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Eternal Fantasy

von

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Brennpunkt Nabudis ~ der erste Akt

Es ist soweit: wir nähern uns dem vorläufigen Höhepunkt der Geschehnisse. Wir befinden uns in Nabudis, der Stadt der Toten. Allmählich spitzen sich die Ereignisse zu, und es gibt einige unerwartete Konfrontationen. Ach ja, ein gewisser Jemand, der nicht aus dem Final Fantasy-Universum stammt, hat einen kleinen Gastauftritt. Wer ihn errät, dem widme ich das nächste Kapitel ;-)
 


 


 

„Weiter fliege ich nicht ran, nicht für alles Geld der Welt“, rief ihnen der Fahrer zu, als sie alle ausstiegen. „Die Mystkonzentration ist zu stark, nichts kann über Nabudis fliegen. Lebt wohl“, sagte er eilig, und schon wendete er das Schiff. Verdutzt blickten sie ihm nach, und bald verschwand es in einer Staubwolke am Horizont. Dann blickten sie sich um. Der feste Boden der sandigen Ebene um Archadis herum ging hier allmählich in eine nebelverhangene Sumpflandschaft über. Dichte Schilfgewächse wurden von riesigen Insekten umflattert. Irrlichter aus Sumpfgas glühten wie Gespenster im Dickicht auf, und durch den Dunst erkannten sie schemenhaft die Umrisse ihres Ziels, das ihnen Auguste Baldore als möglichen Aufenthaltsort der Kreatur Gilgamesch verraten hatte. Die Hauptstadt der Toten, Nabudis.
 

Der vollgesogene Boden gab bei jedem ihrer Schritte schmatzende Geräusche von sich. Zudem mussten sie bei jedem Schritt auf Sumpflöcher achten, die sich nur durch die darauf schwimmenden Seerosen und Wasserpflanzen verrieten. Plötzlich hörten sie einen lautstarken Fluch von Xell Dincht. Überrascht drehten sie sich um. Sie sahen, wie er mit einem Bein bis zum Knie in einem Schlammloch steckte. Nur mit Mühe konnte er den Fuß wieder herausziehen.

„Brauchst du Hilfe?“ fragte Irvine, doch Xell winkte nur ab.

„Ach was, ich komm schon raus aus dem Dreckloch… so eine Scheiße“, fluchte er leise, als er seinen nun nicht mehr blitzblauen, sondern eher dunkelbraunen Turnschuh ansah. „Die kann ich nachher wegschmeißen“, murmelte er kopfschüttelnd, bevor er wieder den anderen folgte.

Nach kurzer Zeit wurde der Boden wieder fester, und sie liefen nicht mehr bei jedem Schritt Gefahr, im Morast zu versinken. Nun erhöhte sich auch ihr Tempo, und nach kurzer Zeit standen sie vor einer Brücke, die über einen trüben Flusslauf direkt zu einem Eingang in die Ruine führte. Ein hohes Tor bildete den Eingang, und es wirkte wie ein gähnendes Maul, bereit jeden zu verschlingen, der es zu durch schreiten wagen würde.

„Also gut…“, sagte Rinoa leise zu sich selbst und setzte den ersten Fuß auf die Brücke. Hinter sich hörte sie die Schritte ihrer Freunde, und sie gaben ihr etwas Mut. Seit nicht ganz einer Woche waren sie nun in dieser Welt, und dies war nun die erste konkrete Spur von Squall… oder eigentlich seinem Entführer. Inständig hoffte sie, etwas zu finden, irgendein Lebenszeichen von ihm… etwas, das ihr den Mut und die Kraft geben würde, weiter zu suchen. Dieses ganze Unternehmen kostete ihr mehr Energie, als sie zeigen wollte, ja durfte. Sie musste stark sein, musste den anderen ein Vorbild sein. Und gleichzeitig schüttelte sie über sich selbst den Kopf.

Es sind SEEDs, die brauchen keine Vorbilder.

Schon gar nicht so eines wie mich.

Wem wollte sie etwas beweisen? Den anderen wohl kaum, die wussten, was zu tun war. Sich selbst? Sie hatte ihn aus freien Stücken verlassen, hatte sich ein Leben ohne ihn vorstellen können, doch nun… war sie bereit, alle Grenzen zu überschreiten, um ihn zu finden. Die Situation mit den Kopfgeldjägern im Sohen-Höhlenpalast hatte ihr das deutlicher vor Augen geführt, als sie bereit war, zuzugeben. In diesem Moment hatte sie ihr persönliches Ziel höher eingestuft als die Sicherheit ihrer Freunde- wie hatte es so weit kommen können? Nach der langen Zeit im Schumi-Dorf, in der sie nichts getan hatte außer ihrem neuen Hobby, dem Malen, nachzugehen, befand sie sich nun in einer Phase des Hochdrucks, wie sie sie schon eine Weile nicht mehr erlebt hatte. Zuletzt… sie erinnerte sich. Es war, als sie die Timber-Eulen, die kleine Widerstandsgruppe, angeführt hatte. Auch zu jener Zeit hätte sie ihrem Ziel alles geopfert, selbst ihre guten Freunde innerhalb der Rebellengruppe. Und tatsächlich hatte sie einmal aus sicherer Entfernung mit angesehen, wie mehrere Mitglieder der Timber-Eulen öffentlich hingerichtet wurden. Der damalige Präsident von Galbadia, Vincer Deling, hatte höchstpersönlich mit einer Waffe auf die bereits toten Verurteilten geschossen. Ihre Freunde hatten das mit Abscheu und Schrecken mit verfolgt, doch Rinoa war ruhig geblieben. So ruhig, wie eine Anführerin es sein musste. Vielleicht zu ruhig? Würde sie den Tod ihrer Freunde, Irvine, Xell und Selphie, ebenso regungslos miterleben?

All diese Fragen gingen ihr durch den Kopf, während sie an der Spitze ihrer kleinen Gruppe diese Brücke überschritt. Mit jedem Schritt schienen ihre Füße schwerer zu werden, als schleppe sie das Gewicht der Verantwortung mit ihnen. Fast war sie erleichtert, als sie die andere Seite erreichten.

Irvine drehte sich um.

„Selphie, worauf wartest du? Ist das was?“

Die Angesprochene beugte sich über das Geländer der Steinbrücke und starrte in das trübe, zäh dahin fließende Wasser. Dann schüttelte sie den Kopf.

