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Another solution

von

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Problems In My Soul

Am nächsten Tag fühlte ich mich wieder ein Stück besser. Ich fühlte mich immer noch unruhig und war nicht ausgeglichen, doch es wurde Tag für Tag besser.

Trotzdem wurde dieser Tag ein Alptraum für mich.

Es begann mit dem Frühstück. Ich nahm nur wenig zu mir, gab mein bestes, versuchte so viel zu essen, wie es nur ging, doch mein Körper sträubte sich dagegen. Kurz nachdem ich mir ein Stück Brot in den Mund geschoben hatte, kam es mir wieder hoch und ich erbrach mich im Bad über der Kloschüssel. Die Weißkittel hatten meine Flucht ins Badezimmer natürlich auf der Videoübertragung mitbekommen und einer der Krankenpfleger kam ins Zimmer gestürmt und half mir, mich wieder sauber zu machen. Ich konnte mir die Zähne putzen, durfte sogar Duschen, fühlte mich dadurch wieder etwas besser…

Trotzdem hatte es nachfolgen.

Mein Arzt kam zwei Stunden später ins Zimmer, sah mich anklagend an, drohte mir erneut, mich an den Tropf zu hängen.

Ich schüttelte stumm mit dem Kopf.

Kein Interesse, und keine Einwilligung meinerseits.

Er zog eine Augenbraue hoch.

„Tja…ich schätze, wir können aber nichts anderes machen. Du nimmst nichts zu dir, kannst nichts bei dir behalten. Du hast seit Tagen nichts gegessen und bist eindeutig unterernährt. Also ziehen wir das ganze durch. Du bekommst eine Infusion und wirst künstlich ernährt. Zusätzlich werde ich dir Beruhigungstabletten verschreiben. Damit werden wir dich ruhig stellen, und zusätzlich von jeder weiteren Handlung abhalten, mit der du dich selbst verletzen könntest.“

„Wer sagt, dass ich mich selbst verletzen will? Wer sagt, dass ich nichts essen würde? Warum lassen sie mir nicht ein paar Tage zeit…dann esse ich schon wieder selbst.“

„Nein. Du hast bisher nichts gegessen, heute früh hast du es wieder erbrochen.“, entgegnete er unwirsch und machte eine wegfegende Handbewegung.

„Dann wünsche ich ihnen viel Glück. Ich werde niemanden an mich ranlassen, jedenfalls nicht freiwillig.“

Der Arzt verließ den Raum. Kurze Zeit später kam er wieder, mit zwei Krankenpflegern und einem kleinen Wägelchen wieder.

Erstaunt sah ich ihn an. Er hatte wirklich vor, die Scheiße durchzuziehen.

Der Arzt griff nach einer Spritze und kam auf mich zu.

Ich wich zurück und schlug seine Hand weg, als er mir die Spritze in den Arm schießen wollte.

„NEIN!“ schrie ich ihn an und krabbelte vom Bett.

Die Krankenpfleger griffen nach mir, doch ich wich ihnen geschickt aus, und rannte auf die gegenüberliegende Seite des Zimmers. Der eine setzte mir nach und griff nach meinem Arm. Schnell riss ich mich los und verschanzte mich im Bad und schloss die Tür ab. Sofort hörte ich das Hämmern gegen die Tür, und lachte schadenfroh.

Der Raum war der perfekte Unterschlupf für mich.

Ein Gedämpftes Fluchen drang an mein Ohr.

Grinsend starrte ich die Tür an und freute mich schamlos über meinen Erfolg.

So schnell würde ich mich nicht geschlagen geben. Und das hatte ich diesem Klugscheißer, von Arzt, ziemlich deutlich gezeigt.

Schnell sah ich mich um.

Das Fenster wirkte sehr einladend, die bisher geglückte Flucht fortzuführen. Langsam ging ich darauf zu und sah kurz raus. Erster Stock.

Verdammt!

In meinem Zustand würde ich mir garantiert die Beine brechen, bei einem Sprung.

Und das durfte ich wirklich nicht riskieren.

Ich biss die Zähne zusammen, sann nach einer anderen Möglichkeit.

Schließlich öffnete ich das Fenster und sah nach rechts. Keine Chance. Weder ein Rohr, noch eines dieser hölzernen Gitter, an denen Kletterpflanzen wuchsen.

