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Norikos Tagebuch

von

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Ein Schmerz, der die Seele zerreißt

Ein paar Tage nach meinem Besuch bei Kakashi, schien er langsam wieder ganz der Alte zu sein. Kurz bevor mein Team sich erneut auf eine Mission begab, traf ich Rin das erste Mal seit Obitos Tod und wir redeten mehrere Stunden.
 

„Danke, auf jeden Fall", sagte sie irgendwann und ich zog die Augenbrauen hoch. „Wofür?"

„Na ja, ich weiß, dass du bei Kakashi warst und ... keine Ahnung, was du zu ihm gesagt hast, aber es scheint geholfen zu haben. Ich bin überhaupt nicht zu ihm durchgedrungen, als ich versucht habe, mit ihm zu sprechen." Ihre Hände lagen verkrampft auf ihren Oberschenkeln und Tränen hingen in ihren Augenwinkeln.
 

„Ich bin froh, dass es ihm jetzt besser geht, auch wenn ich nicht diejenige war, die ihm helfen konnte."

Langsam legte ich eine Hand auf ihren Arm und unsere Blicke trafen sich. „Aber Kakashi ist nicht der Einzige, der leidet, Rin. Auch du trauerst um Obito." Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und die Tränen perlten über ihre Wangen.
 

„Ja, aber ... nun, Obito war in mich verliebt, das weiß ich, auch, wenn er es nie gesagt hat. Er wusste, dass ich nicht das gleiche für ihn empfinde, aber er wusste, dass er trotzdem ein enger Freund für mich war. Einer meiner besten." Sie wischte sich die Tränen von den Wangen.
 

„Ich denke, was Kakashi quält, ist die Tatsache, dass er sich erst nach Obitos Tod eingestanden hat, wie eng sie befreundet waren, und jetzt bereut er, dass er Obito das nie gesagt hat."

„Ich bin sicher, Obito wusste es", sagte ich und Rin nickte.

„Ja, ich auch. Nur Kakashi begreift das noch nicht. Aber wenn ich die Chance habe, werde ich es ihm sagen. Außerdem ... außerdem werde ich ihm sagen, was ich für ihn empfinde. Ich möchte es nicht eines Tages bereuen, es nie getan zu haben!"
 

Ich versuchte, ein Lächeln aufzusetzen, doch ein beklemmendes Gefühl hatte sich auf meinen Brustkorb gelegt.
 

Die Erinnerung an Shisuis Geständnis blitzte vor meinem inneren Auge auf und die Vorstellung, dass ihm etwas geschah, ohne, dass ich je wirklich darauf antwortete, raubte mir den Atem.
 

„Danke, Rin. Du hast mir gerade etwas klar gemacht", sagte ich und erhob mich. „Viel Erfolg, bei eurer nächsten Mission und pass ein bisschen auf Kakashi auf, ja?", sagte ich und verabschiedete mich.
 

So schnell, wie ich konnte, eilte ich durch das Dorf. Mit klopfendem Herzen hämmerte ich an die Tür und verneigte mich kurz vor Shisuis Mutter. „Guten Abend", sagte ich und sie lächelte mich an.

„Noriko, hallo! Shisui ist in seinem Zimmer", sagte sie und schneller, als ich es gewollt hatte, stürmte ich durch die Tür.

Shisui blickte von seinem Schreibtisch auf, an dem er gerade irgendetwas zu lernen schien.

„No-riko?" Er sprang auf und wirkte plötzlich erschrocken.
 

„Was ist passiert?", sagte er und ich schob die Tür hinter mir zu. Ich musste all meinen Mut zusammennehmen.
 

„Ich mag dich auch", sagte ich etwas zu laut und beobachtete, wie Shisuis Gesicht rot anlief. „Ich-ähm, was?", fragte er und ich durchquerte das kleine Zimmer, bis ich direkt vor ihm stand.

Unsere Blicke trafen sich und ich spürte erneut dieses Kribbeln in meinem Inneren.
 

„Ich hab mich auch in dich verliebt, Shisui", sagte ich und Shisuis Ohren glühten rot in seinem düsteren Schlafzimmer.

