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kagerou in deutschland

[29.4. Kapitel 3 hochgeladen ^^ ]
von

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lost in thoughts

Gedankenverloren strich er über das kalte Fensterglas, das ihn nur wenige Millimeter trennte von der Außenwelt. Es regnete draußen leicht, alles in seinem Blickfeld war leicht verschwommen und doch schien er mehr zu sehen als die Menschen, die direkt unten über den Asphalt hasteten, ohne einen Gedanken daran, wohin sie eigentlich schlussendlich gehen würden. Daran dachte er aber auch nicht in diesem Moment.

Vom Flur aus drangen die Stimmen seiner Bandkollegen und Freunde zu ihm ins Zimmer, ein flüchtiges Lachen, ein leichtes Grummeln als Antwort. Aber auf das achtete er eher weniger. Sie würden sicherlich noch einen Moment auf ihn warten können. Warten, damit sie alle zusammen in die Stadt gingen.

Diese Stadt, die ihm so fremd schien. Er kannte sie nicht, weder ihre Straßen, Häuser, Menschen oder ihre Sprache. Und doch...fühlte er sich nicht außerordentlich fremd. Schließlich waren seine Freunde bei ihm. Und außerdem...wo war der Unterschied, ob er unter ihm fremden Menschen in Japan war oder hier in Deutschland. Es änderte nichts an diesem Gefühl, dass sein Leben unbedeutend war...

So fremd jedoch waren sie gar nicht in diesem Land. Sonst hätten sie jedenfalls nicht die Möglichkeit hier ein Konzert zu geben. Also gab es auch hier, wo ihre Sprache nicht verstanden wurde, Menschen, die ihre Musik verstanden.

Ein leichtes Lächeln huschte über Yuanas Gesicht. Es war ein schönes Gefühl, verstanden zu werden, auch wenn es nicht ihm persönlich, sondern nur seiner Musik galt. Es war immerhin etwas...mehr, als andere von sich sagen konnten...

„Manchmal...wenn du so völlig abwesend scheinst, wüsste ich gerne, wo du mit deinen Gedanken bist...“ sagte plötzlich eine Stimme ruhig neben ihm und er drehte sich erschrocken zu Shizumi um, der ihn leicht anlächelte.

„Nirgendwo...“, antwortete er ihm achselzuckend, „nirgendwo und überall...wobei, eigentlich geht ja keines davon, oder? Niemand kann überall gleichzeitig sein, jedoch auch nicht nirgendwo, denn so lange wir leben gibt es immer einen Ort, an dem wir uns aufhalten...ob in Gedanken oder physisch. Irgendwo sind wir immer...nur ist die Frage nach dem genauen „wo“ schwer zu beantworten, wenn man es selber nicht genau weiß..."

Shizumi hörte seinem Freund interessiert zu, grinste dann schief und legte einen Arm um ihn, während er ihn mit sich aus dem Zimmer zog.

„Komm Kleiner, genug philosophiert für heute, jetzt wird erst mal die Stadt erkundigt...“
 

Draußen vor dem Hotel wartete bereits eine Mitarbeiterin des NeoTokyos auf sie. Eine Japanerin, die sich ihnen freundlich vorstellte und ihnen anbot sie etwas durch die Innenstadt zu begleiten. Die Jungs nahmen dieses Angebot gerne an, denn trotz des Stadtplans bezweifelten sie, dass sie sich wirklich alleine zurechtfinden würden.

Shizumi lief freudig neben der jungen Frau und fragte sie dies und jenes, während die anderen drei dahinter folgten. Kazu und Daisuke hatten angefangen über das kommende Konzert zu reden. Yuana hingegen beteiligte sich nicht an dem Gespräch, sondern hörte unauffällig den beiden vor ihnen zu. Nicht, dass ihn interessiert hätte, was Shizumi tat...aber es interessierte ihn, was genau die junge Japanerin nach Deutschland verschlagen hatte, was genau sie in ihrem Laden alles verkauften, etc. Man sollte es nicht meinen, doch Yuana war äußerst neugierig. Und es wunderte ihn etwas, dass die junge Frau zwar neben ihrer Muttersprache auch fließend Englisch sprach, sich mit Deutsch jedoch schwer tat. Etwas, dass auch Shizumi überraschte. Yuana musste unwillkürlich lächeln. Ihr Drummer hatte bereits Tage vor ihrem 2-wöchigen Deutschlandaufenthalt sich ein kleines Reisewörterbuch besorgt und sie immer wieder mit deutschen Wörtern genervt. Dabei war zu beachten, dass weder er noch die anderen drei wirklich wussten, was er da von sich gab.

