Neuntens
Neuntens
„Ren, kommst du?“
„Ja ja.“
Er merkte ihm nichts an. Der Chinese packte noch den Rest der Einkäufe ein, nur um dann dem hyperaktiven Ainu zu folgen.
„Beeil dich! Anna macht sonst Hackfleisch aus uns!“
„Wer ist den bei der Süßigkeitsabteilung stehen geblieben?“
„Oh! Das ist fies!“
So war es immer. Sie neckten sich – als streiten konnte man das ja nicht bezeichnen – und der Ainu grinste kurz nach seiner entgegen gesetzten Aussage wieder. Wieso konnte er so fröhlich sein?
Es war und blieb ihm ein Rätsel.
„Ren, du bist dran mit kochen!“
„Ja, Anna-san.“
Er wagte nicht irgendeinen Widerspruch auch nur zu denken, schließlich konnte das Verbrennungen dritten Grades auslösen. Horo schien das ganze wohl vergessen zu haben, den kurz nachdem Anna zu ihm meinte, dass er dem Schwarzhaarigen helfen sollte landete eine Pfanne mit großer Wucht auf seinem Haarschopf, wo nun eine Beule wuchs.
Ren ließ sich nicht beirren und fing mit dem kochen an. Wie es die liebe Anna gerne haben wollte… er sollte aufhören zu denken, er konnte ihren Blick spüren.
Wieso ging er dennoch hierher?
Weil der Ainu hier war. Dieser jammerte über seine Beule und saß noch leicht ausgeknockt am Fußboden.
„Man! Wieso muss sie uns immer schlagen?“
„Weis nicht.“
„Egal… hast du schon angefangen? Was soll ich machen?“
Ren teilte ihm seine Aufgabe zu, an der sich der Ainu auch machte. Er war zwar kein guter Koch, er gab sich aber Mühe. Nebenbei erzählte er wieder von Pilica, welche ihn ähnlich behandelte und so weiter.
Der Chinese hörte nur mit einem Ohr zu. Er merkte nichts. Nicht, das er sich selbst anders benahm, aber er fühlte sich anders.
Auch wenn er das Gefühl nicht beschreiben konnte. Es passte in keine Kategorie die er kannte. Und keinem fiel es auf, das ihm manchmal so war das er sich selbst in Stücke reißen wollte.
„Ren?“
Er blickte zu dem der ihn ansprach.
„Hörst du mir überhaupt zu?“
„Ja, aber es ist uninteressant.“
„Ich hör dir aber auch zu, egal wie langweilig es ist!“
„Als ob ich je viel sage.“
„Du bist so ein depressiver Typ... kann ich ja nichts für!“
Depressiver Typ? Horo wusste nicht, wie Recht er hatte.
„Dafür kann ich kochen.“
Dafür bekam er nur eine gewisse Zunge zu Gesicht.
Eigentlich wollte er den Ainu anschreien, rumwüten und Sachen durch die Gegen schmeißen, er tat es aber nicht. Er fragte sich, seit wann sein inneres so zweigeteilt war.
Es war angenehm hier oben.
Nachdem Yoh bei Anna in das Zimmer eingezogen war, konnte er nachts meist nicht auf das Dach hinaus, sodass der Chinese das nun oft nutzte um alleine nachzudenken. Aber nicht zuviel, sonst wurde er richtig depressiv.
Die Nacht war kühl, was aber angenehm nach der Hitze des Tages war. Er sah zu den Sternenbahnen, die man gut erkennen konnte.
Doch noch bevor er einen negativen Gedanken machen konnte, hörte er ein Schnauben, was nur von einer Person sein konnte: Horo.
„Na? Gefällt es dir hier?“
Der Ainu ließ sich neben den Chinesen fallen. Er ahnte zwar, das etwas nicht in Ordnung war oder das er alleine sein wollte. Aber bei der Gedanken dass er hier mutterseelenallein dasaß und vor sich hinbrütet, gefiel ihm noch weniger.
„Sonst wäre ich nicht hier.“
„Stimmt.“
Ren wünschte sich, das Horo abhauen sollte. Er war hier fehl am Platz, war er doch höchstwahrscheinlich der Grund für seine derzeitige Gefühlslage.
Sie saßen wenigstens erst schweigend nebeneinander.
Plötzlich schien der Ainu die Stille nicht zu mögen.
„Ich muss immer wieder staunen wie gut du kochen kannst.“
„Mhh.“
„Ehrlich, sogar Anna hat heute doch Zwei Teller voll gegessen, ich glaube wenn sie könnte würde sie dich als Koch einstellen.“
„Mhh.“
„Sag mal… hab ich nur so das Gefühl, oder ziehst du dich etwas zurück?“
„Wenn wäre es doch egal.“
„Ren?“
So kannte er ihn überhaupt nicht.
Der Schwarzhaarige winkelte ein Bein an und stützte einen Arm darauf. Dann sah er Horo an, welcher ihn mit erstaunten Augen ansah.
„Was? Du hast doch gesagt ich bin ein depressiver Typ.“
„Doch aber nicht so…“
Horo sah fast so drein, als wäre er verletzt, nicht Ren.
Ren hasste einerseits Horo, diesen immerzu fröhlichen Kerl, der so gut war, das er sich daneben immerzu schlecht vorkam. Egal wie gut er war, wie sehr er sich bemühte, es schien nur ein Tropfen in der Wüste zu sein. Horo hatte vieles, was er nicht hatte. Er mochte vielleicht klug sein, sein einziger Vorteil, das war der Ainu aber auch, auch wenn man es ihm nicht ansah. Er hasste ihn, und bewunderte gleichzeitig wie ein kleines Kind seinen Freund. Er löste so einen Zwiespalt in ihm aus, das er vor allem vor ein paar Tagen noch dachte er müsste sich umbringen.
Horo sah ihn nur an, immer noch leicht verletzt und enttäuscht.
„Tut mir leid, wenn ich dich damit verletzt haben sollte… so war das ehrlich nicht gemeint.“
„Hau einfach ab.“
Seins Stimme war so kalt wie lange nicht mehr, der Ainu erschrak richtig, wurde dann trotzig.
„Werde ich nicht solange ich dir nicht was gesagt habe!“
„Dann sag es.“
Aber dann musste er verschwinden, weil sonst die Gefühle, die so lange in ihm wahren, die niemand außer ihm sah, auszubrechen drohten.
„Ich liebe dich.“
Ren blinzelte.
„Dann bist du verrückt.“
„Mag vielleicht sein, aber…“
„Richtig verrückt.“
Er stand auf, Horo sah ihn abermals an.
„Warte mal! Lass mich ausreden!“
„Was willst du denn noch sagen? Ich hab dir nur eins zu sagen.“
„Und das wäre?“
„Ich hasse dich.“
Dunkelblaue Augen blickten in goldene Augen, die nicht zu lügen schienen.
„Du lügst.“
„Nein.“
„Du lügst.“
„Muss ich mich wiederholen?“
„DU LÜGST!“
Horos Stimme war so laut, das sie fast in den Himmel zu gehen schien.
„Nein, tue ich nicht.“
Erst jetzt sah er etwas in Horos Augen funkeln, der den Kopf abwandte, unfähig weitere Worte zu sagen.
Ren kniete sich hin und legte einen Finger unter Horos Kinn, sodass er ihn ansehen musste.
Und nun sah er das was glitzerte. Tränen.
Er weinte wegen ihm.
Er konnte manchmal unsensibel sein…
Horo zog seinen Kopf weg.
„Wolltest du nicht gehen?“
„Du hast mich ja nicht ausreden lassen…“
„Dann sag es doch endlich.“
„Ich hasse dich… und ich liebe dich.“
Horo sah ihn an, als ob er erst nicht richtig gehört hatte. Dann stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. Er beugte sich leicht vor und zog Ren zu sich herunter, bis er ihn umarmte.
„Danke.“
Für was? Für was bedankte sich der Ainu auch noch?
Er würde diesen Blauhaarigen Kerl nie verstehen. Erst recht nicht wie er mit diesen Gefühlen leben konnte.
Ren konnte es nicht erklären, er wusste nur, dass er hier in Horos Armen ruhiger war. Nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Er konnte die Gefühle die er hatte noch immer nicht in Worte fassen. Sie waren viel zu sehr gemischt miteinander. Zusammen aber ergaben sie ein viel stärkeres Gefühl.
Er war verrückt, Horo ebenso, passte das nicht?
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