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Eternal Fantasy

von

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C-8

Ein neues Kapitel ist fertig, und es ist das längste und spektakulärste bislang- hoffe, es gefällt euch ;-) Und gewidmet ist es dem ehrenwerten Mazaru, der die Identität von Xells mysteriösem Gegner aufgedeckt hat. Applaus für ihn! Und euch allen natürlich viel Spaß mit diesem Kapitel. Hier verfolgen wir den weiteren Weg der SEEDs und ihrer Gäste…
 


 


 

„Lass mich los“, zischte er ihn an. „Ich bringe das Schwein jetzt um, endgültig!!“

In Vincents Augen lagen Ruhe und auch Traurigkeit, während sein eiserner Griff Cloud davon abhielt, Sephirot die Klinge in die Brust zu rammen.

„Nein, tu das nicht… Er ist mein Sohn. Und… er weiß nichts von alldem.“

„Was?? Was redest du da!?“ stieß Cloud wütend hervor.

„Ich weiß nicht, wie das möglich war… aber… er hat nach Zack gefragt. Er hat gefragt, ‚wo ist Zack?‘ “

Clouds Blick wanderte zurück zu Sephirot, der ihn fassungslos anstarrte. Sein Blick… war menschlich, wie er sich eingestehen musste. Cloud wich zurück, und Sephirot stand auf. Ratlos blickten sich die beiden an.
 

Er musste seinen Hut festhalten. Der trockene Wüstenwind riss ihn ihm zeitweise fast vom Kopf, während er in die Ferne spähte. In seinem Kopf herrschte Klarheit. Es gab Fragen zu beantworten.

Wo sind wir?

Wie kommen wir hier wieder weg?

Nichts sonst störte seine klaren Gedankengänge. Weder das unbekannte Schicksal von Rinoa und den anderen, noch das mysteriöse Wesen, das sie in den Ruinen von Nabudis in eine Falle gelockt hatte. Fürs Erste waren sie in Sicherheit. Auch wenn er die Menschen nicht kannte, mit denen es ihn hierher verschlagen hatte, so waren sie zumindest nicht feindselig eingestellt. Noch wusste er nicht, welch seltsames Schicksal diese Leute ebenfalls in die Katakomben verschlagen hatte, in die ihre Spur ihn und die anderen geführt hatte. Doch diese Fragen hatten Zeit. Sein über die Jahre seiner Tätigkeit als Scharfschütze geschärfter Verstand musste jetzt die Orientierung herstellen.

Seine Umgebung kam ihm bekannt vor. Es war eine Steinwüste, bedeckt von braunrotem Sand. Im Dunst des Horizonts zeichnete sich etwas ab. Er kniff seine geübten Augen zusammen, bis er es erkannte.

„Das gibt’s doch nicht“, murmelte er. Dann erschrak er fast, als eine Person neben ihm auftauchte und seine Konzentration störte. Es war die junge Frau, die hier ebenso wie er aus dem Nichts aufgetaucht war. Sie hatte kurzes, schwarzes Haar. Ihre Kleidung bestand aus einem schwarz-weiß geblümten Top, einer schwarzen Weste und kniehohen Tennisschuhen. Sie hatte etwas burschikoses, war aber trotzdem ziemlich hübsch, wie er befand.

„Wissen sie, wo wir hier sind?“ fragte sie vorsichtig. Irvine Kinneas lächelte sie vertrauenerweckend an.

„Nicht so förmlich. Mein Name ist Irvine Kinneas, aber für dich natürlich Irvine.“

Zaghaft erwiderte sie sein Lächeln.

„Gut… ich heiße Yuffie. Yuffie Kisaragi.“

Er deutete eine Verneigung an.

„Yuffie… ein schöner Name.“ Dann wandte er sich wieder der trostlosen, einförmigen Landschaft um sie herum zu. „Nun, wenn mich nicht alles täuscht, dann sind wir hier in meiner Heimatwelt. Das da vorne“, er deutete Richtung Horizont, „sollten die Centra-Ruinen sein.“ Seufzend schob er sich seinen Hut über die Stirn. „In eurer Welt sind wir jedenfalls nicht mehr.“

„Das waren wir vorher auch nicht“, erklärte Yuffie nachdenklich. Irvine horchte auf. „Wir sind durch ein Tor in diese Welt gekommen. In die Vorherige, meine ich. Wir haben jemanden gesucht…“

Irvine blickte sie befremdet von der Seite an.

„Im Ernst? Ihr wart nicht von dort?“

Yuffie schüttelte den Kopf.

„Nein. Tifa, eine gute Freundin von uns, wurde entführt. Die Leute von der W.R.O. sagten, sie wäre dort.“

Dem Scharfschützen und Chocobo-Cowboy klappte der Unterkiefer herab. Dann entschied er das ebenfalls unter ‚später zu klärende Fragen‘ einzuordnen.

„Okay… und das da sind deine Freunde?“ fragte er und deutete auf die anderen. „Ihr scheint euch zu kennen.“

Yuffies Gesicht verdunkelte sich.

„Ja, bis auf den einen da.“

Sie deutete in Richtung Sephiroth, der immer noch verwirrt in der Gegend herumstand.

„Der Typ mit den langen Haaren und der Ledermontur?“

„Ja“, erwiderte Yuffie leise, aber zornig. Dabei ballte sie die Fäuste.

„Hm…“ Irvine registrierte dies und hob eine Augenbraue. „Was hat er denn auf dem Kerbholz?“

Das Mädchen aus Wutai blickte ihn finster an.

„Er ist ein Mörder“, knurrte sie und ging dann zu den anderen. Irvine griff sich an den Hut. Irritiert schaute er ihr nach und versicherte sich dann, dass er beide Waffen griffbereit hatte.
 

Wenn Blicke töten könnten… Cloud starrte Sephiroth an. Aus seinen Augen sprach Hass, aber auch Unverständnis. Sephiroth, dessen Gesicht so anders war, als sie es von ihren letzten Konfrontationen in Erinnerung hatten, erwiderte ihn verwirrt.

„Wo bin ich hier? Und wo ist Zack?“ fragte er mit einem drängenden, fast flehenden Unterton. Vincent wollte etwas erwidern, doch Cloud kam ihm zuvor.

„Zack? Der ist tot, verdammt“, brummte Cloud und spuckte in den Sand. Sephiroths Miene wurde noch verwirrter.

„Was?? Das kann nicht sein. Wir…“ Er entsann sich seiner letzten Erinnerung. „Wir waren auf dem Weg nach Nibelheim. Angeblich gab es dort Probleme im Makoreaktor. Wir… sollten das klären, das war unser Auftrag“, sagte er und nickte langsam, wie um seine Worte zu bekräftigen.

„Bullshit“, bellte Cloud. „Das ist alles längst vorbei. Du warst schon dort. Du hast deine Herkunft entdeckt, hast dann Nibelheim dem Erdboden gleich gemacht. Zack ist geflohen und wurde von Shinra-Truppen ermordet. Und so weiter, und so weiter…“ Fassungslos lachend wandte er sich ab und schüttelte den Kopf. Ziellos ging er ein paar Schritte und blieb dann stehen. Sephiroths Blick wanderte zu Vincent.

„Was ist das für ein Unsinn? Wer seid ihr überhaupt?“

Vincent verschränkte die Arme, senkte den Blick und begann zu erzählen.

„Nun, aus deiner Sicht… ist Cloud ein früherer Shinra-Soldat. Du bist ihm vielleicht schon begegnet. Er war ein Freund von Zacharias Fair, deinem Kollegen bei S.O.L.D.A.T. Und ich bin ein früherer Turk, wurde aber… gekündigt. Yuffie ist eine freiberufliche Ninjutsu-Meisterin aus Wutai, und den Typen mit dem Cowboyhut kenne ich nicht.“

Sephiroth nickte langsam und machte ein Gesicht, als hätte jemand versucht, ihm eine Wundererbse zu verkaufen.

„Alles klar… Du sagtest, du bist mein Vater. Was ist das wieder für eine Geschichte?“

Vincent schloss die Augen, als der Schmerz der Erinnerung in ihm hochstieg.

„Deine Mutter, Lucrezia Crescent… wir hatten etwas miteinander, damals- “

„Das ist lächerlich! Du bist kaum älter als ich, du kannst unmöglich mein Vater sein!“

„Ich habe dreißig Jahre in einem Sarg im Gefrierschlaf verbracht. In der Shinra-Villa in Nibelheim.“

Sephiroth lachte und breitete die Arme aus.

„Klar! Und ich bin Ramuh, Gott der Blitze!“ Dann wurde er wieder ernst. „Was immer ihr mit mir angestellt habt, ich werde es Shinra berichten. Und dann werdet ihr euch nirgends mehr auf dieser Welt sicher fühlen können!“

„Erstens gibt es Shinra nicht mehr“, erklärte Vincent seufzend, „und zweitens sind wir nicht mehr in unserer Welt.“

„Tatsächlich?“ fragte Sephiroth und hob die Augenbrauen. „Und was ist das hier sonst? Vielleicht ein Traum oder was?“ Er begann wütend zu gestikulieren, und seine weißgrauen Haare wallten dabei. „Wenn es ein Traum ist…“ Seine Züge verdunkelten sich, und er zog sein überlanges Masamune. „…dann kann ich ja einfach…!“ Er stürmte los, direkt auf Cloud zu, der immer noch mit dem Rücken zu ihnen stand. Niemand konnte reagieren. Schnell wie ein tödlicher Blitz schwang er die schlanke Klinge. Kurz bevor sie Cloud getroffen hätte- brach er zusammen.

Ein Würgen ging durch seinen Körper, das ihm jegliche Kraft raubte. Klirrend fiel sein Masamune zu Boden. Seine langen, weißgrauen Haare berührten den Sand, als er vornübergebeugt kniete und nach Luft rang. Als sein Blick auf seine zitternde Hand fiel, sah er ihre Konturen durchsichtig werden. Einen Moment lang verschwanden sie fast, bevor sie sich wieder verdichteten.

Cloud drehte sich um und sah ihn auf dem Boden knien. Alle Blicke ruhten auf dem Mann, dessen Umrisse für einen Moment durchscheinend wurden. Dann normalisierten sie sich wieder, und er stand langsam auf.
 

Mittlerweile hatten sie sich in Bewegung gesetzt. Irvine Kinneas führte sie an in die Richtung, in der er die Centra-Ruinen erblickt hatte. Nachdem dies ihr einziger Bezugspunkt in der endlosen Wüste des Centra-Kontinents war, wählten sie ihn als ihr Ziel.

Irvine, der mit dem Vorfall von vorhin eine weitere ungelöste Frage an den Rand seines Bewusstseins schob, ging neben Yuffie. Die Kargheit der Umgebung und die verstörenden Ereignisse der letzten Zeit bedrückten sie. Um sich davon abzulenken, verwickelte sie den Scharfschützen des Galbadia-Garden in ein Gespräch.

„Eure Welt hier… die sieht aber nicht überall so aus, oder?“

Irvine schüttelte lachend den Kopf.

„Nein, zum Glück nicht. Ist schon seltsam, dass wir gerade im ödesten Teil gelandet sind. Hier ist es ja noch öder als bei den Salzseen in Esthar…“, meinte er nachdenklich. Den Centra-Kontinent hatte er bis jetzt nur von Flugschiffen aus gesehen, von ihrem Abstecher zu Edeas Waisenhaus und den Geschehnissen nach der Zeitkompression, mal abgesehen.

„Esthar? Wo ist das schon wieder?“ fragte sie neugierig.

„Das ist einer der drei Kontinente unserer Welt“, erklärte er geduldig. Seine Waffe, den Exeter, trug er locker vor der Brust. Nicht nur wegen der hier vorkommenden Gegner, auch wegen dem Mann mit den langen, weißgrauen Haaren. Etwas stimmte nicht mit ihm, von den verwirrenden Geschichten der anderen Mal abgesehen. Vorhin hätte er sich fast in Luft aufgelöst, und auch als Ganzes kam er ihm verdächtig vor. Irvine konnte nicht genau sagen was, auf jeden Fall riet sein Instinkt ihn zu Vorsicht.

„Und was machen wir dann?“ fragte Yuffie und riss ihn aus seinen Gedanken. Er hob seinen Blick, der eben noch an seinen staubigen Stiefeln gehaftet hatte, unter denen Steine und Sand knirschten.

„Von dort aus sollten wir das Haus einer guten Bekannten von mir sehen. Ich weiß nicht, in welcher Richtung es liegt…“ Verdrossen blinzelte er zum Himmel. Trüber Dunst hüllte die Sonne ein, die hoch am Firmament stand. Himmelsrichtung ließ sich keine davon ableiten. „Aber von dort aus sollten wir es erkennen.“

„Diese Bekannte… erzähl mir von ihr“, verlangte sie lächelnd. Irvine begann das Gespräch mit dem aufgeweckten Mädchen zu genießen. Es lenkte ihm von all den Problemen ab und weckte auch ein bisschen den Schürzenjäger in ihm, den ihm selbst seine Angetraute nicht hatte hundertprozentig austreiben können.

„Sie heißt Edea und betreibt ein Waisenhaus dort“, erklärte er. Die Ruinen, die in erster Linie aus einem hohen Turm bestanden, der sich von verwitterten Mauerresten umgeben sah, kamen nur langsam näher. „Ich bin dort aufgewachsen, musst du wissen. Sie ist immer noch wie eine Mutter für mich…“, begann er zu erzählen.
 

„Ich habe eine Theorie“, sagte Vincent nach einer Weile und durchbrach damit die Stille. Cloud, der neben ihm durch diese sich nach allen Richtungen erstreckende Steinwüste ging, antwortete ohne den Blick von dem vor ihnen gehenden Sephiroth zu nehmen.

„Nur raus damit.“

„In den Ruinen… als dieses Monstrum auftauchte. Habe ich richtig gesehen, dass er direkt aus ihm herauskam?“

Cloud blickte ihn fragend an.

„Ja… was sollte das bedeuten?“

„Was immer das war… es hatte große Macht. Und Sephiroth ist tot, wie wir alle wissen. Wenn er nur ein Geist, ein Phantom ist?“

„Hm…“ Nachdenklich blickte Cloud wieder auf den vor ihnen dahin trottenden Sephiroth. Nach dem rätselhaften Ereignis hatte er kein Wort mehr gesprochen und war nur noch ohne eine Miene zu verziehen ihnen gefolgt. „Nach all den verrückten Sachen, die uns schon passiert sind… will ich das auch nicht ausschließen. Könnte schon sein.“

„Er hat versucht, dich zu töten… aber er konnte nicht. Als würde ihn etwas daran hindern.“

Wie so oft stoppte Vincent mitten im Kontext. Nach einer Weile blickte ihn Cloud fragend an.

„Und was kann das bedeuten, deiner Meinung nach?“

Vincent Valentine atmete tief durch und senkte den Blick zu Boden.

„Erinnerungen können sehr mächtig sein…“

Clouds ungeduldiger Blick lastete immer noch auf ihm.

„Worauf willst du hinaus?“

Mit seinen dunkelroten Augen erwiderte er seinen Blick, und fast lächelte er dabei.

„Alte Männer wie ich wollen auf gar nichts mehr hinaus. Wenn es sein soll, werden wir es herausfinden.“

„Danke, aber so genau wollte ich es gar nicht wissen“, schnaubte Cloud verdrossen. „Egal…“ Wieder traf sein Blick den abwesend wirkenden Sephiroth, und dann den Turm. Er schien der letzte gut erhaltene Rest der Ruinen zu sein. Wie ein Zeugnis vergangener Zeiten schälte er sich aus dem rötlichen Dunst, der das Land überzog.
 