„Nein… hab ich miiir wohl nur eingebildet.“

Dann folgte sie eilig den anderen, die das verfallene Gebäude betraten. Als sie weg war, begann das Wasser sich zu kräuseln…
 

Mit angehaltenem Atem ließen sie ihre Blicke vom Boden bis zur Decke empor wandern. Dies musste ein Palast gewesen sein, vor langer Zeit. Edler Marmor und Halbedelsteine bildeten die Intarsien, die fast jeden Quadratmeter hier bedeckten. Reich verzierte Säulen stützten die prachtvollen Decken, die über ihnen hingen. An verschiedenen Stellen war das Mauerwerk von kunstvoll heraus gemeißelten Fenstern durchbrochen. Doch durch diese Fenster fiel kein Licht mehr herein, und durch diese Hallen schritt kein Herrscher mehr.

Stattdessen tanzten nun Irrlichter wie riesige Glühwürmchen durch die verfluchten Gänge. Jetzt erst merkten sie, dass der um sich greifende Sumpf auch das Fundament dieses früheren Palasts angegriffen hatte. Das ganze Gebäude hing leicht schief, wie sie an den sich in den Ecken ansammelnden Brackwässer merkten. Der Geruch von Fäulnis und Verfall war hier drin noch schlimmer wie draußen; es roch nach Tod.

„Wu-huu…“, sagte Xell und atmete geräuschvoll aus. „Was für ´nen schräger Kasten…“

„Sieht unbewohnt aus“, meinte Irvine. „Na ja, von Monstern vielleicht abgesehen. Sonst kann sich hier niemand wohlfühlen.“

Ihre Schritte hallten von den Wänden wieder, das einzige Geräusch außer dem unablässigen Tropfen des Wassers, das überall eindrang. In wenigen Jahren würde dies alles von Wasser überflutet sein, so vermuteten sie.

Vorsichtig durchstreiften sie die Gänge, bis sie vor ein hohes Tor kamen. Die Torflügel standen weit offen, als hätte sie jemand vorsorglich geöffnet. Dahinter erstreckte sich ein weiter, annähernd quadratischer Saal. Kurz zögerten sie, dann traten sie ein.

Fast verloren kamen sie sich vor in der Mitte dieses imposanten Saals, der außer einigen Bruchstücken, die von der Decke gestürzt waren, nichts enthielt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Saals erkannten sie ein Tor ähnlich dem, durch das sie diese Halle betreten hatten.

Sie waren dabei, den Saal zu durchqueren, als Xell ein Geräusch hinter sich hörte. Es klang wie ein… fiepen? Verwirrt drehte er sich um.

„Was ist denn das?“ Ungläubig staunend rieb er sich die Augen. In diesen düsteren Gewölben hätte er alles Mögliche erwartet- aber nicht das. Das Wesen, das das Geräusch erzeugt hatte, war winzig. Es schien nur aus Fellknäueln und Federn zu bestehen. Es reichte ihm gerade mal bis zu den Kniescheiben und hatte zwei große, schwarze Knopfaugen. „Na du bist ja putzig“, sagte Xell und beugte sich zu dem lustig hin und her hüpfenden Wesen hinab. „Hast du auch einen Namen?“

Das Wesen hielt inne, als würde es überlegen, dann setzte es seinen fröhlichen Tanz fort.

„Fury“, flötete es mit seiner Piepsstimme. Xell hob eine Augenbraue.

„Fury? Seltsamer Name für so einen niedlichen Knilch wie dich. He, Leute, schaut mal, was ich- “

Als er sich umdrehte, schienen seine Freunde wie in der Bewegung erstarrt. Sie reagierten nicht.
 

Xells ungläubiger Blick wanderte zurück zu dem drolligen Wesen. Immer noch hüpfte es hin und her, als versuchte es, ihn damit zu hypnotisieren. Und tatsächlich schaffte er es nicht mehr, den Blick von dem putzigen Geschöpf abzuwenden. Seine Bewegungen, sein auf und ab schwingendes Fell- und Federkleid verschwammen vor seinen Augen zu einer milchigen Masse, in deren Strudel er immer mehr versank…
 

„Xell Dincht, sie sind nun an der Reihe!“

Er schrak hoch, als ihn jemand an der Schulter berührte. Er schaute hoch und sah jemanden in einem altertümlich wirkenden, schwarzen Gewand, der ihn ernst ansah. Er selbst saß auf einer Bank, wie er nun merkte. Diese stand am Rande eines annähernd runden Raums. Wie mit einer kleinen Verzögerung, drangen nun die restlichen Geräusche in sein Bewusstsein. Er hörte Rufe, Pfiffe, Händeklatschen. Nun wanderte sein Blick die Tribünen empor, die sich über mehrere Stockwerke zu allen Seiten des Raums hochzogen. Diese waren überfüllt mit Menschen, die winkten, schrien und anfeuerten. Dann sah er das Rund, das das Zentrum des Raumes bildete. Es war ein von Matten bedeckter Kreis, an dessen Rand mehrere Personen, gleich der, die ihn gerade angesprochen hatte, saßen. Stoisch betrachteten sie, wie mehrere Helfer in weißer Kleidung einen Mann aus dem Rund trugen. Er lag auf einer Bahre und rührte sich nicht. Ein Arm hing schlaff von der Bahre herab, und die Helfer beeilten sich, ihn wegzuschaffen.

„Worauf warten sie?“ fragte ihn die Person. Tausend Fragen tobten durch seinen Kopf, zu viele, um sie auf einmal zu stellen. Als er sich wie automatisch erhob, sah er, dass er kein Hemd mehr trug. Seine Brust war schweißnass, als ob er sich gerade eben noch ziemlich angestrengt hatte. „Sie sind an der Reihe. Sie sind im Finale“, sagte die Person und klopfte ihm auf die Schulter. Sein Blick drückte Bedauern aus.

„Hä…? Was für ein… Finale? Wo bin ich hier, verflucht?“

„Das kommt von den Schlägen. Keine Sorge, in ein paar Tagen funktioniert ihr Gedächtnis wieder einwandfrei. Vorausgesetzt, sie überleben diesen Kampf.“

Dann schob er ihn förmlich in Richtung des Runds, wo eine Person wartete. Sie war es offenbar gewesen, die den reglosen Mann auf der Bahre in ihren bemitleidenswerten Zustand versetzt hatte. Völlig perplex ging er los. Das Toben der Zuschauer wurde immer lauter, fast schmerzte es ihn in den Ohren. Und wie zwischen all den Stimmen, die johlten, anfeuerten und jubelten, hörte er fünf gespenstisch klare Worte heraus.

Dies… ist… für… dich… bestimmt.

„Was? Was heißt das? Spinne ich jetzt oder was?“

Als er das Rund betrat, hörte er seine eigenen Worte kaum. Dann verstummten schlagartig alle Zuschauer. Verwirrt sah er sich um. Dann erhob sich der mittlere der seltsam gewandeten Personen vom Rand des Kreises und begann zu sprechen.

