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Die letzten Jahre

von

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Folgen der Leichtgläubigkeit

Kapitel XI : Folgen der Leichtgläubigkeit
 

Alexis verschwendete auf Jakobs Befehl hin keine Zeit mehr, den jungen Kobold von damals zu kontaktieren. Mit schwarzer Tinte schrieb er einen verschlüsselten Brief und verschickte ihn schließlich mit einer Krähe, beide hatte er sich von dem Werwolf geliehen. Er war ein wenig aufgeregt, denn seit dem Treffen mit dem Kobold hatte sich einiges verändert, auch sein Selbstbewusstsein. Immerhin hatte er zu dieser Zeit noch nicht gewusst, dass er ‘nur’ ein Mitglied einer kleinen Gruppe sein würde.
 

Er hoffte, dass er vor Niemandem das Gesicht verlieren würde.
 

Die Antwort des Koboldes kam prompt, und zwar noch am selben Tag, abends, gerade als die Sonne hinter den verschmutzten Häusern der Nockturngasse untergegangen war. Er war gerade bei Jakob und schaute überrascht auf, als die Krähe auf der Fensterbank landete. Mit einer so schnellen Antwort hatte er nicht gerechnet.
 

Mit vor Aufregung zitternden Händen begann Alexis, den Brief zu öffnen; Jakob schaute ihm über die Schulter. Rasch überflog er die wenigen Zeilen und lächelte leicht, als er damit fertig war.
 

“Er war besorgt, weil ich mich nicht mehr gemeldet habe, sagt er.” gab er kurz den Inhalt des Briefes wider. “Aber das Angebot steht noch und er ist dazu bereit, sich diese Nacht im Wald mit mir zu treffen.” Erleichtert wischte er sich über die Stirn, obwohl sie vollkommen trocken war.
 

“Ich werde mich hinter einem Baum verstecken.” meinte Jakob knapp und trat einen Schritt von ihm zurück. “Pass auf, dass er auch wirklich allein kommt.”
 

“Glaubst du nicht, dass wir sein Vertrauen missbrauchen, wenn ich nicht allein dahingehe? Immerhin hab ich ihm das gesagt - geschrieben - und er wird sich sicher zu Tode erschrecken, falls er dich entdeckt.” erwiderte Alexis. Er konnte sich mit Jakobs Plan einfach nicht anfreunden. Dieser wollte ihm nicht von der Seite weichen, wegen der Gefahren, sagte er, aber auch, um zu vermeiden, dass er ihn doch hintergehen oder etwas abmachen könnte, womit er nicht einverstanden wäre.
 

“Entdecken wird er mich so oder so.”, sagte Jakob mit hochgezogener Augenbraue, “Oder vielmehr: Ich werde mich ihm zeigen; wann genau, weiß ich noch nicht, spätestens aber, wenn eure Verhandlungen abgeschlossen sind.”
 

Alexis seufzte. Natürlich hatte er keine Chance gegen Jakob, er wurde einfach so nieder argumentiert. Dennoch fühlte er sich immer noch so minderjährig, wenn Jakob über ihn bestimmte.
 

Doch er war nun mal der Anführer, nicht Alexis.
 

“Okay”, ließ er schließlich nach, den Kopf gesenkt, “du hast gewonnen. Aber verschreck ihn nicht.” Jakob schmunzelte, als er das hörte.
 

“Kein Grund, gleich so niedergeschlagen zu sein. Außerdem würde ich es nie wagen, ihn zu ‘verschrecken’. Kobolde sind nämlich gar nicht mal so ungefährlich.” sagte er und wurde wieder ernst.
 

“Nicht?” hakte Alexis erstaunt nach. “Was können die denn?” Er war sich beinahe hundertprozentig sicher, dass Hermine ziemlich sauer auf ihn sein würde, wenn sie das hören könnte, da das Thema Kobolde und deren blutige Aufstände hinlänglich in ihrem Geschichtsunterricht besprochen wurde. Nur hatte er da meistens geschlafen.
 