Yuanas Gedanken drifteten ab und er versuchte Gesprächsfetzen der vorbeilaufenden Menschen aufzuschnappen. Doch größtenteils waren es nur Deutsche, auch noch Bayern, und er verstand kein einziges Wort. Hin und wieder jedoch hörte er auch etwas Englisches oder Französisches.

Es war erstaunlich, wie viele Gesichter diese Stadt besaß im Gegensatz zum einseitigen Japan. Aber nein, hier tat er seinem Heimatland unrecht. Nur, weil es für ihn in letzter Zeit grau in grau wirkte, bedeutete dies nicht, dass es auch der Wirklichkeit entsprach. Er wusste genau, dass Japan genauso viele, wenn nicht noch mehr, Farben zeigte, wenn man sich nur daraufeinließ sie neben allem Normalen zu sehen. Und war nicht auch er eine dieser Farben? Ein etwas anders scheinender Fleck in einer Welt von Gleichheit und Anpassung.

Er hatte es nie verstanden, warum alle Leute bestrebt waren so zu sein wie die breite Masse. Obwohl, als er noch jünger war, hatte auch er versucht, "normal" zu sein. Bis er auf auf drei gewisse Chaoten getroffen war, bei denen er merkte, dass es ok war, anders zu sein.

Aber ob dieses Leben wirklich glücklich machte?

Der leichte Nieselregen, in dem sie ohne Schirm aufgebrochen waren, nahm langsam zu und ihre Begleiterin schlug vor in ein Restaurant zu flüchten. Yuana sah sich kurz um. Er hatte gar nicht gemerkt, wie weit sie schon gelaufen waren, so sehr war er wieder seinen Gedanken nachgehangen.

Daisuke neben ihm fasste ihn in dem Moment auch schon bei der Hand und zeigte mit leuchtenden Augen auf eine Pizzeria.

„Yu-chan, da gibt's Pizza!“

Der Braunhaarige nickte nur lächelnd und folgte seinem Freund, der auch die anderen in diese Richtung dirigierte.
 

Beim Betreten des Restaurants strömten tausend Eindrücke gleichzeitig auf sie ein. Wortfetzen, viele Gerüche unterschiedlichster Speisen und Zigarettenrauch. Yuana und Daisuke blieben verwirrt stehen und sahen sich nach einem freien Platz um. Der Laden war bis zum Bersten voll und irgendwie hatte Yuana das ungute Gefühl, dass sie hier nicht wirklich ins Bild passten, als er mehrere Tische mit jungen Leuten sah, die eindeutig der Musikrichtung HipHop nachhingen. Auch bemerkte er nun, dass eben diese "Musik" im Hintergrund lief. Nein, eindeutig nicht sein Geschmack.

Aber die anderen schien das eher weniger zu stören, denn Shizumi deutete nach einer Weile in die hinterste Ecke des Raumes, wo gerade mehrere Leute im Begriff waren aufzustehen. Und tatsächlich, kurz darauf räumten sie den Tisch und stattdessen setzen sich Kagerou samt Anhang - der inzwischen um einen Mitarbeiter des NeoTokyos angewachsen war; wann dieser gekommen war, vermochte Yuana nicht zu sagen, wahrscheinlich, während er die Leute hier mit den Leuten, die er von "zuhause" kannte, verglichen hatte.

Als sie nun endlich saßen, kam Yuana dazu die Einrichtung des Restaurant auch näher zu betrachten. Sie erinnerte stark an einen dieser Ami-Filme, die versuchten, die ach so tollen 60er und 70er Jahre zu immitieren. Die Sitzpolster und Lehnen der Bänke und Stühle waren mit rotem Leder überzogen, es hingen rote, altmodische Lampen von der Decke und die Tischdecke ließ Yuana an Plastik denken, bis er mit einer flüchtigen Berührung sie als eine dieser Wachsdecken identifizierte, die man kleinen Kindern zum Malen über den Tisch legte aus Angst, sie könnten den Tisch anmalen. Und man sollte es nicht glauben, aber auch die Tischdecken waren rot. Tomatenrot. Yuana verdrehte genervt von dieser seiner Meinung nach zu aufdringlichen Farbe die Augen und griff dann ebenfalls wie seine Freunde zu einer der Speisekarten. Dabei streifte sein Blick auf dem Tisch den kleinen Blumenstrauß, der für ihn, obwohl man an seinen schon halb welken und den Kopf hängenden Blüten die Natürlichkeit deutlich erkennen konnte, genauso künstlich wirkte wie das aufgesetzte Lächeln der Kellnerin, die gerade an den Tisch getreten war, um das Geschirr ihrer Vorgänger abzuräumen.