Er hielt seine Gunblade ausgestreckt von sich, so wie er es immer getan hatte. Langsam und konzentriert ging sein Atem. Beide Füße standen fest am Boden wie Steinsäulen. Seine Knie bewegten sich ganz leicht auf und ab, während er über Kimme und Korn seiner Waffe blickte. Die zu dicken Bündeln zusammengerollten Strohmatten, die um ihn herum im Hof des Balamb-Garden verteilt standen, entschwanden aus seinem Bewusstsein. Er musste sich eingestehen, dass er eingerostet war. Zu lange hatte er seine Zeit in Kneipen und Spelunken verbracht, um seine Wunden zu lecken. Doch nun hatte er ein neues Ziel, und es erfüllte ihn mit Leben.

Seine Stiefel tanzten förmlich über den gewalzten Sandboden und zogen Schwaden von Staub hinter sich her. In seiner Hand erwachte Hyperion, seine Gunblade, zu Leben. Kreise und Bögen aus grünem Licht in der Luft hinterlassend, surrte sie, aberwitzige Manöver beschreibend, nach allen Richtungen. Immer wieder bremste er hart ab und schob mit den Stiefelsohlen den harten Boden zusammen, wenn er wieder die Richtung wechselte. Neues Leben durchströmte ihn, und es war so erquickend! Imaginäre Feindesscharen erstanden vor ihm, und er tanzte und schlug durch ihre Reihen wie ein entflammter Derwisch. Bis er… in der Mitte wieder zur Ruhe kam und Hyperion langsam senkte.
 

Einen tiefen Atemzug später sanken sämtliche Mattenbündel in etliche Teile zerschnitten zu Boden. Voller Genugtuung stützte er sich auf seine Waffe. Oh ja, ich bin zurück… dachte er verschmitzt. Bis sich jemand von hinten näherte.

„Na, wenn das nicht die stets perfekte Quistis Trepe ist“, sagte er vergnügt, ohne sich umzudrehen. Die Schritte kamen zu Halt.

„Wie wusstest du es?“ fragte die blonde Frau mit der Brille und der SEED-Uniform. Cifer Almasy lachte leise in sich hinein.

„Es ist die Unsicherheit in deinen Schritten. Darüber können auch deine schweren Stiefel nicht hinwegtäuschen.“ Er wandte sich zu ihr um und legte sich die Gunblade über die Schulter. Mit einer Mischung aus Arroganz und Charme blickte er sie an. Quistis räusperte sich und nahm sich zusammen. Er ist nicht mehr dein Schüler, sagte sie zu sich selbst, und du bist nicht mehr seine Ausbilderin. Wenngleich sie sich eingestehen musste, dass sie ihn schon immer auf eine verstörende Weise attraktiv gefunden hatte.

„Wie kommst du darauf?“ fragte sie betont selbstsicher.

„Na ja…“, begann Cifer und fing damit an, vor ihr auf und ab zu gehen. „Nach außen hin gibst du dich stark und selbstbewusst. Aber in deinem Inneren hast du nie überwunden, dass Squall Rinoa erwählt hat und nicht dich.“

Die letzten Worte stachen sie in der Seele, doch sie fasste den festen Entschluss, sich nichts anmerken zu lassen.

„Na und? Er liebt eben sie und nicht mich.“

Der bitterliche Geschmack dieser Worte wurde ihr erst nach dem Aussprechen so richtig bewusst. Verzweifelt rang sie um ihre mühsam aufrecht erhaltene Fassade. Cifer lachte leise.

„Klar, das stört dich gar nicht… genau das ist deine Schwäche, Quistis. Du lässt dich auf andere Leute ein. Und damit wirst du angreifbar.“

Nun hatte er eine Grenze überschritten. Quistis kam mit energischen Schritten auf ihn zu und baute sich dicht vor ihm auf. Unwillkürlich wich er einen halben Schritt zurück.

„Ich kann das wenigstens. Im Gegensatz zu dir. Deine letzten Freunde, Fu-jin und Rai-jin… bis in die Hölle wären sie dir gefolgt. Aber auch sie hast du vertrieben“, zischte sie ihn an. Ihre Gesichter kamen sich sehr nahe, und Cifer hatte Mühe, seine überlegen wirkende Miene aufrecht zu erhalten.

„Pah… diese Schwächlinge. Ich brauche sie nicht.“ Er kam ihr noch näher und sah seine eigene Spiegelung auf ihren Gläsern und auch in ihren eisblauen Iriden. „Ich brauche niemanden“, sagte er ihr voll Herablassung ins Gesicht. Dann wich er wieder zurück. Quistis rührte sich nicht. Allmählich bröckelte Cifers Fassade, und es wurde ihm unbehaglich zumute.

„Natürlich. Herr Cifer braucht niemanden, klar“, begann sie in einem leisen, scharfen Tonfall. „Du brauchst auch uns nicht. Denn ohne uns würdest du ja nur als Säufer enden, der den guten alten Zeiten nachtrauert. Und der ewig bedauert, von seinem großen Rivalen besiegt worden zu sein.“ Cifers gekünstelte Miene wurde durchlässig. Unbehaglich wechselte sein Blick zwischen ihren Augen. „Es mag sein, dass ich es nicht überwunden habe, dass Squall- “ Sie hielt Inne. Dann blinzelte sie, und ihr Tonfall wurde etwas sanfter, fast traurig. „Ich liebe ihn immer noch, auch wenn er mich nie lieben wird. Aber ich werde alles tun, ihn zurück zu holen. Das ist eigentlich der Grund, warum ich hier bin. Ich wollte dir klar machen, dass die Situation ernst ist. Das hier ist keine SEED-Aufnahmeprüfung, die du nach Herzenslust verbocken kannst. Das hier ist verdammter Ernst.“ Er sah mit an, wie ihre Augen feucht wurden. „Und sollte ich den Eindruck haben, du unterlässt irgendwas, das das Gelingen dieser Mission- “ Ihr versagten die Worte. Zurück blieb ein drohender Blick, der selbst bei Cifer Almasy Eindruck hinterließ. Dann wandte sie sich von ihm ab und ging mehrere Schritte. Sie wollte ihm nicht den Triumph des Anblicks ihrer Tränen gönnen.

„Wenn du mir misstraust… warum hast du dann mich geholt?“ fragte er, und jegliche Arroganz war aus seiner Stimme gewichen. Sie drehte sich wieder zu ihm um. Ihre Wangen waren noch feucht.

„Weil du ein hervorragender Kämpfer bist. Und weil du Squall nicht zurück lassen würdest. Schon allein deshalb nicht, um ihm deine Überlegenheit zu beweisen.“ Cifer wusste nicht, ob er sich bei diesen Worten geehrt oder eher lächerlich vorkommen sollte. Er legte großen Wert darauf, niemals überrascht zu wirken, doch jetzt war er es. Er steckte seine Waffe weg und ging auf sie zu.

„Quistis Trepe…“, flüsterte er, „Ich muss zugeben, du hast mich durchschaut. Ich bin wegen ihm hier. Ich kann nicht mehr in den Spiegel schauen, ohne ein letztes Mal mit ihm gekämpft zu haben.“ Seine Fassung schwand, und zum ersten Male war Quistis ehrlich beunruhigt. „Ich stand immer in seinem Schatten. ‚Squall, der Musterschüler…‘“, äffte er Direktor Cid nach. Dann lachte er bitter. „Ich muss mich ihm ein letztes Mal stellen. Das wurde mir klar, als ihr die Kneipe in Balamb verlassen habt. Sonst werde ich nie damit fertig.“ Sie sah ihn genau an und hatte das Gefühl, zum ersten Mal wirklich sein Gesicht zu sehen, und nicht irgendeine Maske. „Ich werde ihn finden, und dann werden wir kämpfen“, setzte er fort. „Entweder besiege ich ihn diesmal… oder er tötet mich besser. Dann habe ich nämlich keine Existenz verdient.“

Mit einem Male machte er einen so untypischen, verletzlichen Eindruck auf sie. Dass sie ihn so erlebte, war ihm sichtlich unangenehm. Doch es kam aus ihm heraus wie aus einer schwelenden Wunde, die sich seither nicht geschlossen hatte.

„Cifer… so muss es nicht sein“, begann sie in einem versöhnlichen Ton. „Du kannst auch einen anderen Sinn in deinem Leben finden- “

„Und welchen!?“ schrie er sie fast an. Von dem Gefühlsausbruch erschreckt, wich sie einen Schritt zurück. Doch Cifer wirkte nicht aggressiv, eher… schutzbedürftig. Sie konnte sich nicht erinnern, ihn jemals so erlebt zu haben.

„Es gibt… noch etwas anderes... als immer nur… kämpfen“, sagte sie und ging auf ihn zu. Er wich nicht zurück, und so standen sie dicht voreinander. Ohne, dass er es willkürlich steuern konnte, wanderten seine Hände zu ihren Schultern. Er berührte sie, und sie ließ es geschehen. Sein Gesicht kam immer näher, und sie schloss die Augen. Ganz leicht öffnete sie ihre Lippen und glaubte schon, die Seinigen zu spüren-
 

Bis ihr Mobiltelefon schrill läutete.
 

Schlagartig öffnete sie die Augen. Cifer wandte sich von ihr ab und ging ein paar Schritte weg. Hastig kramte sie das Telefon hervor und verwünschte es für einen Moment. Sie klappte es auf, und auf dem Display stand: Direktor Cid Kramer. Dann führte sie es ans Ohr, und ihre Stimme hatte wieder den üblichen, pflichtbewussten Klang.

„Ja, hier Trepe. Ja. Ja, ich komme sofort.“

Dann klappte sie es zu. Sie wollte schon losgehen, wandte sich dann aber nochmal zu Cifer um.

„Wir erreichen die Centra-Ruinen in Kürze. Mach dich bereit.“ Etwas drängte noch ausgesprochen zu werden. Doch sie riss sich zusammen und setzte Prioritäten. Cifer, der mit dem Rücken zu ihr stand, nickte nur. Dann ließ sie ihn allein. Ihre Schritte verhallten, und er atmete geräuschvoll aus. Das Leder seiner Handschuhe spannte sich hörbar über seinen Knöcheln, als er sie zur Faust ballte.
 

Surrend fuhr der Aufzug hoch zur Brücke des Balamb-Garden. Oben angekommen, sah Quistis bereits Direktor Kramer neben Nida, ihrem Piloten, stehen.

Der Garden schwebte bereits über die Küstenregion des Centra-Kontinents hinweg. In der Nähe des Meeres bestand der Untergrund noch aus hellem Sand und einigen wenigen Klippen. Weiter landeinwärts wandelte sich die Scholle und zeigte nunmehr eine rostbraune, von Steinbrocken und größeren Felsen übersäte Wüste. Und direkt in ihrer Flugrichtung erblickten sie einen hohen Turm, umgeben von niedrigeren Ruinen. Im Gegensatz zu den ihn umgebenden Resten altertümlicher Bauwerke wirkte der Turm gut erhalten, so als ob der Zahn der Zeit es nicht gewagt hatte, ihm zuzusetzen.

„Wir erreichen das Zielgebiet in etwa fünfzehn Minuten, Direktor“, informierte Nida ihn. Cid Kramer nickte und begann dann, Anweisungen auszuteilen.

„Frau Trepe, stellen sie ein Team zusammen. Dodonna braucht genauere Daten, um weitere Prognosen erstellen zu können. Dieser Turm… waren sie nicht schon mal dort?“

Quistis‘ ernster Blick traf das nicht mehr allzu weit entfernte Bauwerk.

„Allerdings, Sir. Ich war damals mit Squall und den anderen dort. Wir waren auf der Suche nach Artefakten, nach etwas, das uns einen Vorteil gegenüber Artemisia verschaffen könnte.“

„Und? Wurden sie damals fündig?“

„Ja, wir fanden die Tombery-Materia dort. Aber sonst… gibt es dort nicht viel. Außer Tomberys eben.“

„Nun gut. Sie werden den Trupp anführen und dabei ständigen Funkkontakt mit mir und Dodonna halten. Sobald sie irgendwas Auffälliges registrieren, melden sie das.“

„Ja, Sir“, antwortete sie, während der Garden eine Schleife um den unheilvoll über die Steinwüste aufragenden Turm flog.

„Ich werde noch eine Abteilung SEEDs unter ihr Kommando stellen, das sollte alle Eventualitäten- “

„Direktor Cid! Schauen sie sich das an!!“ rief Nida plötzlich aufgeregt. Der Direktor und Quistis Trepe richteten ihren Blick auf den Bildschirm, auf den der Pilot aufgebracht deutete. „Da, bei den Ruinen! Die Aufklärungskameras haben das gerade- mein Gott, das ist- “

Alle drei blickten sich an, als hätten sie einen Geist gesehen. Dann stürmten der Direktor und der weibliche SEED in Richtung Aufzug.
 

Eine gewaltige Staubwolke aufwirbelnd, landete der Balamb-Garden unweit der Ruinen. Eine ganze Abteilung schwerbewaffneter SEEDs begleiteten Kramer und Quistis Trepe ins Freie. Eine disziplinierte Formation einhaltend, umzingelten sie die kleine Gruppe. Argwöhnisch sahen sich die vier Männer und die eine Frau den Elitekämpfern gegenüber. Ein Mann von ihnen lief aufgeregt in Richtung des Direktors. Als die SEEDs ihn erkannten, gaben sie wie ein Mann den Weg frei.

Cid Kramer nahm seine Brille einen Augenblick lang ab, da er seinen Augen nicht mehr traute. Auch Quistis machte ein äußerst überraschtes Gesicht.

„Irvine Kinneas!?!“

Atemlos kam er vor ihnen zu stehen.

„Jawohl, Sir, melde mich zurück“, sagte er fröhlich. „Leider ohne Squall… dafür mit… na ja…“ Etwas konsterniert warf er einen Blick über seine Schulter, wo sich seine vier Begleiter einer ganzen Kohorte SEEDs gegenüber sahen.

„Wie bist du- ich meine, warum- “, stammelte Quistis verwirrt. Irvine setzte sein typisches Lächeln auf.

„Das, liebe Quistis, ist eine lange Geschichte…“

„Wer sind ihre Begleiter?“ fragte der Direktor argwöhnisch und zeigte auf das kleine Grüppchen. Irvine wandte sich blinzelnd um.

„Ach ja, einen Moment…“ Dann lief er wieder zu ihnen.
 

„Was hat das zu bedeuten?“ fragte Cloud knurrend und tastete schon nach seinem Kombischwert. Irvine hob beschwichtigend die Hände.

„Bleibt alle ruhig, ja? Das sind meine Kumpels, die tun uns nichts!“

„Ach ja?“ erwiderte Yuffie zweifelnd, während sie in einen Wald von Klingen und Schusswaffen blickte.

„Ja, das sind die SEEDs vom Balamb-Garden. Das ist eine Militärakademie, die- “ Er stoppte, als er ihre ratlosen Gesichter bemerkte. „Na ja, ihr werdet schon sehen. Kommt einfach mit und verhaltet euch ruhig. Wir sind jetzt in Sicherheit.“
 

Nachdem Irvine Kinneas dem Direktor versichert hatte, dass keine unmittelbare Gefahr von den vier Personen ausging, gestattete er, dass sie den Garden betraten. Zur Sicherheit wurde jeder von ihnen von vier SEEDs eskortiert. Der Rest stand abwartend bereit. Im Vorbeigehen besah er sich die vier Personen im einzeln. Irvine stand neben ihm und klärte ihn über ihre jeweiligen Identitäten auf.

Als erster ging ein junger Mann mit wirren, blonden Haaren die Rampe hinauf. Er trug ein großes Schwert auf dem Rücken, von dem er sich offenbar um keinen Preis trennen wollte. Seine Augen leuchteten geradezu unnatürlich blau.

„Der Typ nennt sich Cloud Strife“, erklärte Irvine. „War früher Soldat bei einem Verein namens Shinra.“ Kramer nickte. Dann deutete er auf den nächsten.