„Dies ist nun das Finale dieses ehrwürdigen Turniers. Ihr beide werden nun kämpfen, und der Sieger soll den Preis erhalten… die Stahlkrone!“

Seine Stimme erzitterte beim letzten Wort, und ein andächtiges Raunen ging durch die überfüllten Zuschauerränge. Xell schüttelte den Kopf. Dies war wie ein Traum… nur realer. Dann wandte er sich zu seinem Gegner um.

Er stand mit verschränkten Armen vor ihm. Wie er trug er nur eine Hose, sein Oberkörper war bloß. Er hatte schwarzes Haar, das in einem seltsamen Spitz nach hinten weg stand und in Strähnen über sein ernstes Gesicht herabhing. Über seinen Augen hingen lange, dunkle Augenbrauen. Das rechte Hosenbein seiner langen, schwarzen Hose war mit Flammen verziert. An Händen und Füßen trug er rote Schützer, wie bei Kickboxern üblich. Auf der linken Schulter hatte er eine Tätowierung, und überhaupt kam er Xell seeehr bekannt vor.

„He, du kommst mir bekannt vor. Klar, jetzt weiß ich es, du bist J- “

Bevor Xell weitersprechen konnte, attackierte ihn der schwarzhaarige Mann auch schon. Blitzschnell und präzise waren seine Angriffe, und in kürzester Zeit sah Xell sich ernsthaft bedrängt. Aufwärtshaken, gestreckte Schläge und niedrige Tritte gegen seine Beine prasselten auf den SEED herab. Schließlich, als er alle Hände voll zu tun hatte, die genauso schnellen wie kraftvollen Handtechniken seines Widersachers abzuwehren, traf ihn ein wischender Tritt an den Beinen. Es zog sie ihm weg wie nichts. Krachend schlug er auf dem Mattenboden auf.

Benommen blickte er hoch zu dem Kämpfer, der mit erhobenen Fäusten und funkelnden Augen vor ihm stand. Xell wollte gerade ächzend aufstehen, als sich seine Augen weiteten. Sein Gegner holte aus und ließ seine rot behandschuhte Faust auf die Stelle herab sausen- an der Xell einen Sekundenbruchteil zuvor noch gelegen war. Mit den Füßen nach hinten rollte er sich zurück und stemmte sich mit den Händen zu einem umgekehrten Purzelbaum ab. Fassungslos sah er, wie die Faust seines Gegners eine tiefe Delle in den Mattenboden geschlagen hatte. Er traute seinen Augen nicht, doch es schien ihm, als würden rötliche Blitze seine Fäuste um zucken.

„He!! Das ist gegen die Regeln! Wenn jemand am Boden liegt, dann darf man ni- “

Wieder ließ der kräftige, junge Mann ihm keine Gelegenheit zum Ausreden. Sofort setzte er stürmisch nach deckte Xell mit einem Hagel an Schlägen und Tritten ein. Je öfter der SEED seine Attacken parierte, desto kraftvoller und schneller schienen sie zu werden. Dann geschah es.
 

Xells Deckung wurde durchlässig, und der schwarzhaarige Kämpfer nutzte eine Öffnung in seiner Deckung. Für einen Moment schien die ganze Welt still zu stehen, ein Moment, in dem wieder rötliche Blitze seine Fäuste umzuckten. Der Mann duckte sich, holte schreiend aus- und überrollte Xell förmlich.

Wie ein Dampfhammer raste er auf ihn zu. Schneller, als sich für gewöhnlich ein Mensch bewegen konnte, traf er ihn mit der ausgestreckten Faust. Die Wucht war enorm, Xell flog durch die ganze Arena und krachte schließlich gegen die Tribünenverkleidung. Schlaff wie eine Puppe rutschte er zu Boden und rührte sich nicht mehr. Gleißende Blitze umzuckten seinen Gegner, als er sich nach dieser vernichtenden Attacke triumphierend aufrichtete.

Der Mann blickte noch kurz auf den regungslosen Xell, dann reckte er die Arme empor und ließ sich feiern. Die Menge jubelte dem frischgebackenen Champion zu. Einer der Kampfrichter stand auf, um den Turnierpreis zu holen.

Der Mann fortgeschrittenen Alters stand nun vor dem schwarzhaarigen Kämpfer. Von einem roten Samtpolster hob er eine Krone. Sie war aus mattgrauen Metall und von unscheinbarem Design, doch man konnte dem jungen Mann ansehen, welche Bedeutung dieser Gegenstand für ihn hatte. Mit sichtlicher Rührung und Erleichterung nahm er die Krone entgegen. Sein Blick war voller Bewunderung und Ehrfurcht, als seine Finger über das Metall glitten.

„Du bist der rechtmäßige Sieger dieses Turniers. Du hast dich als der beste aller Kämpfer aus allen Welten erwiesen. Dir gebühren die Ehre und der Preis, die Stahlkrone. Niemals vergessen wird der Name Ji- “

Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge. Die Kampfrichter und der junge, schwarzhaarige Mann blickten sich verwirrt um. Alle tuschelten und deuteten in eine Richtung. Und zwar an die Stelle, an der mehrere Männer in weißer Kleidung Xell abtransportieren wollten.

„Uargh…“ Stöhnend prallte der Sanitäter von der Wand ab. Xell hatte ihn von sich gestoßen, und auch die anderen Sanitäter wichen vor ihm zurück. Mit zitternden Fäusten kam er auf die Beine, und das nach einer Attacke, die einen Stier erledigt hätte. Knurrend hob er seinen Kopf. Alle in der Arena erschraken, als sie seine glühenden Augen sahen. Fassungslos und verblüfft sahen sich die Kampfrichter an.

„Bleibt, wo ihr seid“, rief der älteste von ihnen Xell zu. In seiner Stimme klang Erstaunen, aber auch Verunsicherung mit. „Der Kampf ist vorbei, ihr habt verloren. Die Regeln besagen dies“, sagte er im Brustton der Überzeugung. In diesem Moment legte ihm der schwarzhaarige Kämpfer die Hand auf die Schulter.

„Nein, ist er nicht“, sagte er gelassen. Der Kampfrichter sah ihn erstaunt an.

„Aber laut den Turnierregeln- “

Dann drückte er dem verblüfften Mann die Stahlkrone in die Hand.

„Noch habe ich das nicht verdient“, sagte er lächelnd. Dann wandte er sich von dem Kampfrichter ab- und Xell zu, von dessen Fäusten aufzusteigen begann.
 

Brüllend rannten sie aufeinander zu. Die Arena erzitterte bis in ihre Grundfeste, als die beiden aufeinander prallten. Blitze umzuckten sie, als sie miteinander rangen. Die Zuschauer, die zuvor noch jeden Treffer lautstark kommentiert hatten, hingen nun sprachlos und gebannt an den Rängen.

