dieses Buches. Bevor Sie dieses unglaubliche Schriftstück jedoch in vollen Zügen genießen, möchten wir Sie zuvor noch auf einige Kleinigkeiten hinweisen. Dieses Buch ist ein Apokryph; durch eine todesmutige Nacht–und–Nebel-Aktion konnten wir es dem Vatikan entwenden. Sollten Sie ein Mitglied der römisch-katholischen Kirche sein, so wird sich dieses Buch nach Aufschlagen des Deckels selbst zerstören. Da Sie dies jedoch lesen, haben Sie die Prüfung bestanden. Herzlichen Glückwunsch! Wie oben bereits erwähnt wurden viele Leben dafür geopfert, es den Klauen des Vatikans zu entreißen und es an die Öffentlichkeit zu bringen. Dieses Buch enthält bisher unveröffentlichte (sonst wäre es wohl kaum ein Apokryph) Informationen über den Teufel höchstpersönlich. Um die Authentizität nicht zu gefährden, haben wir den unverwechselbaren Sprach– beziehungsweise Schreibstil nicht verändert. Für Freunde der gehobenen Ausdrucksweise ist dieses Werk demnach nichts. Das ganze Schriftstück ist in Tagebuchform verfasst und deshalb umso mitreißender. Es beschreibt mehrere Jahre im Leben Luzifers. In welchem Jahr es jedoch verfasst wurde, ist bislang unklar. Sollten Sie dieses Buch verlieren oder es zerstört werden, machen Sie sich keine Sorgen, dies ist nur eine Kopie, damit wir bei Bedarf die ganze Welt über die wahre Seite des Teufels informieren können. Zu guter Letzt beachten Sie bitte folgenden Warnhinweis: Sofern es Ihnen völlig egal ist, dass Sie Ihre Seele dem Teufel überschreiben und somit der ewigen Verdammnis anheim fallen, wünschen wir Ihnen viel Spaß beim Lesen dieses bemerkenswerten Buches.(1) PS: Das war nur Spaß, noch ist keine Seele unserer Mitarbeiter an den Teufel gegangen, wir hören einfach zu viel Radio und konnten es uns nun einmal nicht verkneifen.“ Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Magen grübelte Hekaib, ob er das Buch lesen solle oder nicht. Letztendlich kam er zu dem Schluss, dass der Teufel ihn nicht holen könne, da er kein Christ sei. Überzeugend war dieser Gedanke keineswegs, aber am Ende siegte die Neugierde. Hekaib machte es sich gemütlich, nahm das Buch und fing an zu lesen: Montag, erster Tag der Woche Verdammt, dieses abstoßende Licht! Da hab’ ich einmal frei und kann in meinem Haus auf der Erde schlafen und dann sowas. Was passiert ist? Ja, das wüsstest du wohl gerne, du beschissenes Tagebuch! Wieso habe ich mich nur von Balbero überreden lassen so ein Ding zu schreiben? Bisher hat es eh nichts genützt! Nun ja, obwohl ich zugeben muss, dass sie in letzter Zeit ruhiger geworden ist. Vielleicht nützt es ja doch ’was, wenn man seinen Zorn aufschreibt. Falls es fehlschlägt, kann ich Balbero immer noch umbringen harharharharharhar ... aber dann müsste ich einen neuen Träger für Jähzorn finden und ich kenne niemanden, der sich dafür freiwillig melden würde. Verdammt, warum ist bloß immer alles so kompliziert? Also gut, einen Versuch ist es wert. Nun, wo war ich? Ach ja, das Licht. Wie gesagt, wollte ich bloß den ersten Abend meiner freien Woche in meiner Erdenresidenz verbringen, mich von den Strapazen hier unten erholen. Ich legte mich also in mein Bett und schlief ein. Ha, war das schön! Aber dann ging auf einmal ’ne Straßenlaterne an. Dieses abstoßende, grelle, neonweiße Licht störte meine ganze Nachtruhe! Ich wollte doch nur schlafen und da oben war der einzige Ort wo es möglich war. Hier im She’ol wollen immer alle was von mir, genau wie im restlichen Teil der Hölle. Irgendwann kam ich dann auf die grandiose Idee die Lampe einfach zu zerstören, aber sie wurde innerhalb eines einzigen Tages wieder aufgerichtet. Raaaaaaaahhhhhhhh, ich hatte jetzt seit drei Monaten keinen Schlaf mehr! Bei der kleinsten dummen Bemerkung flippe ich gleich aus und bringe alle in meinem Umkreis um! Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, aber so langsam gehen mir die Arbeitskräfte aus! Deshalb auch dieses beschissene Tagebuch! Ich finde dieses Tagebuch einfach abstoßend, aber ich kann es leider nicht so einfach wegschmeißen. Balbero sitzt mir die ganze Zeit im Nacken, sogar jetzt steht sie hinter mir. Wenn ich also aufhöre zu schreiben, rastet sie wieder aus und ich muss dann wieder alles in Ordnung bringen. Wie auch immer, mehr ist heute nicht passiert. Wir schreiben uns morgen, falls Balbero dann immer noch auf der Lauer liegt, harhar. Dienstag, zweiter Tag der Woche Dieses beschissene Wasser, ich verabscheue es! Heute, hatte ich gedacht, lass ich es mal ruhig angehen. Asmodeus meinte, ich solle mit ’nem Kreuzfahrtschiff fahren, er habe dort schon erstklassige Nächte verbracht. Tja, ich bin zwar nicht so ’n lüsterner, geiler alter Sack wie er, habe mich aber trotzdem breitschlagen lassen. ‚Schaden kann’s ja nicht’, habe ich mir gedacht. Oh, wie falsch man doch liegen kann! Die Fahrt fing eigentlich recht gemütlich an. Das Essen und die Unterhaltung waren gar nicht mal so schlecht, wie ich befürchtet hatte. Bis zum Abend lief eigentlich alles glatt, bis, ja bis es, nun, lass mich zitieren: ‚... einige Turbulenzen ...’, gab. Und was waren diese Turbulenzen? Ein Tsunami!!!! Ja, ganz recht, ein T.S.U.N.A.M.I.!!! AAAARRGGGHHH, langsam glaube ich, Er macht das mit Absicht. Nicht genug, dass Er mich hierher verbannen musste, nein, Er versaut mir auch noch die Ferien! Ich verabscheue Ihn! Verdammt, ich wäre fast ertrunken! Nach dieser „tollen“ Fahrt wollte ich dann bloß in meiner Erdenresidenz ausspannen. Doch was mussten meine ohnehin schon müden und obendrein auch noch von Salzwasser gereizten Augen erblicken? Das gesamte Haus war überschwemmt! Ja, wie kann ein ganzes Haus überschwemmt werden? Ganz einfach, es waren überall Löcher im Dach. Und da es anscheinend den ganzen Abend geregnet hatte, war das gesamte Haus voll Wasser gelaufen! Ich wäre fast das zweite Mal heute ertrunken, als ich die Tür öffnete. Natürlich blieb mir nichts anderes übrig, als in den She’ol zurückzukehren. Wütend stapfte ich durch mein Reich und es wagten doch tatsächlich ein paar kleine Hilfsdämonen mich zu fragen, ob ich nicht ein schönes, heißes Bad nehmen wolle, da ich so abgehetzt aussähe. Nun, jetzt fragen sie niemanden mehr etwas, muhahahahahahahahahahahahahahahaaaaa. Mittwoch, dritter Tag der Woche Raaahh, warum gibt es sowas Widerliches wie Pflanzen? Nachdem mir gestern mein Haus abgesoffen ist, wollte ich heute losfahren, um zu sehen, wie schwerwiegend die Schäden sind. Um überhaupt hinzugelangen, musste ich mir von Mammon ein Auto leihen, weil meine in der Garage standen, die mit überflutet worden ist. Es hat mich fünf Stunden gekostet, diesen Geizhals zu überzeugen. Letztendlich musste ich wieder die Ich–bin–dein–Herr–also–gehorche–mir–gefälligst-Nummer abziehen, damit ich nichts für diese Schrottmühle bezahlen musste. Ich wundere mich, wie so ein Teil überhaupt noch fährt. Vielleicht sollte ich Mammon ’mal bei „Pimp my Ride“(2) anmelden ... aber das würde zu viel Papierkram bedeuten, falls diese MTV-Leute herausfänden, wer er wirklich ist ... Ich schweife vom Thema ab. Also, ich fuhr nun mit diesem Schrotthaufen auf