Nein, Yuana war sich ganz sicher...dieses Lächeln war noch künstlicher...

Die Kellnerin war schnell wieder verschwunden, als sie gemerkt hatte, dass noch niemand etwas zu bestellen hatte. Trotzdem hing noch leicht ihr Parfümgeruch in der Luft. Yuana rümpfte angewidert die Nase. Er konnte so aufdringliches Parfüm nicht leiden. Überhaupt mochte er diese Art von Frauen nicht. Aber er sollte vielleicht lieber still sein. Schließlich war bis jetzt jede seiner Beziehung schon in der Anfangsphase gescheitert, weil er seine jeweiligen Freundinnen nicht wirklich an sich ranlassen wollte. Er fasste nunmal nicht so schnell Vertrauen. Doch das schien sie nicht interessiert zu haben. Sie hatten nur seine abweisende Art, sein gleichgültiges Verhalten und seine scheinbare Gefühlslosigkeit gesehen und waren schnell wieder aus seinem Leben verschwunden. Genauso wie jegliches Anzeichen von Liebe, das sein Herz dabei berührt haben könnte.

„Was möchtest du denn gerne essen?“ fragte ihn auf einmal das junge Mädchen vom NeoTokyo-Team. Erst jetzt bemerkte er, dass er nicht wusste, wie sie hieß.

„Hm...ich hätte gerne nur ein Glas Wasser, mir ist nicht so nach Essen zumute. Danke...“ erwiderte er freundlich und sie schenkte ihm ein schüchternes Lächeln. Sie war wirklich sehr nett...

„Entschuldige die Frage, aber...wie heißt du noch mal?“ fragte Yuana etwas beschämt und sah sie dabei entschuldigend an.

„Schon ok.“ Sie nickte leicht als Bestätigung ihrer Aussage. „Ich heiße Michiko.“

„Ah...ja. Danke...“

Yuana ließ sich den Namen kurz durch den Kopf gehen. Er passte zu ihr, ja.

Im Gegensatz zu vielen anderen Dingen mit unpassenden Namen. Warum z.B. hatte die jap. Sprache für fast alles einen wohlklingenden Namen? Selbst die Einsamkeit, Trauer oder Verzweiflung...irgendwie war doch alles in einem schönen Begriff verpack, der nicht annähernd den Menschen darauf vorbereitete, wie schrecklich diese Dinge in Wahrheit waren.

Aber vielleicht waren sie doch ganz passend. Denn mit der Zeit gewöhnte man sich nach und nach an die negativen Aspekte. Und irgendwann war man gar nicht mehr fähig ohne sie zu leben, ja liebte sie sogar.

So war es bei ihm mit der Einsamkeit. Er verfluchte sie, hasste sie...aber gleichzeitig suchte er sie unbewusst, indem er jeden von sich schob, der ihm zu nahe kam.

Warum seine drei Freunde, mit denen er nun hier saß, sich davon nicht hatten verscheuchen lassen, verstand er bis heute nicht. Sie akzeptierten einfach die Tatsache, dass er ihnen nie ganz vertrauen würde, ließen ihn jedoch nicht allein wie es andere vor ihnen getan hatten.

Und er war glücklich darüber...sehr sogar...

Nur manchmal zweifelte er etwas daran, ob er wirklich so vorbehaltlos zu ihnen gehörte. Manchmal, in so Momenten wie diesem, während er als einziger still dasaß und sie beobachtete, obwohl sie selbst lachend und enthusiastisch am Diskutieren miteinander waren. In solchen Momenten fragte er sich dann wieder, was sie vier eigentlich zusammenhielt und wer ihnen garantierte, dass sie nicht bereits am nächsten Tag getrennte Wege gehen würden. Er schämte sich für diese Zweifel an ihrer Freundschaft, aber noch mehr dafür, dass er selber daran schuld wäre, wenn so etwas geschehen würde. Denn er kapselte sich in letzter Zeit immer mehr von ihnen ab, auch wenn das anscheinend niemand bemerkte. Es waren Kleinigkeiten, fast schon unbedeutend, doch für ihn entscheidend.