Wieder wollte der junge, ungestüme Kämpfer seine vernichtenden Kombinationen vom Stapel lassen, doch diesmal war Xell schneller. Er packte beide Fäuste seines Gegners und trat zu. Ächzend ging er in die Knie, als sämtliche Luft seinen Lungen entwich. Dann zog Xell ihn wieder an sich heran und packte ihn mit erstaunlicher Leichtigkeit. Er lud ihn sich auf die Schulter, und seine Augen glühten auf. Leuchtende Buchstaben flimmerten vor den Augen der fassungslosen Zuschauer auf. Sie sagten…

METEOR STRIKE…

Eine Staubwolke hinterlassend, löste Xell sich mitsamt seiner Last vom Boden. Wie ein Geschoss stieg er auf, und fast erreichte er die Decke des mehrgeschossigen Raums. Am höchsten Punkt angekommen, drehte er sich mitsamt seinem Gegner und schleuderte ihn in die Tiefe.

Zuerst schlug der schwarzhaarige Kämpfer auf dem Boden auf, dann landete Xell auf den Füßen neben ihm. Die Erschütterung ließ kleine Bruchstücke von der Decke rieseln, und im Boden hatte sich ein Krater aus zerrissenen Matten und gebrochenen Balken gebildet.

Schwer atmend richtete Xell sich auf. Seine immer noch glühenden Augen richteten sich auf den Krater im Boden. Sämtliche Augenpaare in der Arena waren schreckensgeweitet und auf die Vertiefung gerichtet. Dann ertönten Geräusche, Lebenszeichen. Was in aller Welt konnte das überlebt haben…?
 

Eine finstere, schuppige Klauenhand erreichte den Rand des Kraters. Ihr folgte ein knurrendes Wesen aus der Hölle. Xells Augen wurden groß.

Das Wesen war fast völlig schwarz, mit verzerrten Mustern bedeckt und trug ein paar dunkle Dämonenschwingen auf dem Rücken. Aus dem mit spitzen Eckzähnen versehenen Mund drang Qualm heraus, und seine Augen leuchteten glutrot hinter den Haarsträhnen hervor. Das Einzige, was an die Menschlichkeit dieses Wesens erinnerte, war die Hose, deren rechtes Bein immer noch das Flammenmuster trug.

Diabolisch fauchend ging das Wesen auf Xell los. Er schien nicht verletzt, sondern eher noch an Stärke gewonnen zu haben. Schwarze Federn aus seinen Flügeln flatterten durch den Raum, während die beiden kämpften. Xell legte nun alle Kraft in seine Attacken, doch selbst direkte Treffer an Körper und Kopf schienen das Wesen kaum zu beeinträchtigen.

Gerade schien Xell die Oberhand zu gewinnen und deckte das Teufelswesen mit einer vernichtenden Kombination ein. Der abschließende Tritt gegen den Kopf ließ das Wesen mehrere Schritte zurücktaumeln- doch es fing sich augenblicklich wieder. Bevor Xell noch den Schwung seiner letzten Begegnung abgefangen hatte, traf ihn sein Gegner wieder. Mehrere wuchtige Aufwärtshaken in Folge ließen ihn zu Boden gehen. Ächzend wälzte er sich auf den von schwarzen Federn bedeckten Matten hin und her, während sich alles um ihn herum drehte.

Das Wesen streckte seine Arme empor und schlug mit den Flügeln, doch niemand jubelte. Selbst die Kampfrichter schienen sich verstecken zu wollen angesichts dieses diabolischen Spektakels. Die Augen des Wesens glühten rot auf, als er sich langsam im Kreis drehte und sich bereits als Sieger fühlte. Bis Xell wieder in sein Blickfeld kam- und zu einem Schlag ausholte.

Seine Faust traf ihn direkt ins Gesicht. Doch wie zuvor schien das Wesen kaum Schmerzen zu spüren. Xell ging mehrere Schritte zurück. Dann legte er seine Fäuste an die Hüfte und sammelte Energie. Als sich eine Säule aus Wind und Licht um ihn bildete, wich das Teufelswesen zurück.

Ein Sog erfasste nun alles im Raum. Nun brach endgültig Panik aus. Die Kampfrichter rannten schreiend weg. Auf den Zuschauerrängen herrschte der reinste Tumult. Überstürzt und voller Panik flohen die Menschen, während der Sog Trümmer und Bruchteile im Kreis tanzen ließ. Der Sog breitete sich wie ein Tornado aus und erfasste schließlich das Wesen. Wie ein Sturmwind zerrte er an seinen Flügeln und rupfte büschelweise Federn aus. Das Wesen wollte sich wehren, doch der Sog wurde stärker. Letztendlich begann er, Teile aus seiner Oberfläche herauszureißen. Dunkle Partikel stoben durch den verwüsteten, nun bis auf die zwei Kontrahenten menschenleeren Raum. Die Farbe des Wesens änderte sich, als käme unter seiner Oberfläche ein anderes zum Vorschein. Es krampfte und wand sich, bis es endgültig verwandelt war.

Nun hatte es keine Flügel mehr, aber dafür monströs große Muskeln. Gebückt kauerte es da. Auf seinem Kopf thronten nun lange Hörner, und aus seiner raubtierhaften Schnauze schien das Feuer der Hölle heraus zu leuchten. Der Sog legte sich, und die zuvor noch im Raum tanzenden Trümmer fielen zu Boden.

Xell blickte kampfbereit seinen veränderten Gegner an. Dieser scharrte mit seinen nunmehr riesigen Klauen auf dem Boden, doch Xell kam ihm zuvor. Mit glühenden Augen betrachtete er seine rechte Faust, die sich entzündete. Strahlen gleißenden Lichts traten zwischen den Fingern seiner geballten Faust hervor. Dann rief er…

„Das ist mein… endgültiger Himmel!!!“

Wie von einem Katapult abgeschossen raste er los. Eine Flammenspur auf dem Boden hinterlassend, schoss er auf das Wesen zu und durch es hindurch.
 

Ein Beobachter im Weltraum hätte eine leuchtende Staubwolke gesehen, die den Planet umrundete…
 

Bei seiner mit Abstand stärksten Attacke erreichte er fünf Prozent der Lichtgeschwindigkeit und umrundete den Planeten in direkter Linie, ohne auf irgendwelche materiellen Hindernisse Rücksicht zu nehmen. Und so erreichte er wieder die Arena. Hinter ihm klaffte eine Schneise der Verwüstung, und als er das Gebäude traf, wurde es in Zentimeter große Stücke pulverisiert. Wie von der Wucht einer nuklearen Druckwelle erfasst, stieg eine Silhouette mit den Umrissen des Gebäudes langsam hoch, um sich in der darauffolgenden Sturmbö in alle Richtungen zu verflüchtigen. Und so blieb nichts übrig als eine kahle Ebene, in der sein Gegner besiegt zu Boden sank.
 