vier Rädern zu meinem Haus. Die Schäden da sind katastrophal! Was haben sich diese sogenannten Handwerker nur gedacht, als sie dieses sogenannte Haus zusammengezimmert haben? Mit dem Gefühl, alles könne jetzt nicht mehr schlimmer werden, und dass ich mir von Mammon wohl auch noch Geld leihen müsse, fuhr ich zurück. Doch dann auf halbem Weg ragte da so ’ne beschissene Wurzel aus der Straße! Ich versuchte zu bremsen, doch es funktionierte nicht. Mammon hatte also nicht nur am Aussehen der Karre gespart, sondern ebenfalls an den Bremsen. Mit einem actionfilmreifen Looping flog das Auto, mit mir als Insassen, über diese widerliche Wurzel und krachte gegen einen zufällig am Straßenrand stehenden Baum. Nachdem ich wieder zu mir gekommen war, versuchte ich mich aus dem über Kopf liegenden, teilweise um den Baum gewickelten, lodernden Wagen zu befreien. Anscheinend war er, während ich handlungsunfähig daniederlag, explodiert. Später schaffte ich alles nach Chinmoku und verscharrte das ausgebrannte Wrack dort um meine Spuren zu verwischen. Danach beglich ich die Rechnung mit dem Baum, der mich mit seiner Wurzel zu Fall gebracht hatte: Ich riss ihn einfach heraus, hahahahahahahaaa! Jetzt werden seine Wurzeln nie wieder unschuldige Passanten fast das Leben kosten, hahahahahahahaaaaaa! Mammon hab’ ich wegen des Wagens einfach gesagt, er wäre geklaut worden und der hat es einfach so geglaubt, dieser Narr. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert! Danach wollte ich mich bloß noch irgendwo entspannen, ob ich nun Seelen ins Fegefeuer stieß oder Sünder peinigte, war mir egal. Doch bevor ich solch erfreulichen Tätigkeiten nachkommen konnte, wollten ein paar niedere Dämonen aus Anagura eine Audienz. Und was wagten sie tatsächlich von mir zu erbitten? Sie wollten ihre Naturverbundenheit ausdrücken, indem sie in Anagura einen botanischen Garten anlegen. Raaaaaaahhhhhhhh!!! Tja, nach der Audienz war ich so entspannt, wie schon lange nicht mehr, denn jetzt wird mich niemand mehr so schnell mit widerwärtigen Pflanzen oder anderen unnützen Dingen nerven, hahahahahaaaaa! Donnerstag, vierter Tag der Woche Argh, diese verdammte Sonne, ich ... ... ... verdamme sie, jawohl! Na toll, jetzt fallen mir schon keine Flüche mehr ein, ich wusste es war keine gute Idee. Nicht nur meine Haut, sondern auch mein überaus wertvolles Gehirn wurden verbrannt. Wieso musste ich auch auf Belial hören? Jetzt hab ich nicht nur Hautkrebs, nein mein Intelligenzquotient ist bestimmt um 50 Punkte gesunken! Ich hätte wissen müssen, dass eine Reise mit ihr nicht gut ausgeht, Hochmut kommt schließlich vor dem Fall! Nun gut, hier ist die Kurzfassung: Wir, das heißt ich und Belial, sind heute am Strand gewesen. Verdammt, wieso hab’ ich mich überhaupt breitschlagen lassen mitzukommen? Sie wollte unbedingt Sonne tanken oder sich bräunen, was weiß ich, jedenfalls kam ich mit, ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein, weil ich mich hier eh nur gelangweilt hätte. Ich dachte, ein bisschen Abwechslung käme da ganz recht. Zu Anfang war es auch gar nicht mal so schlecht, da wo wir waren. Ich glaube, der Ort heißt irgendwas mit Sao Tomé. Zu schade, dass es dort keine Pandas gab, hehehehehe, wie auch immer ... Ähm, wo war ich ... ah ja: Ich liege also am Strand, sonne mich und döse vor mich hin. Oh Mann, das war echt erfrischend nach den ganzen Schwefeldämpfen und anderen Giftgasen ’mal saubere Luft zu atmen und Sonne zu tanken. Ich und Belial waren ziemlich allein auf der Insel und zum Glück ließ sie mich in Ruhe. Dieses verrückte Weibsbild! Wie gesagt oder geschrieben, döste ich eine Weile und dann schlief ich unvorteilhafterweise ein. Wach wurde ich davon, dass ich keine Luft mehr bekam! Und warum bekam ich wohl keine Luft mehr? Richtig, weil ich schon das dritte Mal in dieser Woche kurz vor’m Ertrinken war! Es war nämlich gerade Vollmond und somit auch Flut. Dieser verdammte Mond!! Ich trieb also irgendwo im Meer herum, keine Ahnung wo ich war und Belial war auch nirgends zu sehen. Dann bemerkte ich einen Schmerz am ganzen Körper, als würde ich in einer Kolonie Feuerquallen schwimmen, doch als ich an mir hinunter sah, waren dort weit und breit keine Quallen in Sicht. Eins und eins zusammenzählend wurde mir bewusst, dass ich mit einem Sonnenbrand, bei dem schon Verbrennungen zweiten Grades auftraten, in Salzwasser schwamm. Ich wollte mich schon nach Hause teleportieren, da kam Belial mit einem Holzboot schwankend an mir vorbei gefahren und holte mich an Bord. Auf die Frage hin, ob ich uns nach Hause bringen solle, meinte sie nur, warum einen so profanen Weg benutzen, wenn man sich doch an den Sternen orientieren könne! Ich blieb, weil ich wusste, ginge ich jetzt, würde sie einen riesigen Aufstand machen und mich 100 Jahre nicht in Ruhe lassen. Nach vier Stunden in einer hin und her wippenden kleinen Nussschale, auf hoher See, ohne Aussicht auf Land, wurde es mir zu blöd und ich teleportierte mich einfach hierher. Ich glaube, sie schippert immer noch da ’rum und versucht die Sterne zu deuten. Tja, was soll’s, ich nehme jetzt ein schönes Bad in Menschenblut, damit ich diesen verdammten Sonnenbrand loswerde. Hehehehe... Freitag, fünfter Tag der Woche Ich verfluche diese beschissenen Vögel und Fische!! Heute ist nämlich der erste April und wie wir alle wissen, wurde ich an diesem verfluchten Tag von Michael in die Hölle gestoßen. Beelzebub musste das natürlich aufgreifen, um ein Festessen zu veranstalten. Ich muss ihm sowas unbedingt austreiben, andauernd macht er solche Feiern und stopft sich voll. Natürlich hatte er bei seinen Vorbereitungen nicht daran gedacht, wie ich mich dabei fühlen würde. Er meinte nur, es müsse doch gefeiert werden, dass ich in die Hölle kam und diese wundervolle Gesellschaft aufgebaut habe. Wenn er meint... Ich habe ihn einfach machen lassen. Nach den Strapazen der letzten Tage konnte ich eine Ablenkung gut gebrauchen, außerdem wollte ich mich nicht mit ihm streiten, da er ein sehr guter Freund von mir ist und mich auch ’mal auf der Erde vertritt, wenn ich keinen Bock habe Menschen zu piesacken, was jedoch eher selten vorkommt. Hinzu kam, dass er bereits alles eingeladen hatte, was Rang und Namen hat. Das Fest jetzt abzublasen, hieße sie alle vor den Kopf zu stoßen. Ich muss jedoch gestehen, dass nach und nach diese Party immer lustiger wurde. Das Essen war wirklich absolut lecker. Kein Wunder, Beelzebub macht so etwas ja nicht zum ersten Mal. Bis zur Hauptspeise war noch alles in Ordnung. Es waren sogar Musiker anwesend, die Paganini in den Schatten gestellt hätten, das fand ich wirklich toll, es passte einfach alles. Dann kam das Hauptgericht: Fischfilet und Coq au Vin. Ich dachte mir natürlich nichts dabei und jetzt im Nachhinein denke ich, dass Beelzebub nicht die geringste Schuld trifft. Vollkommen vertauensselig biss ich in ein Filet, es schmeckte wirklich ausgezeichnet, bis ich auf einmal merkte, dass mir irgendetwas in der Luftröhre steckte und ich nicht mehr atmen konnte. Ich saß also röchelnd und schon blau anlaufend am Tisch und hoffte, irgendjemandem würde es auffallen. Das tat es dann zum Glück auch. Nur durch das beherzte Eingreifen zweier mutiger Oger wurde mein Leben gerettet. *Memo an mich selbst: Muss sie dafür irgendwie auszeichnen!