“Du würdest staunen, wenn du sähest, zu was Kobolde alles fähig sind.” seufzte Jakob. “Ich hab sie damals kämpfen sehen, als Er das letzte Mal an der Macht war … kein schöner Anblick.” Er machte eine Pause und verschränkte die Arme. “Wenn Er nicht grausam war, dann waren es die Kobolde. Sie können nicht nur magische Waffen herstellen, nein, sie können eine Magie aufbringen, die zwar nicht als schwarzmagisch eingestuft wird … die dich dennoch binnen Sekunden in Stücke reißen kann …” Die letzten Worte murmelte, flüsterte er nur, als erinnerten ihn diese an etwas aus seiner Vergangenheit.
 

Er wagte es nicht nachzufragen, was es war.
 

~~~~~*~~~~~
 

Es war stockdunkel, als Alexis und Jakob, in ebenso schwarze Umhänge gehüllt, die sichere ‘Nische’ verließen. Sie waren so gut wie unsichtbar, allein die Helligkeit ihrer Gesichter oder ihrer Hände, die ab und zu, jedoch eher selten, unter dem Stoff hervorblitzen wie Schnee konnte sie verraten. Sie waren das einzige Anzeichen für ihre Existenz.
 

Das, uns Alexis’ Gerede.
 

“Und du bist dir auch sicher, dass du auch mitkommen willst?” fragte er nun schon zum dritten Male.
 

“Ja, verdammt!” Wäre es nicht so dunkel gewesen, hätte man eine Ader an Jakobs Schläfe pochen sehen können. Für Alexis wäre dies wahrscheinlich besser gewesen, denn sein Anführer hatte seine Stimme schon seit Jahren so unter seiner Kontrolle, dass man ihm Gereiztheit nicht anhören konnte, meist auch nicht ansehen, doch darum kümmerte er sich im Moment nicht.
 

“Wir betrügen ihn, das ist dir schon klar, oder?” zischte Alexis ihm ein wenig leiser zu.
 

“Na und?” brummte Jakob zurück. “Das gehört dazu. Pass auf deinen Besen auf.” Er hatte ihn dazu genötigt, diesen mitzunehmen, falls sich das Treffen wider Erwarten als eine Falle entpuppen könnte.
 

Alexis erwiderte daraufhin nichts, sondern konzentrierte sich lieber auf den Weg, den sie vor sich hatten. Wenn er selbst ein Werwolf gewesen wäre, oder wenigstens etwas mehr Übung gehabt hätte, hätten Jakob und er zu dem vereinbarten Treffpunkt laufen können. Doch er, ein Anfänger, würde dies nicht ohne allzu laute Geräusche hinter sich bringen können. Daher hatte Jakob entschieden, den Weg in ‘normalem’ Tempo zurückzulegen; doch selbst dieses war um einiges schneller, als Alexis es gewohnt war.
 

Die Luft hatte etwas Kristallartiges an sich, dass ihm das Gefühl gab, dass bald der erste Schnee in diesem Winter fallen würde. Frierend zog Alexis die Arme an sich und schlang sie um seinen Körper, seine Hände krallten sich in den Umhang.
 

“Ich hoffe, es geht schnell.” griff er das Gespräch wieder auf.
 

“Ich hoffe, es funkt uns keiner dazwischen.” sagte Jakob, er hörte sich alles andere als begeistert an.
 

“Wie meinst du das?” Nachdem Alexis das gefragt hatte, trat eine kleine Stille ein. Eine Weile lang war nur noch das leise Knirschen ihrer Schritte zu hören - möglicherweise auch nur das von Alexis, Jakob schlich wie ein Wolf, was wiederum nicht verwunderlich war - und schließlich, als er schon nicht mehr daran geglaubt hatte, dass Jakob antworten würde, tat er es doch.
 

“Hast du”, fragte er und seine Stimme klang eisig wie die Luft um sie herum, “schon einmal im entferntesten daran gedacht, dass das hier eine Falle sein könnte?”
 

Alexis blieb stehen. Jakob ging weiter.
 

“E-Eine Falle?” stotterte er. Natürlich war es nicht so, dass er dem Kobold blind vertrauen würde, doch er hatte auf ihn nicht den Eindruck gemacht, als würde er etwas verbergen. Ein Abenteuer hatte er erleben wollen, hatte er ihm damals gesagt, und nicht nur in dieser Bank arbeiten. Rasch holte er wieder zu Jakob auf. “A-Aber ich glaube nicht-”
 

“Was du glaubst”, fuhr er ihm dazwischen, “und was nicht, danach habe ich nicht gefragt.” Seine verschiedenfarbigen Augen lugten scharf unter der Kapuze hervor, als er ihn ansah. “Menschen können sich verstellen, wie du sicher schon festgestellt hast. Werwölfe und Kobolde übrigens auch.”
 

Alexis bemühte sich, mit ihm Schritt zu halten und ihm gleichzeitig in die Augen zu blicken.
 

“A-Aber-”
 

“Kein ‘aber’! Wir müssen vorsichtig sein.” befahl Jakob. “Horch ihn ordentlich aus; du bist der Köder.”
 

