Cicatrice - Gegenwart
Kapitel 12:
Cicatrice - Gegenwart
Zorros Sicht
An dem Tag hatten wir in der ersten Stunde Matheunterricht beim Gimon. Der wollte Funktionen mit
uns durchnehmen und hat ganz viele Tabellen an die Tafel gemalt. Ruffy neben mir hatte das nicht alles
mitgekriegt und musste es dann von Vivi erklärt bekommen, die vor uns saß. Nami hatte übrigens das
gleiche Problem mit mir, aber egal jetzt. Es muss ein Montag gewesen sein, da gerade erst das
Wochenende um war. Am Donnerstag war dieses Picknick, das wir hatten und am Freitag hatte Sanji in
der Schule gefehlt. Doch an dem Tag in der Mathestunde ist er dann aufgekreuzt, ich dachte, er wäre
auf dem Schwänztrip gegangen. Der Gimon hat uns grad ne Regel diktiert, als es an der
Klassenzimmertür kurz klopfte und diese dann gleich darauf aufging, es war Sanji.
Als er reinkam, muss ich zugeben, war es, als würde er kalten Wind von draußen mit reinbringen, das
war richtig komisch. Normal beeindruckte mich nie groß was, aber das hatte irgendwas. Seine Haare
waren entweder voll gesprayt oder er hatte auf dem Weg hierher einen Regenschauer abbekommen,
was bei den Sommertemperaturen auszuschließen ist. Er lief an der vorderen Tischreihe vorbei, ohne
einen Blick in die Klasse zu werfen. Sein Blick war außerdem total starr nach vorne gerichtet, was man ja
ansonsten gar nicht von ihm kannte. Ich hob bei der Szene die Augenbraue und habe alles genau
beobachtet. Der Gimon hat sogar zuerst freundlich gefragt, was er so spät kommt, und dass er sich
entschuldigen soll, aber Sanji hat den total ignoriert und ist bloß zu seinem Platz in meiner hinteren
Reihe gegangen. Als er durch den Mittelgang gegangen ist, sah jeder deutlich, dass seine Unterlippe
aufgeplatzt war. Das sah echt übel aus, als ob er eine Schlägerei hinter sich hätte, aber mir war sofort
klar, dass er dann auch ein paar blaue Flecken mehr hätte, es musste etwas anderes gewesen sein.
Diese Platzwunde wurde ja dann zur Narbe, wie er sie heute normal hat. Im Nachhinein wollte er uns
auftischen, dass er sich beim Kochen geschnitten hatte, aber das hat ihm natürlich keiner abgekauft.
Ich hatte die ganze Zeit im Hinterkopf, dass da ne Messersticherei abgelaufen war. Naja jedenfalls lief
er zu seinem Platz und da war der Gimon natürlich sauer und hat gefragt, was das soll. Sanji hatte dann
seinen Ranzen abgelegt und sich ohne ein Wort hingesetzt. Der Lehrer hat schon mit
Klassenbucheintrag, dem Direx oder Schulverweis gedroht, das war bei dem seine Art, der kann nicht
anders mit Schülern klarkommen. Aber Sanji hatte voll die Ruhe weg und hat gar nichts gesprochen. Ich
hatte dann so ne Schrecksekunde wo ich dachte, dass ihm vielleicht nicht nur der Mund verletzt,
sondern vielleicht die Zunge hätte abgeschnitten sein können, aber das hatte ich dann schnell
verworfen. Als er dann endlich meinte: „Entschuldigen Sie, Herr Gimon, aber ich habe verschlafen und
bin deshalb zu spät.“, ist dem echt der Geduldsfaden gerissen. Sanjis Antwort war überfreundlich, total
gespielt und alles andere als Ernst gemeint. Dass der Kerl so viel Mumm hatte wusste ich gar nicht,
aber wer traut das schon so einem Jungen wie er es war zu? Unter Fluchen schrieb der Gimon was ins
Klassenbuch, während Sanji in aller Ruhe seinen Unterrichtskram herausholte und so tat, als würde er
mitarbeiten wollen.
