Grief - Pubertät 13
Kapitel 25:
Grief - Pubertät 13
Jeffs Sicht
Ich laufe durch das poplige Haus. Der Junge hat jetzt alles was er braucht. Ich verlasse das Haus und
komme meinem Wagen entgegen. Ich steige ein und lasse den Motor an. Ich stecke den Schlüssel im
Zündschloss um und fahre los zu Lydia und Seulgi.
„Lass mich in Frieden!“ kreischt Seulgi durch ihre Zimmertür und mein Dickkopf widersetzt sich, locker
zu lassen. „Du wirst jetzt Essen kommen, junges Fräulein!“ rufe ich durch die Tür. Ich kann sie zwingen.
„Ich hab aber keinen Hunger!“ Lydia hat mich gebremst, in Seulgis Privatsphäre zu treten. Ihr Zimmer
braucht sie als Zufluchtsort. „Du kommst jetzt!“ Meine Hand legt sich auf die Türklinke und ich warte
noch einen Moment, bevor ich sie runterdrücke. Man hört Schritte und Seulgi macht die Tür auf. Mich
ignorierend läuft sie ins Esszimmer und hockt sich trotzig hin, den Kopf launisch in die Ellenbogen
gestützt. Sie war noch nie in ihrem ganzen Leben so ungehorsam. Lydia stellt den Topf auf den
Untersetzer in die Mitte des Tisches und geht zurück in die Küche. „Soll ich dir auftun?“ frage ich meine
Tochter. Sie hat keine Lust den Mund aufzumachen und von daher nehme ich ihren Teller. Lydia kommt
gerade mit einem Schopflöffel zurück und ich tue uns dreien auf. Hier am Tisch fehlt niemand. Aus den
Augen, aus dem Sinn.
///
Verdammt, was tickt sie jetzt schon wieder aus!? Das wird eine schreckliche Angewohnheit, wenn sich
Seulgi mir immer widersetzt! Das alles ist nur wegen diesem Kerl! Was hat er mit ihr gemacht!? Ihr die
Unschuld geraubt und die Ordnung in meinem Zuhause auf den Kopf gestellt! Ich bin auf
Hundertachtzig und lasse mich im Wohnzimmer in den Sessel fallen. Lydia kommt zu mir und massiert
mir meine Schultern. Wir schweigen für kurze Zeit, bis ihre Stimme die Stille durchbricht. „Hast du dir
die Wohnung angesehen?“ Ich brumme zur Antwort. „Wird sie ihm auch gefallen?“ „Muss.“ Sie lässt von
meinen Schultern ab und nimmt im anderen Sessel Platz. Ich bin der Herr im Haus. Ich kann mit dem
Buben machen was ich will. Er wird auf eine andere Schule gehen und Seulgi nie wieder sehen. Vorerst.
Lydia hat dagegen protestiert, dass ich ihn aufs Internat schicke. Das sei sein Albtraum, aber der hätte
sich das alles früher überlegen sollen. „Ich finde es schrecklich, was du getan hast.“ wirft Lydia den Satz
in den Raum. Ich sehe sie stur an. Man muss sich doch zur Wehr setzen, wenn sein Ein und Alles
beschmutzt wird. Hintergangen zu werden ist das Abscheulichste, das auf Erden existiert. Und dann
auch noch in meinen eigenen vier Wänden, wo man von Vertrauen und keinerlei Gefahren ausgeht.
Seinetwegen gehorcht mir Seulgi nicht mehr. Aber ich hätte nie akzeptieren können, wenn meine
Tochter mit ihrem Stiefbruder zusammen wäre. Ich habe sie wohl nicht streng genug erzogen. Ich
dachte es sei klar, dass sie keinen Sex vor der Ehe hätte! Keinen Anstand heutzutage! Dann auch noch
mit dem Kerl, dem ich immer Halt geboten habe. Ich wollte auf die Zukunft beider bauen und hätte sie
auf ihren Berufswegen unterstützt. Aber der Taugenichts soll erstmal die Schule schaffen, dann kann er
aber alleine zusehen, wo er ohne mich bleibt. Der wird sich hier nie wieder blicken lassen.
///
Zum Abendessen will Seulgi auch nicht kommen, aber das Kind muss doch was essen! Langsam machen
sich Sorgen in mir breit und ich stelle einen Teller vor ihre Tür. Später am Abend sehen Lydia und ich
Fern. Sie hat sich auch total von mir abgewendet, muss aber meinen Willen so hinnehmen, wie er ist.