Xell putzte sich die Handschuhe ab, als ihm ein Gegenstand vor die Füße rollte. Neugierig hob er ihn auf. Es war die Stahlkrone, die als einziger Gegenstand das Inferno des ‚Final Heaven‘ überstanden hatte. Zufrieden lächelnd setzte er sie sich auf. Dann stieß er sie mit dem Finger an, so dass sie etwas schief auf seinem Kopf hing. Voller Genugtuung stützte er die Hände in die Hüften und betrachtete das Schlamassel, das er angerichtet hatte. Das Wesen war besiegt- oder?
 

Langsam erhob es sich, doch sein Körper blieb liegen. Es war eine durchsichtige Silhouette seiner materiellen Erscheinung, die nun auf ihn zu wankte. Xell hob eine Augenbraue.

„Hast du noch immer nicht genug?“

Die Stimme des Wesens klang seltsam hohl, während es langsam auf ihn zuging.

„Das war… nicht ich… ich habe mir… die Erscheinung… nur geborgt…“

„Ich versteh kein Wort. Wo bin ich hier überhaupt? Und warum hast du mich angegriffen?“

„Du kennst… mich… mein Name… ist…“

Langsam wich Xell vor der geisterhaften Erscheinung zurück. Leuchtende Partikel stiegen von dem Wesen auf, als würde es zu Licht zerfallen.

„Was zum Teufel… was willst du?“

Jetzt erst sickerte die Erinnerung langsam durch. Etwas hatte sie blockiert die ganze Zeit, doch nun schoss es ihm ein. Die letztendliche Erscheinungsform seines Gegners war-

„… Ifrit… du musst… dich doch… erinnern…“, ächzte das Wesen.

Langsam hob Xell sein überraschtes Gesicht.

„Du bist… Ifrit, genau! Aber was machst du hi- “

Unvermittelt beschleunigte das Wesen und rannte auf ihn zu. Xell konnte nur noch seine Augen bedecken, als alles um ihn herum in Flammen aufzugehen schien. Er spürte die Hitze im Gesicht, dann verlosch es. Und wieder kehrte Dunkelheit ein…
 

Er spürte ein leichtes Brennen auf der Wange. Langsam öffnete er die Augen. Sein Blickfeld gewann an Schärfe, und schließlich sah er Rinoa, die sich über ihn beugte. Sie sah ihn besorgt an.

„Hast du zu wenig gefrühstückt, dass du uns einfach so einen Schwächeanfall bekommst?“ fragte eine Stimme außerhalb seines Blickfeldes. Es war Irvine, und er klang belustigt. Xell fuhr hoch und sah sich verwirrt um.

„Ist er… weg?“

„Wer?“ fragte Rinoa.

„Ifrit! Er war gerade da und hat mit mir geredet!“

Rinoa, Selphie und Irvine warfen sich entsetzte Blicke zu.

„WAS?? Bist du dir sicher?“ fragte Rinoa alarmiert nach. Xell nickte heftig und begann in die Luft boxend umher zu tänzeln.

„Ja, verdammt! Zuerst war da dieses kleine Vieh, dann war ich wo anders, und dann tauchte dieser Typ in einer Arena auf und wir kämpften- “

Irvine packte den hektisch umher springenden und schattenboxenden Xell an der Schulter und hielt ihn fest.

„Jetzt hat mal die Füße still! Erzähl langsam und der Reihe nach, was passiert ist.“
 

Betroffen hörten sie seinen etwas wirren Bericht. Mit Händen und Füßen gestikulierte er dabei, und so bizarr die geschilderten Ereignisse auch waren, so zweifelten sie doch nicht an seinen Worten.

„Es sieht aus, als wären die Guardian Forces irgendwie hier gelandet…“, überlegte Rinoa. „Aber warum erscheinen sie auf so seltsame Weise? Warum greifen sie uns an?“

Die vier Freunde warfen sich ratlose Blicke zu.

„Zumindest ist diiir nicht viel passiert dabei“, sagte Selphie mit einem bitteren Lächeln.

„Ja, verdammt… ich hatte mehr Glück als du“, erwiderte Xell und rieb sich nachdenklich den Nacken.

„Vielleicht ist dieser Ort wirklich verflucht“, mutmaßte Irvine. „Zuerst in diesem seltsamen unterirdischen Palast, und dann hier… vielleicht lauern uns nur irgendwelche verrückten Gegner auf. Womöglich hat das sonst keine Bedeutung.“

„Könnte sein…“, murmelte Rinoa. Dann wurde ihr Blick ernst. „Was immer es ist, wir sollten uns nicht zu lange hier aufhalten. Wenn jemand von euch etwas Ungewöhnliches beobachtet, dann schreit sofort. Ab jetzt herrscht höchste Alarmstufe.“

Nach diesen eindringlichen Worten an ihre Freunde setzten sie ihren Weg fort. Von nun an blieben sie dicht zusammen, und bevor sie diesen düsteren Saal verließen, warf Xell noch einen misstrauischen Blick über seine Schulter…
 


 

Als er zu sich kam, spürte er am Rande seines Bewusstseins, wie ihn jemand über den Boden schleifte. Dann hörte er Mauern einstürzen. Schließlich verebbte der Lärm, und eine Frau beugte sich über ihn. Ihre Augen… waren kastanienbraun. Wie die Augen… von Rinoa…
 

Erschüttert betrachtete sie sein Gesicht. Es war mit Blutergüssen übersät. Blut lief aus seinem Mundwinkel. Verstört betastete sie seine Verletzungen. Hektisch kramte sie in ihren Erinnerungen. Das Ungeheuer war aufgetaucht, sie wollten fliehen… doch dann war Squall ohne ersichtliche Ursache zusammengebrochen. So schnell sie konnte, hatte sie ihn gepackt und in das Innere des Gebäudes gezerrt. Dann hatte offenbar das Ungeheuer den Eingang zerstört. Übereinander liegende Trümmer versperrten nun das Tor. An ein Durchkommen war nicht mehr zu denken.

Sie zog ihn vorsichtig in eine Ecke, wo sie nicht ganz so schutzlos waren. Behutsam bettete sie den immer noch bewusstlosen jungen Mann an einer trockenen Stelle. Dann zog sie seine Uniformjacke, die sie die ganze Zeit getragen hatte, aus und deckte ihn damit zu. Langsam kämpfte sich drückende Angst in ihr Bewusstsein hoch. Sie waren hier ganz allein. Der Rückweg war verschlossen. Selbst wenn Fran und Balthier sie suchen würden, sie konnten sie nicht finden. Sie wusste nichts über diesen Ort, und wenn sie auch noch ihn verlieren würde… dann wäre sie ganz allein.