Mit rasendem Herzen stellte ich mich auf die Zehenspitzen und drückte meine Lippen unbeholfen auf Shisuis. Es war nur ein kurzer, zaghafter Kuss. Mein Gesicht glühte und doch grinste ich von einem Ohr zum anderen, genau wie Shisui auch.
 

-
 

Nach unserem ersten Kuss benahmen wir uns eine Zeit lang äußerst unbeholfen. Wir hatten kaum Zeit, die Beziehung, die wir zueinander aufbauten, zu begreifen, da wir von einer Mission in die Nächste schlüpften.
 

Hin und wieder hielten wir Händchen am Lagerfeuer, manchmal legte Shisui einen Arm um mich, doch meistens verhielten wir uns genau, wie auch schon zuvor.

Monate zogen an uns vorbei und ehe ich mich versah, brach der Winter über uns herein und ein weiterer Rückschlag in diesem Krieg brachte eine trübe Stimmung nach Konoha.
 

Gais Vater, Maito Dai, war im Kampf gestorben. Ich verbrachte viel Zeit mit Gai, der härter trainierte als je zuvor in seinem Leben, sein Herz voll Wut und Trauer.
 

„Wird dieser Krieg jemals enden?", fragte er mich irgendwann atemlos und dem Gesicht voller Tränen. Ich hatte keine Antwort auf diese Frage, denn auch ich war es leid. Schon seitdem ich mich erinnern konnte, herrschte Krieg und er schien kein Ende zu nehmen.
 

In diesen Tagen sah ich Shisui nicht mehr oft. Ihm waren die eine oder andere hochrangige Mission zugeteilt worden, für die nur Jonin zugelassen waren und so blieben Gai und ich in Konoha zurück oder nahmen uns kleinere Missionen an.
 

Mein dreizehnter Geburtstag kam und ging vorüber, das neue Jahr wurde eingeläutet und wie immer musste ich an Kyou und unsere Mission denken, bei der er sein Leben verloren hatte. Ich spielte mit dem alten Freundschaftsarmband an meinem Handgelenk und hoffte, dass das Leben nach dem Tod etwas friedlicher war, als das hier und jetzt.
 

Minato berichtete von weiteren Schlachten, von den vielen Toten und Verletzten und ich hatte das Gefühl, all dies nicht mehr lange ertragen zu können. Es war, als wäre die Energie in meinem Inneren ausgelaugt, selbst die Wut über den nie enden wollenden Krieg schien verflogen. Ich war einfach nur müde.
 

Sehr willkommen war daher die Ablenkung, die an diesem Abend durch unsere Tür schneite. Ein Mann, groß und breitschultrig, mit freundlichem Grinsen und weiß stacheligem Haar gesellte sich zu unserem Abendessen dazu. Obwohl ich ihn schon öfter gesehen hatte, hatte ich noch nicht viele Unterhaltungen mit Jiraiya geführt und war umso glücklicher, es an diesem Abend endlich nachholen zu können.
 

Jiraiya, Minatos einstiger Lehrer, brachte eine Fröhlichkeit mit, die ansteckend war. Er lachte laut, die Wangen Rot vom Sake und schaffte es mehrfach, Minatos Ohren rot leuchten zu lassen, als er mir alte Geschichten von seinem Schüler erzählte. Ich lauschte allem gespannt und war umso trauriger, als Jiraiya sich an diesem Abend verabschiedete.
 

„Komm wieder öfter vorbei, ja?", bat Kushina ihn und Jiraiya lachte laut. „Versprochen, sobald der Krieg vorbei ist, werdet ihr mich kaum noch loswerden!" Sein Blick wurde ernster und Minato schien etwas zu verstehen, was an mir vorbeiging. Auch Kushinas Gesicht nahm einen seltsamen Ausdruck an.
 

Als Jiraiya fort war und ich mich auf mein Bett schmiss, hörte ich Minato und Kushina eine ganze Weile diskutieren. Ich verstand nicht alles, was sie sagten, doch der Inhalt ihrer Unterhaltung drang zu mir durch: Sie waren sich sicher, dass der Krieg kurz davor war, seinen Höhepunkt zu erreichen, und der Hokage schon sehr bald alle verfügbaren Jonin an die Front schicken würde.

