Lights of Eden von --Ricardus-- (The Envoy) ================================================================================ Kapitel 3: Zwei unzertrennliche Worte ------------------------------------- III. Zwei unzertrennliche Worte Die Sonne tauchte die ein letztes Mal die hohen Häuser in ein mystisches Abendrot bevor sie dann hinter ihnen verschwand, um erst am nächsten Morgen wieder in voller Bracht am Himmel zu stehen. Aber selbst wenn es stockfinster gewesen wäre, hätte Jonathan den Weg mit Leichtigkeit gefunden. Das Gebäude ragte zwar nicht über die anderen Hochbauten hinaus, wirkte jedoch auf seltsame Weise hell erleuchtet. Was wohl auch daran liegen könnte das genau hinter ihm die Sonne verschwand oder dass einfach die kupferfarbene Beschichtung fehlte. Jedenfalls ging das Gebäude eher in die Länge, als in die Höhe. Tatsächlich erinnerte es an eine Brücke. Es stand auf zwei riesigen Säulen, die den Umfang eines der Wolkenkratzer besaßen und in einem matten Silberton glänzten. In der Mitte zwischen ihnen ruhte der langgezogene Hauptteil, der trotz des vielen Glases undurchsichtig war, da er durch eine mechanische Blende ganzflächig verdeckt wurde. Der Koloss wirkte beinahe schon so mechanisch, dass Jonathan befürchtete er würde jeden Moment loslaufen und wie Godzilla die halbe Stadt verwüsten. Vorsichtig näherte Stalker sich seinem Zielobjekt und sprang plötzlich erschreckt zurück. Ein Dröhnen drang an seine Ohren. Er spürte keine Vibrationen und doch konnte er sofort die Quelle ausmachen. Denn kaum war die Sonne untergegangen, hatten sich die riesigen Blenden aufgefächert, wie eine Jalousie und feine Lichtstrahlen fluteten durch die Ritzen hinaus in die hereinbrechende Nacht. "Wow!" Jonathan starrte das gut vierzig Meter über ihm liegende Gebäude an und hatte gleichzeitig sein Vorhaben verworfen diesen Koloss auch noch zu betreten. Denn irgendetwas an dieser Szenerie lies ihn zweifeln. Wenn Thomas nun wirklich tot war, dann war er es auch. Jonathan hatte nichts und niemanden hier in dieser Metropole. Und wenn er dieser Frau von vorhin und den Sachen die sie über die Stadt erwähnt hatte Glauben schenken konnte, war er sowieso erledigt. Während ihn die intensiver werdende Dunkelheit langsam einhüllte, bemerkte er aus dem Augenwinkel heraus, das sich die gläserne Eingangstür am Fuß einer der beiden Säulen geöffnet hatte und jemand hinaus auf die Straße trat. Jetzt oder nie! Jonathan Stalker riss sich los und ging zügigen Schrittes auf die Gestalt zu. Als er näher gekommen bemerkte er, dass es eine schwarze Frau war, die in einer gelben Klempnerjacke und einer altmodischen schwarzen Stretchhose vor der Gleittür kniete und mit einem elektronischen Gerät, das wahrscheinlich dazu gebraucht wurde elektrische Störfunktionen anzuzeigen, den Rahmen der Tür absuchte. Neben ihr schwebte ein kugelähnliches Etwas in der Luft und bestrahlte wie eine Taschenlampe den Arbeitsplatz der Frau. Was es hier nicht alles gibt, dachte Jonathan während er nur noch einige Schritte von der Person entfernt war, Selbst die Handwerker haben hier Roboter! "Ähm ...", begann Stalker, als er genau hinter der Frau stand, doch auch die kleine Maschine hatte ihn bemerkt und drehte sich ruckartig in seine Richtung, wobei er nun Jonathan genau ins Gesicht strahlte. Sein robuster Metallmantel war mit einer roten und einer hautfarbenen Lackierung überzogen, die durch dünne silberne Streifen voneinander abgegrenzt wurden. Er hatte zwei Gliedmaßen, die als Arme funktionierten, im Moment jedoch im Rumpf eingebetet lagen, sodass man nur zwei Knubbel an der Unterseite der Maschine sehen konnte. "Wer ist das den?!", sagte die der Roboter plötzlich in einem ziemlich, nun ja, menschlichen Ton. Man konnte sogar meinen, es klang leicht genervt. Die schwarze Frau drehte sich ebenfalls um, betrachtete den jungen Mann, der immer noch schmerzhaft seine Augen zusammenkniff, eine Weile und herrschte dann ihren künstlich intelligenten Kollegen an: "Hör auf damit, Human! Oder willst du, dass er erblindet?" Kurzerhand knipste er das Licht aus und gerade als Jonathan seine Augen erleichtert wieder öffnete, schaltete das freche Ding abermals seinen kleinen Projektorenbildschirm auf maximale Beleuchtung. "Was zum ... Argh!" Nun riss Stalker die Hände vors Gesicht und die kleine kugelige Gestalt überschlug sich vor Lachen. "Was soll das? Lass ihn doch in Ruhe!" Nun verlor die Frau ihre Geduld und warf ihrem Roboter einen vernichtenden Blick zu. "Es tut mir Leid. Er ..." Sie wedelte mit ihrer freien Hand herum, schnaubte kurz und lies ihren Arm wieder sinken. "Ich verstehe schon. Einer aus der Human-Reihe, oder?" Sie nickte. Und das mit einer Miene, der mehr als nur Zustimmung zu Grunde lag. Jonathan besann sich nun endlich wieder auf sein eigentliches Vorhaben, doch noch ehe er selbst fragen konnte, ergriff die Frau das Wort: "Was wollen Sie eigentlich hier?" "Ich? Ich wollte fragen ob das" Er deutete auf das Gebäude. "der Ort ist, an dem ich die sogenannten Engel finden kann." Der Human-Roboter gluckste immer noch vor sich hin und die Frau zeigte lächelnd auf das große Schild über der Eingangstür auf dem geschrieben stand: Gemeinde der Engel Unter dieser Schrift war ein Zeichen abgebildet. Eine Art Wappen in den Farben dunkelblau und weiß. Darauf waren zwei übereinander gelegte verschiedengroße Flügelpaare zu erkennen. Zwischen ihnen züngelte eine Flamme und über dieser schwebte ein dunkelblauer Heiligenschein und das Zeichen des christlichen Glaubens: Ein Kreuz. In dem Oval, das diese Symbole umgab, waren Wörter geschrieben worden. Dort stand in ebenfalls dunkelblauer Schrift: Pro mundi vita. und The Way to salvation. Jonathan hatte noch nie in seinem Leben ein Wort Latein gekannt, aber der letzte der beiden Sätze lies sich dank seiner ausreichenden englischen Kenntnisse, die in dieser Zeit zu einer unabdinglichen Vorraussetzung geworden waren, leicht übersetzen. Der Weg zur Erlösung?! Innerlich verkrampften sich bereits seine Organe. Bin ich hier bei so einer komischen Sekte gelandet? "Danke. Ich glaube, hier bin ich richtig." Jonathan konnte sich ein beschämtes Grinsen über die Offensichtlichkeit des Schildes nicht verkneifen. "Ich werd dann mal ..." Unsicher und immer noch ein wenig verwirrt setzte er ein Paar Schritte in das Gebäude. Sobald er vollends in eingetreten war und die elektrische Gleittür sich hinter ihm geschlossen hatte, lies die Frau vor der Tür ihren Problemmaster21 sinken und starrte dem jungen Mann verträumt hinterher. "Niedlich.", sagte sie und stützte dabei ihren Unterarm auf ihrem Knie auf. Das kleine Gerät in ihrer Hand schaltete sich mit einem leisen Piepen aus. "Wenn das dein Verlobter hören könnte ..." Ihr mechanischer Kollege surrte um sie herum, wie ein abnorm großes Insekt. "Natürlich würde ich Jake so was nie erzählen. Es sei den, er bietet mir einen kostenlosen Speedmaster03 an. Bei den Dingern kann ich einfach nicht nein sagen. Mein Internetzugang ist nämlich im Eimer und da hab ich mir gedacht: Warum nicht gleich so ein hypermodernes Teil nehmen. Auf die sind zur Zeit alle scharf!" "Vielleicht.", überlegte die Frau laut, "sollte ich dir erst einmal einen anderen Sprachchip verpassen. Es kann sein, dass du mit einer süßen kleinen Mädchen Stimme erträglicher bist, als jetzt." Jonathan hatte ja schon einiges auf seiner kurzen Reise durchmachen müssen, die Ereignisse hatten sich jedes Mal selbst übertroffen und jeder Schauplatz hatte immer etwas an sich gehabt, worüber er staunen konnte. Was wohlmöglich auch letztendlich daran gelegen hatte, dass er aus so einem vergleichsweise kleinem Kaff kam wie Molington-Town. Zeitweilig hatte er gedacht, er würde träumen. Genauso wie in diesem Moment. Als er den riesigen runden Saal betrat, war er im ersten Moment immer noch froh darüber, dass er wieder sehen konnte (im Allgemeinen ging es seinen Augen sowieso nicht sehr gut) und das er die kleine schwebende Nervensäge losgeworden war. Eigentlich stand er schon immer auf Roboter mit einem A.I.