~~~~~*~~~~~
 

Der Wald näherte sich ihnen wie ein großes, schwarzes Ungeheuer, das sie mit jedem weiteren Schritt zu verschlingen drohte. Obwohl es nicht das erste Mal war, dass Alexis den Wald betrat, fürchtete er sich um einiges mehr. Vielleicht lag es daran, dass es diesmal geplant war und nicht ein verzweifelter Akt, Richard zu finden, bevor er etwas Dummes tun konnte.
 

Er hatte das dumpfe Gefühl beobachtet zu werden, als sie an den dunklen Baumreihen vorbeigingen; ihre Äste ragten wie nach ihnen greifende Arme in die Luft, die letzten Blätter erschienen ihm in der verschwommenen Finsternis wie monströse Geschwülste, der Frost auf ihnen wie die Narben zahlreicher Schlachten.
 

Alexis war aufgeregt; sein Herz hämmerte in unstetem Rhythmus gegen seine Brust und trieb ihn zusätzlich zu seinen Ängsten halb in den Wahnsinn.
 

“Noch weit?” wisperte er leise.
 

Jakob antwortete nicht; langsam erhob er die rechte Hand und ließ ihn anhalten. Stumm sah er sich um, hob sein Gesicht nach oben, drehte sich zu Alexis und nickte ihm kurz zu. Dann verschwand er hinter dem dichten Gebüsch und wurde eins mit der Dunkelheit.
 

Er war allein.
 

Alexis wusste nicht, wieso Jakob ausgerechnet hier angehalten hatte, doch er vermutete, dass er etwas bemerkt hatte, das Alexis nicht fähig war mit seinen Sinnen aufzunehmen.
 

Ein Rascheln erklang von der entgegen gesetzten Seite des Waldes; er wirbelte herum, erschrocken, doch er sah, dass es keinen Grund dafür gab.
 

Es war ein Kobold, und zwar nicht bloß irgendeiner.
 

“Guten Abend.” begrüßte dieser ihn, als er sich die letzten Blätter und Zweige von den Schultern wischte. Alexis schluckte und straffte die Schultern. Er war nervös.
 

“Guten Abend ist gut”, sagte er mit leichtem Zittern, “aber ich würde eher Nacht dazu sagen.”
 

“Jaja, ist ja auch egal. Sie - ich hatte gedacht, hier jemand anderen zu treffen.”
 

“Ach das …“ Alexis winkte ab. “Es ist besser, wenn ich nicht allen zeige, wer ich bin, wissen Sie?“ Der Kobold nickte langsam, Alexis meinte so etwas wie “Also eine andere Gestalt …“ aus seinem Murmeln heraushören zu können.
 