„Und dieser hier?“

„Der heißt Vincent Valentinstag oder so ähnlich.“ Kramer hob eine Augenbraue. Dies schien ein sehr ungewöhnlicher Name zu sein für jemanden mit dieser Aufmachung. Er trug eine Art Lederoverall, der von einem zerfetzten, scharlachroten Umhang ergänzt wurde. Auch ein Teil seines Gesichts wurde davon abgedeckt. Besonders fielen ihm seine metallenen Schnabelschuhe auf, sowie der Metallhandschuh, den er auf der linken Hand trug. „Er ist wesentlich älter, als er aussieht… behauptet er zumindest.“

„Aha. Und das Mädchen?“

Nun fiel Irvines Blick auf die junge Frau, die den anderen, ebenso schwer bewacht, nachfolgte.

„Sie ist süß, nicht…?“ seufzte er. Direktor Kramer sah ihn stirnrunzelnd an.

„Irvine Kinneas!“

„Äh…“ Er schüttelte den Kopf und vertrieb alle ‚unpassenden‘ Gedanken. „Sie heißt Yuffie Kisaragi und ist Ninja oder sowas.“

„So, so… ich dachte, die gibt’s nur im Fernsehen. Und der letzte?“

Als letztes betrat der Mann mit den langen, weißgrauen Haaren die Rampe zum Garden. Über seiner schwarzen Lederkleidung trug er auffällige weiße Schulterschützer. Sein offener, mit vielen Schnallen besetzter Mantel wallte im Wüstenwind. Er sah sich um wie ein gehetztes Tier. Die Situation behagte ihm gar nicht, das war nicht zu übersehen.

„Sie nannten ihn Sephiroth“, meinte Irvine nachdenklich.

„Diese Leute kennen sich alle?“

„Oh ja…“, erwiderte er seufzend und schob sich mit dem Zeigefinger den Hut über die Stirn. „Auf den müssen wir gesondert achten. Einmal hätte er sich fast in Luft aufgelöst…“

Direktor Kramer blinzelte ihn ungläubig an.

„Wie bitte?“

„Ja, und die anderen haben immer davon geredet, dass er eigentlich tot sein sollte. Doktor Kadowaki sollte sich ihn mal näher ansehen.“
 

Wie eine Prozession marschierten die SEEDs mit ihren ‚Gefangenen‘ in den Garden hinein. Dicht dahinter folgten Irvine, Kramer und Quistis.
 

Cid Highwind hockte gelangweilt auf dem Geländer unter dem der Garden-eigene Fluss dahinplätscherte. Murrend besah er sich das Treiben der SEEDs um ihn herum, und von Zeit zu Zeit warf er abgebrannte Zigarettenstummel ins Wasser. Es schwammen schon etliche darin herum. Irgendwann näherte sich ihm ein Kadett mit ernster Miene und baute sich vor ihm auf. Er räusperte sich, und Cid hob eine Augenbraue.

„Ehrenwerter Herr“, begann der Kadett in einem betont höflichen Tonfall. „Ich darf mich ihnen in meiner Funktion als Ordnungsdienst des Balamb-Garden vorstellen.“

Cid nahm die Zigarette aus dem Mundwinkel und spuckte auf den Boden.

„Und? Weiter?“

„Ähem… nachdem sie hier Gast sind, können sie es nicht wissen, aber im gesamten Garden herrscht Rauchverbot, ähem…“

Cid nickte langsam, warf seine fast runter gebrannte Kippe ins bis zu seinem Erscheinen hin saubere Wasser und zündete sich eine Neue an.

„Ja. Und weiter?“ fragte er, nachdem er eine große Qualwolke in seine Richtung geblasen hatte. Der Kadett begann zu husten.

„… auch ist es verboten, Unrat im Gewässer zu entsorgen, hust, hust…“

„Also, erstens sind meine Kippen kein Unrat, Jungchen“, erwiderte der alte Pilot gelassen, während der Kadett einen weiteren Hustenanfall erlitt. „Und zweitens rauche ich wann und wo ich will, kapiert?“ Der Kadett blickte ihn mit einer Miene an, als ob er dringendst auf eine Toilette müsste.

„Aber… aber…“

„Und jetzt zieh Leine, du verstellst mir die Aussicht“, brummte Cid Highwind. „Oder willst du den Kippen da unten Gesellschaft leisten?“

Der Kadett lief rot an, schüttelte heftig den Kopf angesichts solcher Unverfrorenheit und suchte dann das Weite. Cid Highwind blickte ihm amüsiert nach.

„Wer sagt’s denn. Du weißt eben, was gut für dich ist, Hosenscheißer…“, murmelte er. Bis sein Blick auf eine Gruppe SEEDs fiel, die vom Außendeck kamen. Sie schienen mehrere Personen zu bewachen. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung, dann stürmte er los.

Die SEEDs bauten sich vor ihm auf, als er sich durchdrängen wollte.

„Geht mir aus dem Weg, verdammt!“

Doch er erntete nur ausdruckslose Mienen. Starke Hände packten ihn an den Armen und zerrten ihn weg. Er wehrte sich, doch die SEEDs waren zu kräftig. Auf ein Zeichen von Direktor Kramer hin blieben sie stehen.

„Wartet! Herr Highwind, hätten sie die Güte, mir zu erklären, was- “, wollte er verärgert fragen, doch sein Namensvetter unterbrach ihn aufgeregt.

„Das sind meine Kumpels, verdammt! Cloud, alter Sack! Was zum Teufel treibst du hier!?“

Der Angesprochene horchte auf und drängte gegen die SEEDs, die ihn aber sofort stoppten.
 

Nach kurzer Zeit gelang es ihnen, das Chaos zu ordnen. Unter den wachen Augen der SEEDs lief nun das Wiedersehen der Freunde ab.

„Wie geht es Marlene und Denzel?“ war eine der ersten Fragen von Cloud. Cid Highwind beruhigte ihn und erklärte ihnen, dass er, Shera und die beiden Kinder bereits die Gastfreundschaft des Garden genossen. Cloud war erleichtert, ebenso Yuffie und auch Vincent, auch wenn sich dieser nicht viel anmerken ließ. Nach dem die erste Wiedersehensfreude abgeklungen war, warf Cid einen argwöhnischen Blick hinter die Reihe SEEDs, hinter denen Sephiroth herumstand und immer noch den Eindruck eines eingesperrten Raubtieres machte. Der alte Pilot blinzelte- dann fiel ihm die Zigarette aus dem Mundwinkel.

„Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt“, flüsterte er fassungslos, dann holte er seine Lanze hervor. Sofort umringten ihn SEEDs, um ihn in Schach zu halten. Auch Cloud hielt ihn zurück.

„Tu nichts unüberlegtes- “

„Was heißt hier unüberlegt, verflucht!!“ schnauzte Cid ihn an. „Entweder ist das Sephiroth oder ein verdammter Sephiroth-Imitator. In beiden Fällen mache ich ihn kalt!“

Cloud hatte alle Mühe, den aufgebrachten Mann in Zaum zu halten. Die SEEDs würden ihn erledigen, würde er hier drin einen Kampf anfangen, das war ihm klar.

„Cid! Cid!!“ beschwor er ihn, während der hasserfüllte Blick des Piloten immer noch auf Sephiroth ruhte. „Er hat keine Erinnerung! Er… er weiß von nichts.“

Cid wandte sich Cloud zu, der ihn immer noch festhielt.

„Hä??“

„Ich verstehe es selbst nicht“, sagte Cloud und schüttelte ratlos den Kopf. „Fang uns hier jedenfalls kein Blutbad an, verstanden?“

Cids Blick, der immer noch Schärfe ausstrahlte, wanderte von Cloud zu Sephiroth und wieder retour. Dann murmelte er etwas Unverständliches. Schließlich steckte er seine Lanze weg. Die Anspannung entwich aus der Situation, und die SEEDs senkten wieder ihre Waffen.

Der, um den sich alles gedreht hatte, ging nun auf die anderen zu. Die SEEDs machten Platz, ließen ihn aber nicht eine Sekunde aus den Augen. Der Mann mit den langen, weißgrauen Haaren bedachte Cid Highwind mit einem kühlen Blick.

„Ich dachte, du Arsch wärst tot“, äußerte Cid Highwind überraschend emotionslos. Sephiroth hob eine Augenbraue.

„Freut mich ebenfalls, sie kennen zu lernen.“
 

„Schön still halten“, befahl Doktor Kadowaki dem Kadetten, dessen Beinwunde sie behandelte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht saß er auf einer Liege, während sie das blutige Bein unter seiner zerfetzten Uniformhose verband. Immer wieder kam es vor, dass Kadetten die Kraft des Archeodinos unterschätzten, doch im Gegensatz zu vielen anderen Fällen, an den sich die Ärztin des Balamb-Garden erinnern konnte, war das Bein bei diesem Patienten noch dran. Als sie fertig war, besah sie zufrieden ihr Werk. „So, das war’s. Und nicht auf die Antibiotika vergessen. Diese Ungeheuer fressen ja alles Mögliche, manchmal sogar Schüler“, erklärte sie ihm mit einem sarkastischen Unterton. „Und drei Tage keinen Übungsraum betreten, verstanden?“

Der Kadett erwiderte ihr ernstes Gesicht mit einer unglücklichen Miene.

„Ja, hab ich, Frau Doktor.“

Dann stand er ächzend auf und humpelte aus der Krankenstation hinaus. Die Tür öffnete sich aber noch vorher, und mehrere bewaffnete SEEDs traten in das Lazarett.

„Noch mehr Verwundete? Was für ein Tag“, seufzte sie. Dann traten die SEEDs auf die Seite, und sie sah einen seltsam gewandeten Mann mit langen, silbergrauen Haaren. „Hm… Karneval ist doch schon vorbei. Oder kommen sie aus Esthar?“ Dann betrat auch Direktor Kramer das Lazarett, das mittlerweile ziemlich voll war.

„Doktor Kadowaki, hier haben wir einen, äh… speziellen Patienten. Ich möchte, dass sie ihn gründlich untersuchen“, sagte Direktor Kramer und schob sich die Brille auf der Nase hoch. Die Ärztin schaute wieder ihren unbekannten Patienten. Dann besann sie sich wieder auf ihre Profession.

„Na gut. Setzen sie sich mal hier her.“

Unter den wachsamen Augen der SEEDs begann sie mit der üblichen Prozedur. Direktor Kramer verließ das Lazarett wieder, nicht ohne sie mit einem ausführlichen Bericht über den Zustand dieser Person zu beauftragen.

„Schön weit den Mund auf… wie heißen sie eigentlich?“

„Efiro“, brachte er nur hervor, während sie mit einem Holzspatel seine Mandeln begutachtete.

„Verzeihung, das passiert mir öfter“, entschuldigte sie sich und nahm den Spatel aus seiner Gurgel.

„Mein Name ist Sephiroth“, wiederholte der Mann mit düsterer Miene. Immer wieder pendelte sein Blick zu den ihn umringenden SEEDs, doch ihre Aufmerksamkeit ließ keinen Moment nach. „Sie können sich diese entwürdigende Prozedur sparen. Ich war erst vor kurzem bei der monatlichen Untersuchung, die für alle Shinra-Mitarbeiter verpflichtend ist.“

„Und das hier… ist für mich verpflichtend“, entgegnete die Ärztin, während sie konzentriert mit einer kleinen Lampe seine Pupillen untersuchte.
 

Von einem Trupp der SEEDs eskortiert, wurden Cloud, Yuffie und Vincent in dem Trakt untergebracht, in dem auch schon Cid und die anderen Unterschlupf gefunden hatten. Während des Weges dorthin bestaunte er die Architektur dieses wundersamen Gebäudes. So etwas hatte er noch nie gesehen. Um wie viel anders waren die organischen, farbenfrohen Formen dieser Einrichtung im Vergleich zu den klaren, kalten Linien, wie sie in Midgar und Edge-City üblich waren. Fast kam ihm dies alles wie ein Traum vor… bis er Marlene und Denzel erblickte.

Vor Freude kreischend liefen sie ihm entgegen. Alle beide fielen ihm um den Hals und herzten ihn heftig. Er hob sie beide hoch und ging ein paar Schritte.

„Mann, seid ihr beide schwer geworden!“

Marlene lockerte ihre Umarmung und sah ihn mit großen, hoffnungsvollen Augen an.

„Cloud… wo ist Tante Tifa?“ Seine eben noch erheiterte Miene erstarrte. „Du hast versprochen, du bringst sie zurück…“ Nun sah er sich auch Denzels bekümmerten Blick gegenüber. Langsam schüttelte er den Kopf.

„Es tut mir leid, ich… ich habe sie nicht gefunden.“

Bitterkeit wuchs in den Augen der Kinder und entlud sich in einen Bach von Tränen. Nun kamen auch Shera Highwind, Nanaki und Anne hinzu. Betroffen verfolgten sie die Szene. Cloud brachte die beiden schließlich in ihr Zimmer.
 

„Es geht ihr gut, glaubt mir das. Ich konnte sie nicht herbringen, aber ich habe sie gesehen. Sie ist in Ordnung“, erklärte er geduldig den beiden Kindern, die auf dem Bett saßen und ihm mit traurigen Gesichtern zuhörten.

„Aber warum ist sie nicht hier“, fragte Denzel und drohte wieder in Tränen auszubrechen.

„Ich werde sie zurückbringen, das habe ich euch versprochen“, bekräftigte er seufzend. „Und das werde ich auch tun. Großes Cloud-Ehrenwort.“

Er zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln, und tatsächlich steckte es die beiden Kinder an. Shera Highwind, die neben ihm stand, legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Ist schon in Ordnung, Cloud. Ich kümmere mich um die beiden.“

Sie nickte dem müde wirkenden Mann zu, und er erhob sich. Noch einmal tätschelte er den beiden Kindern aufmunternd die Köpfe, bevor er sie mit Shera allein ließ. Draußen warteten bereits Nanaki und Cid.

„Hallo Cloud“, tönte Nanakis sonore Stimme. Er nickte ihm seufzend zu.
 

Im Nebenzimmer versammelten sich nun die fünf Freunde. Aufmerksam hörten sie der jungen Frau aus Wutai zu, die ihnen ihre Erlebnisse schilderten, die sich seit ihrer Reise durch das Tor zugetragen hatten. Nur Fallweise gab Vincent eine seiner raren Wortspenden dazu. Cloud saß nur da und blickte geistesabwesend zu Boden, während die anderen die Ereignisse der letzten Zeit besprachen. Immer noch lastete die Erinnerung an die traurigen Augen der beiden Kinder auf ihm. Ich habe es ihnen versprochen, dachte er wieder und wieder. Und jetzt stehe ich mit leeren Händen da…

Im Gegenzug beschrieb Cid Highwind das Chaos, das kurz vor ihrem ‚Verschwinden‘ aus ihrer Heimatwelt dort ausgebrochen war. Mit gepressten Tönen und einigen Flüchen malte er ein Bild des Schreckens, von den an allen Orten aus dem Nichts auftauchenden Ungeheuern, die Edge-City angegriffen und sie zur Flucht gezwungen hatten. Angesichts dieser düsteren Neuigkeiten legte sich eine bedrückende Stimmung über Cloud, Vincent und Yuffie. Gefangen in ihrer Ohnmacht saßen sie nur da, während die Stille im Raum nur von gelegentlichen Flüchen des Piloten unterbrochen wurde.

Schließlich erhob er sich und ließ die anderen allein. Keiner versuchte ihn aufzuhalten. Ohne sich umzudrehen verließ er den Raum.

Im Gang standen nach wie vor die einheitlich uniformierten SEEDs und bedachten ihn mit ausdruckslosen, aber aufmerksamen Blicken. Hilflos wandte er sich nach links und rechts. Er wollte nur weg, wollte nur allein sein.

Mit starrer Miene ging er los. Die Tür des danebenliegenden Quartiers öffnete sich plötzlich, und beinahe stieß er mit der Person zusammen, die aus ihr heraustrat.

„Verzeihung“, sagte er eilig- dann erstarrte er. Die junge Frau mit den kurzen, braunen Haaren und der Brille in ihrem immer etwas nervös wirkenden Gesicht kam ihm bekannt vor. „Ich kenne sie doch…?“

Aufregung und Verlegenheit rangen in ihren Zügen miteinander, bis sie antwortete.