Mit schwerem Herzen fiel ich in einen unruhigen Schlaf.
 

Eine neue Mission brachte mich auf neue Gedanken. Endlich waren Shisui, Gai und ich wieder vereint und streiften durch das Land. Ich war erleichtert, dass Shisui mit uns ging, da dies bedeutete, er musste noch nicht an die Front, obwohl er ein Jonin war.
 

Wir waren auf der Suche nach einem Informanten, dessen vorherige Beschützer in einer Schlacht verletzt worden waren.

Wir fanden den Informanten, leicht verletzt, aber ansonsten wohlauf und begleiteten ihn zurück in sein Heimatdorf. Dabei passierten wir ein bereits abgekühltes Schlachtfeld und ich hatte selten etwas Furchtbareres in meinem Leben gesehen.
 

Der Geruch von Fäulnis und Tod hing in der Luft, überall wo man hinblickte, lagen menschliche Überreste, und das Wasser des nahegelegenen Flusses war noch immer Rot vom Blut.

In dieser Nacht erwachte ich schweißgebadet und war froh, Shisui und Gai an meiner Seite zu haben, die mich sofort trösteten. Die Bilder dieses Tages hatten alte, fast vergessene Erinnerungen in mir geweckt.
 

Rauchsäulen über meinem Dorf. Der Körper meiner Mutter, seltsam verdreht vor mir auf der Erde. Schmerzensschreie und die brüchige Stimme meiner Großmutter.
 

Erschöpft kehrten wir nach Konoha zurück. Ich verabschiedete mich von Gai und Shisui, schlenderte zu meinem Haus und fand es mutterseelenallein vor.
 

Stumm duschte ich mich, aß etwas, schmiss mich auf mein Bett und zuckte aus dem Schlaf hoch. Das Geräusch der Tür hatte mich geweckt und ich fand Kushina, die mich mit ernstem Ausdruck musterte.
 

„Noriko, du bist zurück", sagte sie und mir fiel durchaus auf, dass sie ihre Uniform trug. Das Stirnband glänzte silbern auf ihrem roten Haar und ihr Blick wurde sehr ernst.

„Kushina, was ist los?", fragte ich und sie kam zu mir herüber und nahm mich in den Arm, drückte mich kurz an sich und löste sich dann wieder von mir.

„Der Hokage schickt fast alle verfügbare Jonin mit an die Front", sagte sie und mir stockte der Atem.
 

„Minato ist schon vor einigen Tagen aufgebrochen, ich muss nun auch los. Wenn wir nun alles richtig machen, könnte diese Schlacht den Krieg beenden. Ihr Chunin und einige von uns Jonin bleiben in Konoha und beschützen das Dorf."
 

Ich war nicht in der Lage, etwas zu antworten und musste die Tränen unterdrücken, die sich einen Weg in meine Augen bahnte. Ich nickte stumm.

„Falls wir aber nicht zurückkehren sollten-" „Sag so etwas nicht!"

Kushina lächelte. „Ich weiß, das sollte ich nicht tun, es bringt kein Glück, aber ... ich möchte schon lange, dass du weißt, dass hinter diesem großen Familienfoto von uns an der Wand ein Safe ist. Der Code ist dein Geburtstag." Mir stockte der Atem.

„Bis bald, Noriko."

„Bis bald, Kushina."
 

-
 

Eine ganze Zeit hatte ich unseren Hauseingang angestarrt, bis ich endlich wieder in der Lage war, mich zu bewegen. So schnell, wie ich konnte, rannte ich aus dem Haus in das Zentrum des Dorfes hinab. Keuchend kam ich zum Stehen und klopfte an die Tür.

„Shisui?", fragte ich und seine Mutter schenkte mir ein Lächeln.

„Er wurde eingeteilt, um Konoha zu beschützen", sagte sie und ich stöhnte erleichtert auf. Shisuis Mutter beschrieb mir, dass er gemeinsam mit einigen weiteren Jonin die Wachtürme Konohas besetzte und ich begab mich auf den Weg zu einem davon.
 