Der Kobold schien in Eile zu sein, denn er hatte kaum, dass er vor ihm stand, angefangen in den Taschen seiner Kleidung zu kramen.
 

“Was suchen Sie?” fragte Alexis. Er hoffte, dass Jakob sich bereit hielt. Die Anspannung, die bereits die letzten Stunden, nachdem er den Brief bekommen hatte, an ihm zehrte, forderte nun ihren Tribut: Kleine Schweißtropfen rannen ihm trotz der Kälte an den Schläfen hinab und hinterließen eisige Schauer auf seinen Wangen und seinem Nacken, als sie die Haut dort berührten.
 

Der Kobold blickte bei der Frage nicht auf.
 

“Etwas Wichtiges.” meinte er nur kurz angebunden.
 

Alexis kam sich unglaublich nutzlos vor, als er einfach nur so dastand und dem Kobold dabei zusah, wie er, anscheinend uninteressiert an ihm, nach diesem ‘wichtigen’ Gegenstand, oder was auch immer es war, suchte. Was musste Jakob nur von ihm denken?
 

Sie waren den Plan einige Male durchgegangen, auch wenn er einfach war. Alexis würde den Kobold vorsichtig aushorchen, nachforschen, ob man ihm trauen konnte, oder ob er sich durch irgendwelche Anzeichen verriet. Jakob hatte ihm diese wenigstens theoretisch beigebracht; Nervosität zum Beispiel zeigte sich durch Zittern und Schwitzen. Aber dass er selbst nervös war, wusste er auch so.
 

“B-Brauchen Sie noch lange?” Er konnte eine leichte Unregelmäßigkeit seiner Tonlage nicht verhindern. Als er abermals schluckte, fiel es ihm schwerer als vorher, seine Kehle war trocken.
 

Er fragte sich, wonach der Kobold so lange suchen konnte; auch wenn die Taschen seiner Jacke größer als normal waren, so glaubte er nicht, dass es möglich war, dort etwas zu verlieren.
 

“Hören Sie”, begann er und versuchte beinahe verzweifelt, seine Stimme unter Kontrolle zu halten, “sehen Sie mich endlich an und-”
 

Er erstarrte. Kaum hatte er die Worte ausgesprochen gehabt, war der Kobold ihnen gefolgt. Doch in seinen Augen war nicht mehr die übliche Aufregung zu sehen, die ihn sonst charakterisiert hatte.
 

Auf einmal erschien er ihm nicht mehr als kleiner, unschuldiger Verbündeter, sondern als ein Kobold, wie diejenigen, die Jakob ihm beschrieben hatte.
 

“Was-”
 

Er hatte keine Zeit mehr richtig aufzuschreien, denn im nächsten Moment knallte es ganz in der Nähe mehrere Male und der Kobold sprang zurück, um etwas Abstand zu gewinnen.
 

“Was geht hier vor?” brachte er es schließlich schwer atmend zustande zu bringen.

Es war nicht so, dass der Kobold gegrinst hätte, doch um seine Mundwinkel spielte der Hauch eines Lächelns.
 

“Abenteuer” sagte er nur und trat noch einen Schritt zurück, sein Lächeln verbreiterte sich und wurde zu einer Grimasse.
 

Alexis’ Herz pochte beständig; ängstlich fragte er sich, wieso Jakob nicht aus seinem Versteck herauskam. Allein hatte er doch keine Chance, oder?
 

Oder?
 

Auch wenn er keinen exakten Grund zu der der Annahme hatte, so kam in ihm langsam der verdacht auf, Jakob wollte ihn auf die Probe stellen. Oder war er schon längst geflohen, im Angesicht der vielen Feinde?
 