Tief durchatmend schluckte sie die aufsteigenden Tränen hinunter und besann sich auf das unmittelbar Notwendige. Sie breitete ihre Hände über seinem Gesicht aus und schloss die Augen. Leise und konzentriert murmelte sie den einzigen Zauberspruch, den sie ohne Materia verwenden konnte. Tatsächlich glühten ihre Handflächen in einem sanften Grün auf. Das Glühen übertrug sich auf sein Gesicht. Erleichtert beobachtete sie, wie die Blutergüsse langsam verschwanden. Überglücklich lachte sie auf über das Gelingen des Zaubers. Das Geräusch hallte von den hohen Wänden wieder, und sie fuhr erschrocken herum. Dann wandte sie sich wieder dem immer noch bewusstlosen Mann zu. Seine Züge waren ruhig, als würde er nur schlafen, was sie inständig hoffte. Mit dem Zeigefinger zeichnete sie seine Narbe über dem Nasenrücken nach. Plötzlich glaubte sie eine Bewegung in seinen Zügen zu erkennen. Ganz nahe hielt sie ihr Ohr an seinen Mund. Sie konnte aber nichts verstehen, und als sie ihn wieder ansah, glaubte sie eine Bewegung seiner Lider zu erkennen. Ihre Gesichter waren sich nun ganz nahe. Der Schrecken der sich überstürzenden Ereignisse hatten sie aufgewühlt, und sie wollte nicht mehr gegen den plötzlichen Impuls ankämpfen.

Und so küsste sie ihn.
 

Die Zeit schien stehen zu bleiben, und mit einem Male waren all die Angst und die Unsicherheit fort. Sie spürte die Wärme seiner Lippen, und schließlich auch seine Hand, die sich zärtlich auf ihren Nacken legte. Als sie sich wieder voneinander lösten, hatte er seine Augen immer noch geschlossen. Dann hörte sie die ersten Worte seit seinem Erwachen aus seinem Mund.

„…Rinoa…“

Schallplattenquietschen. Peinlich berührt richtete sie sich auf, und auch Squall blickte sie nun verwirrt an. Tifa räusperte sich verlegen.

„Bist du in Ordnung?“ fragte sie, weil ihr sonst nichts einfiel. Squall setzte sich auf und betastete sein Gesicht.

„Ja, glaube ich zumindest… das war Griever.“

„Hm?“ Squall stand auf und ging auf den nun unter Trümmer verschütteten Eingang zu. Tifa folgte ihm. „Wer war das? Was ist überhaupt passiert?“

„Griever ist eine Guardian Force… und zugleich ein Teil von mir“, flüsterte er und tastete nach seinem Anhänger. Dann wandte er sich wieder zu Tifa um und begann zu erklären.
 

„Das hört sich an wie… wir nennen sowas Aufrufmateria. So wie auch Shiva.“

Squall ging auf und ab. Sein ernstes Gesicht drückte große Anspannung aus.

„Shiva… dieses Wesen gibt es auch in meiner Heimatwelt. Aber wie kommt es hierher?“

Tifa zuckte mit den Schultern.

„Ich habe keine Ahnung…“

„Es muss etwas mit diesem Gilgamesch zu tun haben. Das Ganze ergibt aber keinen Sinn…“ Grübelnd ging er wieder auf und ab, dabei ließ er den Anhänger zwischen seinen Fingern kreisen. Schließlich stoppte er abrupt und sah sich um. „Im Moment können wir nichts ändern. Zuerst müssen wir einen Weg hier raus suchen.“ Mit Gewalt drängte er die Verwirrung zurück, und der Stratege in ihm gewann wieder Oberhand. Er ging los und ließ die ratlose Tifa zurück.

„He… warte auf mich!“

Sie folgte ihm, und er wandte sich ihr zu.

„Wer weiß, was noch alles auf uns hier lauert. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“

„Ja, aber…“ Das, was sie eben noch sagen wollte, blieb ihr im Halse stecken. Verzweifelt rang sie nach Worten. „Vorher… dachtest du… dachtest du, dass ich… deine Rinoa bin?“

Offenbar hatte sie einen wunden Punkt erwischt, denn ein Anflug von Unsicherheit huschte über sein Gesicht.

„Es sind… deine Augen. Sie sind so… ähnlich.“ Er wandte sein Gesicht ab, als befürchtete er, es könnte mehr verraten als er bereit war, zuzugeben. „Wir sollten das vergessen. Wir müssen uns jetzt konzentrieren… damit wir hier heil rauskommen.“

Dann ging er los. Tifa blickte ihm hinterher und schüttelte den Kopf. Über die Welt, über sich selbst. Was erwartete sie überhaupt? In diesem Moment fiel es ihr schwerer als je zuvor, ihre Gefühle und Gedanken zu ordnen. Sie gab sich selbst einen Stoß; was immer sie ihm sagen wollte, was immer sie selber wollte, es würde warten müssen.
 


 

Das Landungsschiff schwebte wie ein zum Zupacken bereiter Raubvogel herab. Seine Triebwerke wirbelten den dichten Nebel über den Nabreus-Sümpfen auf. Die Schilfpflanzen bogen sich unter den Turbulenzen, und schon klatschte die Ausstiegsrampe in den feuchten Morast. Schwere Stiefel dröhnten auf dem Metall, als die Besatzung ausbootete. Massive Rüstungen bedeckten ihre gesamten Körper, kein Gesicht war zu erkennen. Routiniert führten sie ihre Waffen und deckten das Schiff nach allen Richtungen. Die Läufe ihrer Kanonen zielten in die trüben Nebelschwaden, als der letzte von ihnen das Schiff verließ.

Seine Rüstung unterschied sich von denen der anderen. Er war kein imperialer Elitesoldat wie die anderen, die die stählerne Speerspitze der archadianischen Armee bildeten. Er war ein Richter. Er führte auch keine Schusswaffe mit sich, sondern ein gigantisches Schwert, das am Rücken seiner Rüstung befestigt war. Sein wallender Umhang bauschte sich auf, als er zwischen seine Männer trat. Diese deckten nach wie vor mit ihren Waffen das Schiff. Sein gehörnter Helm, der eine abschreckende Grimasse darstellte, drehte sich langsam nach allen Richtungen.

„Gelände gesichert. Bereit zum Vorrücken, Sir.“

„In Ordnung, Gunner Biggs. Biggs, Wedge, ihr kommt mit mir. Die anderen bewachen das Schiff.“

Es erklang ein synchrones ‚Ja, Sir‘, und schon setzten sie sich in Bewegung. Die beiden Soldaten flankierten den Richter. Zielstrebig steuerten sie die Ruinen von Nabudis an.
 