Ich bog um die Ecke und wäre beinahe mit Gai zusammengeprallt, der mich alarmiert musterte. „Noriko, ich habe dich schon überall gesucht", sagte er atemlos.

„Gai! Hast du auch einen Auftrag bekommen?"

Gai nickte und stemmte die Hände in die Hüften. „Ich soll durch das Dorf patrouillieren und die Augen offen halten, du sollst das gleiche tun. Wir machen das in Schichten."

„Shisui ist auf einem der Wachtürme", gab ich zurück und Gai, der langsam wieder zu Atem gekommen war, griff mich an den Schultern.
 

„Noriko, weißt du, was geschehen ist?"

Ich schüttelte irritiert den Kopf. „Kirigakure hat erneut die Schlacht aufgenommen-" begann ich, doch Gai schüttelte den Kopf.

„Kirigakure hat seinen Bijuu vor vier Tagen verloren", sagte er und ich stieß ein erstauntes Geräusch aus. Die Bijuu waren Wesen von unglaublicher Macht. Es gab insgesamt neun von ihnen und ich wusste, dass sie schon immer ein großes Machtinstrument in den Kriegen unter Shinobis war. Wer immer über einen Bijuu verfügte und dessen Macht nutzen konnte, war im Vorteil. Auch Konoha hatte ein solches Wesen in seinem Besitz und doch konnte dessen Macht nicht genutzt werden.
 

Der neunschwänzige Fuchs war zu mächtig, als das man seine Kraft hätte unter Kontrolle bringen können und so war er eingesperrt, in die Seele eines Menschen unter etlichen Versiegelungs-Jutsus.
 

Einen Menschen, der ein solches Wesen in sich trug, wurde Jinchuuriki genannt. Ich schluckte.
 

Obwohl es nie jemand laut vor mir ausgesprochen hatte, wusste ich schon lange, dass der Jinchuuriki des Neunschwänzigen keine Geringere als Kushina war.

Das war überhaupt erst der Grund gewesen, warum sie einst nach Konoha gebracht worden war.

Ich schüttelte die Gedanken ab. Kirigakure hatte die Kontrolle über das Dreischwänzige Ungeheuer, wenn ich mich recht erinnerte.
 

„Also weißt du es wirklich noch nicht", sagte Gai mit gequältem Gesichtsausdruck, der mir Angst machte.

„Was denn, Gai? Was ist los?"
 

Gai presste die Lippen aufeinander und ich sah, dass es ihm schwerfiel.

„Kirigakure hat den Bijuu, den sie in ihrer Gewalt hatten in einen Konona-Ninja versiegelt, um ihn dann auf Konoha loszulassen ... aber der Plan schlug fehl."

„Der Jinchuuriki konnte also getötet werden, bevor er nach Konoha zurückkehrte?", sagte ich atemlos. Gai nickte. „Also hat dieses Mal Konoha die Schlacht eröffnet! Weil wir nun wissen, dass sie ihren Bijuu verloren haben! Also haben wir eine gute Chance, auf einen Sieg!" Gai wirkte noch immer gequält.
 

„Gai, sprich mit mir! Was ist denn?"

„Die Person, die von Kirigakure zum Jinchuuriki gemacht und dann getötet wurde ... war Rin."
 

Ich wich vor Gai zurück und schüttelte den Kopf. Nicht schon wieder einer meiner Kameraden!

„Rin? Das kann doch nicht- ausgerechnet Rin? Wie konnten sie das tun!?" Ich schüttelte weiter den Kopf, als könne ich damit ungeschehen machen, was ich soeben gehört hatte. Keuchend schnappte ich nach Luft, ein Druck legte sich auf meinen Brustkorb.
 

„Kakashi?", fragte ich stimmlos. Gais Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Kakashi scheint unverletzt zu sein, er wurde jedoch vom Hokage von den aktuellen Missionen befreit. Ich habe versucht, ihn zu besuchen, aber er lässt niemanden rein."