Alexis kniff die Augen zusammen, als er versuchte in der Dunkelheit auszumachen, ob es sich um Todesser oder auch möglicherweise um Leute vom Orden handelte. Bei Letzteren hätte er ein Problem - er bezweifelte, dass er der Versuchung widerstehen konnte und sich wieder zurück in sein altes Ich verwandelte, damit sie ihn nicht angriffen. Obwohl Moody wahrscheinlich schon längst die richtigen Schlüsse gezogen und den Orden von seinem Spiel unterrichtet hatte.
 

Die Menschen waren in dunkle, alles verhüllende Umhänge gehüllt, genauso schwarz wie sein eigener. Doch das hatte nichts zu heißen, er konnte einfach nicht erkennen, um wen es sich handelte.
 

Nur eines war klar: Sie waren keinesfalls seine Freunde.
 

~~~~~*~~~~~
 

John blinzelte verschlafen und rieb sich die Augen. Ein Alptraum hatte ihn aus dem Schlaf gerissen und hielt ihn auch nun wach. In der ‘Nische’ war es stockdunkel, doch er fand seinen Weg mühelos und tapste mit bloßen Füßen zur Küche, wo er sich ein Glas Wasser eingoss.
 

Er fragte sich, ob Jakob noch wach war. Er arbeitete oft bis tief in die Nacht, arbeitete die verschiedensten Pläne aus oder saß einfach nur da und starrte Löcher in die Luft, den Kopf in die Hände gestützt. John wusste nicht genau, an was er in solchen Momenten dachte, doch er hatte nicht vor nachzufragen. Er gehörte noch nicht allzu lange zu seiner Gruppe, zudem war er ein geduldiger Mensch. Er akzeptierte die Geheimnisse anderer.
 

Es kam kein Licht unter der Tür zu Jakobs Zimmer hindurch. Jeder normale Mensch wäre wieder gegangen, in der Annahme, der Mensch dahinter würde schlafen.
 

Doch nicht John. Wie instinktiv spürte er, dass etwas nicht stimmen konnte. Vielleicht war es auch seine Neugier, die ihn dazu trieb, die Türe doch noch zu öffnen. Nur weil er ein geduldiger Mensch war, hieß das nicht, dass ihn die Geheimnisse anderer nicht doch interessierten.
 

Vorsichtig lugte er mit dem Kopf um den Türrahmen. Er wollte Jakob nicht aufwecken oder unnötig seinen ohnehin zu knappen Schlaf stören.
 

Doch das Bett, wo er eigentlich hätte liegen sollen, war leer.
 

Er hielt den Atem an und lauschte ins Haus, wenn man es denn so nennen wollte, doch er konnte nichts hören. Wenn Jakob nicht in seinem Zimmer war, musste er draußen sein.
 

Warum?
 

Ohne weiter darüber nachzudenken, doch besorgt, schlüpfte John in ein altes Paar Schuhe, warf sich seinen Mantel über und verließ die ‘Nische’.
 

~~~~~*~~~~~
 

“Wer seid ihr?” Obwohl sie sicher schon seit geschlagenen fünf Minuten um ihn herumstanden, hatte bisher noch keine von den Gestalten Anstalten gemacht, sich zu bewegen. Alexis, den diese Tatsache so sehr anspannte, dass er, wie er wusste, noch verrückt werden würde, wenn sich nicht bald irgendetwas an dieser Situation änderte, hatte keine andere Möglichkeit gesehen, als diese Frage einfach in den Raum beziehungsweise Wald zu werfen.
 

Doch es kam keine Antwort. Auch hinter ihm im Gebüsch, wo er immer noch Jakob vermutete, war es mucksmäuschenstill.
 

Sich zu beruhigen versuchend wandte er sich an den Kobold, der ihn aus sicherer Entfernung anstarrte. Seine gelblichen Augen leuchteten in der Dunkelheit.
 

“Was ist hier los?” Keine Antwort, er starrte weiter. “Was hast du vor?” Der Kobold schwieg. “Verdammt, antworte - oder du bekommst es mit mir zu tun!”
 