„Ja, äh… in Edge-City, nicht wahr? Sie sind Cloud Strife, der Kurierfahrer- “

„Und sie sind Anne Almasy, von, äh…“ Er überlegte scharf. „…‘Shining Shore Computing‘! Stimmt’s?“

„Ja, genau“, erwiderte sie lächelnd. „Ihr Bekannter, Herr Highwind, hat er ihnen schon, ich meine- “

„Was mit Edge-City passiert ist? Ja, das hat er“, antwortete er betroffen.

„Nun… ich verdanke ihm mein Leben. Als es passierte- “

Ihr stockte die Stimme. Es fiel ihr sichtlich schwer, die schrecklichen Erinnerungen wieder aufzurollen. Cloud sah sich suchend um.

„Gehen wir ein Stück?“ fragte er schließlich. „Dann können sie es mir in Ruhe erzählen. Wenn sie wollen, natürlich nur.“

Sie richtete sich die Brille, wie um sich damit zu beruhigen, und nickte.

„Ja, warum nicht.“
 

„Nennen sie mich doch nicht immer Fräulein Almasy. Ich bin Anne“, erwiderte sie, als Cloud sie wieder siezte. In diesem Moment kam ihnen ein Mann mit kurzen, blonden Haaren, einem wallenden grauen Mantel und einer auffälligen Narbe oberhalb des Nasenrückens entgegen. Er schien auch in diesem Trakt zu wohnen. Offenbar hatte er ein paar Worte aufgeschnappt, denn nach dem Cloud und Anne ihn passiert hatten, blieb er stehen und schaute ihnen verwundert nach.

„Hä… ‚Almasy‘?“ murmelte er. Dann schüttelte er den Kopf und ging wieder seines Weges.
 

„Sie… ich meine, du kennst dich hier ja schon gut aus“, meinte Cloud, während sie ihn in den Außenhof des Garden führte. Durch den vom Direktor ausgerufenen Alarmzustand waren sie hier praktisch allein. Nur die ‚Shera‘ stand zwischen all den Bäumen und Pausenbänken und wirkte ziemlich deplatziert. „Woha…“, murmelte Cloud, als er zu dem Schiff aufblickte. „Das sieht ihm ähnlich, einfach hier zu landen.“

Anne ertappte sich dabei, wie sie ihn von der Seite anstarrte. Als er sich ihr wieder zuwandte, blickte sie eilig weg.

„Sie haben mich gerettet, mit dem Schiff“, erzählte sie zögernd. Dann wurden ihre Worte flüssiger. „Ich war im Firmengebäude, als… als es passierte. Ich flüchtete aufs Dach, es war so furchtbar… alle waren tot, und ich dachte schon… aber dann kam ihr Freund und landete, um mich mitzunehmen.“

Eine angenehm warme Brise wehte vom nahen Meer herüber, trotzdem fröstelte es Cloud bei ihrer Beschreibung. Zu lebendig war der Schrecken noch in ihrer Erinnerung, und er spürte dies deutlich durch ihre Worte. Unbehaglich sah er sich um. Anne richtete den Blick zu Boden, und er bekam das Bedürfnis, sie aufzumuntern.

„Wir bringen das wieder in Ordnung, sobald wir zurück sind.“ Sie hob ihr Gesicht, und ein banger Blick traf ihn.

„Kannst du das? Und wie?“ fragte sie leise, und Verzweiflung schwang in ihren Worten mit. Cloud atmete tief durch, bevor er antwortete.

„Wir sind ein eingespieltes Team. Wir werden diese Ungeheuer aus Edge vertreiben, wenn wir zurück sind. Versprochen.“

Im selben Moment schämte er sich der Haltlosigkeit dieses Versprechens. Doch in Annes Augen leuchtete neue Hoffnung auf, als wollte sie es um jeden Preis glauben. Und so bekräftigte er seine Aussage mit einem zuversichtlichen Nicken. Ein behutsames Lächeln wuchs auf ihren Lippen.
 

In aller Eile hatte er dem Direktor des Garden den bisherigen Verlauf ihrer Mission berichtet. Ihrer gescheiterten Mission, wie er sich eingestehen musste. Sie waren aufgebrochen, um Squall zu finden- und hatten alles verloren.

Gleich im Nachhinein hatte ihn Quistis gebeten, sie bei ihrem Auftrag in den Centra-Ruinen zu begleiten. Nicht der geringste Vorwurf war in ihren Worten zu spüren. Es war eher so, als wollte sie ihm zu verstehen geben, dass sie ihm nach wie vor vertraute. Auch nachdem er dabei versagt hatte, seine Kameraden zu schützen. Rinoa, Xell- und Selphie. Ihr Schicksal war unbekannt, und vielleicht würden sie sie nie wieder sehen. Eine Erkenntnis, die langsam in sein Bewusstsein fraß, als er auf dem Bett seines früheren Quartieres saß.

Es kam ihm vor, als wäre es gestern gewesen. Nach dem Reinfall mit dem Attentat in Deling-City damals konnte er keinen Schritt mehr in den Galbadia-Garden setzen. Der Balamb-Garden hatte ihn damals aufgenommen, kurz vor dem Beginn des Hexenkrieges. Nur kurze Zeit hatte er hier gewohnt, doch er hatte nur gute Erinnerungen daran. Im Gegensatz zum Galbadia-Garden, wo er als Schwerenöter und Maulheld verschrien war, begegneten ihm die Menschen hier ohne Vorbehalte. Auch hatte er hier seine zukünftige Frau kennengelernt. Selphie Tilmitt, ein aufgewecktes, manchmal naives, aber immer liebenswertes Mädchen. Und nun… hatte er sie verloren.

Hinter den Jalousien des Fensters der kleinen Kammer bewegten sich die Zweige der Bäume im Außenhof sachte im Wind. Das Grün glitzerte in der Sonne und warf farbige Schatten in den Raum. Er blinzelte in die goldenen Strahlen, nahm seinen Hut ab und legte ihn neben sich aufs Bett. Einen Moment riss es ihn, als ihn die Müdigkeit zu übermannen drohte. Er konnte nicht mehr sagen, wie lange er schon auf den Beinen war. 24 Stunden? Oder eher 48? Es fröstelte ihn trotz der angenehmen Temperatur, als er zum Wandschrank ging. Er öffnete ihn, und die Türen gaben den Blick frei auf eine Kleiderstange, auf der mehrere identische SEED-Uniformen hingen. Daneben war immer noch seine Waffensammlung. Nachdenklich glitt sein Blick über die Ansammlung matt glänzenden, tödlichen Stahls. Dann holte er den Exeter hervor.

Sein Atem zitterte, als sein Augenmerk über die verschnörkelten Verzierungen der edlen Waffe glitt.

Damit konnte ich sie nicht schützen…

Er stellte sie in einen leeren Platz des Ständers und schwor in diesem Moment, ihn nie wieder zu benützen. Dann schlüpfte er aus seinem Mantel und warf ihn achtlos auf den Boden. Mit beiden Händen griff er nach der schwersten und größten Waffe in seinem Arsenal, das er nie mehr zum Einsatz bringen wollte. Schwer wog die Waffe in seinen Händen. Ursprünglich als Scharfschützengewehr für übergroße Distanzen gedacht, war es aufgrund seines Gewichts und des enormen Rückstoßes als nicht praxistauglich eingestuft worden. Irvine besaß ein Exemplar aus purer Sammelleidenschaft. Achtlos hatte er es in dem Schrank im Balamb-Garden vergessen, damals, als er seine SEED-Karriere beendet hatte.

Er lehnte das Gewehr vom Typ ‚XR-Monster‘ im Kaliber .50 neben den Schrank. Statt dem Mantel zog er nun eine Trageweste an, die sämtlicher Spezialmunition Platz bot und schnellen Zugriff auf sie sicherte. Mit schnellen, routinierten Bewegungen verstaute er die Pulsarmunition in den Halterungen der Weste. Dann nahm er das Gewehr und verließ sein früheres Quartier. Sein Mantel, sein Hut und der Exeter… sie blieben zurück. Wie auch ein Teil seiner Vergangenheit.

Nur aus einem Grund hatte er kein SEED mehr sein wollen. Selphie Tilmitt hatte ihm die Augen geöffnet und gezeigt, was wahre Hingabe an einen einzelnen Menschen bedeutete. Die Schwere des Verlusts sickerte wie fauliges Brackwasser in seinen Verstand ein. Noch hatte er die Kraft, um diese erstickende Ahnung in puren Zorn umzuwandeln. Doch schon bald würde er die Tragik voll erfassen, und dann wäre er nur mehr ein Bündel Elend, das den Verlust eines geliebten Menschen betrauern würde. Nein, so will sie mich sicher nicht sehen, dachte er, während er seine energischen Schritte Richtung Parkdeck lenkte. Noch hatte er die Konzentration, eine Aufgabe wahrzunehmen. Später dann würde er noch trauern und sich verkriechen können, doch im Moment brauchten ihn seine Freunde. Er hatte nichts für Rinoa, Xell oder seine Frau tun können, und so sah er es als seine heilige Pflicht, zumindest noch einmal in seinem Leben seine verbliebenen Freunde nicht im Stich zu lassen.

Die in den Gängen patrouillierenden Kadetten warfen dem Mann mit dem zu einem Pferdeschwanz zusammen gebundenen Haaren und dem riesigen Gewehr skeptische Blicke zu, doch Irvine Kinneas merkte es gar nicht. In Gedanken war er ganz wo anders. Und zwar bei Selphie Tilmitt, seiner geliebten Frau, wo immer sie auch sein mochte in diesem Moment. Vielleicht bin ich schon bald bei dir, dachte er und ignorierte die einzelne Träne, die ihm über sein erstarrtes Gesicht lief.
 

Wie schon vorher besprochen, warteten Quistis und der Direktor im Parkdeck des Garden, von wo aus eine Rampe ins Freie führte. Beide schienen schon eine Weile zu warten, zeigten aber keinerlei Ungeduld. Quistis drehte sich zu ihm um, und ihr Gesicht zeigte Erleichterung.

„Irvine… ich bin froh, dass du mit kommst. Fühlst du dich auch bereit dazu?“

Er stützte sich auf seine Waffe und nickte. Cid Kramer kratzte sich nachdenklich am Kopf.

„Sind sie sicher, Irvine? Schließlich kommen sie gerade erst von einer aufreibenden Mission. Wir alle hätten Verständnis, wenn sie- “

„Es ist in Ordnung, Direktor“, unterbrach er ihn mit gefasster Stimme, in der unterschwellig seine innere Anspannung mit schwang. „Ich komme mit Quistis. Sie braucht nicht alleine zu gehen.“

„Nun… das wird sie sicher nicht“, erwiderte Kramer und räusperte sich. Irvine hob eine Augenbraue, bis er Schritte von hinten sich nähern hörte. Dann drehte er sich um. Seine Augen wurden groß.
 

Die Gunblade lässig über die Schulter gelegt, schlenderte Cifer Almasy auf das Parkdeck, als ginge es auf ein Picknick. Vor der Gruppe aus Quistis, Irvine und dem Direktor blieb er stehen und stützte sich auf seine Waffe.

„Na sowas… der Schürzenjäger ist auch da. Ich dachte, du wärst mit deinen Kumpels auf Sightseeing in einer anderen Dimension?“ Er lachte leise, und Irvine hatte Mühe, sich zu beherrschen.

„Und ich dachte, du baumelst schon längst an einem Galgen in Galbadia“, entgegnete Irvine gefasst und ohne sich etwas anmerken zu lassen. An seinem wunden Punkt erwischt, huschte eine Sekunde lang aufkeimender Jähzorn über Cifers Gesicht, bevor er wieder seine arrogante Fassade zurück erringen konnte.

„Tja, wie du siehst, sind eure geheimen Wünsche nicht wahr geworden. Hier bin ich nun, und komme mit euch mit. Ich hoffe, es stört dich nicht“, fügte er in einem herablassenden Tonfall hinzu. Direktor Kramer spürte den schwelenden Konflikt und ging schlichtend dazwischen.

„Meine Herren, ich darf sie daran erinnern, dass ein wichtiger Aufklärungsauftrag vor ihnen liegt. Deshalb befehle ich ihnen, ihre Differenzen fürs Erste beizulegen und sich auf das notwendige Teamwork zu besinnen.“

Wie so oft hatte seine Stimme die notwendige Autorität vermissen lassen. Innerlich ärgerte sich Cid Kramer darüber. Squall war es immer leicht gefallen, Befehle und auch Rügen zu erteilen. Er hatte etwas an sich gehabt, das den Kadetten und SEEDs Vertrauen und auch Respekt einflößte, erinnerte er sich.

„Schön gesagt…“, meinte Cifer sarkastisch. Dann kratzte er sich am Kinn und überlegte einen Moment. „Was habe ich denn mal zum Thema Teamwork gesagt…? Genau, ‚Teamwork bedeutet, mir nicht im Weg rumzustehen‘, so war das“, sagte er höhnisch grinsend. Direktor Kramer war die ohnmächtige Wut anzusehen, die er zu verbergen suchte. Immer schon hatte es Probleme mit Cifer gegeben, und diesmal war es nicht anders. Zu seinem Erstaunen regelte Quistis die Situation. Sie ging auf ihn zu und baute sich vor ihm auf.

„Jetzt hör mal zu, Cifer: das hier ist der falsche Ort für deine Sprüche. Mit denen kannst du in Kneipen um dich werfen, aber NICHT hier. Hier habe ICH das Kommando, und wenn dir das nicht passt, kannst du gerne hier bleiben, verstanden?“

Ihr strenger Befehlston hatte schon immer dazu getaugt, aufmüpfige Kadetten zurechtzustutzen. Außer bei Cifer. Doch zu ihrer eigenen Überraschung gab er tatsächlich klein bei und salutierte lächelnd vor ihr.

„Jawohl, Ma’am“, flüsterte er ihr zu, und es war mehr in seinem Lächeln als nur seine übliche Überheblichkeit. Das ließ sie stutzen, und sie sah ihm länger in die Augen als beabsichtigt. Dann erst wandte sie sich von ihm ab.
 

Nach einem kurzen Verbindungstest mit Doktor Dodonna in der MD-Ebene setzten sie sich in Bewegung. Über die Rampe betraten sie den rötlichen Staub, der den Großteil des Centra-Kontinents bedeckte und schritten zielstrebig auf den hochaufragenden Turm im Zentrum der Ruinen zu. Surrend schloss sich die Rampe, und Direktor Kramer beeilte sich die MD-Ebene zu erreichen, von wo aus sie ständigen Funkkontakt mit dem Dreiertrupp halten würden.
 

Nach der gründlichen medizinischen Untersuchung auf der Krankenstation setzte sich Dr. Kadowaki an ihren Schreibtisch in ihrem Büro und betätigte die interne Fernsprechanlage. Sie verband sie mit Direktor Kramer, der sich wie angekündigt im Labor der MD-Ebene aufhielt. Währenddessen fiel ihr Blick durch die Glaswand, hinter der immer noch ihr mysteriöser Patient saß. Nach wie vor bewachten ihn die SEEDs, deren Gegenwart ihn sichtlich mit Argwohn erfüllte. Ein Krächzen ging durch die Leitung, dann meldete sich der Direktor.

„Ja, hier ist Kadowaki. Ja, ich bin soweit fertig mit der Untersuchung… wie soll ich sagen…“ Sie geriet ins Stocken. Es kam ihr ja selbst zu unwahrscheinlich vor. „Der Patient macht einen normalen Eindruck, was seine körperliche Gesundheit angeht… aber nach den Standarduntersuchungen habe ich ihn noch einer Tomografie unterzogen, und das Ergebnis ist mir unerklärlich.“
 

Ringsum den Direktor herrschte emsiges Treiben wie in einem Bienenstock. Die Forscher unter dem Kommando von Doktor Dodonna waren in hellem Aufruhr. Ihre Messgeräte zeigten alles Mögliche an, und niemand schien sich die Zeit nehmen zu wollen, es dem wissenschaftlich nicht besonders beschlagenen Direktor des Garden erklären zu wollen. Selbst Dodonna wich ihm aus und konzentrierte sich ganz auf seinen Arbeitsbereich, der voller blinkender Geräte und Monitore war. Es frustrierte ihn etwas, nicht im Bilde zu sein, gleichzeitig war ihm aber auch bewusst, dass die Männer und Frauen hier ihre ganze Konzentration brauchten und sich nicht mit seinen laienhaften Fragen herumschlagen konnten.