Einen Moment lang sah Gai mich einfach nur an. Eine einzelne Träne lief meine Wange hinab, die ich mit einer schnellen Bewegung fortwischte. Gai trat auf mich zu, legte beide Hände auf meine Schultern und sah mir tief in die Augen. „Geh zu ihm", sagte er leise. Ich zuckte mit den Schultern.
 

„Wenn er niemanden zu sich lässt-"

„Du konntest letztes Mal schon zu ihm durchdringen. Vielleicht schaffst du es wieder."

„Aber die Mission-" „Du bist erst für heute Nacht eingeteilt, Noriko. Hör mal", Gai trat von einem Fuß auf den anderen und presste die Lippen gequält aufeinander.

„Kakashi ist mir in den letzten Jahren ein guter Freund geworden, auch wenn unsere Freundschaft mehr auf Rivalität beruht, als Freundlichkeiten, dennoch", sagte er und ein trauriges Lächeln bildete sich auf seinen Lippen.

„Ich würde ihm gern helfen, aber im Moment kann ich es nicht. Wenn du es kannst, Noriko, dann tu es bitte. Mir zuliebe."
 

Stumm nickte ich, auch wenn ich nicht sicher war, ob ich dieses Mal wirklich viel ausrichten konnte. Gai schien noch immer nicht fertig zu sein, mit dem, was er mir sagen wollte.

„Ich habe wirklich Angst um ihn. Er hat mehr verloren, als jeder andere, den ich kenne, und es gab schon deutlich stärkere Shinobi, die solche Verluste nicht gut überstanden haben. Ich habe Angst, dass, wenn wir ihn jetzt sich selbst überlassen, dass er-"

„Das wird nicht geschehen, Gai. Versprochen!", rief ich und wischte Gai eine Träne von der Wange. „Ich tue, was in meiner Macht steht!" Ich umarmte meinen besten Freund innig, bevor ich mich auf den Weg machte.
 

Ein schwerer Druck lag auf meiner Brust, als ich die Tür zu dem großen Wohnhaus durchquerte. Jede Stufe fühlte sich schwerer an, als die vorherige meine Hand hing wie ein Stein an meinem Arm, als ich vor Kakashis Tür ankam.

Ich hob sie und klopfte zaghaft an. Keine Reaktion.
 

Stumm stand ich eine Zeit lang einfach nur da und wartete. Langsam fuhr meine Hand zum Griff der Tür und ich stellte erstaunt fest, dass sie gar nicht abgeschlossen war.

Mit klopfendem Herzen schob ich sie auf.
 

Die kleine Wohnküche sah noch genauso aus, wie bei meinem letzten Besuch. Alles war fein säuberlich aufgeräumt, nirgends stand etwas herum. Ich zog die Tür hinter mir zu und durchquerte das Zimmer, bis ich im Türrahmen zum Schlafzimmer angekommen war.

Kakashi saß auf dem Boden, der Rücken an die Wand gelehnt, die Beine gerade vor sich ausgestreckt. Seine Arme hingen schlaff auf der Erde und sein Blick, der auf den Boden gerichtet war, richtete sich langsam auf mich.
 

Ein Schmerz, der nichts Körperliches an sich hatte, setzte sich in meinen Brustkorb. Kakashis Blick war so erfüllt von Selbsthass, dass es mir den Atem abschnürte. Unter seinem sichtbaren Auge grub sich ein dunkler Ring.
 

Stumm durchquerte ich den Raum, Kakashis Blick löste sich von mir, stierte erneut in die Ferne. Ich ließ mich direkt neben ihn auf den Boden sinken und sagte kein Wort. Ich wusste, dass nichts, was ich sagen würde, seinen Schmerz hätte lindern können.
 

Das einzige Geräusch, das zu meinen Ohren durchdrang, war das Ticken einer Uhr und Kakashis Atem. Die Zeit zog an mir vorbei, zäh und langsam. Der Schmerz in meinem Inneren wurde stärker, ganz als söge ich Kakashis Leid in mich auf.
 