Seulgi kommt urplötzlich ins Wohnzimmer und hat rot geweinte Augen. „Ich hab so Kopfweh!“ jammert
sie und ich stehe auf. Sie kommt zu mir und ich lege meine Arme um sie. „Ich hab richtig schlimmes
Kopfweh!“ wiederholt sie sich. Ich streiche über ihren Kopf. „Lydia, bring ihr bitte einen Tee.“ Sogleich
steht sie auf und eilt in die Küche. Ich sehe meinem Schatz ins Gesicht und wische die Tränen fort. „Das
wird schon wieder.“ Sie reibt sich über die Augen und klagt weiter über Kopfschmerzen.
///
Lydia kann und kann sich nicht aufs Lesen konzentrieren. Sie starrt nur auf einen Fleck in ihrem Buch,
ihre Augen bewegen sich gar nicht. Ich liege auf der linken Seite unseres Ehebettes und beobachte sie
schon eine Minute lang. „Was hast du?“ erkundige ich mich und sie dreht ihren Kopf in meine Richtung.
„Ich fürchte...“ beginnt sie und macht den Satz nicht zu Ende. Ich nehme ihr das Buch weg und lege es
auf den Nachttisch neben mir. „Ja?“ möchte ich sie zum Singen bringen. Sie sieht mir in die Augen und
ich erkenne Reue, wie auch Angst. „Ich fürchte, dass ich keine gute Mutter bin.“ Es entsteht eine kurze
Pause. „Unsinn. Ich bin hier der schwarze Peter für die beiden, nicht du.“ Sie vertieft sich in die
Bettdecke und ihr Blick wird leerer. „Schon als Sanji kleiner war, hab ich mich nie richtig um ihn
gekümmert.“ beginnt ihre Mitleidsrede und sie führt sie fort: „Ich finde, dass er sich richtig gut
entwickelt hat, obwohl sein Vater abgehauen ist. Darum bin ich ja sehr froh, aber jetzt kann ich keinen
Zugang mehr zu ihm finden. Weil er ja jetzt alleine wohnt.“ Jetzt kommt die Masche, daran lässt sich
doch auch nichts mehr ändern. „Es ist so gekommen, wie es kommen soll. Glaubst du nicht an
Schicksal?“ Auf solche Ansprechungen kann keine Frau abweichen. „Nein.“ sagt sie ungläubig. „Ich hätte
vieles besser machen müssen. Das hat doch nichts mit Schicksal zu tun.“ Ich erhebe das Wort. „Mach dir
jetzt keine Vorwürfe, Lydia!“ Wir halten unserem Blick stand. Sie spricht weiter. „Ich wohne hier mit dir
und Seulgi, aber habe Sanji jetzt nicht mehr. Das ist einfach nur...“ Sie sieht an die Decke und ich drehe
mich auf die andere Seite. „Bei mir ist er unten durch. Dass er von dir so abweicht, konnte doch keiner
wissen. Das hat nichts mit Erziehung zu tun.“ Auch wenn ich sie nicht sehe, weiß ich, dass sie das nun
beschäftigt. Sie knabbert bestimmt an ihren Fingernägeln, ich kenne sie gut. „Das ist es nicht.“
Vielleicht sollte ich das Thema abhaken. Irgendwann hole ich den Buben ja sowieso zurück, aber er
muss lernen, dass ich mir das nicht gefallen lasse. In einem halben Jahr erlaube ich es ihm wieder, hier
zu wohnen. Vielleicht hat er sich bis dahin gebessert. Aber das sind nur Sekundenbeschlüsse. Ich sage
davon keinem was, erstmal müsste er mir beweisen, dass er reifer geworden ist, falls das möglich ist.
Jetzt denke ich schon an so was, ich bin echt müde. Bekloppt. Ich darf nicht vergessen, zu welcher Sorte
er gehört. Er könnte Seulgi nie glücklich machen und ihr das geben, was sie braucht. Er holt ihr die
Sterne vom Himmel und alles, aber irgendwann würde er sich aus dem Staub machen und ihr damit das
Herz brechen. Womöglich hat er sie dann auch noch geschwängert und sie steht entblößt vor der
Gesellschaft. Dann wäre es ihr zu spät klar geworden, dass ich Recht hatte. Lydias Sohn ist kein Typ der
treu sein kann. Meine Gedanken schweifen mal wider zu viel ab, ich konzentriere mich wieder auf das
Hier und Jetzt. Lydia legt ihre Hand auf meinen Rücken. „Ich glaube, ich habe ihm als Kind nicht genug
Liebe gegeben. Du weißt doch, Kinder brauchen viel Liebe von ihrer Mutter.“ Ich schüttele den Kopf.
Jetzt liegt es an mir, ihr diesen absurden Gedanken auszureden. „Red dir nichts ein. Schlaf besser.“
werde ich noch los und möchte wirklich einschlafen. Sie seufzt und dreht sich auch auf die Seite. Es gibt
nur Probleme hier, der Kerl bereitet uns Sorgen, Probleme, Kopfschmerzen und miese Laune.
erstellt am 30.04.2007
4Kolibris,
Elena