-Chip, aber dieses Modell hatte seine Neugier fürs Erste ausradiert. Jedenfalls fühlte er sich von der Atmosphäre und Ausstrahlung des Raumes erschlagen. Alles war weiß und hell erleuchtet, dennoch nicht unangenehm. Einige Menschen durchstreiften den Saal in ausschließlich weißen Sachen, die bewirkten, dass Jonathan sich in seiner Vermutung, dass er bei Verrückten gelandet war, bestätigt fühlte. In der Mitte führten Zwei breite silberne Fahrstühle nach oben, den gesamten röhrenförmigen Schacht entlang. Schräg hinter den Fahrstühlen befand sich eine Art Auskunft. Eine kleine weiße Theke hinter der eine junge rothaarige Frau in einem kurzen weißen Kleid stand und mit dem Finger über den Bildschirm ihres Computers fuhr, um eingegangene E-Mails zu sortieren oder weiterzuleiten. Jonathan hatte diese Person schon als Ziel ins Auge gefasst, als er plötzlich etwas kaltes spürte, dass ihm über die Knöchel langsam nach oben glitt. Er blickte an sich herunter. Was er sah, war ein schmaler hellblauer Streifen der ihn von beiden Seiten abtastete und erst jetzt bemerkte er, dass er zwischen einer Sicherheitsschranke stand, die ihn auch sofort ansprach. "Bitte bleiben Sie stehen. Die Überprüfung der Sicherheitsstandards wird soeben durchgeführt." Er leistete auf der Stelle Gehorsam und rührte sich nicht ein Stück. Ein leises Plink ertönte und wieder flötete die schmeichelnde Stimme aus den kleinen Lautsprechern an den Seiten der Sicherheitsschranke: "Danke. Sicherheitsstandards erfüllt." Jonathan, überwältigt von soviel neuer Technologie, erreichte schließlich die kleine Theke und lehnte sich ein wenig über. Die Rothaarige schaute von ihrer Arbeit auf, beendete das Programm schnell, um sich voll und ganz dem Neuankömmling zu widmen. "Was kann ich für Sie tun?" "Ich suche jemanden. Können Sie mir sagen an wen ich mich wenden muss?" "Ist diese Person einer unserer Gemeindemitglieder oder jemand vom Personal?" Die junge Frau öffnete ein weiteres Programm auf ihrem Rechner und erwartete eine Antwort. "Weder noch. Er ist mit mir hergekommen. Wir kommen aus Molington-Town. Sie werden sicher nicht wissen wo das ist, aber das ist ja auch egal. Wir wurden draußen ihm Exil von diesen Wesen angefallen und -" "Oh ..." Ihre Augen weiteten sich. Ein klares Zeichen dafür, dass sie begriffen hatte. Dennoch schien sie von einem Moment auf den anderen niedergeschlagen zu wirken. "Warten Sie einen Moment. Computer? Die Liste, bitte." Das Gerät antwortete sofort mit einer Reihe von Daten. "Suche das heutige Datum!", befahl die Frau und der Rechner blätterte erneut in den Akten. "23. September 2151; 3 Außeneinsätze; insgesamt 12 Überlebende Erster Einsatz Ostgebiet um 4:25 Uhr - 5 Überlebende, keine Toten, Einsatzleiter: Ian McFlair Zweiter Einsatz im Westgebiet um 13:54 Uhr - 1 Überlebender, 6 Tote, Einsatzleiter: Raphael Dritter Einsatz im Ostgebiet um 19:05 Uhr - 6 Überlebende, 2 Tote, darunter auch der Einsatzleiter: John Olland" Der Computer beendete die Vorlesung und Jonathans Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Er wusste, dass nur einer dieser Einträge in Frage kam. "Es ist der zweite.", sagte er mit gesenktem Kopf. Die Frau heftete ihren Blick wieder auf ihn und sprach dann langsam: "Es tut mir leid, aber ... Sind Sie sicher, dass es der dieser Eintrag war?" Stalker nickte. Er hatte eigentlich auch nichts anderes erwartet. Die Rothaarige seufzte, hielt dann aber plötzlich den Atem an. Ihr war etwas eingefallen. "Hatten Sie ein Haustier bei sich?", fragte sie hastig, "Eine Art Katze?" Es war zwar nicht sein Haustier, aber Jonathan nickte ein weiteres Mal. Die Frau kam hinter dem Schalter hervor und deutete dem jungen Mann mit einer Handbewegung an, ihr zu folgen. "Ein Kollege hat sie heute Mittag mitgebracht. Wenn Sie bitte mitkommen würden, kann ich sie Ihnen zurückgeben." Auch wenn es nur ein kleiner Lichtblick in dieser aussichtslosen Lage war, fühlte sich Jonathan ein wenig erleichtert. Zwar hatte er noch keine Idee wie er es schaffen sollte für sich und noch für die Katze etwas zu essen zu finden, aber das war ihm fürs Erste egal. Er folgte der Frau, die in ihrem Kleidchen in Richtung Aufzug stakste und dabei, trotz ihrer Hackenschuhe, an den wenigen Leuten, die in der Halle umherwuselten, geschmeidig vorbeischlängelte. Während Jonathan ihr hinterhereilte, bekam er immer wieder düstere Blicke zugeworfen. Er fragte sich, ob das wohl an seiner schäbigen Kleidung lag. Wahrscheinlich hielt man ihn für einen Obdachlosen. Er selbst konnte das nicht beurteilen, da er schon seit einer Woche nicht mehr in den Spiegel gesehen hatte. Stalker betrat zusammen mit der rothaarigen Frau einen der Fahrstühle. Als sich die Tür schloss zuckte er zusammen. Er hatte immer noch das Bild des Aliens vor Augen, wie es mit seinen langen Tentakeln nach ihm griff. Nach diesem Geistesblitz folgten weitere schmerzhafte Erinnerungen. Das unheilvolle Knacken der Rückräder der zwei Flüchtlinge, das Rauschen des Sandsturmes, das ihm noch in den Ohren hing und letztendlich Thomas wie er neben Jonathan am Feuer saß und erzählte. In diesen Momenten hatte er sich gefühlt, als hätte er nun endlich den Vater gefunden, den er sein ganzes Leben lang nicht gehabt hatte. Seltsamerweise fühlte er noch keinen Schmerz über das was er erlebt hatte. Er wandelte wie in einem schlechten Traum umher und versuchte verzweifelt aufzuwachen. Doch es nutzte nichts. Leise surrend, setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung und fuhr nach oben. Mit einem Mal fühlte sich Jonathan klein und unbedeutend. Durch die gläserne Fahrstuhltür wirkte das Innere des säulenförmigen Gebäudes noch riesiger als sonst. Die Decke lag so weit von ihnen entfernt, dass Stalker froh war, dass der Fahrstuhlboden nicht auch durchsichtig war. Sein Blick, der gerade noch so unendlich entfernt gewirkt hatte, als wäre er nicht mehr in dieser Welt gewesen, leuchtete auf einmal auf. Das Innere der Säule bestand aus unzähligen kreisförmigen Stockwerken, die um den tiefen Abgrund des Schachtes gebaut worden waren und von vielen unterschiedlichen Menschen bevölkert wurden. Hohe Geländer schützen vor dem tiefen Sturz und nur ein paar Brücken führten in die Mitte des Raumes zu den Fahrstühlen. "Das sind die Quartiere für das Personal. Die von unseren Mitarbeitern sind weiter oben.", sagte die Frau, die bemerkt hatte, dass Jonathan fasziniert an der Glasscheibe klebte. Ungefähr fünfzehn Stockwerke später, stoppte der Fahrstuhl in einer Etage, die absolut anders aussah als die anderen. Statt des großen Abgrundes war dort Boden, wie in der großen Eingangshalle. Nur der Fahrstuhlschacht drang durch den Grund und führte weiter nach oben, wo sich die Stockwerke wiederholten. Jonathan und die Frau stiegen aus und schritten auf eine große weiße Metalltür zu, neben der zwei große Männer standen, die beide Waffen trugen und misstrauisch guckten, als sie den jungen Mann sahen. "Hallo, ihr beiden!", begrüßte die Frau sie freundlich, "Ist Kahn noch im Unterricht?" "Ja.", antwortete einer der Männer steif. "Warum denn so ernst heute, Lucas? Das mit der Gehaltserhöhung hat wohl nicht geklappt?" Jonathan wunderte sich über die seltsame Offenheit der Frau. Er selbst hätte nie daran gedacht in so einem Ton mit diesen bewaffneten Wachen zu sprechen. Zu seinem erstaunen lächelte der Kerl und antwortete um einiges besser gelaunter: "War doch nur ein Spaß. Ist das dein Freund?" Er deutete auf Stalker. "Nein." Sie wirkte beschämt und lief rosa an. "Aber er ist sauber, falls du das meinst. Brauchst du meine Karte zur Bestätigung oder lässt du mich auch so rein?" Der Wächter winkte ab, wobei ihn sein Partner ungläubig musterte und dabei so wirkte, als wolle er ihn sofort zurecht weisen, sagte aber nichts. Dankbar lächelnd führte die Rothaarige Jonathan an den Beiden vorbei und drückte die Tür mit einiger Mühe auf. Dahinter lag ein Tunnel, von dem mehrere Türen weg führten. "Merken Sie sich eins!", sagte die junge Frau plötzlich, "Bleiben Sie dicht bei mir und wenn Sie mich verlieren sollten, bleiben Sie einfach wo sie sind!" Jonathan nickte eifrig, obwohl ihm nicht klar war, wo er sich hier hätte verlaufen sollen. Seine anfänglichen Zweifel legten sich jedoch auf der Stelle, als sie durch eine zweite Tür getreten waren. Sie waren wieder in einen riesigen und hohen Raum getreten, der diesmal aber eine normale Form