Einige Schritte mussten sie durch knietiefes Wasser waten, dann standen sie an einer Stelle, an der ein breiter Riss im Mauerwerk den Zugang zu den Ruinen freigab. Biggs und Wedge sicherten wieder das Gelände, während der Richter nachdenklich die verfallenen Gebäude betrachteten, die das Grab von so vielen Menschen geworden waren, und die nun nur mehr Monstern als Heimstatt dienten. Hätte man sein Gesicht sehen können, so wäre ein Anflug düsterer Erinnerung erkennbar gewesen. Doch so setzte er sich einen Moment später wieder in Bewegung und betrat nach seinen Männern die Ruine.
 

Der Richter schritt aufrecht durch die verfluchten Hallen, während seine Männer mit ihren Waffen in alle Richtungen zielten. Er kannte diesen Ort; er war schon mal hier gewesen. Doch die Wiedersehensfreude hielt sich in Grenzen. Viele verdrängte Erinnerungen kamen hoch, und er wollte sich hier nicht länger aufhalten als notwendig. Im Gehen holte er das Gerät hervor, das ihm die Forscher des Draklor-Laboratoriums mitgegeben hatten. Die Bedienung war automatisch, er musste es nur in das Innerste der Ruinen bringen, wo die Forscher bedrohliche Vorgänge vermuteten. Er wusste nicht näher, um was es ging, doch das von diesem Ort nur Übel ausging, daran hatte er keinen Zweifel.

Bald drei Jahre war es nun her, dass Richter Zecht auf den Auftrag hin von Doktor Cidolfus Demen Bunansa den Mitternachtssplitter hierher gebracht hatte, um einerseits seine Wirkung zu testen und andererseits womöglich den Krieg zwischen Archadis und Nabradia zu einem schnellen Ende zu bringen. Das Ende war sogar sehr schnell gewesen und hatte die Stadt fast vollständig zerstört. Was aber noch schlimmer war, der künstliche Nethizit hatte dieses Gebiet auf alle Zeiten für Menschen unbewohnbar gemacht. Die Myststrahlung ließ nur noch entstelltes, der Natur spottendes Leben zu. Seufzend steckte er das Gerät wieder weg.

Immer tiefer drangen sie in dieses lebensfeindliche Labyrinth vor, und schließlich kamen sie an eine Weggabelung.

„Welchen Weg jetzt, Sir?“ fragte einer der beiden Soldaten. Der Richter überlegte. Außer seinen Erinnerungen gab es nicht viel, worauf man sich stützen konnte. Während er die beiden Möglichkeiten gegeneinander abwog- kam ein Wesen um die Ecke.

Praktisch gleichzeitig hoben die beiden Soldaten ihre Waffen. Im selben Moment ließen sie sie wieder sinken, denn das Geschöpf wirkte alles andere wie gefährlich.

„He, was ist denn das?“ fragte einer von ihnen amüsiert und ging auf das Wesen zu. Es reichte ihnen gerade bis zu den Knien und bestand hauptsächlich aus Fellknäueln und Federn. Mit großen schwarzen Kulleraugen betrachtete es neugierig und furchtlos die Besucher. Dabei fiepte es leise.

Der Richter erstarrte. Er kannte dieses Wesen, doch… das war unmöglich…

„Ist der kleine Kerl putzig“, meinte Wedge und beugte sie zu dem lustig auf und ab hüpfenden Wesen hinab. Biggs streckte seine Hand nach der niedlich aussehenden Kreatur aus. Dann fiel es dem Richter ein. Zu spät…

„Erschießt es, SOFORT!!“ brüllte er. Bevor noch einer der beiden reagieren konnte, geschah es auch schon. Ein durchdringendes Röhren erklang, und im nächsten Moment starrte Biggs schockiert auf den blutigen Stumpf, der seine Hand gewesen war. Das Wesen hatte sie ihm trotz seiner geringen Größe abgebissen. Biggs begann hysterisch zu schreien, als das Blut bei jedem Herzschlag aus dem Stumpf sprudelte. Wedge taumelte rückwärts und hob wie in Trance seine Waffe. Als das Hämmern der automatischen Waffe durch die Korridore von Nabudis hallte, nahm der Richter sein Schwert vom Rücken.

„Stirb, du Monster!!!“ brüllte Wedge, doch die Projektile erwiesen sich als wirkungslos. Starr vor Schrecken musste er mit ansehen, wie das unscheinbare, kleine Wesen seinen Kameraden ansprang und ihn zerfleischte. Seine Rüstung schützte ihn nicht, und Sekundenbruchteile später war Biggs nur noch eine unkenntliche, blutige Masse. Mit vor einsetzenden Wahnsinn geweiteten Augen hob Wedge wieder die Waffe und feuerte, bis sein Magazin leer war. Dann hatte ihn das Wesen erreicht, und sein Geschrei verstummte schlagartig.

Der Richter war nicht schnell genug. Schon hatte das Wesen ein großes Loch in die Brust von Wedge gebissen, als er es mit seinem Schwert attackierte. Er schwang es mit aller Macht, doch das Wesen wurde nur davon geschleudert, aber nicht sichtbar verletzt. Aus dem Winkel seines Helms sah er noch wie der sterbende Soldat zusammenbrach. Eine letzte Fontäne aus seiner geöffneten Brust vergießend, starb er.
 

Nun sah er sich dem Wesen ganz allein gegenüber. Immer noch hüpfte es auf und ab. Hätte es nicht gerade zwei Männer auf grausame Weise getötet, man hätte es als ‚knuddelig‘ bezeichnet. Der Richter umfasste den Griff seines Schwertes fester, während das Wesen wieder zu fiepen begann.

„F… Fu… Fury!“ fiepte es unablässig. Dem Mann lief es kalt den Rücken hinunter. Sein schlimmster Verdacht war nun endgültig bestätigt. Nun begann ihn das Wesen zu umkreisen, als überlegte es, von welcher Seite es anfangen sollte, ihn aufzufressen. Der Mann fasste sich ein Herz und attackierte.

Entweder gelang es dem Wesen, seinen Hieben auszuweichen oder sie zeigten kaum Wirkung. Allmählich wuchs die Verzweiflung in dem Mann, denn es war abzusehen, dass das Wesen mit ihm spielte. Schließlich entschied er sich zum Äußersten, zu seiner letzten Rettung angesichts eines übermächtigen Gegners.
 