Er hatte die Worte zu hastig, zu stockend und plötzlich ausgesprochen. Der Kobold blinzelte kurz - Alexis glaubte zu wissen, dass Kobolde das nicht oft taten - und scharrte kurz mit einem Fuß über den Boden.
 

“Unterschätz mich nicht!” Alexis hatte sich schon längst in Rage geredet, er war kurz davor, seinen Zauberstab zu ziehen und die unbekannten Zauberer ohne weitere Ankündigung anzugreifen.
 

Doch wie hätte das auf Jakob gewirkt?
 

Es war eine Probe, mit Sicherheit. Alexis wusste nicht, was passieren würde, wenn er es vermasselte. Zumindest eine gehörige Standpauke würde er erhalten, doch es konnte auch mehr sein. Bisher hatte Jakob immer Geduld gezeigt, hatte ihm gelehrt, wie man ordentlich kämpfte, ob mit oder ohne Zauberstab, auf was man achten musste, die Anzeichen, wenn etwas nicht stimmte.
 

Und er hatte ihm immer zur Seite gestanden. Er hatte ihn vor Richard gerettet, der ihn sicher damals getötet hätte, hätte er es nicht verhindert, auch wenn dieser behauptet hätte, es sei nur Spaß gewesen. Alexis wusste, dass Richard ihn nicht mochte, ihn vielleicht sogar hasste. Was würde er von ihm denken, wenn er hier versagte? Wenn er möglicherweise sogar von dem Clan ausgeschlossen würde?
 

Alexis erschauerte, als er sich daran erinnerte, was mit denjenigen geschah, die nicht mehr zur Gruppe gehörten. Es durfte keine Zeugen, keine Mitwisser geben, sie mussten restlos verschwinden. Er war ein Mitwisser.
 

Sterben würde er sowieso, doch eigentlich hatte er vorgehabt, sein Leben noch ein wenig auszunutzen.
 

Also: Er zwang sich, seinen Atem unter Kontrolle zu bringen, die an seiner Seite geballten Fäuste entspannten sich zusehends, seine Augen huschten wachsam hin und her, von den verhüllten Gestalten zu dem Kobold, der ihn immer noch unverhohlen musterte, und wieder zurück.
 

“Weißt du”, begann er und zu seiner Freude hörte sich seine Stimme ruhig an, “ich hatte schon so etwas erwartet.” Der Kobold schwieg immer noch. “Du hast doch nicht wirklich geglaubt, ich würde hier allein hinkommen?” Er befürchtete, dass Jakob ihm in diesem Moment am liebsten den Hals umdrehen würde; doch mit Zufriedenheit stellte er fest, dass der Kobold zum ersten Mal kurz den Blickkontakt unterbrach und zu seinen Begleitern blickte. “Ich weiß nicht, wie viel ihr genau davon wisst, aber es gibt eine große Verschwörung in der Nockturngasse … wahrscheinlich habt ihr schon etwas davon mitbekommen.” Auf dem Gesicht des Koboldes zeichnete sich Unverständnis ab, die von den anderen konnte er wegen der Kapuzen nicht erkennen. “Der Wald ist nur so gespickt von den Anhängern dieses Komplo-”
 

“Sie lügen!” Letztendlich hatte der Kobold doch noch gesprochen. “Sie machen das nur, weil Sie Angst haben!” Alexis stockte kurz, fasste sich aber schnell wieder.

“Und Sie”, sagte er mit der selbstsichersten Stimme, die er aufbringen konnte, “lügen aus demselben Grund.”
 

Es schien so, als hätten sie die Rollen getauscht; jetzt war er es, der zurückstarrte und der Kobold wurde nervös - wenn auch nicht so sehr, wie Alexis selbst es noch vor wenigen Minuten gewesen war.
 

Doch der Kobold war aus irgendeinem Grund nicht so leicht ganz aus der Fassung zu bringen.
 