Kakashis Kopf senkte sich langsam auf seine Brust, dann zuckte er zusammen und lehnte den Kopf an die Wand hinter sich. Sein Auge war rot unterlaufen und sein Atem ging nun stoßweise. Ich erinnerte mich an den Tag, als er das erste Mal in unserem Gästezimmer übernachtet hatte, an den Alptraum, der ihn damals gequält hatte. Mir wurde bewusst, dass es nun schlimmer geworden sein musste. Mein Blick fiel auf seine Finger, die leicht zitterten, obwohl er sich nicht rührte.
 

Gai hatte mir gesagt, dass Kirigakure seinen Bijuu vor vier Tagen verloren hatte. Ich schluckte. Mir wurde nun klar, dass Kakashi vermutlich seitdem nicht mehr geschlafen hatte.
 

Langsam drehte ich mich zu ihm herum und griff nach seiner zitternden Hand, die sich eiskalt anfühlte. Er gab einen kurzen Seufzer von sich, zeigte sonst jedoch keine weitere Reaktion. Ich fasste einen Entschluss.
 

Vorsichtig beugte ich mich über ihn, um mein Gesicht in sein Blickfeld zu bringen. „Du kannst schlafen, Kakashi. Ich passe auf dich auf", sagte ich leise. Sein Auge fand meinen Blick und für einen kurzen Moment fürchtete ich, er würde mich abweisen. Dann jedoch nickte er kurz.
 

Ich setzte mich wieder, schob meinen Arm hinter seinen Rücken und drückte ihn sanft, aber bestimmt hinab. Er wehrte sich nicht, legte sich langsam mit seinem Kopf auf meinen Oberschenkel und streckte seinen Körper auf dem Boden aus. Mit einer Hand griff ich nach der Decke auf dem Bett, zog sie zu mir hinab und schmiss sie über Kakashis ausgekühlten Körper. Meine Hand legte sich auf seinen Brustkorb. Sein unruhiger Atem beruhigte sich langsam, wurde tiefer und regelmäßiger. Erleichtert lehnte ich den Kopf an die Wand hinter mich. Er war eingeschlafen.
 

Selbst als mir alles wehtat, rührte ich mich nicht vom Fleck. Jede weitere Minute des Schlafes war überaus wichtig für Kakashi und so zwang ich mich, durchzuhalten.

Erst als das Licht der untergehenden Sonne durch das Schlafzimmerfenster fiel, wurde mir klar, dass ich bald würde gehen müssen. Ich überlegte gerade, wie ich ihn möglichst sanft wecken konnte, da begann Kakashis Körper zu zucken. Er schlief noch immer, doch mir war klar, dass einer seiner Alpträume ihn zu quälen begann. Ohne darüber nachzudenken, griff ich nach seiner Hand und legte meine andere Hand auf seine Stirn.
 

Sein Arm zuckte, ich drückte seine Hand beruhigend und strich ihm erneut über die Stirn. Sein Auge öffnete sich, fand mich und sein Körper entspannte sich wieder. Einen Moment lang sah er mich an, setzte sich dann auf und blickte zum Fenster.

Ich sprang auf die Beine und hielt Kakashi eine Hand hin.
 

„Komm", sagte ich leise. Er musterte mich einen Moment fragend, gab mir dann jedoch seine Hand und ließ sich von mir auf die Beine ziehen. Ich zog ihn hinter mir her, bis zu seinem Badezimmer und schob ihn dort hinein.

„Eine heiße Dusche wird dir guttun", sagte ich und seine Finger klammerten sich versteift an meine Hand.
 

„Ich warte hier", sagte ich leise. Er nickte mir zu, ließ meine Hand los und schloss die Tür hinter sich. Das Geräusch der Dusche ließ mich einmal durchatmen. Schnell durchsuchte ich die Küche nach etwas Essbarem, fand dabei nur wenig. Doch es reichte, um eine kleine Mahlzeit zuzubereiten.
 

Kakashi trat aus dem Badezimmer. Er hatte sein Stirnband und die Shinobi-Uniform abgelegt und trug ein einfaches weißes Shirt und eine bequeme Hose. Sein Gesicht war nun unverhüllt, und sein vernarbtes Auge blickte mich durch sein silberweißes Haar an.
 