Als ich nach links sah, hatte ich Glück. Ein Abwasserrohr.

Ich lehnte mich aus dem Fenster und versuchte danach zu greifen. Okay…war machbar.

Im Hintergrund hörte ich, wie sie sich an dem Schloss zu schaffen machten. Sie versuchten es aufzubrechen.

Das noch keiner auf den Gedanken gekommen war, mal aus dem Fenster zu gucken?, dachte ich belustigt und schwang mich auf den Fenstersims.

Dann griff ich nach dem Rohr und rüttelte kurz daran. Okay es würde mich voraussichtlich halten.

Ich hatte keine Schuhe an, was das Ganze nicht gerade vereinfachte. Zumindest die Socken mussten runter, sonst bekam ich gar keinen halt.

Ich zog die Socken aus, griff erneut nach dem bronzefarbenen Abwassertor. Ich hielt mich daran fest und sprang endlich ab.

Ich suchte nach halt mit meinen nackten Füßen. Einen unterdrücktes Stöhnen verließ meine Lippen. Meine Hände schmerzten. Das harte Metall, dass das Rohr an der Wand festhielt, schnitt mir schmerzhaft in die Haut.

„Verdammte Scheiße!“, entfuhr es mir.

Dann fand ich endlich halbwegs halt mit dem Füßen und konnte mich vorsichtig nach unten schieben.

Plötzlich entfachte ein eiskalter Schmerz im rechten Handgelenk.

Mist…musste das jetzt sein?, dachte ich, biss die Zähne zusammen und versuchte krampfhaft die Tränen zurückzuhalten.

Der Krampf lähmte mich, ich musste die Lippen aufeinander pressen um nicht doch noch laut loszubrüllen.

Tapfer versuchte ich den Schmerz zu unterdrücken und krakelte langsam weiter nach unten.

Schließlich konnte ich springen.

Konzentriert ließ ich los und landete sicher auf beiden Beinen.

Sofort verebbte der Schmerz in meinem rechten Handgelenk. Ich bewegte es kurz auf und ab, drehte es einmal im Kreis und der Krampf lockerte sich auf.

Mit den Augen suchte ich nach einem geeigneten Fluchtweg, hatte allerdings keine Zeit einen geeigneten heraus zu suchen.

Plötzlich hörte ich einen zornigen Aufschrei von oben.

Kurz wandte ich meine Augen zu dem Fenster und entdeckte meinen Arzt der seine Krankenpfleger hysterisch und zornig dazu aufforderte, mir zu folgen.

Schon stand der eine auf dem Fenstersims und deutete zum Sprung an.

Gehetzt wandte ich mich um und rannte willkürlich in die nächst beste Richtung.
 

Ich hätte mich doch für die andere Seite entscheiden sollen…, erkannte ich wenig später.

Der Hügel, der sich vor mir auftürmte, kam mir gewaltig vor.

Nach wenigen Metern spürte ich die Anstrengung und wurde langsamer.

Mein Atem ging gehetzt und ich keuchte.

Der Krankenpfleger war mittlerweile gesprungen und setzte mir nach.

Verdammt!

Meine Kondition war Tod.

Irgendwo im Keller vergraben.

Die letzten Tage, der Entzug, die Schlaflosigkeit, der Nahrungsmangel und die Tatsache, dass ich leicht unterernährt war, hatten mir so sehr zugesetzt, sodass ich jetzt schon, nach wenigen Schritten zu keuchen anfing.

Trotzdem versuchte ich weiter zu rennen, wollte nicht aufgeben, nicht so schnell. Ich wollte ihm nicht die Chance geben, über mich zu lachen, oder sich über meinen kläglichen Fluchtversuch lustig zu machen. Ich rannte weiter, auf den Hügel zu und holte nochmals alle Kraft aus mir heraus, die noch zu finden war.

Der Krankenpfleger holte trotzdem immer weiter auf. Im Gegensatz zu mir, war er wie es schien, Hochleistungssportler.

Plötzlich stolperte ich.

Ich viel auf den steinigen Boden und riss mir die Handgelenke auf.

Der Aufschlag auf dem harten Untergrund nahm mir kurz die Luft.