„Was meinen sie mit ‚unerklärlich‘? Geht irgend eine Gefahr von der Person aus?“ fragte Kramer mit in den Fernsprecher und bemühte sich in der lauten Umgebung die Antwort zu verstehen. „Sie vermuten nein? Das beruhigt mich ja…“, seufzte er kopfschüttelnd und verdrehte dabei die Augen. „Was meinen sie, er ist gar nicht da? Wir haben ihn doch alle gesehen- aha. Aha.“ Die Ärztin überschwemmte ihn mit Fachausdrücken. Sie hätte ihm es genauso auf Chinesisch erklären können. „Ja, ja, das mag sein, aber… ja, das reicht schon, aber was bedeutet das für den Garden?“
 

„Schwer zu sagen“, antwortete sie. „Er selbst scheint nichts davon zu ahnen. Ansonsten… Inhaftierung? Bringt nicht viel, meiner Meinung nach. Wenn er tatsächlich verschwinden wollte, dann könnte ihn auch keine Gefängniszelle daran hindern. Ich empfehle permanente Beobachtung. Und vielleicht könnte ihn später mal Doktor Dodonna unter die Lupe nehmen. Was Teilchenphysik belangt, ist ja er der Spezialist von uns beiden“, fügte sie erheitert hinzu. „Ja. Ja, in Ordnung.“ Nachdem ihr Gespräch geendet hatte, verließ sie ihr Büro.

„Nun, Herr… Sephiroth, was ihren Gesundheitszusta- “

„Mein Gesundheitszustand ist einwandfrei, das weiß ich selbst“, unterbrach er sie mit leiser, aber nichts desto trotz scharfer Stimme. „Wo bin ich hier? Ich kenne diesen Ort nicht. Warum bin ich hier…?“ Die letzte Frage schien er eher an sich selbst zu richten. Dr. Kadowaki begann an den Schreibstiften in der Brusttasche ihres Arztkittels herumzuspielen. In einem kurzen Gespräch hatte ihr Direktor Kramer die Einzelheiten seiner Herkunft erklärt, doch dies hatte sie eher verwirrt denn eine Frage beantwortet. Und nun blickte sie in seine türkisfarbenen Augen und wusste nicht recht, was sie ihm sagen sollte.

„Die Leute hier arbeiten daran, und bald werden wir mehr wissen“, erfand sie spontan und setzte dabei ein Zuversicht spendendes Gesicht auf. Darin hatte sie als Ärztin Routine. In seinen fragenden Augen verschwand die Nervosität aber trotzdem nicht.

„Bin ich ihr Gefangener?“ fragte er, nunmehr hörbar ohne Hoffnung auf aufschlussreichere Antworten.

„Nein, natürlich nicht. Aber sie werden verstehen, wenn wir sie zu ihrer eigenen Sicherheit permanent beobachten. Soviel ich mitbekommen habe, sind sie von, äh… weit weg, also können sie im Moment eh nicht zurückkehren, von wo, äh… sie eben sind“, sagte sie nickend und aufmunternd lächelnd.
 

Mit einer scheuen Miene begutachtete er seine Umgebung, als er den Garden erkundete. Die Ärztin hatte ihm erlaubt, die Krankenstation zu verlassen.

Pah, erlaubt! Ich bin nur Präsident Shinra Rechenschaft schuldig, sonst niemanden…

Wütende Gedanken vermischten sich mit Verwirrung, als er durch die bunten und phantasievoll konstruierten Hallen des Garden irrte. Schon längst hätte er sein Masamune zücken und sich den Weg freischlagen sollen. Ein Teil von ihm warnte ihn, durchschaute dies alles als eine Intrige der verbliebenen Genesis-Anhänger- doch ein anderer Teil ahnte jene Wahrheit, die wie ein Damoklesschwert über ihm hing, die wie eine dumpf drückende Last durch sein verstörtes Bewusstsein geisterte. In jenem Moment, als er in einem Chaos aus dräuender Schwärze und gleißendem Licht erwacht war, um sich Augenblicke später in einer Wüste zwischen ihm fremder Menschen wiederzufinden- die ihn aber offensichtlich kannten- da tauchte auch eine unleugbare Tatsache am Rande seines Verstandes auf, die nur ganz langsam in das Zentrum seines Bewusstseins sickerte.

Seine letzte Erinnerung an einen vertrauten Ort war die Ladefläche eines Shinra-LKWs, der sie mit ein paar Konzernsoldaten und seinem Kollegen Zacharias Fair nach Nibelheim bringen sollte. Dann schwand sein Bewusstsein, als liefe es langsam einen Abfluss hindurch, um sich eine nicht bestimmbare Zeitspanne später wieder zu einer Form zu versammeln. Etwas daran kam ihm so entsetzlich falsch vor, aber noch wagte er es noch nicht, die Schlüsse aus all den Alarmsignalen zu ziehen.

Die wenigen Kadetten, die in der Mensa ihre Mahlzeit zu sich nahmen, warfen dem Mann in dem auffälligen Aufzug skeptische Blicke zu. Die beiden SEEDs, die wenige Schritte in seinem Rücken ihm nachfolgten, verstärkten das ungewöhnliche Bild noch. Aber schließlich wendeten sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihren Tellern zu, die sie aufgrund des ausgerufenen Ausnahmezustands in kurzer Zeit leeren mussten, um danach wieder auf ihre Wachposten zurückzukehren.

Auch an diesem Ort erstaunte ihn die ihm völlig fremdartige Architektur, die technische Elemente mit organischen Formen verband. Wortlos setzte er sich an einen leeren Tisch. Die beiden SEEDs, die ihm wie ein drohender Schatten folgten, hielten angemessenen Abstand. Dann erinnerte er sich an den Moment, als er den Mann mit den blonden, wirren Haaren hatte töten wollen…

Es waren seine Hände. Sie waren der erste Wink gewesen. Gerade, als er es hatte tun wollen… es war nicht möglich gewesen, und an seinen Händen hatte er es gesehen. Durchsichtig, wie etwas, das im Begriff war zu verschwinden… Sein gesamter Körper hatte sich so angefühlt, in dem Moment. Als würde in dieser Sekunde alles Leben, jegliche Existenz aus ihm verschwinden. Als würde eine unsichtbare Macht sein pures Vorhandensein ungeschehen machen. All seine Erinnerungen, seine Persönlichkeit, seine Vergangenheit… ausgegangen wie eine durchgebrannte Glühbirne. Mit einem Male kam ihm sein ganzes Leben unwirklich vor, wie nie stattgefunden. Und dann traf ihn die Wahrheit wie ein Hammerschlag auf die Stirn. Die ganze Zeit war sie schon dagewesen, wie eine tiefe, schmerzende Wunde, deren Existenz man aus reiner Selbsterhaltung verdrängt. Doch nun war es ihm bewusst…

Nur kurz blickten die SEEDs auf, als der seltsam gewandete Mann schleunig die Mensa verließ. Eilig folgten ihm seine Bewacher und bemühten sich, mit ihm Schritt zu halten.
 

Er brauchte jetzt frische Luft, und tatsächlich ließ ihn sein Instinkt richtig abbiegen. Nach wenigen Schritten stand er im Freien, auf einem Hof mit vereinzelten Bäumen, Bänken und Tischen. Endlich wich das Gefühl ersticken zu müssen. Er beugte sich nach vorn und bemühte sich, langsam und regelmäßig zu atmen.

„Alles in Ordnung mit ihnen?“ fragte einer seiner Bewacher. „Sollen wir sie wieder in die Krankenstation bringen?“

Sephiroth schüttelte nur den Kopf.

„Nein… nicht notwendig.“

Fast stolperte er, bis seine Schritte wieder sicher wurden. Dann setzte er einen Fuß vor den anderen, bis er an einem Geländer stand, von dem man aus den Außenhof gut überblicken konnte. Seine Hände… sie waren durchsichtig geworden. Aus einem guten Grund, wie er jetzt wusste. Sie waren nicht real. Genauso wenig wie er selbst.

Er blinzelte, als er sie sah. Der Mann von vorhin. Der, den er nicht hatte angreifen können. Den er als erstes gesehen hatte in dieser Welt. Einen Moment lang drohte die Verwirrung wieder übermächtig zu werden, bevor wieder Klarheit in seinem Kopf Einzug hielt. Nun verstand er, vielleicht nicht alles, aber vieles. Dieser Sephiroth, dessen Persönlichkeit und Erinnerungen er hatte, existierte nicht. Zumindest nicht in dieser Welt. Was immer ihn erschaffen hatte, es hatte seine Existenz an diesen Mann gekettet. Darum war es ihm unmöglich gewesen, ihn zu attackieren. Ebenso wie der Selbsterhaltungstrieb einen Suizid verhindert.

Mit beiden Händen stützte er sich auf das Geländer. Seine Füße fühlten sich wie taub an. Nun war es ihm klar. Er war nur ein Schatten, ein Schatten an der Wand. Der sich bewegte, atmete und lebte… aber eben nur ein Schatten. Jede Zelle in seinem Körper flüsterte es ihm zu, und nun konnte er sich nicht mehr taub stellen.
 

Ich bin nicht real…
 

Das behutsame Lächeln wuchs und wurde heller, wie das Rund der Sonne, das langsam über den Horizont stieg. Alles um ihn herum, der schwache Wind, das Rauschen der Blätter… alles schwand, und übrig blieb ihr Gesicht.

„Deine Augen… sie sind so blau.“

Es dauerte einen Moment, bis er ihre Worte bewusst registrierte. Etwas verlegen schüttelte er seinen Kopf.

„Äh… meine Augen?“

„Ja“, erwiderte Anne vorsichtig. „Es geht mich ja nichts an, aber… es ist mir gleich aufgefallen. Sie leuchten richtig.“

Cloud kratzte sich am Kopf, als wäre ihm dieser Umstand peinlich. Er wusste aber, dass dieses Stigma ihm für den Rest seines Lebens anhaften würde.

„Ja, das… ich war früher an Versuchen beteiligt. Mit Mako.“

Annes Gesicht überkam leise Bestürzung.

„Versuche? Mit Mako? Aber das ist doch verboten. Laut Gesetz dürfen nur Tiere dafür herangezogen werden. Wobei ich aber auch das falsch finde“, fügte sie entrüstet hinzu.

„Es ist schon etwas länger her“, bemerkte Cloud und machte ein unbehagliches Gesicht. Ihr blieb sein Widerstand gegen dieses Thema nicht verborgen.

„Du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht willst.“

„Es ist schon okay.“ Er machte einen tiefen Atemzug, bevor er weitersprach. Normalerweise war dies nicht seine Art, sich so zu öffnen. Doch bei dieser jungen Frau war es anders… Er konnte nicht sagen, warum, doch irgendwie wurde seine Zunge ungewohnt locker. „Vor längerer Zeit habe ich für Shinra gearbeitet, als gewöhnlicher Soldat. Eines Tages hieß es ‚wer meldet sich freiwillig für einen Versuch?‘ Es wurden Beförderungen und Zulagen versprochen, und ich wollte es damals unbedingt zu etwas bringen. Dann haben sie uns mit Mako in Berührung gebracht. Manche starben dabei, andere… bekamen blauleuchtende Augen, wie ich“, sagte er lachend. Und nicht nur das, fügte er in Gedanken hinzu.

„Ich verstehe… der Shinra-Konzern hat wirklich viel Schlimmes angerichtet, bis zum Meteoreinschlag. Ich arbeite ja für die W.R.O., und manchmal schäme ich mich dafür.“

„Da gibt es keinen Grund“, behauptete Cloud gegen sein besseres Wissen. Er wollte die junge Frau jedoch auf keinen Fall in ihrem Schuldgefühl bestätigen. „Außerdem arbeiten viele Menschen für die W.R.O. und damals auch für Shinra, aber deshalb haben sie keine Schuld daran, was einzelne Personen verbrochen haben.“

Anne Almasy hob den Blick. In ihren Augen vermischte sich Wehmut mit Selbstvorwürfen.

„Das mag sein, aber- “ Sie blinzelte, dann erstarrte sie. Ihr Blick ging über Clouds Schulter hinweg. Furcht kroch über ihre Miene. Schnell drehte er sich um. „Das- das ist doch- “

„…Sephiroth“, vervollständigte Cloud sie. Am anderen Ende des Hofs stand er an einem Geländer. Sein Blick schien ins Leere zu gehen. Im nächsten Moment drehte er sich um und ging wieder in Richtung Hauptgebäude. Anne trat an Cloud heran. Ihre Hand krallte sich in seinen Oberarm. „Ist er mit euch mitgekommen?“ fragte sie, den Blick immer noch die selbe Richtung gerichtet.

„Ja… ich weiß nicht, warum und wie es möglich war, aber- “

„Er ist doch tot, oder?“ Ihr banger Blick traf ihn. Er überlegte, wie viel er ihr verraten sollte.

„Ja, mit Sicherheit“, erwiderte er nickend. „Er sieht aus wie Sephiroth, aber ich glaube, dass er irgendwas anderes ist. So was wie ein Geist.“

Langsam lockerte sie den Griff um seinen Oberarm, und sie blickte auf ihre Hand, als gehöre sie gar nicht ihr.

„Deine Freunde haben mir erzählt, was mit dieser Frau namens Tifa passiert ist. Und dass ihr sie sucht. Ihr habt sie nicht gefunden, oder?“

„Nein“, antwortete Cloud verdrossen. „Dafür den Knaben da“, ächzte er und deutete mit dem Kinn in die Richtung, in die Sephiroth verschwunden war.

„Das ist alles sehr seltsam…“, murmelte Anne und schüttelte langsam den Kopf. „Diese Tifa… sie muss euch allen sehr viel bedeuten, stimmt’s?“

„Wir haben zusammen viel durchgemacht. Ja, sie ist für uns sehr wichtig.“ Erneut stieg der Schmerz ihres Verlusts in ihm hoch, und er kämpfte ihn mit einem leichten Würgen im Hals nieder.

„Und für dich?“ fragte sie vorsichtig. „Was bedeutet sie… für dich?“

„Wir kennen uns seit Kindestagen. Wir sind zusammen aufgewachsen, bis ich Nibelheim verlassen habe.“

Die junge Frau blickte ihn an, als hätte sie eine andere Antwort erwartet.

„Ach so. Übrigens… Danke.“

„Für was?“

„Das du mir zugehörst hast.“

„Das habe ich gern bemacht, ehrlich“, erwiderte er. Sich räuspernd, wandte er sich für einen Moment von ihr ab. Anne nutzte diese Sekunde und warf ihm einen Blick zu, den sie nicht gewagt hätte, offen zu zeigen. Den sie ihm schon damals, als sie ihm zum ersten Male in Edge-City getroffen hatte, zu werfen hatte wollen. Und wofür sie damals schon zu feige gewesen war.

In der Zeit, in der sie versucht hatte ihr kleines Unternehmen aufzubauen, war sie meistens abgelenkt gewesen. Bis über beide Ohren war ihr die Arbeit gestanden, und so hatte sie es gut verdrängen können. Doch die Wahrheit war eine andere. In den seltenen Momenten, in denen sie zur Ruhe gekommen war, fühlte sie sich dann meist einsam. Sicher hatte sie sich mit ihren Kollegen gut verstanden, und sie wären wohl zu ihren Freunden geworden… hätte sich nicht jener schreckliche Tag ereignet.