“Und warum sind die nicht schon längst aufgetaucht?”
 

“Und woher wollen Sie wissen, dass sie nicht ‘schon längst aufgetaucht’ sind?”

Das saß. Zufrieden betrachtete Alexis, was er bei dem Kobold angerichtet hatte: Er fing leicht zu zittern an und seine Augen zuckten nun immer häufiger in die verschiedensten Richtungen. Alexis hoffte, dass Jakob das Spiel so mitspielte, wie er es in der Eile geplant hatte.
 

~~~~~*~~~~~
 

John hatte es eilig. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Jakob allein in der Nacht unterwegs gewesen wäre, doch bisher hatte er zumindest einem von ihnen immer Bescheid gesagt. Zudem hatte auch Alexis’ Mantel nicht mehr an der Stelle gehangen, wo er sein sollte.
 

Er wusste nicht, was die beiden vorhatten. Dennoch hatte er schon vor einigen Stunden, abends, als sie alle in der Küche am Tisch gesessen hatten, gemerkt, dass vor allem Alexis unruhiger als sonst war.
 

Es war etwas im Busch und er hatte vor, herauszufinden was es war.
 

Doch wo konnten sie hingegangen sein? Die Nockturngasse war groß und wenn er ehrlich war, glaubte er noch nicht einmal daran, dass sie sich dort befanden. Also weiter außerhalb, doch Jakob hätte ihnen auf jeden Fall von einer solchen Mission erzählt.
 

Der Wald - eine kleine Stimme flüsterte in seinem Kopf. Der Wald, der sich hier ganz in der Nähe erstreckte, war mehr als das, er war für sie von vielerlei Nutzen; sie verwandelten sich dort, lockten ihre Feinde hinein oder trafen sich mit Verbündeten.
 

Ersteres konnte nicht zutreffen, wenn Jakob sich tatsächlich im Wald befand und Alexis bei ihm war. Es war kein Vollmond und außerdem würde weder Alexis sich in solche Gefahr begeben, noch würde Jakob dies zulassen. Zudem, zweitens, griffen sie ihre Feinde nur wohlüberlegt, geplant und vor allem in Absprache mit dem restlichen Clan an.
 

Es musste also das Letzte sein: Irgendjemand wartete im Wald auf die beiden.

Dass sie üben würden, wie so oft, schloss John von vornherein aus. Das konnte man auch am Tag erledigen und dabei nicht die wertlose und eh schon viel zu kurze Zeit, die sie zum Schlafen nutzen konnten, verschwenden.
 

Leichtfüßig lief er über das graue Pflaster durch die Gassen und ließ die Nockturngasse nach nur wenigen Minuten hinter sich. Bald erstreckten sich schon die dunklen Spitzen der Tannen und Fichten über seinem Kopf.
 

~~~~~*~~~~~
 

Unruhe breitete sich im Wald aus. Die Zauberer - auf welcher Seite sie auch immer standen - begannen langsam, sich aus ihrer Starre zu lösen und ihre umhüllten Köpfe nach links und rechts schnellen zu lassen, als glaubten sie dadurch eine bessere Sicht auf mögliche Feinde erlangen zu können.
 

Auch Alexis war angespannt; es tat sich nichts. Er wusste, dass er ganz schön in der Tinte saß, wenn Jakob nicht auf ihn einging. Hatte er den Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstanden? Vielleicht tat er es auch aus Absicht, als würde er ihm sagen wollen, dass er in so einer Situation ganz auf sich allein gestellt war. Er würde es ihm zutrauen.
 

Zwei, drei Minuten verstrichen und nachdem seine Hoffnung immer weiter gesunken war, gab er sie schließlich auf. Jakob würde seinen Wunsch nicht erfüllen.
 

Auch die anderen schienen dies zu spüren, denn die Nervosität, die bis eben noch Besitz von ihnen ergriffen hatte, ließ immer weiter nach, je länger er ihnen regungslos gegenüberstand und schließlich kehrte ihre alte Selbstsicherheit zurück.
 

