18. Türchen
Autor: -Neya-
*~* Church *~*
Wer hat es eigentlich zur Pflicht gemacht, dass man Heiligabend in die Kirche zur Messe gehen muss? Scheinbar jemand der Langeweile hatte. Jedes Jahr dasselbe Theater. Erst wird Kaffee getrunken und dann pilgern wir los zum Marktplatz, um uns für eine Stunde lang die Predigten unseres werten Herrn Pastors anzuhören.
Missmutig sitze ich vor der Heizung und starre nach draußen. Früher habe ich keinen so großen Wirbel darum gemacht, da war es mir eigentlich egal, wenn ich mit musste, aber seit wir letztes Jahr einen neuen Dorfpastor bekommen haben, versuche ich alles, um die Kirche zu meiden.
„Kai, nun trödle nicht herum, wir wollen gleich los.“
Meine Güte, lasst mich bloß in Ruhe. Sollen sie doch mit meinen kleinen Geschwistern gehen, aber als 17-Järhiger ist man ja wohl alt genug um zu wissen, was das Beste für einen ist.
Und mein persönliches Wohlergehen hängt damit zusammen, ob ich die Kirche betrete oder nicht. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, wenn ich an den neuen Pastor denke. Anfang 30 und ein Gesamtbild zum niederknien.
Als er letztes Jahr die erste Messe gehalten hat, dachte ich, dass ich die Bank in Brand setze, so heiß ist mir geworden.
Allein der Gedanke daran, versetzt mir ein ungutes Gefühl und ich würde mich am liebsten irgendwo verkriechen. Mensch, du machst dir das Leben unnötig kompliziert. Aber fest steht – du gehst dieses Jahr definitiv nicht zur Messe, und wenn sich alle auf den Kopf stellen.
„Kai, nun mach schon, wir wollen los!“, ruft mein Vater aus dem Flur und ich schalte weiterhin auf Durchzug.
„Kai kriegt keine Geschenke“, johlt meine kleine Schwester und ganz ehrlich, das ist mir so was von scheiß egal. Das, was ich mir wünsche, kriege ich sowieso nicht. Einen gewissen brünetten Kerl mit einer großen roten Schleife um den Hals, der auf meinem Bett sitzt und auf mich wartet.
Oh man, wieso werde ich jetzt rot? Nicht dran denken, bloß nicht dran denken. Das sind die Hormone, du kannst nichts dafür, dass der Kerl so jung aussieht und überhaupt…
Kennt jemand das Gefühl, dass man vor Freude laut schreien aber sich gleichzeitig übergeben möchte, weil man sich so elend fühlt? Wenn ja, dann hat er eine ungefähre Vorstellung davon, wie es mir gerade geht.
Resigniert lehne ich meine Stirn gegen die kalte Fensterscheibe und höre, wie im Hintergrund die Haustür geschlossen wird. Sind sie endlich gegangen? Na das wurde aber auch Zeit. Eigentlich sollte ich jetzt erleichtert sein, aber der Anblick meiner Familie, wie sie den Hof verlässt, ist nicht gerade sehr angenehm. Das ist das erste Jahr, das ich nicht mit zur Kirche gehe.
Wenn schon, ich bin kein kleines Kind mehr, das noch an den Weihnachtsmann glaubt. Ich finde diesen Brauch sowieso total bescheuert. Verstimmt starre ich aus dem Fenster, als ich plötzlich zusammenzucke.
Die große Wanduhr gongt laut und eine unbekannte Panik überfällt mich. Die Messe fängt an. Für einen kurzen Moment schließe ich die Augen. Was mach ich hier eigentlich? Verkrieche mich wie ein Feigling. Vor was habe ich eigentlich Angst? Vor Enttäuschung, vor der Tatsache, dass vielleicht jemandem auffällt, dass ich ein gewisses Interesse an unserem neuen Gemeindemitglied habe?
Scheiß drauf…
Eilends laufe ich in den Flur und schlüpfe in meine Schuhe. Meinen Mantel greifend, knalle ich die Tür hinter mir zu und laufe durch die zugeschneiten Straßen. Wenn ich mich beeile, dann verpasse ich nur den Anfang.
Keuchend biege ich um die nächste Ecke und steuere den Marktplatz an.
Gott, wie peinlich ist es, wenn man zu spät zu einer Messe kommt? Schwer atmend bleibe ich vor der großen Holztür stehen. Ich verschnaufe kurz und ziehe die Tür mühsam auf. Das Scheißteil klemmt immer noch.
Wie peinlich ist es, den Kirchensaal zu betreten, während bereits das Krippenspiel läuft? Unruhig schleiche ich durch den breiten Gang und bleibe im Rahmen der Saaltür stehen.
Wie peinlich ist es, wenn einen die älteren Leute schief von der Seite angucken, da man vollkommen erschöpft und mit zerzausten Haaren in der Tür stehen bleibt?
Das aufmunternde Lächeln des Pastors ist alles, was ich in diesem Moment wahrnehme. Scheiß drauf! Sollen die Leute doch denken was sie wollen, mir geht es gerade verdammt gut.