Ich keuchte und wollte wieder aufstehen, um weiter zu rennen, doch der Pfleger hatte mich eingeholt und riss mir die Hände auf den Rücken.

Eisern hielt er mich fest.

„Verdammt!“ fluchte ich keuchend.

„Das war´s erstmal, Kleiner.“ Sagte der Krankenpfleger und klang im Gegensatz zu mir, überhaupt nicht angestrengt.

Ihm schien der kleine Trip über den Klinikpark nichts ausgemacht zu haben.

Na ja, immerhin wusste ich jetzt, wie es im Park aussah. Und wie es schien, sollte ich mir das Bild gut einprägen, denn die nächsten Wochen würde ich garantiert nicht mehr dazu kommen, mal einen solchen Ausflug zu starten.

Verdammt!

Der Pfleger, der meine Hände immer noch fest hielt, stand schließlich auf und zog mich ebenfalls auf die Beine.

Er umschloss meinen Oberarm mit seinem eisernen Griff und zog mich mit zurück zur Klinik.

Ich versuchte mich zu wehren, wollte ums verrecken nicht mehr zurück in mein trostloses Zimmer, doch er ließ mich nicht los.

Schließlich kam der andere auch endlich angelaufen und packte mich auf der anderen Seite.

Scheiße! Jetzt war erst mal tote Hose mit abhauen.

Sie zerrten mich zurück in die Psychiatrie und brachten mich in mein Zimmer.

Als ich erneut versuchte, mich loszureißen, drückten sie mich grob auf die Knie.

Der eine griff nach einer Zwangsjacke und sie zwängten mich unsanft in das Ding.

Der Griff ihrer Hände tat weh, und ich keuchte, als sie das Ding auf meinem Rücken zuschnürrten.

Ich konnte mich nicht mehr rühren.

Es war so erniedrigend.

Ich heulte bitter los und hörte schließlich auf mich zu wehren.

Der Arzt kam ins Zimmer, hatte eine Spritze dabei und jagte mir das Beruhigungsmittel in die Vene.

Dann verschwanden die drei vorerst aus dem Zimmer.

Weinend und schluchzend blieb ich auf dem Boden liegen.

Ich zog meine Beine ein Stück an und meine Schultern bebten.

Ich wusste dass sie mich beobachteten, war mir sicher, dass sie meine Handlungen genau verfolgten, über den Bildschirm.

Doch es war mir egal.

Sollten sie tun was sie wollten.

Ich fühlte mich erniedrigt, minderwertig und wie ein hirnverbrannter Vollidiot, der in einer Zwangsjacke und in der Gummizelle schmoren musste.

Mit dem einzigen unterschied, dass die Gummizelle mir bisher vorenthalten wurde.

Verdammt…konnte man soweit sinken?

Ich war froh, dass sie nicht auch noch meine Beine irgendwo angekettet hatten. So konnte ich sie anziehen, mich ganz klein machen, und versuchen nichts mehr wahrzunehmen.

Ich weinte lange.

Wollte es eigentlich gar nicht, konnte nicht anders. Die Tränen liefen mir die Wangen runter und schienen nicht aufzuhalten. Die Zwangjacke erschwerte das Atmen und verschluckte mich öfters.

Das Gefühl der Erniedrigung verschwand nicht.

Ich hatte das Gefühl mich nicht mehr wehren zu können. Es auch nicht zu dürfen, um nicht alles noch schlimmer zu machen.

Ich fühlte mich so allein und einsam. Ich wollte Gesellschaft, und doch wieder nicht.
 

Ich war mir sicher, dass dies nur eine Methode war, um meinen Sturkopf zu überwinden, meinen Willen zu brechen. Und wenn es wirklich so war, hatten sie eindeutig Erfolg. Das Ganze klappte verdammt gut.

Ich hatte schmerzen in den Oberarmen. Die zwei Männer waren wirklich grob gewesen.

Wo war ich hier eigentlich? In einem Hochsicherheitstrakt bei dem Mördern?

Hatten sie mich schon als Mörder abgestempelt, weil ich mich fast von einem Hochhaus gestürzt hatte?

Ging man so mit Psychisch Labilen Menschen um?

Ich verstand gar nichts mehr.

Fühlte nur diesen unangenehmen Druck in meiner Brust…fühlte nur die Angst in meinem Bauch.