hatte. Wieder führten eine Menge Türen aus diesem Saal, wahrscheinlich (wie Jonathan vermutete) in ebenso große Hallen. Eine Masse von Männern und Frauen die alle eine einheitliche Kleidung trugen, füllte in mehreren Reihen angeordnet fast den gesamten Saal aus. Sie bewegten sich synchron und erstellten immer wieder neue kompliziertere und seltsamere Formen. Durch das gleichzeitige Aufkommen der Füße auf dem komplett mit Gummimatten bedeckten Boden, entstand ein dumpfes Geräusch, das an den Wänden mehrfach zurück geworfen wurde. Jonathan konnte erkennen, das eine einzelne Person durch die Reihen streifte und die anderen beobachtete. Es war ein Mann, der eine komplett andere Tracht an hatte als die anderen. Zwar war er auch in weiß gekleidet, aber im Gegensatz zu den vielen Frauen und Männern, die Jonathan bis dahin gesehen hatte, war sein Oberteil feiner zugeschnitten, hatte einen Kragen und war kürzer. Es lag viel enger an und wurde von drei silbernen Schnallen zusammengehalten. Doch das Auffälligste war das dunkelblaue Wappen auf seiner linken Brust, das Stalker bereits am Eingang gesehen hatte. Anscheinend war dieser fremde Mann eine Autoritätsperson und genoss einen hohen Status. Jonathan sah auch, dass er weißes Haar hatte, was ihn noch seltsamer wirken lies. Also ein älterer Herr, stellte Jonathan fest. Dieser Gedanke erinnerte ihn plötzlich wieder an Thomas. An sein Lächeln, an seine glasigen Augen hinter den großen Brillengläsern, die irgendwie immer traurig geschaut hatten. Plötzlich wurde er von der Seite sachte angetippt. "Ich habe noch eine Bitte an Sie." Die rothaarige Frau sah ihm direkt in die Augen. "Überlassen Sie mir das Reden!" Er war einverstanden. Was hätte er auch sonst tun sollen. Jonathan war nie ein Mann der geschickten Rede gewesen. Dafür kannte er sich beim Slang besonders gut aus. Die Frau verschwand kurz darauf zwischen den posierenden Leuten und kehrte wenige Zeit später mit dem seltsamen Mann zurück. Doch bevor er Jonathan erreichte, hielt er inne und drehte sich zu den trainierenden Männern und Frauen um. "Schluss für Heute! Morgenfrüh um fünf wieder hier!" Sie schienen verständlicherweise alle erleichtert. Wäre Jonathan an ihrer stelle gewesen, hätte in das Morgenfrüh um fünf wieder launisch nach unten gezogen, denn er war der geborene Pessimist. Aufgeregt schwatzend verlies die Schar den Raum und der Mann stand nun genau vor Jonathan. Zu der Verblüffung Stalkers, war der Fremde keineswegs alt. Er schien nicht viel älter als er selbst zu sein. Nur sein Haar war vollständig ergraut. Neugierig musterten die grauen Augen Jonathan Stalker. Dann lächelte er und streckte ihm seine Hand zur Begrüßung entgegen. Verwirrt erwiderte Jonathan die Geste. "Jonathan Stalker, nehme ich an. Wir haben Ihren Ausweiß in Ihren Sachen gefunden. Sie hatten sie verloren, als Sie geflohen sind." Immer noch verblüfft über die merkwürdige Erscheinung seines Gegenübers nickte Stalker mühsam. Ihm war aufgefallen, dass der Herr mit Gel seine Haare etwas aufgestellt hatte, wahrscheinlich um auf sein eigentliches Alter hinzuweisen. Die Frau hatte bis jetzt kein Wort mehr gesprochen. Sie machte fast den Eindruck als ob es ihr untersagt wäre. "Sie kommen bestimmt wegen ihrem Gepäck. Ich --" "Nein. Ich ... Entschuldigung, Sir ... Ich komme eigentlich wegen einem Freund, der während des Angriffs bei mir gewesen war." Dem Mann hatte es den Atem verschlagen. Er schien es nicht gewohnt zu sein, unterbrochen zu werden. Trotzdem lächelte er weiter gütig, als wäre er die Ruhe selbst. "Ein Freund? Ich habe davon gehört. Wenn Sie mir folgen würden." Er geleitete Jonathan zur anderen Seite des Raumes und als die junge Frau Anstalten machte ihnen zu folgen, wehrte er abrupt ab. "Ich glaube, Anna, Sie werden hier nicht mehr gebraucht! Sie können Schluss machen." Sie neigte ihren Kopf leicht, wie bei einer Verbeugung und verschwand dann wieder hinter der Tür, aus der sie gekommen war. "Sie haben also Bekanntschaft mit unseren Freunden gemacht?" Dabei sprach der Mann das Wort Freunde so sarkastisch aus wie nur möglich. "Ja, Sir." "Sie brauchen mich nicht Sir zu nennen, auch nicht Meister wie es meine Schüler tun. Ich heiße Kahn-Dûke." "Ähm ... wenn Sie meinen." Jonathan fand den Namen genauso seltsam wie seinen Besitzer, zollte jedoch einen hohen Respekt, ohne zu wissen wen er überhaupt vor sich hatte. Auch wenn dieser Kahn ein wenig kleiner war als er selbst, hatte er etwas an sich, dass Jonathan nicht beschreiben konnte. Ein weiteres Mal fiel sein Blick auf das ovale Wappen. Und er erinnerte sich. "Warum nennt sie die Bevölkerung Engel?", platzte es auf einmal aus ihm heraus. Der Mann neben ihm zog die Augenbraue hoch und antwortete langsam: "Weil es unser Name ist. Wir sind die Gemeinschaft der Engel. Es ist unser Synonym. Jeder unserer Mitarbeiter besitzt seine eigene Anonymität in Form eines Decknamens." Auch wenn er es nicht sagte, war Jonathan erleichtert, dass Kahn-Dûke nicht sein wirklicher Name war. Ansonsten hätte er die Eltern für verrückt erklärt. Eine peinliche Stille trat ein. Jonathan Stalker starrte seine Füße an und überlegte, was er nur falsch gemacht haben könnte, dass er hier gelandet war. Ihm fiel absolut nicht die kleinste Kleinigkeit ein, an der er selbst schuld gewesen war ... oder doch? Ja. Hätte er nicht aus Neugier den Fahrstuhl genommen, wären jetzt noch sechs Leute am Leben und überhaupt: Warum hatte gerade er überlebt? Eine Tür glitt auf und gab eine lange Treppe frei. Nach der letzten Stufe folgte eine weitere Tür. "Wo gehen wir hin?", fragte Jonathan, der sich langsam Sorgen um sich selbst machte. "Zur medizinischen Abteilung. Unsere Wissenschaftler werden nicht gerne gestört, wissen Sie. Deshalb die vielen Türen." Kahn zog sein Handgelenk über den Display des Sicherheitssystems und der Durchgang öffnete sich mit einiger Verzögerung. Wieder kamen sie auf einen Gang. Aber diesmal konnte man an den Seiten Glasfenster sehen, durch die man in die Büros sehen konnte. Bei den meisten, hatte man jedoch die Jalousien zugezogen. "Seltsame Leute!", sagte Jonathan leise, merkte aber sofort, dass er gehört wurden war. "Ja, nicht wahr? Sie haben seltsame Angewohnheiten, sind aber außerordentlich wichtig.", antwortete Kahn automatisch. "Aber das ist noch gar nichts! Warte bis wir an Büro Nummer 023 vorbeikommen!" Und tatsächlich. Der Krach war schon zehn Nummern vorher zu hören. Es klang, als wäre dort ein heftiger Streit im Gange. Kurz bevor die beiden Männer die Tür erreichten, flog diese auf und der bis dahin noch gedämpfte Tumult, tobte in voller Lautstärke. "ACH JA?!?! Dann sag mir doch mal wie du das anstellen willst! Das nächste Mal liest du dir gefälligst die Ergebnisse durch, DU IDIOT!!!" Wütend fauchend stürmte eine kurzhaarige Blondine an ihnen vorbei, ohne sie zu beachten. Sie schüttelte missbilligend den Kopf und kniff dabei genervt die Augen zu. "Hallo Alex ...", rief Kahn trotzdem zur Begrüßung, wurde aber nicht gehört, da die Frau mit dem weißen Chemikerkittel schon den Gang entlang rauschte. Plötzlich tauchte ein zweites vor Wut rot angelaufenes Gesicht auf. Ein junger Mann mit ebenfalls kurzem, blonden und aufgestellten Haar tauchte in der Eingangstür zu Büro 023 auf. In seinen Augen blitzte der blanke Zorn und er machte den Eindruck, als ob er gleich explodieren würde. "LIES ES DOCH SELBER!!!", brüllte er ihr hinterher, wobei ihm fast die Brille von der Nase gerutscht wäre. "Du kleines Mis--" Die Stimme versagte ihm, als sein Blick auf Kahn fiel der sich lächelnd vor ihm aufgebaut hatte. "Hallo Benjamin!" "Guten Abend, Chief.", sagte mit einiger Verzögerung. "Es ist jedes Mal das Selbe. Immer wenn irgendwas schief geht, bin ich schuld." Er verdrehte leicht die Augen und heftete sie kurz darauf auf Jonathan. "Wer ...?" "Ach, Entschuldigung!", sagte Kahn hastig, "Das ist Jonathan Stalker. (Der andere Mann zog skeptisch die Augenbrauen hoch und Jonathan schnaubte genervt) Jonathan, das ist Benjamin Rembrandt." Nun grinste Stalker, was ihm im nächsten Moment ein wenig gehässig vorkam. Schnell lies er seine Mundwinkel wieder hinuntersinken. "Und dieses nette Fräulein da hinten", bemerkte Rembrandt, "heißt Alexandra