Wie etwa die Tatsache, dass seine drei Freunde alle Bier bestellt hatten, während er selber bei stillem Wasser geblieben war. Die Kellnerin, die ihnen die Getränke an den Tisch brachte, schien dies auch zu verwundern, doch sagte nichts. Und selbst wenn, er hätte es sowieso nicht verstanden.

Shizumi jedoch fiel ihr kurzes Zögern auf und er konnte es wie immer nicht lassen einen Kommentar dazu abzugeben.

„Ne, Yuana, du blamierst und ja richtig, warum hast du kein Bier bestellt?“ Er lachte und gab ihm einen leichten Klaps auf die Schulter.

„Ich möchte mein Gehirn lieber noch etwas länger benutzen können, weißt du...“, konterte der Gitarrist kühl, doch an seinem Unterton hätte man merken können, dass er genervt war. Hätte man...nur Shizumi war eben nicht „man“ und schon gar nicht darin zu bremsen, Yuana auf die Nerven zu gehen.

„Du hast ja nur Angst, dass du dich wieder verplapperst!“ Damit wandte er sich an das Mädchen am Tisch und erzählte glucksend weiter: „Das letzte Mal, als wir ihn abgefüllt haben, hat er sich nämlich benommen wie ein Teenager, verrückt herumgetanzt, gekichert und jeden vollgelabert, dem er begegnete. Ich hab ihn grad noch davon abhalten können, bei so einer alten Schrulle mitzufahren und dann hat er plötzlich angefangen zuheulen und wirres Zeug verzählt, wie z.B. dass er mich liebt und-“

Knarrend schob Yuana seinen Stuhl plötzlich zurück und stand auf. Seine Schultern bebten, doch ansonsten war ihm nichts von seiner inneren Unruhe anzumerken.

„Ich bin kurz auf dem Klo...“, murmelte er gelassen und mit ruhigen, gezielten Schritten, als wäre er hier schon öfters gewesen, ging er direkt auf die Toiletten am anderen Ende des Raums zu. Nur keine Unsicherheit anmerken lassen, alles, nur das nicht...

Shizumi zuckte irritiert mit den Achseln und setzte an, weiterzuerzählen, wurde jedoch von Daisuke zurückgehalten.

„Shizu, das ging zu weit.“

„Eh?“ Der Drummer sah erstaunt in die ernsten Augen seines Bandkollegen, verstand nicht ganz, was dieser ihm sagen wollte.

„Hast du nicht gemerkt, dass du ihn durch dein unbedachtes Blabbern verletzt hast?!“, wandte sich nun auch Kazu an ihn. Der Bassist seufzte, als er enttäuscht feststellte, dass Shizumi es wirklich nicht mitgekriegt hatte.

„Wenn er zurückkommt, entschuldigst du dich wohl besser mal bei ihm...“, riet ihm daraufhin ihr Sänger, was Shizumi nur noch zu einem Nicken bewegte.

Er hatte den Jüngeren doch nur aus der Reserve locken wollen, ihn ein bisschen ärgern und necken. Ihn zu verletzen war nie seine Absicht gewesen, aber anscheinend war ihm genau das passiert, weil er wie immer zu erst geredet und danach gedacht hatte. Eigentlich hatte er ja auch danach nicht nachgedacht...

Shizumi blickte beschämt aus dem Fenster auf die Straße hinaus. Es regnete inzwischen in Strömen, kaum eine Menschenseele war auf der Straße zu sehen.

Er hatte gesehen, dass Yuana einsam dasaß. Er hatte gesehen, wie der andere immer mehr in seinen Gedanken versunken war und hatte ihn wieder daraus hochziehen, ihm eine helfende Hand geben wollen. Leider hatte er ihn dabei im entscheidenden Moment fallengelassen...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2006-07-10T11:23:37+00:00 10.07.2006 13:23
wow
die is echt gut
bitte schreib so bald wie möglich wieter
Von:  Syn
2006-06-18T17:18:14+00:00 18.06.2006 19:18
ich werd echt noch süchtig nach deinem stil... oO
ich hab nachdem ich grad deine andere ff gelesen hab, einfach ma gedacht 'schau ma mal ob die noch was geschrieben hat' weil ichs so toll fand.. und dann seh ich das hier, les es.. und woah~
eh.. genial...
alles.. voll hammer...
weiter büdde~
ich kann net ma kritik nennen... xD~


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