* Ich war außer mir! Ich meine, man sollte doch darauf achten, dass in einem Filet keine Gräten mehr drin sind, deshalb heißt es schließlich auch Filet. Nun gut, nachdem ich wieder ordentlich Luft bekam, stellte ich sicher, dass den Köchen nie wieder ein solcher Fehler unterlaufen würde, uahahahahahahaaaaa!! Danach warf ich diese verfluchten Filets ins Fegefeuer, auf dass sich die gepeinigten Seelen daran laben und ersticken mögen uahahahahaaaa! Moment, die sind ja schon tot und haben auch gar keine fleischlichen Körper mehr, ach verflucht noch mal! Oh, ich merke, ich schweife schon wieder vom Thema ab ... Nachdem ich also diesen Abschaum entsorgt hatte und zurück beim Fest war, konnte ich es unmöglich so enden lassen. Ich gebot weiter zu machen, als ob nichts passiert, ich also nicht gerade dem Tod entronnen wäre. Nun ja, um ehrlich zu sein kann ich eigentlich gar nicht sterben, da der Fluch der Unsterblichkeit auf mir lastet, außerdem war der Tod mit unter den Gästen ... wie auch immer. Wir feierten weiter und ich versuchte mich am Coq au Vin. Auch dieser war einfach delikat, der Wein war nämlich Menschenblut exzellenten Jahrgangs und das Hähnchen war eigens im Fegefeuer gebraten worden und hatte dadurch einfach einen sündhaften tollen Geschmack. Nachdem ich jedoch einen herzhaften Bissen heruntergeschluckt hatte, musste ich leider feststellen, dass die Knochen nicht entfernt worden waren. ... Nun saß ich wieder röchelnd und dem Erstickungstode nahe da und hoffte wieder auf Hilfe. Diesmal rettete mir ein Haufen Vampire mein wertvolles Leben. *Memo an mich selbst: auch die für Auszeichnung vorsehen!* Wieder musste ich mit den Köchen „reden“ und sie davon „überzeugen“, so etwas nie wieder zu tun, uahahahaha ... Später am Abend meinte jemand mir unbedingt mitteilen zu müssen, dass Knochen im Allgemeinen nicht aus Coq au Vin entfernt würden, doch auch er musste dann „einsehen“, dass er falsch lag. Alles in allem war es ein sehr lustiger Tag, obwohl ich mir eingestehen muss, dass da irgendjemand irgendetwas gegen mich hat, denn so eine chaotische Woche hatte ich wirklich noch nie!! Samstag, sechster Tag der Woche Oahhh scheiße, ich hasse die Menschen!!!!!!! Diese scheiß Kreaturen, wer ist nur auf die Idee gekommen sie zu erschaffen? ... Ich hab’ mir gedacht, ich geh heut’ ’mal mit Leviathan was essen, sonst wäre er wieder neidisch auf die anderen Erzsatane geworden, weil ich diese Woche schon so viel mit ihnen unternommen habe. Wir gehen also oben auf der Erde spazieren. Und was sehe ich da? Schon wieder so eine blöde Karikatur von mir mit Hörnern, roter Haut, einem Pferdefuß und einem Schwanz, der mir aus dem Arsch ragt. Außerdem hab ich auf diesem Abbild schon wieder Fledermausflügel. Woher haben diese Nichtswürdigen bloß ein so falsches Bild von mir? Ich sehe ihnen doch gar nicht mal unähnlich! Nicht schlimm genug, dass sie mit meinem Aussehen ihre Späße treiben, nein, sie können sich auch nicht entscheiden, wie ich nun heißen soll. Andauernd heißt es Teufel, Mephisto, Satanaas, Höllenfürst (obwohl das ja noch zutreffend ist), einige verwechseln mich sogar mit Belial, hallo, die ist ’ne Frau, oder mit Beelzebub, der vertritt mich zwar schon mal hier oben, aber so ähnlich sind wir uns doch gar nicht, zumal ich auch überhaupt nicht so viel