Sapidity - Pubertät 16
Kapitel 31:
Sapidity - Pubertät 16
Sanjis Sicht
Wir kommen im Club an und ich fühle mich von innen nach außen umgekrempelt, das ist meine Welt,
hier auf der Szene kann ich richtig leben. Tamara und ich bahnen uns zu der Clique durch und werden
von Agotogi empfangen. So wie viele andere hier auch ziehe ich an meiner Kippe, den besten Tabak,
den ich bis jetzt kenne, ist Black Devils. Den Rauch möchte ich so lange wie möglich nicht aus den
Lungen lassen, da stößt Pola zu uns hinzu und zwängt sich in unsren Halbkreis, ihre Augen kommen
bei den dunkelblauen, gelockten Haaren nur mehr zur Geltung als sonst und man sieht ihr an, dass sie
voll auf’m Trip gekommen ist. Agotori teilt uns wieder Pillchen aus, jeder muss geduldig warten, bis er
an der Reihe ist, und auch ich beherrsche mich noch. Das Dröhnen und der Gestank hier sind mein
Zuhause, komme täglich hierher, bin nachts nur noch auf der Szene, habe dadurch keine Probleme
mehr. Bei Mama oder sonst wem hab ich mich gar nicht mehr gemeldet, wurde ja regelrecht
rausgeekelt, hier ist meine richtige Familie. Alle aus der Clique akzeptieren einander, jeder behält seine
Sorgen für sich, um die anderen nicht zu nerven oder voll zu labern. Wir entspannen zusammen und
probieren kreuz und quer alle Pillenkombinationen aus, die uns einfallen. Ich bin nun an der Reihe und
strecke meine Hand aus, bekomme meine übliche Ration und mache mich dann damit vom Acker.
Tamara kommt hinter mir her und klammert sich von hinten um mich, bis wir auf der Tanzfläche
landen. Wir tanzen bis zum geht nicht mehr, ich fühle mich wie immer ultra leicht, happy, hab hn tolles
Mädel und bin nicht auf Horror. Man kann manchmal auf einen Horrortrip kommen, wenn man einen
neuen Mix ausprobiert, das ist mir bis jetzt auch schon mal passiert. Das kann einem voll Angst
einjagen, weil man sich die dümmsten Sachen einbildet, echt irre.
Tamara zieht mich an den Rand der Tanzfläche, auch wenn es da genauso eng ist wie überall in der
Halle, sie ruft mir was begeistert zu. „Hey Blondie, u usst unedingt al en Eedall roieren!“ Ich beuge mich
weiter zu ihr runter, um sie besser zu verstehen. „Was?“ rufe ich und sie wiederholt sich. „Ich hab
gesagt, du musst unbedingt mal nen Speedball probieren!“ Ich sehe ihr direkt ins Gesicht, da ich diesen
Mix noch gar nicht kenne. Alle Mixe werden verschieden genannt, das gefällt mir, weil man nie weiß,
was sich dahinter verbirgt. „Was ist in Speedball drin?“ will ich wissen und werde von ihr am Kragen
noch weiter zu ihr runter gezogen, sie schreit mir fast ins Ohr. „Kokain!“ Ich weiche ein Stück zurück
und sehe ihr ins rotbraune Gesicht, das Licht ist sowieso ganz dumpf und auch total vernebelt. Ich
bereite zwei Zigaretten vor, für uns beide, und gebe ihr die Sargkeule, mit einem Grinsen. „Wenn du mir
so was besorgst, probier ich mal!“ rufe ich und sie beginnt zu lachen. Sie verschwindet in der Menge
und ich bleibe an der Wand gelehnt. Ich fühl mich super gut, siegessicher, reif, erfahren, cool, ziehe an
der Fluppe und spucke auch mal auf den Boden. Drogen sind das Beste überhaupt, man kann voll
entspannen und ich hab super Leute hier kennen gelernt. Das Black Devils hat sich auf meiner Zunge
ausgebreitet, ich blase den Rauch in die Luft, nur, um danach möglichst schnell einen neuen Zug zu
nehmen. Tamara kommt zurück, ich erkenne sie an dem auffälligen Top, wo das Weiß im Licht leuchtet,
sie streckt mir schon von Weitem ihre Hand entgegen, damit ich den Speedball nehmen kann. „Danke,
Mara!“ schreie ich und schlucke nach einmal tief durchatmen den Mix runter. Sie ist nun ganz bei mir
angekommen und fällt mir um den Hals, lässt ihr Gewicht unter mir zusammensacken, absichtlich. Ich
muss sie festhalten, dass sie nicht bis zum Boden runterrutscht, sie lacht dabei wie eine Irre, sie ist
wohl ganz hin und weg. „Und da ist Kokain drin?“ frage ich in angemessener Lautstärke, gibt es Kokain
pur zu schlucken? Sie grinst über beide Ohren und möchte mir etwas verraten, den Gesichtsausdruck
kenne ich ja schon. „Ein Speedball ist Kokain und Heroin! Ich denke, dass du das mal probieren
wolltest!“ Heroin ist das drin!? Ich dachte, dass kann man nur rauchen und schnupfen oder sich fixen,
aber auch als Pillengemisch? Ich weiß natürlich, dass es hier auch Heroin gibt, bei den ein oder anderen
Dealer, aber hat sie das wirklich von Agotogi bekommen? Ich dachte der hat nur Ecstasy. „Zeigt’s schon
Wirkung?“ ruft sie mir zu und ich schüttele den Kopf, noch nicht.
Irgendwann verlassen wir die Szene und laufen zu ihr. Mein Kopf hat hundert pro ein Loch, wo kalte
Luft reinzieht, aber egal wie oft ich mir drüber fühle, da ist nichts. Alles dicht. Ich kriegs nicht mehr
ganz hin, ein Blättchen zu drehen und geb’s irgendwann sogar auf. Wir kommen nach elend langer Zeit
an der Brücke an, lehnen uns dort kurz an und verschnaufen. Ganz schön anstrengend bis hierhin zu
laufen. Aber es geht immer weiter und wir erreichen auch ihre Wohnung. Ich könnt mich ins Bett werfen
und sieben Jahre durchpennen, andererseits pulsieren meine Adern und bin hellwach. Die Wohnungstür
fällt ins Schloss und ich renne ins Bad, muss mich übergeben. Das tut richtig gut, da fühlt man sich
echt leichter, ich fühl mich danach immer wie von irgendwas befreit. Kotzen ist nicht schlimm, im
Gegensatz, das ist vollkommen normal, seit ich auf die Szene gehe. Ich spüle mir im Waschbecken den
Mund mit Wasser aus und gehe in Tamaras Zimmer. Sie kniet auf dem Boden und macht eine komische
Pose, steht dann auf, kommt zu mir, ich bleibe starr stehen und warte auf das, was jetzt kommt. Wie in
Trance lächele ich bloß noch, der Abend verlief so reibungslos, so perfekt, da fehlt noch der krönende
Abschluss. Wir küssen uns, ich fühle nur die Wirkung der Droge in mir, nichts sonst, möchte plötzlich
rauchen, geht aber nicht, darum muss ich den Heißhunger meiner Zunge mit Küssen stillen. Alles zerrt
in und an mir, ist irgendwo auch angenehm, ich will mich nur gehen lassen und keiner Verantwortung
mehr stellen. Mara reißt sich die Klamotten vom Leib. Warum auch nicht?
erstellt am 03.05.2007
T4Kolibris,
Elena