In diesem Moment raffte er alle Energiereserven zusammen, die er in seinem Geist finden konnte. Oft schon hatte er dies in der Vergangenheit getan, und das war es, was ihn von gewöhnlichen Menschen unterschied. Er konnte auf die Myst zurückgreifen und sie nutzen. Auch wenn es ihn an den Rand seiner Kräfte führte…

Der Boden unter ihren Füßen, die buntverzierten Wände, die Decke- alles verschwand in diesem Moment. Übrig blieben nur der Richter und sein unheimlicher Feind. Er hatte die Gestalt eines harmlosen Hasos, doch hinter der niedlichen Erscheinung verbarg sich ein uraltes Wesen von tiefster Grausamkeit. Ein Wesen, das er besiegt geglaubt hatte.

Um sie herum war nur mehr Leere, als er die Hände aneinanderlegte. Er spürte, wie ihn die Myst kraftvoll durchfloss. Dann streckte er die Arme aus, und ein Schwall aus dunkler Energie überrollte das Wesen. Das Wort ‚Schattenstoß‘ blitzte in seinen Gedanken auf, als eine Sturmflut vernichtender Kraft über seinen Gegner und durch ihn hindurch schoss.

Doch das war nicht genug, wie er wusste. Immer noch stand sein gespenstisch kleiner Gegner vor ihm. Selbst starke Monster hätte dieser Angriff erledigt, doch bei ‚Fury‘ war das etwas anderes.

Ein weiteres Male legte er die Hände aneinander. Er sammelte Energie für den nächsten Angriff, während sein Gegner handlungsunfähig vor ihm in der Schwärze schwebte. Dann holte er aus. Mit beiden Fäusten schlug er in die Luft vor sich. Dann holte er zum entscheidenden Schlag aus. In diesem legte er alle Myst, die er fassen konnte. Und tatsächlich verließ eine Druckwelle seine ausgestreckte Faust, raste durch den leeren Raum und erreichte das Wesen. Im nächsten Augenblick begann es zu implodieren, und der ganze es umgebende Raum schien auf es zuzustürzen. Tosend brach die Realität auseinander und begrub das Wesen in einem Inferno aus verbrennender schwarzer Materie. Als sich der ‚Quasar‘ legte… war das Wesen immer noch nicht besiegt.

Von Schrecken erfüllt, starrte er auf das Wesen. Nichts hätte das überleben dürfen, doch ‚Fury‘ war eines der stärksten Monster gewesen, dem er je begegnet war, und so konnte er nur hoffen, dass seine allerletzte Attacke es vernichten würde.

Der Mann streckte beschwörend beide Arme aus, und hinter ihm erschien in der Leere ein Bündel rot glühender Schwerter. Sie tanzten durch den Raum und bildeten einen Kranz aus glühenden Klingen hinter ihm. Er vollführte mehrere Bewegungen mit den Armen, und die Schwerter formierten sich. In einer Reihe rasten sie im Kreis und bildeten schließlich eine drohende Phalanx aus vorwärts gerichteten Spitzen um ihn herum. Auf seinen Befehl hin schossen sie los und trafen das Wesen von allen Seiten. Dutzendfach durchbohrt, war von dem Wesen nichts mehr zu sehen außer einem Knäuel glühender Klingen. Immer mehr glühten sie auf und wechselten ihre Farbe von Rot über Gelb und schließlich zu Weiß, als sie in einem gewaltigen Lichtblitz explodierten. Der Feuersturm tobte mehrere Momente lang und verschluckte schließlich alles um ihn herum…
 

Die Realität von Nabudis hatte ihn wieder, und der Richter sank ächzend auf die Knie. Er hatte alle Kraft verbraucht und konnte sich nicht einmal mehr auf den Beinen halten. Alleine schon den Kopf zu heben, kostete ihn übermenschliche Anstrengung. Sein Helm schien in diesem Moment tonnenschwer zu sein.

„F… Fu… Fury!!!“ fiepte es bedrohlich. Nun war es zu Ende, das wusste er. Er hatte all seine Spezialangriffe auf das Wesen geschleudert, doch es war nicht besiegt. Langsam hüpfte es auf ihn zu…



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2008-12-01T13:42:09+00:00 01.12.2008 14:42
Und wieder in Kapitel geschafft. Ging ja doch recht schnell, weil es ja verhältnismäßig kurz war, trotzdem wie immer super gut geworden. Und vor allem sehr spannend.
Der Kampf von Xell gegen Ifrit ist dir sehr gut gelungen. War sehr spannend und auch sehr actionreich. Schön, dass Ifrit zu Xell 'gehört'. Der Meinung war ich schon immer. Bei mir bekommt Xell im Spiel immer Ifrit ^^'' Die passen irgendwie so gut zueinander.
Lustig war die Szene, in der Tifa Squall geküsst hat und er nichts besseres zu tun hat, als diesen Moment mit "Rinoa" zu versauen. Gut, das Schallplattenquietschen passt nicht so gut, aber ich musste irgendwie trotzdem Lachen ;-) Und ich muss zugeben, dass ich langsam an dem Gedanken, dass evtl. etwas zwischen den Beiden laufen könnte, Gefallen finde. Weiß auch nicht, warum. Mal was anderes und irgendwie würden sie auch zusammen passen. Na ja, mal schauen was sich da so ergibt. Auch ihr Gefühlschaos hast du gut beschrieben. Die Arme.
Der Kampf gegen Fury war auch gut beschrieben. Ziemlich hartnäckiges Viech, was? Bin ja mal gespannt, ob ihm da jemand aus der Patsche hilft, aber davon gehe ich mal aus ;-)
Freue mich schon auf das nächste Kapitel.
LG, Phoenix
Von: abgemeldet
2008-04-28T12:15:01+00:00 28.04.2008 14:15
Tolles Kapitel, wirklich viel Aufruhr in Nabudis. Ich bin ziemlich neugierig was dieses ,Fury' wirklich ist... also treffen die Rettungstruppen bald aufeinander... Ja, Tifa und ihr Gefühlschaos... Na ja, egal, schreib rasch weiter :)

Inukin
Von:  fahnm
2008-04-27T22:54:45+00:00 28.04.2008 00:54
Mensch da ist ja was los. Das dieser Kleine Federball so Brutal ist hätte ich nicht gedacht. Da hat Xell ja nochmal Glück gehabt, das er denn Kampf gegen
Ifrit gewonnen hat. Wenn der 1.Akt so gut ist, bin ich scon mal gespannt wie es im 2. weiter geht. Ich hätte eine bitte an dich: Lass Tifa und Squall nur bleiben. Ich meine ja nur Cloud ist wegen Tfa her gekommen und
Rinoa wegen Squall. Wäre Traurig wenn sich ihre Herzen brechen. Ich bin mal gespannt wie der Richter den Angriff vom kleine Monster überlebt.

mfg
fahnm

P.S.: Was ist eigentlich jetzt mit Reno und Rude?


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