Was kam als nächstes?

Ach ja, die Infusion.

Ihr verdammten Weißkittel, von mir aus könnt ihr alle verrotten, schoss es mir in den Kopf.

Sollte der Himmel auf die Erde fallen und ihnen die Köpfe einschlagen.

Wieder kamen mir die Tränen.

Schluchzend und zitternd lag ich dort, mitten in meinem Zimmer, auf dem kalten unangenehm harten Boden, und heulte mich in den Schlaf.
 

Als ich erwachte, fühlte ich mich ausgelaugt.

Sofort bemerkte ich, dass ich wieder in meinem Bett lag. Sie hatten mich aus der Zwangsjacke befreit, und mich stattdessen wieder ans Bett angekettet.

Ein Schlauch steckte in meiner Schulter.

Eine klare, durchsichtige Flüssigkeit bahnte sich ihren Weg in eine meiner Venen. Der Schlauch führte zu einem kleinen Infusionsständer. Der Plastikbeutel, der an ihm hing, enthielt die klar Flüssigkeit, die in meinen Körper floss.

Also war es jetzt endlich so weit.

Nach Tagen, wenn nicht sogar schon Wochen, bekam ich zum ersten Mal wieder richtige Nahrung.

So viel Nahrung, wie mein Körper benötigte.

Ich versuchte erst gar nicht darüber nachzudenken, wollte es lieber ignorieren.

Also schloss ich erneut die Augen und versuchte wieder zu schlafen.
 

Anteilnahmslos sah ich der Krankenschwester dabei zu, wie sie das Tablett auf den Tisch stellte, und die Tabletten, die ich nehmen musste, vorbereitete.

Ich schloss kurz die Augen.

Also ein weiterer Tag, an dem ich diese Beruhigungstabletten schlucken musste.

Die Krankenschwester hatte Order, genau darauf zu achten, dass ich sie auch wirklich nahm. Also blieb sie in der Regel so lange neben mir stehen, bis ich sie geschluckt hatte.

Sie nahm ihre Arbeit wirklich sehr ernst.

Meist nahm ich sie schon freiwillig. Wenn ich immer brav tat, was mein Arzt mir sagte, konnte ich vielleicht auch endlich wieder aufstehen, oder mich zumindest frei bewegen.

Seit zwei Tagen war ich angekettet.

Ich fühlte mich noch elender als zuvor, hatte das Gefühl, noch weniger wert zu sein, als vor meinem Entzug.

Ich kam mir vor, als wäre ich fehl am Platz…als sollte ich schon längst weg sein.

Als wäre diese ganze Prozedur überflüssig, da ich eigentlich schon lang an einem anderen Ort sein sollte.

Ich machte mir viele Gedanken. Im Moment wünschte ich mir einfach nur, Sam hätte losgelassen.

Am liebsten würde ich ihm das Sage. Am liebsten würde ich ihm Sagen, dass ich schon längst aufgegeben hatte. Dass ich mein Versprechen mir gegenüber nicht gehalten hatte. Dass ich wieder aufgehört hatte, an mich zu glauben.

Auf der einen Seite wollte ich ihn gern sehen, ihm das sagen…doch auf der anderen Seite, wollte ich nicht, dass er mich so sah…

Ich fühlte mich schrecklich…war innerlich wie Tod. Ihm jetzt gegenüber zu treten, würde nichts gutes Verheißen.

Ich versuchte meine Gedanken zu verdrängen, wollte nicht mehr im Selbstmitleid zerfließen. Ich wollte mich nicht selbst runterziehen.
 

Zirka zwei Stunden später, klopfte es an der Tür. Brav hatte ich die Beruhigungstabletten geschluckt, hatte keinen Mucks von mir gegeben, als der Arzt kurz meinen Puls und meine Temperatur checkte. Hatte mich nicht gewehrt, als sie den Beutel oben am Infusionsständer ausgewechselt hatten. Und hatte mich nicht beschwert, als sie meine Fesseln überprüften und den einen Gurt sicherheitshalber etwas fester schnürten.

Ich sagte nichts als es klopfte. Wer auch immer vor der Tür stand, würde schon freiwillig ins Zimmer kommen. Wer auch immer mich jetzt nerven wollte, würde das sicherlich auch ohne meine Zustimmung tun.