Immer noch kam ihr alles vor wie ein Alptraum. Und mehr als zuvor, als sie einfach nur eine frischgebackene Unternehmerin in Edge-City gewesen war, die sich in der Anonymität der Großstadt manchmal einsam gefühlt hatte, sehnte sie sich jetzt nach einer starken Schulter zum Anlehnen. Und immer stärker wurde das Gefühl, diese Schulter könnte ihr dieser Mann bieten, der ihr durch ein seltsames Schicksal wieder begegnet war.
 

„Können noch immer nichts Ungewöhnliches feststellen“, murmelte Quistis in ihr Funkgerät. Was sie nicht sah, waren Doktor Dodonna und Direktor Kramer, die über Funk ihre Schritte begleiteten, während die Wissenschaftler auf der MD-Ebene mit ihren Instrumenten die Centra-Ruinen überwachten. In ihrem Blickfeld sah sie Irvine Kinneas, der die linke Flanke bildete, und Cifer Almasy, der sie nach rechts abdeckte.

Die Centra-Ruinen waren ein geheimnisvoller Ort. Über achtzig Jahre war es nun her, dass ein besonders heftiger Ausbruch der ‚Träne des Mondes‘, wie dieses Phänomen genannt wurde, das Leben auf diesem Kontinent nahezu spurlos ausgelöscht hatte. Außer endlosen Steinwüsten und kaum noch deutbaren Tafeln, die in den gleichförmigen Ebenen in der Sonne bleichten, waren es nur noch diese Ruinen, die einen Eindruck dieser einstigen Zivilisation vermittelten. Als einziges Gebäude, das weitgehend unbeschädigt geblieben war, legte es den Schluss nahe, dass dieser Turm das Zentrum dieser Stadt gewesen sein mochte.

Grinsende Wasserspeier aus Stein warfen hämische Blicke auf sie herab, als sie die einzelnen Ebenen des Turms erklommen. Fast wirkten die Statuen lebendig, und wenn Quistis sie nur noch aus den Augenwinkeln sah, schien es ihr, als würden die steinernen Zeugen vergangener Zeiten den Kopf nach ihr drehen. Bis ein ohrenbetäubender Donnerschlag die gespenstische Ruhe durchbrach.

„Verdammt noch mal!!“ schrie Cifer auf. Er duckte sich unter einer Spur von Rauchkringeln, die den Weg eines Projektils aus Irvines Waffe beschrieben. An der Stelle, an der es eingeschlagen war, kündeten grüne Flecken von dem schlagartigen Ableben eines Tomberys. Mit erbostem Gesicht ging er auf Irvine zu. „Der gehörte mir! Oder war das etwa… Absicht?“ zischte er den Schützen an. Irvine hob den immer noch qualmenden Lauf seiner Waffe und hielt seinem finsteren Blick stand.

„Ich mag es eben auch nicht, wenn man mir im Weg steht…“, knurrte er zurück. Die beiden tauschten stechende Blicke aus, bis Quistis dazwischen ging.

„Schluss, ihr beiden! Wir haben einen Auftrag, der ist wichtiger als eure Streitereien!“ Die beiden wandten sich ihr zu. „Und du, Irvine, pass auf, wo du hin schießt! Wir sind ein Team, vergiss das nicht.“

Irvine hielt ihrem Blick trotzig stand. Cifer wandte sich kopfschüttelnd ab. „Ein Team, pah…“, murmelte er so leise, dass es niemand hörte. Quistis ging auf den Scharfschützen zu und sprach in einem leiseren, aber immer noch eindringlichen Ton auf ihn ein.

„Was ist nur los mit dir? So kenne ich dich gar nicht“, fragte sie ihn mit bekümmerte Stimme.

„Was mit mir los ist?“ fragte er zurück, während sie sich wieder in Bewegung setzten. Cifer, der wie üblich seine Gunblade über der Schulter trug, ging voran die Treppen zur nächsten Etage hinauf. An der Außenseite des Turms wand sich die breite Treppe hinauf, immer wieder unterbrochen von quadratischen Plätzen in den einzelnen Etagen. „Ich habe sie verloren… und ich konnte nichts tun. Weder für sie noch für die anderen“, flüsterte er fast. Quistis nickte und machte ein betroffenes Gesicht.

„Das ist eine schlimme Sache… aber wir können im Moment nichts ändern. Jetzt geht es darum, das Schlimmste zu verhindern.“ Sie überlegte ihre Worte, dann verstummte sie. Irvine warf ihr einen fragenden Blick zu.

„Das war nicht die ganze Wahrheit, richtig?“ fragte Irvine, der es bereits ahnte. Schließlich nickte Quistis.

„Kramer wollte dich nicht beunruhigen, deshalb- “

„Er wollte mich nicht beunruhigen?“ Er starrte sie ungläubig an. Dann lachte er hilflos. „Ich habe das verloren, was mir am wichtigsten war auf dieser Welt, dazu die meisten meiner Freunde…“ Bitterkeit vergiftete sein Lachen. „Spuck es ruhig aus. Schlimmer kann es für mich nicht mehr kommen.“

Quistis räusperte sich, dann begann sie zu erklären.

„Doktor Dodonna… er befürchtet, dass nicht nur gelegentliche Tore entstehen, wie bisher. Er glaubt, dass sie sich bald überall öffnen. Und das wir dann womöglich eine Invasion erleben. Das mit Squall war erst der Anfang. Glaubt er.“

„Na großartig“, knurrte er und umklammerte seine Waffe fester. „Die sollen nur kommen…“
 

Der Wind wehte hier oben stärker, als sie auf die oberste Plattform des Turms kamen. Hier gab es einen Eingang in eine Kuppel, die den höchsten Punkt des Bauwerks bildete. Ein düsteres Tor prangte in der Mauer. Cifer stand auf dem Platz und sah sich um.

„Und was soll hier sein?“ Fragend blickte er sich um. Die drei schritten nun auf dem Platz umher, von dem man aus fast den gesamten Centra-Kontinent überblicken konnte. Als sich mit einem Schlag der Himmel über ihnen verdunkelte. Wie Tinte in einem Wasserglas füllte sich das Firmament mit Schwärze. Blitze zuckten durch den bis eben noch dunstigen Himmel. Fassungslos tastete Quistis nach ihrem Funkgerät.

„Direktor Kramer…“, stammelte sie, als sich die Hölle zu öffnen begann.
 

Dodonnas erschrockener Blick raste zwischen den Anzeigen hin und her. Seine Assistenten riefen verwirrt durcheinander. Kramer, der am Funkgerät saß, hörte nur noch atmosphärisches Krächzen.

„Frau Trepe? Quistis?? Ich kann sie nicht mehr verstehen- “ Dann merkte er das Durcheinander um ihn herum. „Dodonna, was hat das zu bedeuten?“

Doch der Angesprochene starrte nur entsetzt auf seine Monitore. Er schluckte den Kloss in seinem Hals runter, dann flüsterte er: „Es hat begonnen…“
 

Von Blitzen umzuckte Öffnungen entstanden ringsum sie. Aus diesen strömten Kreaturen der Unterwelt. Nicht viel mehr konnten sie erkennen, als dass sie lange Krallen und mit Zähnen gefüllte Mäuler hatten. Und dass es viele waren.

„Was wird das jetzt!?“ rief Cifer, der sich bald von zischenden Bestien eingekreist sah, die den plötzlich entstehenden Toren entströmten. Über das Visier seiner Waffe blickend, beäugte er die Übermacht. „Na bitte… ich wusste doch, dass das noch interessant wird…“ Dann legte er los.

Sein ausgefranster Mantel wallte theatralisch, als er wie ein grauer Orkan durch ihre Reihen brach. Links und rechts von ihm zerfielen die Ungeheuer, als Hyperion durch ihre Reihen schnitt. Schnell waren sie, und stark, doch das reichte nicht aus um der Wut eines Cifer Almasy Herr zu werden. Immer wieder wich er elegant ihren Angriffen aus, wenn sie sich mit ihren Klauen auf ihn stürzten. Doch jedesmal entzog er sich ihren Attacken, und nur sein Mantel wurde von ihren Klauen noch mehr zerfetzt.

„Fresst das, ihr Mistviecher!“ Donnernd ging Irvines großkalibrige Waffe los und pulverisierte ihre Ziele. Von allen Seiten strömten sie auf ihn ein, doch immer riss er die Waffe schnell genug herum und drückte ab. Quistis stand hinter ihm und hielt ihm den Rücken frei. Mit ihrer Peitsche hielt sie so die restlichen Angreifer ab. „Verdammt…“, knurrte Irvine, nachdem er wieder eines der Monster getroffen hatte, „es sind zu viele!“ Quistis hatte alle Mühe, ihnen den Rücken freizuhalten. Bald würde sie die Übermacht erdrücken. Selbst um Cifer, der wie ein tanzender Teufel durch ihre Reihen fegte und dabei Gegner um Gegner vernichtete, schloss sich der Kreis immer dichter. Bald würde auch er nicht mehr gegen die Flut der Gegner ankommen. Und weitere Tore öffneten sich und spien noch mehr Gegner aus. Quistis tauschte mit Irvine einen verzweifelten Blick, als immer mehr der Ungeheuer den Toren entströmten- und mit ihnen noch etwas.
 

Unter den vielen schwarzen Ungetümen, die sich aus den Toren ergossen, war eine rote Bestie dabei. Sie hatte große Ähnlichkeit mit den anderen Ungeheuern- doch es kämpfte gegen sie.

Über dem Rücken der roten, vierbeinigen Bestie kreiste ein Ring goldener, gleichartiger Gegenstände. Sie landete auf dem Boden und schwang diese goldene Kette wie eine Peitsche gegen die schwarzen Angreifer. Durch eine unsichtbare Verbindung zusammengehalten, bildeten sie eine flexible Reihe, die sich beliebig verlängerte und dann wieder zusammenzog, aber immer wie eine todbringende Waffe durch die Reihen der Angreifer peitschte.

„Was ist das wieder?“ rief Irvine in dem ganzen Durcheinander.

„Ich weiß es nicht“, antwortete Quistis und bemühte sich, den Schlachtenlärm zu übertönen. „Was immer das ist, es hilft uns!“

Sie tauschten noch einen verwirrten Blick, dann wandten sie sich wieder dem Kampf zu. Mit der Zeit schien der Strom der Gegner zu versiegen. Cifer stand schwer atmend da und stützte sich auf seine Gunblade. Irvine hielt seine Waffe, deren Lauf mittlerweile glühte- und Quistis stand neben ihm und starrte das feuerrote Wesen an. Es glich einer Mischung aus Wolf und Löwe. Das Ende seines Schweifs schien in Flammen zu stehen. Auf dem Kopf trug es eine leuchtendgelbe Mähne. Die goldenen Gegenstände, deren Zahl schwer zu erkennen war, kreisten langsam in der Luft oberhalb ihres Rückens. Knurrend sah sich das Biest um. Dann wandte es sich an die drei.

„He, ihr! Ist das hier der Cosmo Canyon?“ Verblüfft darüber, dass das wolfartige Wesen sprechen konnte, brachten sie kein Wort heraus, sondern starrten es nur an. Missmutig sah sich das Wesen um. „Hm… sieht nicht so aus. Verdammt.“

Irvine näherte sich dem Wolfswesen vorsichtig.

„Du kannst… sprechen?“

Das Wesen blickte ihn mit feurigen Augen an.

„Du etwa auch?“ erwiderte es, und der Sarkasmus war nicht zu überhören. Quistis stellte sich neben Irvine und beäugte das Wesen misstrauisch.

„Du bist keines dieser Monster… was bist du dann?“

Das Wesen beschrieb einen Bogen, bei dem es seine Umgebung taxierte. Dabei hinterließ sein brennender Schweif eine feurige Spur in der Luft.

„Mein Name ist Shinaha, aber das tut nichts zur Sache… wenn das hier nicht der Cosmo Canyon ist, wo bin ich dann?“ murmelte es eher zu sich selbst. Die Stimme des Raubtieres schien eine weibliche Färbung zu haben, so weit man das erkennen konnte. Cifer stand mit verschränkten Armen da und schüttelte den Kopf.

„Was für ein Tag. Noch so ein Freak…“

Bei diesen Worten horchte das Wesen schlagartig auf. Es stürmte auf Cifer los, und schneller als er reagieren konnte, sprang es ihn an und drückte ihn mit seinen Pranken zu Boden.

„Was sagst du da, du Menschenwurm??“

Cifer versuchte sich aus ihrer Unterdrückung zu befreien, doch ohne Erfolg. Drohend kreiste die goldene Kettenpeitsche über ihm in der Luft.

„Runter von mir, du Monster!“ schrie er, und tatsächlich gab das Tierwesen ihn frei. Hastig kam er auf die Beine und hob seine Gunblade. Doch das Wesen machte keine Anstalten, ihn nochmal zu attackieren.

„Was sagtest du vorher, Mensch… es ist wichtig!“ sprach das Wesen eindringlich und fast flehend. Cifer errang seine Fassung wieder.

„Du… du siehst aus wie dieses Vieh.“

„Welches!?“ fauchte es und machte einen Schritt näher. Warnend zielte Cifer mit der Gunblade.

„Immer mit der Ruhe!“ rief Quistis. „Wenn wir wieder im Garden sind, können wir das beilegen. Shinaha… war so dein Name?“

Das rote Wesen wandte sich zu ihr.

„Ja.“

„Woher kommst du? Was war das eben, und… warum hilfst du uns?“

Das Wesen marschierte um sie herum und ließ dabei seinen brennenden Schweif umher tanzen.

„Diese Wesen… sie haben schon viele Welten zerstört. Und eure ist die nächste“, bemerkte sie lakonisch, während die goldenen Kugeln immer noch wie von einer unsichtbaren Kraft gelenkt über ihrem Rücken kreisten.

„Von wo kommst du? Von wo kommen diese Bestien?“ fragte Irvine kopfschüttelnd.

„Niemand weiß, wo sie herkommen. Sie tauchen einfach auf, so wie heute. Wie ein Schwarm Heuschrecken fallen sie her über andere Welten. Was mich betrifft…“ Ihr Blick wanderte über ihre Zuhörer, und in den tierischen Augen blitzte unvermutete Intelligenz auf. „…ich komme aus einem Tal, Cosmo Canyon genannt. Vor vielen Jahren hat mich eine fremde Macht meiner Heimat beraubt. Seither reise ich durch die Welten, auf der Suche nach meiner eigenen. Dabei nutze ich die Tore, mit denen sich auch diese Heere von Monster fortbewegen. Für die Welten, die es trifft, bedeutet es meist den Untergang. Aber für mich eine Chance, meine Heimat wieder zu finden.“ Argwöhnisch blickten sich die drei an. „Nehmt mich mit. Ich muss nachprüfen, was dieser Mensch da gesagt hat. Vielleicht…“Shinaha senkte den Blick. Traurigkeit glühte in ihren halbgeschlossenen Augen. „…gibt es noch andere- “

Sie verstummte mitten im Satz. Irvine hob eine Augenbraue. Sie bewegte sich nicht mehr, war wie erstarrt. Dann wanderte sein Blick zu Quistis und Cifer. Auch sie rührten sich nicht mehr und wirkten wie eingefroren. Alarmiert lief er los und wollte sie berühren- doch seine Hand griff ins Leere.

Ihre Konturen wurden durchscheinend und schwanden schließlich ganz. Mit einem Schlag war er allein auf der Spitze des Turms. Und dann dröhnte eine Stimme von oben herab.

„Das ist nur für dich bestimmt…“

Zornig fuhr er herum.

„Hä?? Du schon wieder?“ Selbst die schwarzen Wolken, die den Himmel wie ein Ölfeld überzogen, waren zum Stillstand gekommen. Irvine ahnte, was jetzt geschah. „Komm raus, verdammt noch mal!! Du warst das mit Selphie! Und auch mit Xell, richtig!?“ schrie er zornerfüllt. Doch niemand antwortete. Stattdessen erzitterte die Erde unter seinen Stiefeln.