Smith." Er deutete mit dem Finger auf die kurzhaarige Blonde, die gerade den Gang wieder zurückstürmte und mit einem drohenden Blick auf Benjamin an ihnen vorbeiging. "Ich muss dann mal weitermachen, Chief." Der Mann im weißen Kittel drehte sich auf dem Absatz herum und verschwand im Büro. "Moment!" Kahn-Dûke schob seine Hand blitzschnell in den Türspalt und drückte sie wieder auf. Erschrocken drehte sich Rembrandt um. "Wie sieht´s mit Order 053 aus?" "Nichts Neues. Aber wir kommen gut voran." "Gut. Das wollte ich bloß noch einmal wissen." Kahn lies die Tür wieder zufallen und wandte sich wieder an Jonathan. "Lassen Sie uns weitergehen." Nun übermannte ihn die Neugier und er fragte unsicher: "Wohin gehen wir überhaupt, Sir? Oh, ich meine ..." Doch Kahn fiel ihm schon ins Wort: "In die Leichenhalle. Da werden alle Opfer zur genaueren Untersuchung aufbewahrt und später verbrannt. Es sind zu viele um sie alle dort zu behalten. Wir wollen bloß sichergehen, ob wir mit unserer Vermutung richtig liegen, verstehen Sie? Es tut mir Leid, aber ich fürchte das lässt sich nicht vermeiden." Jonathan nickte kurz angebunden. Was sollte er auch anderes tun. Sollte er etwa erwähnen, dass ihm die Vorstellung eine Leiche zu sehen, einfach zu Wider war? Ihm war durchaus klar, dass er jetzt sehen würde, was der Sandsturm vor seinen Augen bislang verborgen hatte und genau das machte ihm Angst. Verzweifelt versuchte er seine Gedanken zu ordnen und starrte dabei auf seine Füße. Ihm fiel auf, dass auf dem schlichten weißen Boden an jeder Abzweigung der Gänge kleine Pfeile und Buchstaben auftauchten. Eine Art Wegweiser. So etwas hatte er schon einmal in der U-Bahn gesehen. Es war an dem Tag gewesen, als er gefeuert wurde. Die Bahn hatte eine halbe Stunde Verspätung wegen eines Selbstmordversuches, irgendwo im Westviertel, gehabt. Jonathan kam auf Grund dessen bereits zum dritten Mal zu spät zu seiner Arbeit als Verkäufer bei einer Supermarktkette, die sich "Storley´s" nannte. Trotz genauer Darlegung der Ereignisse wurde er sofort und ohne Abfindung vor die Tür gesetzt. Rausgeschmissen von einem Mann, der nicht verstehen konnte, warum sich jemand freiwillig einen Schlussstrich unter die Rechnung macht und dabei noch das alltägliche Leben behindert. Wenn Jonathan Stalker noch genauer darüber nachdachte, lag es ihm nicht mehr so fern sich ebenfalls vor einen fahrenden Zug zu stürzen. Er hatte nichts mehr. Keine Wohnung, kein Geld, kein Essen, kein Trinken und niemanden, an den er sich wenden konnte. Hätte er doch nur genug Geld sich lebendig einfrieren zu lassen, wie es einer seiner Freunde getan hatte. Dieser wartete jetzt noch fünf Jahre darauf, dass man ihn endlich wieder auftaute. Ob fünf Jahre reichten, um die schlechte Zeit zu überbrücken? Jonathan wurde aus der Träumerei gerissen. Plötzlich war es kalt um ihn herum geworden. Er sah wie sein Atem in kleinen Dampfwölkchen aufstieg und wieder verblasste. Erst jetzt bemerkte er, dass sie bereits in der Leichenhalle angekommen waren. Es war ein langgezogener Raum, der ziemlich weit nach hinten führte. An den Wänden waren überall große Schubladen angebracht, in denen man die Toten aufbewahrte. Kahn-Dûke hatte sich mitten ihm Raum neben einem der herumstehenden Obduktionstische postiert und blickte zu Jonathan: "Wie heißt Ihr Freund noch mal? Nennen Sie einfach seinen Namen!" "Thomas Hikes.", rief Stalker laut, damit Kahn ihn auch verstehen konnte. Doch das war nicht mehr nötig, denn ziemlich am Ende der langen Halle wurde eine Schublade ausgefahren. Erstaunt betrachtete Jonathan das Geschehen. "Spracherkenner!", sagte Kahn stolz und widmete sich der kleinen Karte, die am inneren Rand der erschienenen Barre befestigt war, "Warten Sie! Nicht!" Jonathan hatte schon nach dem dünnen Tuch gegriffen, das die Leiche verdeckte. "Lassen sie mich ersteinmal sehen!" Kahn öffnete warf einen flüchtigen Blick unter den Stoff und verzog unangenehm das Gesicht. "Ich glaube es ist besser, wenn ich Ihnen die Gesichtsrekonstruktion zeige, weil ich glaube nicht, dass ... Was machen Sie da?!" Doch Jonathan hatte das Lacken schon zur Seite geschlagen und starrte nun mit Entsetzten die Überreste seines Freundes an. Das Gesicht war wirklich so deformiert, dass er Mühe hatte Thomas zu erkennen. Durch die weiße Haut stachen die bläulich angelaufenen Wunden heraus und gaben zusammen mit dem angetrockneten Blut ein schauriges Bild ab. Zu Tode erschrocken über diesen Anblick, sprang Stalker ruckartig nach hinten und langte mit seiner linken Hand in ein Skalpell, das neben den anderen Obduktionsgerätschaften auf dem kleinen Beistelltischchen hinter ihm lag. Der Schnitt war tief und scharf. Der Schmerz stach bis ins Mark. Reflexartig griff Jonathan nach seinem Handgelenk um die Blutung zu stoppen, doch Kahn-Dûke war schneller. Er hatte die Leiche schnell wieder verdeckt und streckte Jonathan bereits schon ein weißes Taschentuch hin. Dieser ergriff es und presste den weichen Saum gegen den Riss in der Handinnenfläche. "Scheiße!", zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. "Das macht nichts! Die Geräte sind desinfiziert.", sagte Kahn mit einiger Besorgnis in seiner Stimme. "Ach, deswegen brennt der Mist so!", erwiderte Stalker, der nun, da er das Blut abgewischt hatte, das Resultat begutachtete. Der Schnitt zog sich über die gesamte untere Hälfte der inneren Handfläche entlang und blutete ohne Unterlass. "Aber eins kann ich Ihnen sagen! Das war er. Eindeutig." Nun sprach er ernst weiter. Auch wenn das Eckel erregende Bild des Leichnams in seinen Gedanken weite Kreise zog. "Gut, das war eigentlich alles, was wir von Ihnen wissen wollten. Wenn Sie mich bitte wieder nach draußen begleiten würden!", sagte Kahn monoton, "Ich kann zwar nur erahnen, wie Sie sich jetzt fühlen müssen. Mir tut es auch leid, aber wir haben uns schon mit der Zeit daran gewöhnt. Drum verstehen Sie mich nicht falsch, wenn ich nicht alles nachvollziehen kann." "Schon OK.", antwortete Stalker automatisch und stellte entsetzt fest, dass er kein Gefühl der Trauer spürte. Sein Kopf war leer und er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Es schien ihm, als ob er allmählich in eine andere Welt hinüber gleiten würde und sich dort langsam auflöste. Sie durchquerten bereits die Trainingshallen, als Kahn-Dûke Jonathan plötzlich von der Seite her ansprach: "Wenn Sie mir die Frage gestatten: Was haben Sie jetzt vor?" Jonathan drehte seinen Kopf leicht und antwortete leicht verträumt: "Ich werde schon irgendwas finden. Vielleicht bekomme ich ja eine Unterkunft für einige Tage und dann ..." Er zuckte mit den Schultern. "Wenn Sie wollen, können Sie heute Nacht hier bleiben. Wir haben noch freie Appartements." "Nein, Danke! Ich komme schon klar.", rief Jonathan schnell, denn er wusste, dass er auf gar keinen Fall noch länger bei dieser Sekte von Verrückten bleiben wollte. "Machen Sie sich da mal keine Sorgen!" "Wenn Sie meinen ..." Kahn verlangsamte seinen Schritt und blieb vor dem Fahrstuhlschacht stehen. Er drückte auf den ovalen Silberknopf. "Gut, dann wünsche ich Ihnen noch viel Glück und eine erholsame Nacht. Und denken Sie daran. Sie sind hier immer willkommen." Kahn lächelte geschmeichelt, als sich Jonathan mit einer leichten Verbeugung von ihm verabschiedete. Dann verschwand seine ehrfürchtige Gestalt hinter einer der vielen Türen, die in weitere unergründliche Räume führten. Nach einigen Minuten stand Jonathan Stalker wieder auf dem großen Platz draußen in der eisigen Dunkelheit. Im Gebäude hinter ihm erloschen langsam die Lichter. Es fröstelte ihn und er war verdammt müde. Dieser Tag war mit Abstand der schlimmste seines Lebens. Darin bestand kein Zweifel. Langsam fing er an seine Entscheidung, das spontane Angebot des Mannes auszuschlagen, zu bereuen. Vielleicht wäre die Nacht doch noch reibungslos verlaufen, ohne dass er sich mit diesen Irren noch hätte weiter abgeben müssen. Einfach nur schlafen und dann so früh es geht wieder raus aus diesem monströsem Hochbau. Aber Jonathans Verstand hatte sich wieder einmal viel zu spät eingeschaltet und so hatte sein ausgelaugter Körper die Nachsicht. Er schaute an seiner verletzten Hand entlang und die Schmerzen kehrten