Er kam herein.

Er sah sich kurz um, entdeckte mich im Bett, zog erschrocken die Luft ein, als er mich sah.

Sofort kam er zu mir gelaufen und griff nach meiner Hand, die immer noch an den Bettrand gefesselt war.

Er suchte meinen Blick mit seinen Augen, doch ich wich ihm aus.

„Verdammt…Joey…was soll der Mist?“ fragte er leise und sah mich besorgt an.

Ich sah ihn kurz an und wandte dann den Kopf ab. Ich wollte seinen analysierenden Blick nicht sehen.

Ich fühlte mich so schon schlecht genug.
 

Sam:
 

Seine Augen wanderten geschockt über den Körper seines kleinen Freundes. Joey hatte eindeutig wieder abgenommen, sah noch schlechter aus als vor ein paar Tagen. Langsam hatte Sam das Gefühl, sein kleiner Suizido war nur noch Haut und Knochen. Die Handgelenke waren an das Bett gekettet. In seiner Schulter steckte ein kleiner Schlauch. Die Infusion lief ihm ununterbrochen ins Blut. Joeys Augen waren gerötet, als hätte er wieder Drogen genommen. Seine Lippen waren trocken, das Gesicht bleich.

Das Haar wirkte ungekämmt…fielen ihm strähnig in die Stirn. Sie hatten jeglichen Glanz verloren.

Joey war den Tränen nahe. Sanft und liebevoll fuhr Sam ihm über die Stirn und lächelte ihn aufmunternd an.

Joey beruhigte sich dadurch etwas. Seine verkrampfte Haltung lockerte sich etwas.

Trotzdem war Sam nicht dazu in der Lage, den kleinen Suizido zum Reden zu bringen.

Joey wirkte abwesend. Es schien, als wolle er sich total in sich zurückziehen.

Plötzlich drehte sich der Jüngere doch noch zu ihm um.

Lange sah er ihn an.

Dann sagte er ernst: „Ich wünschte, du hättest mich losgelassen, Sam!“
 

Joey:

Nachdem ich es endlich ausgesprochen hatte, schloss ich die Augen und wandte meinen Kopf wieder zur Wand.

Sam wirkte erschrocken. Er wollte etwas sagen, doch er brachte nichts heraus.

Schließlich riss er sich zusammen.

„Warum?“ fragte er leise.

Ich gab ihm keine Antwort. War wieder ganz in meiner Welt, verschanzte mich hinter meiner Mauer, wollte nicht mehr verletzt werden.

„Joey…ich will dir doch nur helfen.“, sagte Sam schließlich.

Leicht zuckte ich zusammen.

Helfen?

Ich spürte zorn in mir aufkommen. Den Zorn, den ich seit Tagen untergraben hatte, den Zorn, den ich seit Tagen tief in meinem Inneren versteckte.

„Verdammt! Dass sagt doch jeder! Als würde auch nur einer etwas tun, was mir wirklich hilft…Nein! Stattdessen ketten sie mich fest, stecken mich in Zwangsjacken und stopfen mich mit Beruhigungstabletten voll. Ach lass mich doch in Ruhe. Verschwinde!“

Damit hatte ich das Gespräch meinerseits beendet.

Ich wandte den Kopf ab und starrte angestrengt die kalte, weise Wand an.

Schließlich ließ Sam meine Hand los und ging zur Tür.

Noch mal drehte er sich kurz zu mir um, dann verschwand er.
 

Am nächsten Tag wurde ich losgekettet. Dies war nun schon mein sechster Tag in diesem, Gefängnis ähnlichen, Verließ.

Mittlerweile tat es mir leid, dass ich den Polizisten so angefahren hatte. Ob er irgendwann noch mal auftauchen würde?

Als sie mich losbanden, sah ich den Arzt fragend an.

„Warum?“ fragte ich etwas verwirrt. Es wunderte mich, dass sie so schnell von mir abließen. Es war eigenartig, plötzlich diesen reumütigen Blick in dem, des Arztes, zu sehen.

„Jemand hat ein gutes Wort für dich eingelegt.“

Ich schüttelte leicht mit dem Kopf. Drückte so meine Verständnislosigkeit aus. Kurz sah ich dem Weißkittel in die Augen.