esse und mir die Fliegen auch nicht gehorchen. Wieso können sie mich nicht einfach bei meinem richtigen Namen nennen: Luzifer. Das kann doch nicht so schwer sein! Warum sehen mich immer alle so negativ? Bloß weil ich die Sünder ein wenig piesacke? Jeder braucht doch ’ne Beschäftigung in seinem Leben und dieser Job macht mir obendrein auch noch Spaß! Es sind aber nicht alle so schlimm, letztens habe ich ein ganz tolles Bild von mir gesehen, es kam meinem wahren Äußeren schon beträchtlich nahe. Es war wieder in einem Manga. Auf diesem Bild war ich mit schwarzem Haar, normalem Körper und vier schwarzen befiederten Flügeln abgebildet. Ja, das nenn’ ich ein tolles Bild von mir! Zum Glück darf der Vatikan keine Menschen mehr verbrennen, die ihm nicht in den Kram passen. Ich glaube, die Zeichnerin wäre sonst schon längst hier und leistete mir Gesellschaft. Solche Leute, wie diese Künstlerin, sind aber auch die Einzigen, die ich unter den Menschen erträglich finde. Am schlimmsten sind zwar immer noch diese Hardcore-Christen, aber alle anderen sind nicht viel besser. Täglich beschweren sich die Oger darüber, dass Anagura zusehends verwüstet wird, bloß weil die Menschen nicht wissen, wie sie mit dem kostbaren Geschenk Erde umzugehen haben! Auch übernehmen sie keinerlei Verantwortung für ihre Taten, sondern schieben alles mir zu. Ständig heißt es: ‚Oh nein, der ist vom Teufel besessen’, oder ‚Oje, ein Massenmörder, der nur kleine Kinder umbringt – er ist der Teufel!’ Tse, als ob ich nichts Besseres zu tun hätte als kleine unwürdige Menschen zu besetzen oder sie durch einen anderen Menschen umbringen zu lassen. Sowas machen vielleicht die niederen Dämonen, wenn sie Langeweile haben, aber ich lasse mich doch zu so etwas nicht herab! Wenn ich es wollte, wäre die gesamte Menschheit schon längst ausgerottet, jawohl!!! Ich denke, langsam sollte ich wirklich etwas unternehmen, das geht mir echt auf den Sack. Ich weiß, gleich morgen werde ich eine verheerende Seuche loslassen. Im Mittelalter hat das auch schon ganz gut geklappt. Jawohl, eine Seuche, welch grandiose Idee, ehehahahahahahaaaa! Sonntag, siebter Tag der Woche Hach, ich glaube, das mit der Seuche lasse ich heute lieber bleiben. Astaroth hat mich davon überzeugt, auch mal nichts zu tun. Deshalb werde ich heute auch nichts mehr schreiben...“ „Hekaib, hast du immer noch Licht an? Es ist schon verteufelt spät, geh endlich schlafen!“ Der Ruf seiner Mutter holte Hekaib zurück in die wirkliche Welt. Etwas erschrocken sah er auf die Uhr. „Verdammt, schon halb eins, oh Mann, ich schreib’ doch morgen die Deutschklausur!“ Hastig legte er das Buch beiseite und machte sich bettfertig. Nachdem er ein wenig zur Ruhe gekommen war, fiel sein Blick wie von selbst wieder auf das Buch. Er konnte sich davon einfach nicht mehr losreißen. Hatte wirklich Luzifer selbst es verfasst, verlor er jetzt seine Seele an ihn, oder war das wirklich nur ein Witz gewesen? Diese und noch andere Fragen schwirrten durch seinen Kopf wie unruhige Nachtfalter um eine Lampe. Hekaib riss sich zusammen und schaltete das Licht aus. ‚Das mir auch ’dauernd so seltsames Zeug passieren muss’, dachte er, während er sich zudeckte. Er war sich sicher, dass Aya das Buch gefallen würde. Es dürften bloß keine Spuren zu sehen sein, dass er schon reingesehen hatte, sonst wäre ihr erster Satz, wenn sie das Buch in den Händen hielte wahrscheinlich: „Idiot, wenn man Bücher verschenkt, guckt man da vorher nicht selbst rein!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)