zurück, genauso wie die, damit verbundenen Bilder. Das sollten also die Menschen gewesen sein, die diesem Viechern vom anderen Stern gewachsen sind? Das waren die Engel, von denen man hier so ehrfürchtig sprach? "Engel? Pah!" Jonathan warf seinen Kopf in den Nacken und starrte zum Himmel empor. "Nichts weiter als ein Haufen seltsamer Christen und Wissenschaftler. Und die sollen den Menschen Hoffnung geben?" Die Nacht war sternenklar und ein eisiger Wind strich durch die Straßen und Gassen. Und gerade als Jonathans Blick auf seinem vom Mondlicht geworfenen Schatten zurückschweifte, kam ihm die Erleuchtung. Der Moonside-Club! Diese Frau ... Èmalia oder so ... hatte ihn doch einmal erwähnt, oder? Natürlich! Wie konnte er das nur vergessen? Sofort machte er sich auf den Weg, den er nicht kannte. Aber was sollte er sonst tun? Auf der Straße zu schlafen, war hier in einer solchen Großstadt gefährlicher als wenn er mit geschlossenen Augen über die Straße laufen würde. Dort gab es eine Menge Gangs, Drogendealer, Sekten und aller Wahrscheinlichkeit nach hatte die Mafia auch hier ein weitgreifendes Netz gespannt. Bei diesem Gedanken schüttelte es ihn regelrecht und er hauchte ein Wölkchen kondensierender Atemluft aus. New Atlanta lag mitten in einer wüstenähnlichen Einöde. Wüstennächte waren bekanntlich kalt und das Einzige, was Jonathan anhatte, waren seine Jeans und sein zur Hälfte zerfetztes Hemd. Und natürlich seine Wildlederschuhe. Die teuren Stücke waren jedoch schon nicht mehr unter der dicken Staub- und Dreckschicht zu erkennen. Er sah aus wie ein verwahrloster Landstreicher. Verdreckt, hungrig und hundemüde. Er ging weiter. Über den großen Platz und an den hohen, altmodischen Steinbauten vorbei. Dabei wanderten seine Augen über eine Vielzahl von breiten Werbebildschirmen, die um den Platz herum an den Hauswänden angebracht waren und fortwährend Produkte wie den neuen Mercedes Highway-Surfer priesen. Dagegen hätte sein kleines primitives Xilocar ausgesehen wie ein Stück Steinzeitgeschichte. Langsam nährte er sich der Reihe von Häusern, die schon zum unmodernen Teil der Stadt gehörten. Sein Orientierungssinn verlies ihn erst, als er wieder an der Stelle stand, wo man ihn so lieblos abgesetzt hatte. Aber der Ort hatte sich komplett verändert. Die Wände wirkten noch höher und kälter als vorher, was vielleicht daran lag, dass an dieser Seite die Fenster fehlten. Es roch nach Rauch und eine merkwürdige Unruhe lag in der Luft. Am Ende der dunklen Gasse flackerte eine kleine Feuerstelle und versprühte glühende Funken. Die drei Männer, die in den rötlichen schein des Feuers getaucht waren, blickten kurz auf, als Jonathan um die Ecke gestürmt kam, in der Hoffnung, dass die junge Frau auf unergründliche Weise plötzlich wieder vor ihm stehen würde. Zwei von ihnen senkten wieder die Köpfe, doch einer blickte ihn weiter unentwegt an. Der braunhaarige Mann zog die Hände über dem Feuer zurück und steckte sie in die löchrigen Taschen seines flickenbedeckten Mantels. Jonathan war unwohl zu Mute und er kehrte den drei Gestalten den Rücken zu. Jonathan, gepackt von der Angst überfallen zu werden, verlies zügig und ohne sich umzusehen die schmale Lücke zwischen den beiden Häusern. Er beschleunigte seine Schritte, als ihm auffiel, dass überall im gesamten Viertel kleine Feuer brannten, um die sich gierig Menschen drängten, die etwas Wärme in der eisigen Nacht suchten. Einige Straßen später besann er sich und versuchte nun geordnet vorzugehen. Er sah sich um. Auf der anderen Straßenseite stand ein junges Pärchen, das gerade in ein Gespräch vertieft schien. Der Mann gestikulierte wild herum und deutete auf etwas, was er in seiner Hand hatte. Jonathan Stalker ging auf die beiden zu. Nach einem dreiviertel des Weges wurde ihm klar, wen er da vor sich hatte. Er erkannte es an der Art wie das Mädchen gekleidet war. Sie trug hochhackige Schuhe und ein kurzes Kleid, außerdem war sie über und über mit kleinen Perlen und Kettchen behängt, die matt im Licht eines Fensters schimmerten. Eine Prostituierte, oder zu mindestens ein Cyborg, der diesen Job erledigte, denn kaum eine Frau gab sich mehr solch niederen Dingen hin, zumal die Zuhälter auf diese Weise mehr Geld verdienen konnten. Trotz dieser Tatsache verlangsamte Jonathan seinen Schritt nicht. So etwas war ihm nicht ganz so unangenehm, als wen er einen dieser Streicher ansprechen musste. "Nun komm schon! Mehr habe ich nicht!" Der Mann hielt der Frau ein Bündel Eurachips unter die Nase und wedelte ungeduldig damit herum. "Nichts da! Wenn ich sage sechzig, dann meine ich auch sechzig! Haben Sie das soweit verstanden, werter Herr?", erwiderte der Cyborg empört. "Ach hör schon auf! Du kannst doch nicht so viel kosten. An jeder anderen Straßenecke bekommt man eine mindestens um 20 Chips billiger!" "Na dann gehen Sie doch und suchen sich eine andere!" Mit einer letzten harten Beleidigung zog der Mann von dannen und Jonathan trat an seine Stelle. Das Cyborg-Mädchen riss entzögt die Augen auf und bandelte sofort an: "Guten Abend, Süßer! Was willst du denn? Ich hätte da ein paar --" Doch Jonathan unterbrach sie unsanft: "Entschuldigen Sie, aber eigentlich möchte ich nur wissen, wo der Moonside-Club ist." "Aber, dafür bleibt doch noch genug Zeit. Die Nacht ist lang, mein Kleiner. Nur nicht so schüchtern!" Sie beugte sich absichtlich weit nach vorne, sodass Jonathan einen tiefen Einblick in ihren Ausschnitt erhaschte. Leicht verunsichert stotterte er: "Nein ich ... Ich b-brauche nur diese eine Information. Leider kann Ihnen kein Geld dafür anbieten. Ich bitte Sie, es ist sehr wichtig." Sie zögerte und antwortete dann ein wenig beleidigt: "Da drüben gleich um die Ecke. Ich kann Ihnen nicht empfehlen dort hinzugehen, aber bitte. Wenn Sie sich in solch eine Gesellschaft hinein begeben wollen. Es ist ja Ihre Sache." "Das ist es in der Tat!", sagte Jonathan freundlich, "Ich wünsche Ihnen trotzdem noch viel Erfolg und gutes Geld." "Danke, aber nun machen Sie, dass Sie verschwinden. Sie halten mir ja bloß die Kundschaft fern!", sagte sie mit einem etwas entspannteren Ton und lies Jonathan vorbeigehen. Aus dem Augenwinkel glaubte Stalker zu sehen, dass sich das Mädchen nervös durch die Haare fuhr und verunsicherte Blicke zu allen Seiten warf. Diese Stadt wurde ihm immer unheimlicher. Alles schien wie ein einziger Albtraum, der zäh an ihm vorbeifloss. Ein Albtraum, aus dem er unbedingt aufwachen musste ... Der Moonside-Club war ein kaputtes graues Gebäude mit gerade Mal vier Stockwerken. Von den verdreckten Wänden bröckelte der Putz in großen Stücken ab und über der großen Stahltür flackerte in verschlungenen grünen Neonbuchstaben der Name Moonside-Club. Alles das wirkte wenig einladend, wenn Jonathan ehrlich war, sogar abstoßend. Doch durch die verschmierten Fensterscheiben, schimmerte warmes Licht und gerade das war es, was Jonathan Stalker ein Stückchen Hoffnung gab. Er kratzte den letzten Rest seines verbliebenen Mutes zusammen und klopfte hart an Tür. Einige zeit lang regte sich nichts, doch dann von einem Moment auf den anderen, wurde die Tür aufgerissen und ein riesiger glatzköpfiger Kerl stand vor ihm. Jonathan schrumpfte innerlich so zusammen, dass er erst gar kein Wort heraus brachte. "Was willst du?!", schnauzte ihn der Gorilla an. "Eine Unterkunft ...", sagte Jonathan so leise, dass man kein einziges Wort verstand. "Was?!" "Ich will einfach nur eine Unterkunft!", rief er nun schon etwas lauter. Der Riese sog scharf die Luft durch seine Nasenflügel ein, tratt aber letztendlich doch zur Seite. Jonathan hatte erst einen Schritt in den Club gesetzt, als ihn schon das wohlige Gefühl der Wärme umfing. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen und als er sie wieder öffnete, erreichte der Albtraum einen weiteren Höhepunkt, der Jonathan derart schockte, dass er das Atmen vergaß. Hinter dem breiten Tresen des Eingangsraumes stand das hässlichste Weib, was Jonathan in seinem bisherigen Leben gesehen hatte und blickte in mit ihren unterlaufenen Augen an. Ihr fahles Gesicht war faltig und der Versuch diese Tatsache mit Schminke abzudecken, war gänzlich misslungen. Die rosigen Wangen, der dunkelrote Lippenstift und die abgrundtief schwarze Wimperntusche machten das Ganze nur noch schlimmer. Die Bleiche ihres Gesichtes kam durch die langen schwarzen Haare erst recht zum Ausdruck. Von den Sachen, die sie trug, sahen mindestens die Hälfte so aus, als beständen sie aus einer Art Lack-Leder-Gemisch, bloß noch einen Tick schlimmer. Im Großen und Ganzen sah dieses Etwas (Jonathan weigerte sich, es Frau zu nennen) aus wie eine knallbunte Presswurst, der man schon das Meiste ihres Inhaltes abgenommen hatte. Stalker war so negativ überrascht, dass er nicht einmal bemerkte, dass sie ihn schon die ganze Zeit über mit ihren wässrigen großen Glupschaugen angeglotzt hatte, als ob er hier aussehe wie ein Verschnitt von Frankenstein`s Monster, und nicht sie. Sein Zustand verschlimmerte sich noch mehr, als die Alte mit einer noch ätzenderen Stimme anfing zu sprechen. "Mister? Mister, was wollen Sie hier? Hören sie mir überhaupt zu?", krächzte sie und stemmte dabei ihre knochigen Arme in die Hüften. Jonathan wurde hart von hinten angerempelt. Der Türsteher blickte ihn mit bösem Blick in die Augen. "Ich ... ich ...", stotterte er. "Ich?" Jonathan bemühte sich mit festerem Ton weiter zu sprechen, obwohl er sich gerade am Rande des Wahnsinns befand: "Ich habe mich gefragt, ob Sie wohl eine Unterkunft für mich hätten." "Na bitte!", schnarrte sie und fing sogleich damit an in dem Regal hinter ihr nach einem Zimmerschlüssel zu kramen. "Aber, da gäbe es ein Problem.", rief Jonathan schell, dem eingefallen war, dass er ja kein Geld hatte, um ein Zimmer zu mieten. "Ich habe kein--" "Geld?" Stalker drehte sich erschrocken um. Die ganze Zeit hatte er es gehofft und nun stand sie vor ihm: Die asiatische Schönheit mit dem langen seidig schwarzem Haar und ihrem hautengen Dress. Jonathan glaubte zum ersten Mal an diesem Tag einen wahren Engel zu sehen. Auf einmal war alles in bester Ordnung und sogar das verwunderte Gesicht der Alten hinter dem Tresen verschwand für einen Augenblick aus seinen Gedanken. Was war nur mit ihm los? Vorhin hatte er doch noch nicht so über sie gedacht und nun als sie vor ihm stand, schien alles so ... klar. Nun würde er ihr Gesicht nie mehr vergessen und ihren Namen ... Èmalia. "Brauchst du Hilfe?", fragte sie mit einer solchen süßen Freundlichkeit in der Stimme, dass Jonathan aufs Neue total aufgewühlt wurde, aber nun musste er sich zusammenreißen. Er musste ihr zeigen, was er für starke Nerven hatte. "Nein, ich komm schon klar!", sagte er und richtete sich kaum merklich auf, "Kein Problem." "Ach, hör schon auf! Ich weiß, dass du kein Geld hast.", sagte sie protestierend und legte ein Bündel Eurachips auf den Tresen. Die faltige Frau starrte wie eine Ölgötze das Mädchen an und sagte dann langsam und unerträglich knarzend: "Aber Èmalia! Er ist ein fremder Mann!" "Nein! Er ist ein Freund, Vicky! Gib ihm bitte ein Zimmer." Jonathan Stalker stand wie angewurzelt ihm Raum. Er war ihr Freund! Sie hatte Freund gesagt! Er konnte nicht fassen, was mit ihm passierte. Eigentlich müsste er nach diesem Tag nur noch auf dem Zahnfleisch kriechen, aber auf einmal füllte er sich als könnte er Bäume ausreißen. Er atmete tief durch als Èmalia ihm zum Abschied die Hand gab und die schrullige Frau ihn widerwillig hoch zu den Apartments geleitete. Doch diese Stimmung hielt nicht lange an. Kaum hatte ihn die Alte auf seinem Zimmer alleine gelassen, holte ihn schlagartig alles wieder ein. Er wurde nahezu von den Bildern überrollt. Immer und immer wieder tauchten die vielen Toten vor seinen geistigen Auge auf. Da waren Thomas, die zwei Männer und die tausend und abertausenden von Menschen, die bei den Angriffen und der Flucht ums Leben gekommen waren. Erst jetzt fing er an zu begreifen, dass das alles kein Spiel war, sondern die Realität. All das war wirklich passiert. Der Schlag traf ihn dermaßen hart, das er dachte seine Seele würde ihm bei lebendigen Leibe ausgerissen. Der Druck stieg und Jonathan fand keinen Weg mehr aus seiner Verzweiflung. Still saß er da und die ersten heißen Tränen flossen über seine Wangen zum Kinn hinab und tropften leise auf sein zerfetztes Hemd. Er wusste nicht mehr weiter. Er war am Ende. Mit den ersten Tränen brach seine Hoffnung wie ein Kartenhaus über ihm zusammen und begrub ihn unter sich. Stalker lies sich schluchzend auf das Bett fallen, dass man provisorisch für ihn hergerichtet hatte und weinte. Er war ein Mann, der sich seinen Tränen nicht schämte, da er allen Grund dazu hatte sie zu vergießen. Er war allein und das Glück hatte ihn schon vor langer Zeit verlassen. Er brauchte einen Menschen an den er sich halten konnte. Er brauchte Thomas, aber er war tot. Dieser Gedanke war wie ein weiterer Stich in Jonathans Herz. Wer konnte ihn jetzt noch halten? Wer konnte ihn jetzt noch trösten? Da durchfuhr es ihn wie ein Stromschlag: Èmalia! Sie würde ihn verstehen. Und wie auf ein geheimes Zeichen hin, klopfte es an der Tür und Èmalia trat ein. "Oh, Gott! Jonathan, was ist passiert?" Sie stürzte zu ihm und schmiss das Tablett mit Essen, das sie mitgebracht hatte, achtlos in die Ecke. Jonathan wollte nicht antworten. Er hatte Angst davor, seine Stimme klänge durch das Weinen, wie die des alten Weibes unten in der Eingangshalle. Also schwieg er und versuchte verzweifelt seine Tränen zu verbergen. Er wischte mit seinem Hemdärmel schnell über sein Gesicht, doch das Mädchen hatte schon alles gesehen. "Du weinst ja! Moment ... die müssen doch ... irgendwo hier sein ..." Schnell suchte sie in den Schubladen des kleinen schäbigen Nachttisches nach einer Schachtel Taschentücher. "Aha!" Jonathan wollte danach greifen, aber sie hielt seine Hand fest. Vorsichtig trocknete sie ihm das Gesicht. Ihm war das alles sehr peinlich. Beschämt drehte er den Kopf immer wieder zur Seite. Er konnte ihr einfach nicht mehr in die Augen sehen. "Wie ich sehe kannst du immer noch nicht stillhalten." Sie lächelte und strich Jonathan die letzten braunen Haarsträhnen aus den Augen. "Warum tust du das?", fragte er. Seine Stimme war rau und unfreundlich durch das Schluchzen und er räusperte sich zügig. "Was tue ich denn?", fragte sie neugierig, "Ich helfe dir doch, oder?" Keine Antwort. Jonathan schaute nur betreten in eine Ecke des Zimmers. Sein Kopf war leer, genauso wie seine Energienotreserve. "Eigentlich wollte ich dir nur etwas Essen bringen, aber ich meine ... wenn du das da essen willst!" Er blickte müde auf das zusammengewürfelte Tablett, das aus Dingen bestand, die er weder kosten, noch berühren wollte, da er Angst hatte, es würde ihm vor lauter Lebendigkeit ins Gesicht springen. "Dabei möchte ich aber bemerken, dass ich das nicht gekocht habe!" Sie lächelte, als Jonathan mit großer Anstrengung hochzog. Nein, ihm war nicht zum Lachen zumute, aber er dachte sich, es wäre freundlicher Èmalia gegenüber. Also tat er es einfach. "Ich schlage dir vor du ruhst dich aus und ich bringe dir etwas Besseres zu essen." Sie stand auf und kehrte den fremdartigen Pansch am Boden zusammen, als plötzlich eine getigerte Katze unter dem Bett hervorkroch. "Oh, hallo! Wer bist du denn?" Sie lies das Tablett wieder sinken und strich dem pelzigen Tier über den Rücken. "Ein junger Kater. Wie heißt er denn?" "Ein Kater? Ich habe nicht gewusst, dass sie - ich meine er ...", haspelte Stalker, ergänzte aber schnell: "Er heißt Thomas." "Thomas?", Émalia schien verwundert, "Das ist doch ein zu menschlicher Name, oder?" "Ja." Jonathan senkte den Kopf. "Aber es ist ja dein Kater. Ich geh jetzt mal. Bin gleich wieder da!" Sie griff nach dem Essen und wollte gerade aus dem Zimmer verschwinden, als ... "Nein! Bitte, bleiben Sie hier! Ich - Ich will nicht allein sein. Bitte, ich halt das nicht aus!!!" Verzweifelt und mit neuaufsteigenden Tränen in den Augen blickte er sie an. "Ich kann nicht! Ich muss mich beeilen. Sie werden gleich --" Sie wurde unterbrochen. Jemand rief ihren Namen. Schlagartig drehte sie sich um. "Ich muss los, aber du kannst immer zu mir kommen. Nimm die Treppe neben dem Service, wenn du mich suchst. Sie führt in den Keller. Ich muss wirklich los! Bitte ruh dich aus! Es wird dir gut tun ..." Sie eilte samt Tablett hinaus auf den Gang. Jonathan Stalker starrte durch die offene Tür auf den kahlen Gang hinaus. Er merkte wie sich die eisige Kälte wieder um ihn schloss. Für das kurze Gefühl, dass jemand bei ihm war ... dass er nicht alleine war, dafür war er dankbar gewesen. Für den einen Augenblick, der ihm im normalen Leben nicht so viel bedeutet hätte, wie er es jetzt tat. Und zum ersten Mal spürte er weder Sorge noch Trauer, weder Hass noch Liebe. Alle diese Gefühle verblassten neben dem mächtigsten Instinkt, den er als Mensch noch besaß: Der Angst. Sie drang tief in ihn und breitete sich aus wie ein schwarzes Feuer. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sein Herz raste, seine Augen flimmerten und sein gesamter Körper erzitterte. Er hatte Angst davor sich zu bewegen. Er hatte Angst davor aufzustehen und die Tür zu schließen. Er hatte Angst davor einzuschlafen und er hatte Angst davor sich in der Angst zu verlieren. Plötzlich sprang etwas auf seine Knie und Stalker hätte wohlmöglich geschrien, hätte er nicht in diesem Moment gewusst, dass es Thomas war. Der Kater schmiegte sich sanft an Jonathans zitternde Hände. Die Wärme des Tieres übertrug sich auf den jungen Mann und dieser fand endlich die Kraft die Zimmertür zu schließen, die Vorhänge zuzuziehen und sich, in der Erwartung ein wenig Schlaf zu finden, ins Bett zu legen. Und wieder war es Thomas, der seinem neuen Namen gerecht wurde und dem Jungen ein wenig Hoffnung gab, indem er sich auf ihm zusammenrollte und schnurrte ... Wieder wanderte er durch den riesigen Tunnel. Er sah das Licht und beschleunigte. Er musste wissen was dort war! Diesmal musste er schneller sein! Er rannte los, nein, er flog schon fast. Und da war es wieder! Dieses metallische Klopfen, dieser rhythmische Herzschlag. Je näher Jonathan dem Licht kam, umso lauter wurde das Geräusch. Der Boden vibrierte, aber er brach nicht ein. So konnte Stalker den Ausgang erreichen. Er trat hinaus und öffnete die Augen so weit es nur möglich war. Doch alles, was er sah, war gleißendes Licht, in einer solchen Intensität, das er befürchtete zu erblinden. Das Klopfen war verschwunden, doch da war etwas anderes. Er spitzte die Ohren. Es hörte sich an wie ein Gesang, wie eine fremde Sprache. Die Töne waren rein und klar, aber ähnelten dennoch Nichts, was Jonathan je in seinem Leben gehört hatte. Dazu mischten sich einige andere Laute. Es klang wie eine weitere Sprache. Eine andere. Jonathan lauschte angestrengt den vielen verschiedenen Tönen, die langsam eine Einheit bildeten und dann mit einem Schlag verstummten. Stille. Plötzlich fühlte sich Jonathan, als ob eine Last ihn erdrücken würde. Die Stille war drohend und er wusste, dass etwas passieren würde, dass etwas passieren musste ... Mit einem Mal saß er aufrecht im Bett. Thomas war fauchend von ihm gesprungen und blickte ihn nun finster von der hinteren Bettkante an. Jonathan blickte sich schweißgebadet um. Denn obwohl er wusste, dass es nur ein Traum gewesen war, geriet er erneut in Panik. Er schlug die Decke zurück, stand auf und schlüpfte in seine Schuhe. Seine Sachen trug er immer noch am Leib. Er war zu müde gewesen um sie auszuziehen. Er musste zu Èmalia, er musste ihr von seinen Träumen erzählen. Sofort! Im Vorbeihasten, warf er einen flüchtigen Blick auf die Laseranzeige an der Wand. 23 Uhr Er hatte knapp drei Stunden geschlafen, dennoch schien er plötzlich hellwach. Er ging zügig auf den Gang hinaus. Alles schien wie ausgestorben, nur unten von der Eingangshalle hörte er das gedämpfte Klirren von Gläsern. Er stieg die Treppen hinab ins Erdgeschoss. Sofort fiel ihm die schmale Treppe auf, die er bei seiner Ankunft noch nicht bemerkt hatte. Neben ihr hinter dem Servicetresen fuhrwerkte die alte Vicky mit einem Handtuch herum, das die Gläser, die sie putzte, nur noch dreckiger zu machen schien. Sie bemerkte ihn nicht als er sich in Richtung Keller davonstahl. Er überlegte wie viele Treppen ein Mensch an einem Tag laufen konnte und ihm viel auf, dass seine Beine durch die heimische Rolltreppe ziemlich verwöhnt worden waren. Vielleicht lag es auch daran, dass er gerade erst aus dem Bett gestiegen war. Die Treppe, die am Anfang gerade verlaufen war, wand sich nun im Kreis hinunter. An den kargen Betonwänden waren Neonröhren eingelassen und diese ließen das ganze noch kälter wirken. Jonathan tastete sich entlang und stieß nun auf einen kurzen Gang. An den Seiten standen eine Menge Leute. Gespensterhafte Gestalten, Bettler, Freudenmädchen, Raucher mit Goldketten, Punks, Grufties und seltsame Männer in schwarzen Anzügen. Stalker beobachtete geschockt einen Mann der einer vermummten Gestalt ein Päckchen mit weißem Pulver in die Hand drückte. Dealer, Zuhälter, Prostituierte und wahrscheinlich auch noch die Mafia. Was war das hier? Der Moonside-Club war allen Anschein nach nicht nur eine Herberge, sondern auch der Eingang zum Untergrund von New Atlanta. Er schob sich schnell an den schleierhaften Gestalten vorbei und näherte sich der großen, verbeulten Metalltür am Ende des Flures. Plötzlich kam es ihm so vor, als ob dort drinnen gerade eine Art Konzert am Laufen war. Er hörte wie Menschen grölten und schrien. Er hörte Applaus und wüste Beschimpfungen. Dies ließ ihn an seiner Entscheidung zweifeln, denn er hatte das Gefühl, dass sich hinter dieser Tür eine Menschenmasse befand, die er lieber nicht kennenlernen wollte. Dennoch trieb ihn, wie jedes menschliche Wesen, die Neugier. Der Drang zu erfahren, was sich vor seinen Augen verbarg, war schon immer größer als seine Vorsicht gewesen. Er drückte die Klinke hinunter und schob sich durch den schmalen Spalt, der entstanden war. In diesem Moment hatte er das Gefühl von den Geräuschen, die in seine Ohren drangen, regelrecht erschlagen zu werden. Außerdem konnten seine Augen nichts weiter erkennen, als ein großes buntes Knäuel aus Menschen. Es roch nach Alkohol und Zigarettenrauch. Die Luft war schwer und nebelig. Jonathan verfiel schlagartig in eine Art Traumzustand und verlor langsam den Glauben daran, dass dies alles real war. Leicht wankend drängte er sich durch die brüllende, wogende Menschenmenge, bis er erleichtert seine Finger um eine Metallbrüstung schloss. Er stand vor einem großen rechteckigen Loch durch das man in das darruntergelegene Geschoss sehen konnte. Dort unten auf einem abgegrenzten, mit Sand bedecktem Abschnitt standen zwei Gestalten. Die eine, ein Mann, war Riesenhaft und muskulös. Seine prallen Muskeln glänzten im matten Licht der Neolichter und unter der dunklen Haut zeichneten sich seine Adern ab. Er trug seinen Oberkörper unbedeckt, damit man seine volle Kraft bewundern konnte. Sein Schädel war kahlgeschoren und auf seinem Rücken zog sich ein langes Schlangentattoo entlang. Jonathan konnte sein Gesicht aus dieser Perspektive nicht erkennen. Neben dem Mann bewegte sich eine kleinere Gestalt. Sie trug einen weißen Ganzkörpersuite und hatte langes schwarzes Haar. Stalker zuckte zusammen. Es war Émalia! Aber wie ... ? Erst hoffte er seine Augen würden ihm einen Streich spielen und um sich zu vergewissern musste Jonathan ein Stockwerk tiefer und sich durch eine weitere Reihe von Leuten zwängen um dann an einem hohen Holzlattenzaun anzukommen, an dem sich einige Männer hochgezogen hatten und begeistert die Fäuste schwangen. "Mach sie fertig, Meph!", grölten sie, "Lass dich nicht unterkriegen!" Auch Jonathan stemmte sich an der Absperrung in die Höhe. Neben ihm wurden gerade Wetten abgeschlossen. Also war der Moonside-Club ein Fightclub. Die Vorstellung solch ein Spektakel einmal mitzuerleben, war für den jungen Stalker schon immer reizend gewesen, aber die Vorstellung, dass eine Frau ... dass Émalia eine solche Kämpferin war, wollte ihm einfach nicht in den Kopf gehen. Vielleicht träumte er noch. Immerhin hatte er schon eine Reihe von seltsamen Träumen gehabt, die er nicht deuten konnte. Und als er das Geschehen weiterhin beobachtete fiel ihm auch keine andere Möglichkeit ein. Bei der Frau handelte es sich tatsächlich um Émalia, die sich voll und ganz zu konzentrieren schien, denn sie beachtete die vor Begeisterung tobende Menge um sie herum nicht im Geringsten. Der große Kerl, der ihr gegenüber stand, hatte ein siegessicheres Lächeln aufgesetzt und schien die Sache, als willkommene