Was war das denn? Jemand legte ein gutes Wort für mich ein?

Wer das wohl war? Vielleicht Sam?

Ich suchte nach seinem Blick, doch er wich mir aus.

Schließlich gab ich auf.

Verdrängte meine Fragen, da es ja doch nichts brachte, jetzt darüber nachzudenken.

Ich war einfach nur froh, diese ätzenden Fesseln los zu sein.

Sofort spielte ich mit dem Gedanken, mir die Infusion aus der Schulter zu zerren.

Ich war kurz davor, dieser künstlichen Ernährung einfach einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Doch ich verwarf die Idee bald wieder.

Die Wahrscheinlichkeit, dadurch ärger zu bekommen, war viel zu groß.

Ich wollte meinen Arzt nicht unbedingt dazu herausfordern, mir erneut eine Zwangsjacke anzuziehen.

Die Vorstellung war mir eindeutig zuwider.

Ich wollte nicht noch mehr verletzt werden.
 

Ich war einsam. Fühlte mich allein. Hatte das Gefühl, wieder kurz vor dem Sprung zu stehen. Ich stellte mir oft vor, wieder auf dem Dach zu stehen, nach unten zu sehen und über mich nachzudenken.

Manchmal lächelte ich traurig, über mich selbst…über meine Gedankengänge, meine Gefühle. Ich hatte selbstmitleid, mein Leben bestand nur aus nachgeben…aus aufgeben.

Meine Weißkittelfreunde, die ich so unbändig hasste, verschlimmerten das Gefühl der Hilflosigkeit, von Tag zu Tag.

Seit einer halben Ewigkeit saß ich anteilnahmslos und melancholisch in meinem Bett.

Sprach nicht mehr, lächelte nicht mehr, ließ mich gehen…versank in meiner Gedankenwelt.

Etwas zu essen rührte ich immer noch nicht an.

Ich war wesentlich ruhiger, als noch vor ein paar Tagen. Ich war wesentlich schweigsamer.

Rebellierte nicht mehr gegen den Arzt. Ich rebellierte auch nicht gegen den Psychoheini. Ich erzählte ihnen, was sie wissen wollten. Hauptsache sie ließen mich danach wieder in ruhe.

Die Tabletten schluckte ich brav. Ich nahm auch die Infusion in Kauf.

Sie hatten meinen Willen gebrochen, als sie mich in die Zwangsjacke gesteckt hatten.

Damit hatten sie eindeutig gezeigt, wer hier der Chef ist.

Und ich fügte mich.

Immer wieder.
 

Ich war nun schon zwei Wochen in der Klinik. Ich kannte niemanden, wollte niemanden kennen.

Trotzdem forderte mein Psychologe mich nach eineinhalb Wochen schließlich dazu auf, jeden Tag für eine Stunde in den Gemeinschaftsraum zu gehen.

Ich tat was er wollte, doch ich konnte dem nichts abgewinnen.

Ich wurde von jedem ignoriert, außerdem war es schwer, mit anderen, Kontakte zu knüpfen, die überhaupt keine gemeinsame Basis mit mir bildeten.

Okay…sie waren alle Idioten, wie ich selbst.

Doch sonst…

Es gab einige Alkoholabhängige, einige Selbstmordversuche…doch niemand kam an mich ran. Ich hatte Drogen genommen und war beinah vom Dach gesprungen.

Niemand hatte meine Klasse.

Niemand hatte schon so viel durchgemacht wie ich.

Es gab zwei, die halbwegs in meinem Alter waren. Vielleicht auch etwas Jünger.

Beide hatten einen Selbstmordversuch hinter sich. Das Mädchen hatte mit ihrem Freund Schluss gemacht, und der Typ hatte sein Abitur nicht bestanden.

Ich konnte nichts mit ihnen anfangen. Klar…sie hatten bestimmt auch keinen Ausweg gefunden, aus ihrer Situation, doch in meinen Augen waren das belanglose Sachen.

Ich empfand es als harmlos.

Pff…wegen einer beendeten Beziehung, sich gleich die Pulsadern aufzuschneiden, war einfach nur Hirnrissig.

Idiotisch in meinen Augen, nicht nachvollziebar.