Das Beben wurde stärker, und schließlich fielen Teile der Stukfassade des Turms in die Tiefe. Dann wuchs die Gestalt vor dem alleinstehenden Turm im Zentrum der Centra-Ruinen in die Höhe. Bis es auf der Höhe der obersten Plattform war.

„Das- das ist doch…?“ Irvine erkannte die riesige Maschine, die dampfend und ratternd vor ihm in die Höhe wuchs. Zwei mächtige Säulen stützen sie. In ihrer Mitte prangte ein Kopf wie der Helm einer Rüstung. Sie war breiter als der Turm selbst, und um einiges höher- Alexander.

„Heilige Scheiße…“, stammelte er, als sich die Batterien links und rechts seines Haupts öffneten. Dampf und Qualm stießen sie aus, als sie die Raketenschächte freigaben. Irvine duckte sich, dann lief er los. Zischend entwichen die Marschflugkörper ihren Schächten.

Trotz seiner schweren Waffe gelang es ihm einen rettenden Haken zu schlagen. Fontänen aus Staub und Steinbrocken empor reißend, schlugen die Sprengköpfe dicht hinter ihm ein. Beinahe hätte ihn die Druckwelle von den Beinen gerissen. Hastig langte er in die Taschen seiner Materialweste.

„Wer immer du bist… was hast du mit unseren G.F. angestellt!?“ schrie er seinem unbekannten Gegner zu. Alexander begann wieder zu qualmen und zischen, er bereitete den nächsten Angriff vor. Dieser kam schneller als erwartet. In allerletzter Sekunde sprang Irvine hoch- um von der Detonation unter seinen Füßen noch zusätzlich empor geschleudert zu werden.

Die Zeit und alles um ihn herum verlangsamte sich, als er von der Wucht der Explosion getragen, auf Alexander zu schwebte. Im Flug zog er den Spannhebel seines Gewehrs zurück. Der Blick in die Ladekammer wurde frei. Mit der anderen Hand drückte er ein leuchtendes Pulsar-Projektil in die Kammer. Schnalzend schnellte der Spannhebel nach vorne, und die Waffe war geladen. Dicht vor sich sah er bereits das riesenhafte Haupt der mächtigen Guardian Force. Im letzten Moment zog er den Abzug-
 

Seine Augen brannten vor Schmerz. Langsam kam er auf die Beine. Der Lichtblitz, ausgelöst vom Einschlag der Pulsarmunition, hätte ihn um ein Haar erblinden lassen. Vor ihm ragte immer noch Alexander auf und brummte und ratterte lautstark. Doch seine Umrisse verschwammen. Leuchtende Partikel stiegen von ihm auf und sammelten sich. Zusammen bildeten sie gleißende Wolken verdichteter Energie. Irvine sah mit an, wie sie auf ihn herabsanken.

„Was hat das zu bedeuten…“, fragte er leise, während ihn der Geist der Schutzmacht Alexander erfüllte. Einmal noch glühte er zur Gänze grell auf, dann war die Verschmelzung vollständig.
 

Yuffie Kisaragi und Vincent Valentine saßen zusammen in der Kantine des Garden. Sie konnten sich kaum noch erinnern, wann sie das letzte Mal eine warme Mahlzeit zu sich genommen hatten. An die erstaunten Blicke der allesamt gleich uniformierten Kadetten hatten sie sich schon gewöhnt. Fast wunderte es Yuffie, dass Vincent ihrer Einladung gefolgt war. Als ob sich seine ansonsten vorherrschende Verschlossenheit allmählich lösen würde. Irgendwann muss der Eisblock doch auftauen, dachte Yuffie. Doch das Gespräch wollte noch nicht so recht in Gang kommen.

„Und? Weißt du schon, was du nachher tust?“

Vincent blickte langsam von seinem Teller auf.

„Ja.“

Yuffie lächelte. Und wartete.

„Und weiter?“

„Was weiter?“

Verärgert ließ sie ihr Besteck fallen.

„Ich fragte, was du nachher machen willst. Ist das so schwierig…“, grummelte sie. Vincent ordnete sein Besteck sorgfältig auf dem Tisch an und verschränkte die Hände.

„Du meinst, wenn wir das hier überleben? Damit beschäftige ich mich, wenn es so weit ist“, bemerkte er lakonisch.

„Ja, ich meine, na ja…“, begann Yuffie nervös. „Ich meine, willst du etwa wieder in diese gruselige Villa einziehen? Das willst du doch nicht wirklich, oder?“ Sie lächelte hilflos. „Na ja, ich meine… also, wir könnten doch… was ich meine, ich bin gerade dabei, groß ins Materia-Geschäft einzusteigen, aber was mir noch fehlt… wäre ein verlässlicher Partner…“, fügte sie leise hinzu. Vincents stoischer Blick seiner dunkelroten Augen veränderte sich nicht.

„Ich bin mir sicher, du wirst einen finden.“

Das Besteck schepperte, als Yuffies Faust die Tischplatte traf. Die wenigen anderen Anwesenden in der Kantine blickten kurz auf. Eine Gewitterwolke zog über Yuffies Gesicht.

„Verflixt noch mal“, fluchte sie leise, aber eindringlich. „Du warst wohl schon zulange mit Cloud zusammen, was? Willst du etwa so enden wie er?“ Nun war tatsächlich ein Anflug von Überraschung auf Vincents Gesicht erkennbar. Fast glaubte er zu erkennen, wie sich Yuffies Augen mit Tränen füllten.

„Was ist mit Cloud?“ fragte er mit einem unbehaglichen Ton in der Stimme.

„Was mit ihm ist? Herrje, ihr Männer seid wirklich alle gleich!“ entgegnete sie aufgebracht. „Seit Jahren schaut Tifa zu ihm auf und wünscht sich nichts mehr als… als… was weiß ich…“ Verärgert rieb sie sich ihre Augen, um ihre Tränen der Wut vor Vincent zu verbergen. Dann sprach sie leiser weiter. „Jetzt hat er sie verloren. Vielleicht für immer“, sagte sie nicht mehr zornig, sondern nur noch traurig. Vincent blickte sie betroffen an.

„Yuffie… was willst du?“ fragte er aufrichtig klingend. Sie sah ihn an und begann ganz sachte zu lächeln.

„Ich will… nur eine Chance. Ich meine, ich weiß, du hattest es nicht leicht, und das mit Lucrezia… sicher ist das nicht einfach. Aber das ist Vergangenheit. Und es kann doch auch eine Zukunft geben.“ Hoffnungsvoll blickte sie ihn an. Ihre Finger tasteten nach seiner Hand, und zu ihrer Überraschung erwiderte er die Berührung. Eine Weile ruhte sein Blick auf ihren Händen, die sich sacht berührten.

„Ja… die Vergangenheit. Vielleicht hast du recht.“ Einer jener seltenen Momente, in denen er lächelte, ereignete sich. Yuffie strahlte übers ganze Gesicht. „Wenn es so weit ist… aber vorher ist noch einiges zu erledigen, das spüre ich. Und als erstes… muss ich mit Sephiroth sprechen.“ Ganz jäh erhob er sich von seinem Platz. Yuffie starrte ihn entgeistert an.

„WAS?? Du willst zu diesem … Monster gehen?“

Vincent blickte gerade aus und atmete tief durch.

„Er ist ein Monster genau so wie ich… und er ist mein Sohn.“

Nun schnellte auch Yuffie hoch.

„Aber, aber- du bist kein Monster, dass weiß ich! Und er…“ Ihr Gesicht füllte sich für einen Moment mit Abscheu. „Du sagtest selbst, er ist vielleicht gar nicht echt.“

„Das mag sein. Aber das ist wahrscheinlich meine letzte Chance, ihm etwas zu sagen…“, erwiderte er nachdenklich. Sie sahen sich eine Weile an, und Vincent wandte sich erst zum Gehen, als er Verständnis in ihren Augen erkannte.
 

Die beiden SEEDs folgten ihrem Schutzbefohlenen durch den Garden. Scheinbar ziellos waren seine Schritte, die ihn schließlich in die Übungshalle führten. Auf ihren Hinweis, dass es dort ‚gefährlich werden könne‘, reagierte er nicht. Mit zu Boden gerichtetem Blick marschierte er stoisch gerade aus. Kein Auge hatte er für die Pflanzenpracht, die in diesem künstlich angelegten Urwald wucherte. Fassungslos sahen sie mit an, wie ein zufällig ihren Weg kreuzender Archeodinos in zwei Teile zu Boden sank, Sekunden nachdem sein Masamune aufblitzte. Die SEEDs sahen sich an und schluckten angesichts der Beiläufigkeit, mit der der Fremde mit den langen, weißgrauen Haaren das starke Monster erledigt hatte. Ohne den zuckenden Überresten weitere Aufmerksamkeit zu schenken, kam der mysteriöse Mann schließlich zum Hinterausgang der Übungshalle. Sein ausdruckloser Blick ruhte kurz auf der Stahltür, dann trat er hindurch. Die beiden SEEDs beschlossen, vor der Tür zu warten. Etwas bewog sie, den Wunsch des Mannes nach Einsamkeit zu respektieren. Was sie nicht sahen, war ein roter Farbklecks, der ihnen gefolgt war, hinter ihnen vorbeitanzte und durch den Spalt der Stahltür floss.
 

„Sephiroth.“

Eine Zeit lang starrte der Mann von der Brüstung aus auf die Wüste, die sich von hier bis an den Horizont erstreckte. Dann drehte er sich langsam um. Seine türkisfarbenen Augen fixierten den Mann mit dem scharlachroten Umhang und dem Metallhandschuh an der linken Hand.

„Was wollen sie?“ fragte er ungerührt. Vincent ging auf ihn zu. Er wollte etwas sagen, doch seine Stimme stockte. Stattdessen begann der Mann mit dem langen, weißgrauen Haar zu sprechen. „Sie sagten, sie seien mein Vater. Stimmt das?“

Vincent nickte langsam.

„Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber ich war mit deiner Mutter zusammen, damals…“

Sephiroths Blick wanderte langsam zu Boden. Dann hob er sich wieder auf Vincent.

„Man hat mir gesagt, meine Eltern wären beide tot.“

„Nun ja… in gewisser Weise stimmte das sogar.“

Fast hätte Sephiroth gelächelt, dann wandte er sich wieder um.

„Wie auch immer… das spielt keine Rolle. Ich existiere nicht wirklich, stimmt’s?“ sprach er leise. Vincent ging zu ihm stellte sich neben ihn an die Brüstung.

„Es sieht so aus. Und ich kann auch nicht sagen, warum. Aber was ich dir eigentlich sagen wollte, war… dass… dass ich…“ Sein hilfloser Blick traf seinen Sohn, der ihn ratlos erwiderte. „Ich habe mich nie um dich kümmern können, und vielleicht hätte ich verhindern können, was aus dir geworden ist…“ Dann fiel ihm nichts mehr ein.

„Sie hassen mich. Was ist aus mir geworden, dass sie mich so verachten?“

Vincent schüttelte langsam den Kopf.

„Es war Shinra… sie haben dich… verändert. Du wurdest zu jemand anders. Ich bin überzeugt, das warst nicht du, am Ende…“

Sephiroths verstörter Blick wechselte zwischen seinen beiden dunkelroten Augen hin und her, in denen in diesem Moment soviel Bedauern und auch Schmerz lag. Der Schmerz über einen verlorenen Sohn, über soviel verpasste Chancen, als-
 

Als der Weltuntergang begann.
 

Sephiroths und Vincents Blick wanderten hinaus in den Himmel, der nun schwarz wie geronnenes Blut war. Blitze zuckten durch die Schwärze, und grell aufleuchtende Tore öffneten sich. Und zwar überall gleichzeitig.

„Was ist das?“ rief Sephiroth. Vincent schüttelte langsam den Kopf. „Nicht gut…“
 

Die SEEDs stolperten in Panik davon, als die aus ihren Angeln gerissene Stahltür an ihnen vorbei flog. Und mit ihr ein grauenhaftes Monster, wie sie es noch nie gesehen hatten. Das schwarze Ungetüm polterte über den Boden und verendete dann. Der entsetzte Blick der beiden schockierten SEEDs wanderte von dem sich auflösenden, riesigen Monster zu den beiden Gestalten, die durch die zerstörte Tür schritten. Hinter ihnen glühte ein violett-schwarzer, von Blitzen durchzuckter Himmel und warf ein gespenstisches Gegenlicht. Sie schienen der Hölle entstiegen zu sein…

Sein gewaltiges Masamune in der Rechten haltend, ging der Mann mit den wallenden, weißgrauen Haaren Seite an Seite mit einem zweiten, dessen leuchtendrote Augen von Satan selbst sein konnten. In seiner Hand glänzte eine dreiläufige Waffe, deren Mündung immer noch glühte. Dann öffneten sich weitere Tore- nun IM Garden.

Von Panik erfüllt, rannten die SEEDs weg. Von allen Seiten näherten sich nun dunkle, fauchende und mit Krallen und Zähnen übersäte Ungeheuer, die elektrisch knisternden Toren im Raum-Zeitgefüge entströmten. Sephiroth und Vincent stellten sich Rücken an Rücken der Übermacht. Von allen Seiten näherten sie sich.

„Ist eigentlich unfair…“, murmelte Sephiroth, auf dessen blankpolierten Schwert sich zahllose, geifernde Monsterfratzen spiegelten.

„Stimmt“, antwortete Vincent. Über das Visier seiner Waffe betrachtete er die Heerschar der Gegner und schätzte ihre Zahl. „Wir sind zu zweit… und die nur etwa Hundert. Ist aber deren Pech“, fügte er schulterzuckend hinzu.
 

Nur mit Mühe gelang es Quistis, Irvine wachzurütteln. Verwirrt sah er sich um.

„Was… ist passiert?“ stammelte er.

„Ist er wach? Wir müssen nämlich weg, und zwar schleunigst!“ rief Cifer, der beobachtete, wie sich neue Tore öffneten. Auch das Wesen namens Shinaha stand bei ihnen und machte einen beunruhigten Eindruck.

„Das war erst der Anfang. Wir können hier nicht bleiben!“

Ächzend kam Irvine auf die Beine, und gemeinsam traten sie die Flucht an.

„Direktor Kramer!! Hören sie mich!“ rief sie verzweifelt in ihr Funkgerät, während sie die Treppen des Turms hinab stürmten. Doch außer atmosphärischen Rauschen hörte sie nichts. Schon hörten sie das Getrampel neuer Gegner hinter sich, als sie endlich den Fuß des Turms erreichten. An der Rampe des Garden erwartete sie bereits eine Einheit SEEDs. Bevor sie noch irgendwas sagen konnten, geleiteten die SEEDs sie in aller Eile in das Innere.

„Sie sind auch hier drinnen, wir müssen jeden Moment wachsam sein“, erklärte einer von ihnen, als sie die Gänge entlang stürmten.

„Was??“ rief Quistis. „Was soll das hei- “

„Diese Tore, sie gehen überall auf!“ antwortete der SEED panisch. Dann kamen sie in den zentralen Saal des Gardens. Und da sahen sie es.
 

Der Garden war ein Schlachtfeld. An allen Ecken und Enden wurde gekämpft. Aus scheinbar allen Richtungen kamen die raubtierartigen Bestien gerannt und wurden von Kadetten und SEEDs zum Kampf gestellt. Dann spürten sie einen plötzlichen Stoß, als sich der Garden in Bewegung setzte.
 

Ein Trupp schwerbewaffneter SEEDs geleitete Direktor Kramer in aller Eile zur Kommandobrücke. Auf alles feuernd, was sich ihnen in den Weg stellte, zerrten sie den Direktor grob mit sich. Erst als sie den Aufzug erreichten und letzte Schüsse nach draußen durch die sich schließenden Türen abgaben, konnte der Direktor einen Moment durchatmen. Verwirrt sah er sich um.