Gelegenheit zu nutzen, um Publik zu machen. Er riss mit einem Mal die Arme in die Höhe und schrie: "Mephisto! Mephisto! Mephisto!" Und die Menge folgte seinem Beispiel. Jonathan, immer noch der festen Überzeugung zu träumen, schüttelte den Kopf und fragte sich innerlich, wie man sich selbst den Teufel nennen konnte. Er verdrehte leicht die Augen und bemerkte, dass neben ihm plötzlich ein Mann aufgetaucht war. "Siehst du, wie es hier zugeht, Jonathan?", fragte er ruhig, während er den Blick permanent auf die Szenerie vor ihm fixiert hielt. "Woher kennen Sie meinen Namen?" "Ich hab ihn zufällig mitbekommen, als du heute eingecheckt hast." "Aha und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?" Jonathan stützte seine Ellenbogen auf die Brüstung und warf einen flüchtigen Blick auf Mephisto, der nun seine Muskeln spielen ließ. "Du darfst nicht fragen! Hier unten hat keiner einen Namen, nicht öffentlich ...Willst du wetten?" Der Mann hielt ihm eine Wettkarte hin. "Nein, danke. Ich habe nichts, was ich verwetten könnte." "Ich könnte dir Kredit geben. Ich meine, was hast du schon--" "Nein, danke!!!", sagte Stalker noch einmal mit besonderem Nachdruck, denn er hatte wirklich keine Lust sich mit dem Fremden noch weiter zu unterhalten. Ihn interessierte mehr der Kampf, der im Begriff war zu beginnen. Mephisto hatte seine Show beendet und wand sich nun endlich seiner Gegnerin zu. "Ist das nicht ein klein wenig unfair?", fragte er sich selbst, aber absichtlich so laut das ihn sein Nachtbar hören konnte. "Ach, das sieht immer so aus. Aber du wirst gleich sehen, warum 98% aller Wetten auf die Kleine da gehen." Der Mann sortierte noch ein paar Wettscheine und lehnte sich noch ein wenig weiter über die zweieinhalb Meter hohe Absperrung. Émalia stand aufgerichtet auf der rechten Seite des sandbedeckten Feldes und rührte sich nicht vom Fleck. Mephisto grinste siegessicher und ging in eine leichte Beuge. Die Menge tobte und wartete gespannt den Beginn des Kampfes ab. Jonathan konnte es sich nicht erklären, aber plötzlich hatte er ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend, als er die junge Asiatin so stehen sah. Vielleicht war es ja eine Art Beschützerinstinkt. Jonathan Stalker verfiel in eine solch kämpferische Laune, dass er am liebsten in den Ring gesprungen wäre, würde Mephisto nicht die Statur eines ausgewachsenen Grizzlys haben. So hielt es Stalker doch zwangsläufig hinter der Brüstung. Die beiden Rivalen begannen sich langsam zu umkreisen. Nach einer Weile verlor Mephisto die Geduld und stürmte auf Émalia zu. Diese verschwand urplötzlich aus seinem Sichtfeld und nur das Publikum bemerkte, dass sie bereits einen Salto über Mephisto vollführt hatte und nun hinter ihm stand. Und während er noch verwundert nach ihr suchte, holte sie bereits aus und traf ihn mit ihrer rechten Handkante hart im Nacken. Der Kerl war wohl eher vor Schreck erstarrt, als vor Schmerz. Er fing sich jedoch schnell und schlug wie wild mit seiner Faust um sich. Aber alles was er damit erreichte, war das die Leute um sie herum anfingen zu lachen und ihm laute Buhrufe zu schrien, denn Émalia war schon längst wieder zurückgewichen. Nun stand sie gut vier Meter von ihm entfernt nahe der Absperrung. Kaum hatte Mephisto sie ausgemacht, sprang sie los, landete auf beiden Händen, stieß sich wieder ab, landete auf ihren Füßen und setzte ein weiteres Mal zu einem Handstandsalto an. Beim letzten stieß sie mit einer gewaltigen Wucht nach vorn und schmetterte Mephisto ihre Stiefel ins Gesicht. Betäubt von der Wucht kippte er nach hinten und schlitterte ein gutes Stück über den Boden, wobei er Unmengen von Sand aufwirbelte und schließlich reglos liegen blieb. Doch statt den tosenden Applaus, der keinesfalls überrascht wirkenden Menge, entgegen zu nehmen, riech die junge Frau dem gefallenen Koloss ihre Hand. Irgendwie wusste Jonathan was passieren würde. Dennoch schien er überrascht als Mephisto nicht nach Émalias Hand griff, sondern sie mit seinem Bein von den Füßen riss. Solche Dickköpfigkeit hatte selbst die gelenkige Asiatin nicht vermutet. Zwei Treffer in Folge konnte der muskelbepackte Riese landen, bevor sie wieder zu Kräften kam. Sichtlich geschunden wich sie dem dritten Schlag aus, streckte ihr Bein aus und rammte ihre Hacke in sein Genick. Während Mephisto erneut im Dreck versank, schwang sich Émalia Xi-Lin geschmeidig über die Brüstung und verschwand zwischen der grölenden Menge. "Ich glaube die Wette hätte ich sowieso verloren.", sagte Jonathan und stellte abrupt fest, dass keiner mehr da war mit dem er sich hätte unterhalten können. Der Mann war verschwunden. Später als Stalker die Treppen zur Lobby hinauf stieg, traf er überraschenderweise auf Émalia, die sich mit einem Handtuch die nassen Haare abtrocknete. "Oh, du warst beim Kampf?" Sie lächelte ihn an. "Hätte nicht gedacht, dass du so schnell wieder auf dem Damm bist." "Ich konnte nicht schlafen. Ich muss unbedingt mit dir reden! Weißt du: Ich habe in letzter Zeit immer diese Träume und da hab ich ge-" "Lass uns besser auf dein Zimmer gehen! Hier unten wird´s gleich ziemlich voll!" Oben angekommen, warf Émalia sich aufs Bett und starrte die Decke an. Thomas sprang mit einem neugierigen Mauzen auf sie zu. "Gut. Was willst du mir nun sagen?" Die junge Frau setzte sich aufrecht hin und strich leicht über das Fell des Katers, der sie nun intensiv beschnupperte. Und Jonathan erzählte ihr Alles, was seit dem Zeitpunkt an dem sie sich das erste Mal getrennt hatten, passiert war. "Das ist sehr seltsam. Wirklich.", sagte sie schließlich und sah zu wie Thomas einer Weintraube hinterher jagte, die noch auf dem Teppichboden gelegen hatte. "Im Gegensatz zu den anderen Dingen finde ich deinen Traum am normalsten." "Was soll ich jetzt nur machen? Ich habe nichts, noch nicht einmal genug Schlaf." "Bleib doch einfach hier!" "Was!? Wie soll ich mir das leisten?" "Arbeite doch einfach hier. Der Lohn ist die Sache wert." "Du meinst dort unten!?" Jonathan deutete mit dem Finger auf den Boden. Émalia nickte. "Ich könnte dir alles beibringen. Der nächste Kampf ist in fünf Tagen und ich habe noch keinen Gegner gefunden." "Nein, das ist nicht dein Ernst! Ich werde das nicht tun! Und erst recht nicht gegen dich!" "Du brauchst keine Angst zu haben. Wenn du die Sache gut durchziehst, musst du dir wenigstens keine Sorgen mehr ums Geld machen." Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und klang dabei so sehr ermutigend, dass Jonathan anfing über die Sache nachzudenken. "Ich werde dich nicht allzu hart rannehmen, glaub mir.", sagte sie sanft, "Fünf Tage sind mehr als Genug für diesen Kampf. Was hast du schon zu verlieren?" Sie hatte Recht. Seine Einzige Sorge sollte jetzt sein Überleben sein. Würde er nicht im Ring sterben, so würde er auf der Straße sterben. Außerdem konnte er solange bei Émalia bleiben. So willigte er ein. Freudestrahlend umarmte sie ihn und kurz darauf war er glücklich eingeschlafen. Kein seltsamer Traum, auch die nächsten fünf Tage nicht. Ständig kam er ausgelaugt vom Training und schlief meist minutenschnell ein. Während des Trainings war er von sich selbst erstaunt. Er entwickelte solche Kräfte, dass selbst Émalia zurückstecken musste. Sie fragte ihn ob er schon vorher Kampfsport betrieben hatte. Er hatte nicht. Jonathan fand es selbst sehr merkwürdig, aber das Verblüffenste war, als er am dritten Tag eine zehn Zentimeter dicke Betonplatte zertreten sollte und nicht nur die Platte zertrümmerte, sondern auch die hölzerne Arenaabsperrung, die sich unglücklicherweise unmittelbar hinter der Betonplatte befunden hatte. Dabei zog er sich eine gewaltige Schramme und ein paar Splitter ein. "Aua! Verdammt!" Jonathan verzog das Gesicht, während Émalia ihm die Wunde desinfizierte. "Hör auf zu jammern! Am Anfang jedes neuen Lebens steht der Schmerz." "Woher hast du das denn schonwieder?" "Erfahrung! Hab ich mir selber ausgedacht. Fest steht" Sie strich den Pflasterfilm über die Aufschürfung. "Leben und Schmerz sind zwei unzertrennliche Worte! Das wirst du noch lernen." "Gut. Kann ich jetzt gehen?" "Erst wenn du die Brüstung wieder repariert hast, du Tollpatsch!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)