Viel zu überzogen reagiert…vor allem da es so viele Männer auf dieser Welt gab…
 

Nach der Stunde, die ich täglich in dem Gemeinschaftsraum verbrachte, machte ich mich auf den Rückweg zu meinem Zimmer.

Verschanzte mich in dem kleinen Raum, den ich glücklicher Weise ganz für mich allein hatte, stellte den Infusionsständer neben das Bett und legte mich hin.

Ich zog die Beine an, wie ich es in den letzten zwei Wochen so oft tat, schlang meine Hände um meinen Oberkörper und schloss die Augen.

Ich fühlte mich schlecht. Mir ging es gar nicht gut.

Die depressive Stimmung fraß mich innerlich auf.

Ich musste hier weg.

So schnell wie möglich.

Doch wie? Ich konnte nicht wieder durch das Fenster flüchten.

Das war zu auffällig, sie würden es sofort bemerken.

Durch den Haupteingang spazieren?

Auch quatsch.

Außerdem wollte ich nicht wieder ärger bekommen. Ich konnte mir die Maßnahmen schon vorstellen, die im Fall einer erneuten Flucht auf mich zukommen würden.

Davor hatte ich viel zu viel Bammel.

Also blieb ich wo ich war…wie schon die ganzen Tage über…

Ich verhielt mich ruhig, lebte in meiner eigenen kleinen Welt, dachte viel über mich nach, und auch über mein Leben.

Ich dachte nach, über meine Vergangenheit, und auch über meine Zukunft.

Was erwartet mich, wenn ich hier raus bin?

Finde ich Arbeit? Kann ich eventuell sogar eine Ausbildung noch absolvieren?

Immerhin…einen Abschluss hatte ich.

Vielleicht könnte ich auch auf dem Bau arbeiten, oder so.

Wenn ich in einer besseren, körperlichen Verfassung wäre, könnte ich ja vielleicht auch mal eine Ausbildung, im öffentlichen Dienst, machen…

Ob mir das liegen würde?

Ich seufzte leise.

Wie kam ich nur auf diesen irrwitzigen Gedanken?

Sam schon wieder? Spukt er wieder in meinem Kopf herum?

Ich vermisste ihn.

Obwohl ich ihn nicht kannte, sehnte ich mich nach ihm. Er war der erste Mensch auf dieser Welt gewesen, der sich für mich interessierte.

Ob er je wieder kommt?
 

Langsam schleppte ich mich am nächsten Tag in den Gemeinschaftsraum.

Ich quälte mich durch die Gänge und setzte mich vor Ort einfach auf die Couch, die dort stand.

Der Raum war von verschiedenen, angenehmen und unangenehmen Gerüchen erfüllt.

Ich roch den Rauch, der Raucher, genauso wie den Geruch der Pflanze, die neben mir stand.

Es war schön, wieder mal den Geruch einer Pflanze in der Nase zu haben. Ich vermisste die Natur…

Vielleicht hellt sich meine Stimmung etwas auf…wenn ich mal raus darf…
 

Wenig später saß ich in meiner Therapiestunde und hörte mir das langweilige Gelaber des Psychoheinis an.

„Darf ich spazieren gehen?“ fragte ich meinen Psychologen kleinlaut, als er endlich zum Ende kam.

Er sah mich erstaunt an.

„Nein. Natürlich nicht! Diese Verantwortung kann ich nicht übernehmen. Du bleibst schön drin. Es ist viel zu gefährlich dich raus zu lassen. Du haust bloß wieder ab, oder baust irgendeinen anderen Scheiß. Du bist noch nicht so weit.“

Meine Stimmung sank noch tiefer.

Verdammt…

Warum musste das alles so kompliziert sein?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dayce
2008-04-23T17:21:09+00:00 23.04.2008 19:21
Mich würde es voll ankotzen, so eingesperrt zu sein, und wie die mit ihm umgehen, oh mein Gott.
Klar müssen die auf ihn aufpassen, aber mehr Freundlichkeit und weniger "Gewalt" wäre es vielleicht erträglicher. Die Selbstironie ist gut rauszulesen und auch die "Sehnsucht" nach Sam. Hat er ein gutes Wort eingelegt ? Mal schauen was noch passiert.
Die ansteigende Spannung ist auch nicht zu verachten, den man will halt wissen wie es weiter geht. Kriegst du gut hin!


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