„Ich verdiene das nicht", sagte er plötzlich mit kratziger Stimme. Meine Hände hielten inne und ich wandte mich Kakashi zu, dessen Gesicht gequält wirkte.

„Kakashi du-" „Ich habe sie getötet. Ich habe Rin getötet."
 

Mir wurde eiskalt. Schwindel packte mich und ich starrte Kakashi wortlos an. Langsam hob er seine zitternden Hände.

„Ich habe sie mit meinen eigenen Händen getötet."
 

Meine Finger krallten sich am Küchentresen fest, als mir die Bedeutung seiner Worte bewusst wurde. Rin war zum Jinchuuriki gemacht worden, um Konoha zu schaden. Doch hatte es wirklich keine andere Möglichkeit gegeben, als sie zu töten?
 

Für einen kurzen Moment hatte ich den Drang wegzulaufen, fort von Kakashi, dessen Entscheidung das Leben unserer Kameradin gekostet hatte, doch da sah ich die Tränen in seinem Gesicht. Sie tropften von seinem Kinn hinab auf den Boden, doch er beachtete sie gar nicht. Starrte noch immer auf seine Hände.
 

Ich trat auf ihn zu, Kakashi wich zurück, doch ich ließ ihn nicht davonkommen. Ohne sein Kopfschütteln zu beachten, schlang ich die Arme um ihn und presste ihn an mich.

Nur ganz langsam legte er auch seine Arme um mich. Sein Körper begann unter Schluchzern zu erbeben und sein Gesicht grub sich in meine Halsbeuge. Ich spürte die feuchten Tränen auf meiner Haut und presste ihn noch fester an mich.
 

Ein paar Minuten standen wir einfach so da, bis Kakashi sich langsam beruhigte.

„Rin hätte dir nie verziehen, wenn du zugelassen hättest, dass sie unserer Heimat schadet."

Kakashi löste sich aus meiner Umarmung und wischte sich die letzten Tränen aus den Augenwinkeln. „Ich weiß", sagte er heiser.
 

Das letzte Licht der Sonne verschwand am Horizont und ich wusste, dass meine Schicht bald beginnen würde.
 

„Ich muss los", sagte ich leise. Kakashi nickte, doch seine Hände begannen erneut zu zittern. Ich griff danach und er beruhigte sich sofort wieder. „Keine Sorge, du wirst nicht lang allein sein."

„Schon gut, ich komme zurecht", gab er zurück, doch ich drückte seine Hand. Ich hatte so eine Vorahnung, ließ seine Hand los und durchquerte das Wohnzimmer, bis zu seiner Haustür, die ich mit einem Ruck aufzog. Auf der Erde direkt vor der Tür saß kein Geringerer als Gai, der mir nun ein Lächeln schenkte.
 

„Sehr gut", lobte ich mit einem Blick auf die Einkaufstasche, die prall gefüllt mit Lebensmitteln war.

Gai sprang auf. „Ja, ich dachte, das könnte nicht schaden. Wie geht es ihm?"

Ich drehte mich herum und bemerkte, dass Kakashi mir zur Tür gefolgt war. Er betrachtete Gai mit einem Gesichtsausdruck, der mich ganz an den alten Kakashi erinnerte.
 

„Ich habe eine dürftige Suppe gekocht, aber so könnt ihr euch ein richtig schönes Abendessen bereiten", sagte ich und schlüpfte durch die Tür nach draußen. Gai grinste breit. „Ich wette, ich kann viel mehr Essen als du, Kakashi", sagte Gai und Kakashi rollte mit den Augen. Es war so ein kurzer Moment der Normalität, doch er rang mir ein erleichtertes Lachen ab.
 

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Sakuras zittrige Stimme brach ab. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und auch Naruto spürte ein beklemmendes Gefühl in der Brust.

„Das muss wirklich schlimm gewesen sein."

„Dieser Krieg war wirklich furchtbar! Ich bin froh, dass wir endlich Frieden erreichen konnten." Die zweite Hälfte des Satzes sagte Naruto eher leise zu sich selbst, unsicher, was Norikos Tagebuch noch für sie enthüllen mochte.



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