“Also haben sie doch gelogen.” Aus der Stimme des Koboldes war Erleichterung herauszuhören.
 

Alexis ballte die Fäuste; er wusste, dass er aufgeflogen war und sich nicht mehr herausreden konnte. Bereit, sich zu verteidigen griff er nach seinem Zauberstab und bohrte seine Füße in den halbgefrorenen Waldboden.
 

Plötzlich geschahen mehrere Dinge gleichzeitig: Ein lautes Krachen ertönte über seinem Kopf, die Zauberer, der Kobold, sowie auch er selbst blickten nach oben. Seine Augen weiteten sich, als er etwas Großes auf sie hinabstürzen sah und er sprang hastig beiseite, um nicht davon getroffen zu werden. Ein Klumpen aus Erde und Blättern rasselte durch die Baumkronen und fiel kurz vor dem Kontakt mit dem Boden auseinander. Dreck wirbelte auf und versperrte ihm die Sicht auf das Geschehen.
 

Doch seine Ohren funktionierten noch perfekt; Schreie erklangen aus dem Nichts und grelle Flüche schossen quer durch den Wald.
 

“Hilf mir, verdammt!”
 

Alexis zuckte zusammen, als neben ihm plötzlich jemand auftauchte.
 

“J-John?”
 

“Wer sonst? Sei froh, dass ich hier bin!” Die Worte waren nicht ernst gemeint. Zwar waren sie selbst bei weitem in der Unterzahl, doch man konnte sagen, dass John wesentlich besser ausgebildet war. Sie hatten eine Chance zu gewinnen. Zudem kämpfte der Junge mit einem Willen, den Alexis noch nie zuvor gesehen hatte. “Was ist?” John klopfte ihm fest auf den Rücken, als sich die Gelegenheit dazu bot.
 

Dies brachte Alexis endlich in die Realität zurück, er hob seinen Zauberstab in die Luft und feuerte drauflos, wohlwissend, dass Jakob ihnen zusah.
 

“Sectrumsempra!” Der Fluch zischte geradewegs auf einen der Zauberer zu und traf ihn mitten in die Brust. Er erstarrte und blickte langsam auf den sich langsam ausbreitenden Fleck aus Blut, der an seinem Umhang hinunter rann. Dann knickte er um, fiel nach vorne und blieb liegen, das Gesicht verborgen vor Alexis.
 

Dieser verharrte kaum, dass zehn Sekunden verstrichen waren und wandte sich den übrig gebliebenen Zauberern zu, mit denen John sich gerade beschäftigte.
 

Dieser war von gleich vier Männern umgeben, die ihre Flüche auf ihn niederprasseln ließen. Trotzdem schaffte John es, den meisten davon geschickt auszuweichen, dennoch geschah es einige Male, dass er gestreift wurde.
 

Alexis zögerte nicht lange, von hinten zielte er mit seinem Zauberstab auf den Kopf des Mannes.
 

“Wingardium Leviosa” Im Allgemeinen mochte dies zwar kein wirkungsvoller Spruch sein, doch das Ergebnis in diesem Falle konnte sich sehen lassen, befand er. Er ließ den Zauberer in rasanter Geschwindigkeit nach oben fliegen und kümmerte sich nicht um die vielen Äste, die ihm dabei im Weg waren. Dann löste er den Spruch.
 

Er fragte sich, was Jakob wohl zu ihm sagen würde, wenn dieser Kampf vorbei sein würde. Er verschwendete noch nicht einmal einen Gedanken an eine mögliche Niederlage.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  devillady
2007-12-17T20:32:01+00:00 17.12.2007 21:32
huhu *wink* ^^

das kapi war ganz gut..auch wenn ich gern wüsste was noch passiert im wald und wer die zauberer sind *g*

ich hoffe mal es geht bald weiter

lg devi


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