Die Szene, als er ins Klassenzimmer kam, ist mir lange danach noch nicht aus dem Kopf gegangen.
Diesen kühlen Windhauch, der hinter ihm reingezogen ist, war alles andere als gewöhnlich. Nach der
Stunde war eine Fünfminutenpause, in der wir den Saal wechselten. Schon als wir im Schulflur waren,
zündete er sich eine Zigarette an. Normal war mir immer egal, wer von den anderen was tat, aber an
dem Tag fiel Sanji eben besonders auf. Normal rauchte er bloß in der großen Pause, also bei einem
Saalwechsel war es unüblich. Er schien echt was erlebt zu haben und ich hörte mit, als Lysop fragte,
was los war und wo er am Freitag gesteckt hatte. „Mann, ich war krank.“ kam es von Sanji und sogar
Ruffy durchschaute diese Lüge. „Von wegen, du bist doch kerngesund!“ hielt er dagegen. Sanji war
einerseits die Ruhe und Selbstbeherrschung in Person, andererseits innerlich extrem angespannt, so
was merke ich immer sofort. „Und wieso ist dein Mund so aufgedroschen?“ wollte er zusätzlich wissen.
Ich sah mich nach den anderen Klassenkameraden um, die sich schon vor der nächsten Tür sammelten.
„Ich bin mit nem Küchenmesser ausgerutscht.“ tischte er uns auf, was wieder bei keinem zog. „Von
wegen!“ rief Ruffy beleidigt, denn dass man ihn für sooo dumm verkaufte, hat er in dem Moment echt
zu spüren gekriegt. Sanji sah gar nicht weiter zu einem von uns, sondern bloß in der Gegend herum, als
ob wir unwichtig wären und dieses Verhalten fand ich echt beschissen. „Sag jetzt was los war!“ beharrte
der Sturkopf und Sanji meinte mit gelassener Stimme „Ja, ich wollt eben was kochen und hab auf ne
Messerspitze was von dem Essen getan, und als ich grad probieren wollte bin ich abgerutscht und hab
mir dabei die Lippe aufgerissen.“ war seine plumpe Erklärung, mit der sich Ruffy dann abgab. Also für
so dumm schätzte ich den Koch nicht ein, aber bei menschlichem Ungeschick kann ja alles Mögliche
passieren, also dachte ich auch nicht weiter darüber nach.
Sozialkunde mochte ich auch nicht, da habe ich nie eines der Systeme kapiert. Den Lehrer, den wir da
hatten war ziemlich streng und wenn einer nicht aufpasste musste der gleich Zusatzaufgaben
erledigen, und das nicht zu knapp. Da jedem seine Freizeit heilig war wollte sich das auch keiner
erlauben. In der Stunde war noch was Lustiges passiert. Also im Unterricht dachte der Lehrer, dass Sanji
in seinem Heft malte und wollte es ihm abnehmen, wobei er dann keine Anstalten gemacht hat. Alle
dachten, dass er jetzt ne Strafarbeit machen müsste, doch Sanji hatte sich in Wirklichkeit Notizen von
dem gemacht, was der Lehrer vorher gelabert hatte. Das war für den voll die Abfuhr, und im Übrigen
kann es dem doch egal sein, ob Schüler zuhören oder nicht, immerhin würde jeder seine Rechnung im
Zeugnis zu begleichen haben. Nach dem endlos langen Schultag, wie immer, gingen alle nach Hause.
Da konnte ich noch mal einen Blick auf Sanjis zukünftige Narbe werfen, über welche sich Nami schon
Sorgen gemacht hatte. Sie benahm sich manchmal echt mütterlich, wollte wissen, ob er beim Arzt war
und so weiter. Aber sie ist eben ein Mädchen und das akzeptiere ich ja auch. Ich weiß schon, warum ich
keine Freundin haben will, mir reicht das Fechten, das ich habe. Naja ich bin dann halt nach Hause
gegangen und habe mir ne Dose Ravioli warm gemacht.
erstellt am 13.04.2007
4Kolibris,
Elena