„Was- was passiert hier?“ fragte er hilflos die SEEDs um sich herum. Ein Mann in der bekannten Uniform neben ihm, der gerade das Magazin seines Sturmgewehres wechselte, schüttelte nur den Kopf.

„Keine Ahnung, Sir. Wir werden angegriffen, auch wenn ich nicht weiß wie oder von wem. Aber wir bringen sie heil raus, das steht fest.“

Die feste Stimme des SEED flößte ihm etwas Zuversicht ein, und schließlich öffnete sich die Tür und gab den Blick in den obersten Stock frei.

Auch Kramers Büro war voller Monster. Einer der SEEDs drückte ihn unsanft zu Boden, dann brach das stählerne Gewitter aus den Sturmgewehren seiner Leibgarde los. Kramer lag auf dem Boden und beschirmte seinen Kopf mit beiden Händen, während ringsum um ihn Patronenhülsen zu Boden fielen. Dann verstummte das Getöse, und jemand zog ihn hoch.

„Die Luft ist rein“, versicherte ihm der SEED. Im Laufschritt erreichten sie dann die Brücke.
 

Von schrillem Aufschreien begleitet starben die Ungeheuer unter seinem glühenden Masamune. Schnell wie ein Pfeil und tödlich wie Arsen pflügte Sephiroth durch die Scharen der Bestien, die den Toren entströmt waren. Nach wenigen Hieben zerfielen alle Ungeheuer in der Reichweite seines Schwertes zu schwarzer Asche.

Langsam hob er seinen Blick. Bereit zum Zuschlagen hielt er Masamune in der Hinterhand. Eine neue Welle aus Monstern brach durch das Unterholz des Urwaldes um sie herum. Auf breiter Front drohten sie sie zu überrennen. Sein Ledermantel wallte wie vom Sturm aufgepeitscht, als er los stürmte. Dann stoppte er abrupt und vollführte einen Horizontalhieb. Sein durch die Luft flatternder Mantel erstarrte- wie auch alles um ihn herum. Nur seine Augen glänzten, als eine grell leuchtende Linie sich quer über die erstarrte Horde von Ungeheuern zog. Dann setzte sich die Wirklichkeit wieder in Bewegung.

Wie von einer Sturmbö empor gerissen, flogen die zerteilten Bäume des künstlich angelegten Urwaldes hoch in die Luft. Und mit ihnen die zweigeteilten Monster, die allesamt von Masamunes unsichtbarem Streich durchschnitten worden waren. Voller Genugtuung betrachtete er die zerfallenden Überreste des Heeres der Finsternis, dann wandte er sich um. Und für einen kurzen Moment erschrak er.

Langsam sank Vincent zu Boden. Als seine Füße den Untergrund berührten, bildeten sich auch seine blutroten, löchrigen Flügel zurück. Ebenso die zackenartigen Auswüchse auf seinem Kopf, die wie eine Krone eines Teufels wirkte, schwanden. Momente später sah er wieder aus wie zuvor. Seine Statur wirkte wieder menschlich. Dann bemerkte er Sephiroths erstaunten Blick.

„Ach das…“, murmelte er und kratzte sich mit der freien Hand am Kopf. „Das passiert, wenn ich wütend werde“, erklärte er lapidar. Sephiroth nickte nur, dann verließen sie die Übungshalle und ließen ein völlig verwüstetes Schlachtfeld zurück.
 

„Volle Kraft voraus! Nichts wie weg hier!!“ rief Kramer verzweifelt. Nida, der das Steuer des Garden bediente, hantierte hektisch. Schon war der Garden in Bewegung und hielt Kurs aufs offene Meer. Bedrohlich hing über ihnen ein schwarzer Himmel, wo Minuten vorher noch die Sonne durch trübe Wolken geschienen hatte.

„Ich brauche einen Kurs, Sir!“

Es dauerte einen Moment, dann hatte Direktor Kramer seine Fassung wieder.

„Kurs Richtung Edeas Waisenhaus“, befahl er mit fester Stimme. „Wir müssen sie retten…“

Ohne zu zögern steuerte Nida das Ziel an.
 

Kurze Zeit später hatten sie wieder die Kontrolle über den Garden. Alle aufgetauchten Monster waren besiegt, nicht zuletzt wegen Sephiroths tatkräftiger Hilfe, der sein Masamune mit tödlicher Macht schwang. Es gab zwar Verluste unter den weniger erfahrenen Kadetten zu beklagen, aber dank Clouds und Cids Kampfkraft hielten sie sich in Grenzen. Kadowakis Lazarett war überfüllt mit Verletzten, doch die Situation war wieder in ihren Händen. Auf allen Decks patrouillierten nun unablässig SEEDs, sollten sich weitere Tore innerhalb des Gardens öffnen.

Alle Fremdlinge, die es in diese Welt verschlagen hatte, versammelten sich nun in der Haupthalle auf der großen Treppe, zwischen Aufzug und Hinweistafel. Ringsum sie herrschte Ausnahmezustand. Verletzte wurden in Richtung Krankenstation getragen, schwer bewaffnete SEEDs standen bereit, um einen neuerlichen Angriff abzuwehren. Cloud saß etwas oberhalb auf einer Stufe und blickte zu Sephiroth hinab, der am Fuß der Treppe mit verschränkten Armen stand. Nicht zuletzt dank ihm war der Garden nicht gefallen. Sein taktisches Geschick und sein Mut hatte die SEEDs am Zerfallen gehindert angesichts dieses massiven Überraschungsangriffes.

Anne saß neben Cloud und klammerte sich an seinem Arm fest. Sie war Zeuge geworden, wie Cloud draußen im Außenhof gegen die Ungeheuer gekämpft hatte. Auch wenn es ihm gelungen war, sie zu schützen, so war sie nach wie vor verängstigt. Die Schreie der Monster, die vernichtenden Hiebe seines Schwertes- dies alles war ihr eine unbekannte Welt. Eine Welt, die ihr Angst machte.

Auch Cid, Shera und die beiden Kinder waren bei ihnen auf der Treppe. Sie hatten diesen Platz gewählt, weil er am besten einsehbar war. Hier würde sie nicht so leicht ein Angriff überraschen können. Cloud ergriff Annes Hand und erwiderte ihren flehenden Blick.

„Ist es nun vorbei?“ fragte sie leise und mit zitternder Stimme.

„Ja, ich glaube schon“, antwortete er, um sie zu beruhigen. Dann fiel sein Blick wieder auf Sephiroth, und er merkte eines- er konnte ihn nicht mehr hassen. Er hatte einiges getan für die Menschen hier, und überhaupt war dies nicht der Sephiroth seiner Erinnerung- der ‚nie eine Erinnerung‘ sein wollte.

Schließlich stand er auf und legte vorher noch Anne beruhigend die Hand auf die Schulter.

„Ich bin gleich wieder da“, sagte er. Sie wollte ihn festhalten, doch er schenkte ihr nur einen zuversichtlichen Blick- dann ließ sie ihn los. Er ging die Treppe hinab zu Sephiroth.
 

„Ähm… Sephiroth?“

Er drehte sich um und sah dem Mann mit den wirren, blonden Haaren ins Gesicht.

„Ja?“

Cloud blickte sich unbehaglich um. Um sich herum sah er Verletzte, die an Ort und Stelle mit dem Nötigsten versorgt wurden und bewaffnete Männer und Frauen, die keinen Winkel des Garden unbewacht ließen. Dann sah er wieder ihn an.

„Das vorhin, unser erstes Zusammentreffen… es war falsch. Ich möchte mich entschuldigen.“

Sephiroth nickte langsam.

„Vincent hat es mir erzählt. Was ich… was mein zukünftiges Ich getan hat. Ich verstehe euren Hass. Ich würde nicht anders fühlen. Das Ganze… ich kann es nicht ungeschehen machen. Aber… es tut mir leid.“

Sephiroth streckte ihm die Hand aus. Cloud betrachtete sie- und ergriff sie.
 

Von seiner Leibgarde begleitet, die ihn keinen Moment mehr aus den Augen ließ, lief Direktor Kramer durch den Garden. Viele Kadetten und auch SEEDs waren tot oder verletzt, und die restlichen waren für die Verteidigung des Garden überlebensnotwendig. Irvine Kinneas war ein rätselhaftes Ereignis zugestoßen, dass ihn im Moment kampfunfähig machte. Quistis Trepe hatte alle Hände voll zu tun, das Chaos zu ordnen. Nur Cifer Almasy war immer noch tatkräftig und verlangte förmlich nach einer Aufgabe. Und so wandte er sich an die Gruppe, die wie bestellt und nicht abgeholt auf der Treppe inmitten des Durcheinanders saß.

„Ich kann euch nichts befehlen, sondern nur bitten“, begann er händeringend. Hinter ihm kam das rätselhafte Wesen hervor. Sein rotes Fell zog die Blicke aller auf sich. Besonders aber Nanakis.

Die beiden sich ähnlich sehenden Wesen näherten sich skeptisch. In der Tat waren sie von der gleichen Spezies. Die Fellzeichnung, der brennende Schweif- nur die Farbe ihrer Mähnen unterschied sie. Und der Klang ihrer Stimmen. Zwei Paare fassungsloser Raubtieraugen blickten sich an.

„Ich bin Nanaki aus dem Cosmo Canyon“, begann er nach Momenten der Sprachlosigkeit.

„Dieser Ort… ich dachte nicht, jemals wieder Kunde von ihm zu erhalten“, erwiderte das andere Wesen. „Ich bin Shinaha.“ Sie schüttelte ihre leuchtendgelbe Mähne. „Was für tragische Umstände uns zusammengeführt haben…“ Ohne noch ein weiteres Wort zu wechseln, verließen sie gemeinsam den Ort. Und ein Dutzend erstaunter Augenpaare blickte ihnen hinterher. „Ich fress‘ ´nen Besen“, fluchte Cid leise.

„Also gut…“, setzte Kramer hilflos fort. „Mich wundert gar nichts mehr… aber ich brauche eure Hilfe! Jemand muss meine Frau retten, und ich kann keine Truppen entbehren.“

Anne klammerte sich fester an Cloud, der sich schon erheben wollte. Cid kratzte sich am Kopf und sah Shera und die beiden Kinder, die ihn ängstlich ansahen. Vincent wollte sich schon erheben- doch Sephiroth hielt ihn zurück.

„Nein. Ich gehe. Du bleibst hier.“ Erstaunt blickte Vincent ihn an. „Ich muss etwas gutmachen.“ Dann stellte er sich zu Cifer hinzu, der schon bereit war zum Aufbruch. Dieser taxierte ihn skeptisch von Kopf bis Fuß.

„Schräger Fummel… und da, wo du herkommst, gibt’s wohl keinen Friseur, was?“ ätzte er. Sephiroth wandte sich an ihn und zog sein Masamune. Alle erstarrten. Langsam ließ er die Klinge an Cifers Gesicht vorbeigleiten.

„Dafür DAS hier“, bemerkte er trocken. Cifer räusperte sich, dann nickte er zufrieden.

„Schön, dich kennenzulernen. Cifer Almasy“, sagte er und streckte ihm die Hand aus. Er ergriff sie.

„Sephiroth. Einfach nur… Sephiroth.“

„Na gut. Nachdem das geklärt wäre…“, ging Kramer seufzend dazwischen. „Wir brauchen aber noch einen Freiwilligen. Für zwei ist das zu gefährlich.“

Nun erhob sich Yuffie.

„Ich komme mit!“ krähte sie fröhlich. Dann traf sie Vincents beunruhigter Blick.

„Willst du das wirklich?“ fragte er besorgt. Sie zwinkerte ihm zu.

„Ich pass schon auf mich auf.“

Erleichtert atmete Cid Kramer aus. Dann begleitete er die illustren Drei zum Parkdeck. Vincent sah ihnen hinterher. Einen Moment wunderte er sich über seine eigene Reaktion. Dann verstand er…
 

Der Garden war noch nicht zum Stillstand gekommen, als sie bereits fertig zum Ausbooten an der Rampe standen. Hinter ihnen stand Kramer und machte ein besorgtes Gesicht. Immer noch hing der rabenschwarze Himmel wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen. Sand und Wasser stoben empor, als der Garden im Tiefflug sich der Bucht näherte, in der sich Edeas Waisenhaus befand. Schließlich gelangten sie in Reichweite. Während des Fluges sprangen sie die wenigen Meter in die Tiefe.

„Keine Angst, ich hole Mama“, rief Cifer noch zwinkernd, dann war er weg. Die anderen folgten ihm.
 

Sand flog von ihren Schuhen, als sie auf das Waisenhaus zuliefen. Der Garden landete einstweilen. Von außen war das Gebäude unbeschädigt und so, wie Cifer es kannte. Eilig riss die Tür auf- um sich einem glühenden Feuerball gegenüber zu sehen.

„Cifer!!“ rief Edea Kramer und ließ den Angriffszauber in ihrer Handfläche versiegen. Hinter ihr drückten sich ein Dutzend Kinder aneinander und schlotterten vor Angst. Cifer ging auf sie zu. Edea ergriff ihn an den Schultern. „Gut, dass ihr da seid- was um alles in der Welt ist- “

„Ich habe nicht die geringste Ahnung“, unterbrach er sie. „Aber wir holen euch ab, wenn’s Recht ist“, sagte er lächelnd.

Sofort begannen sie die Kinder in den Garden zu eskortieren. Als letztes betrat Edea die Rampe und wurde sofort von ihrem Ehemann in die Arme geschlossen.

„Ich bin so froh, dass ihr in Ordnung seid…“, seufzte er. Cifer und Sephiroth standen immer noch am Strand. Yuffie bemerkte etwas im Wasser und lief darauf zu. „He… wir sollten starten- “, rief Cid Kramer mit Edea im Arm, doch etwas brachte ihn zum Verstummen. Direkt vor dem Waisenhaus begann die Luft zu flirren. Dann entstanden Blitze, und ein Kreis zeichnete sich in der mit Elektrizität schwangeren Luft ab. Alle wussten, was das bedeutete. „Nicht noch ein Tor…“, jammerte Kramer. Doch Sephiroth und Cifer marschierten schon los, ganz begierig, weitere dieser Höllenkreaturen zu vernichten.
 

Der Kreis verschärfte sich, und schließlich brach seine Oberfläche. Und aus einer Welt, die kein gesundes Menschenauge erblicken konnte, trat ein haushohes Ungetüm.

Sephiroths konzentrierter Blick blitzte durch seine weißgrauen Haarsträhnen, die ihm in sein ernstes Gesicht hingen. Masamune hielt er locker in der Rechten. Mit einem Male war alles so einfach, wie früher… er war geboren, um bei S.O.L.D.A.T. zu dienen, daran hatte er nie gezweifelt. Er konnte kämpften wie sonst niemand in seiner Welt. Das Schlachtfeld war seine wahre Heimat, unabhängig von den Wirrungen der Zeit, in die es ihn verschlug. Belächelt hatten sie ihn damals allesamt, als er sich für seine Waffe entschieden hatte. Zu groß und zu unhandlich, so lautete das allgemeine Urteil. Doch in seinen Händen verwandelte sich Masamune in einen stählernen Fluch, der den Tod über alle seine Widersacher brachte.

Das Wesen trat langsam aus seinem interdimensionalen Bannkreis. Cifer hob eine Augenbraue. Aus den Berichten der SEEDs im Hexenkrieg hatte er von einem überirdisch starken Monster in Artemisias Schloss gehört. Squall und seine Getreuen hatten es mit letzter Kraft und mit ihren stärksten Angriffen besiegt, doch ohne die Zuhilfenahme von Göttertränken, mystischer Medizin, die kurzzeitige Unsterblichkeit versprach, wären sie wohl gefallen. Seit damals hatte es ihn gepeinigt, dass er nicht an ihrer Seite gegen diesen Feind von mythischer Stärke hatte antreten können. Doch nun war es soweit. Die Beschreibung im Einsatzbericht war eindeutig gewesen, und dies war es mit Sicherheit. In diesem Moment interessierte es ihn auch nicht, welche rätselhafte Macht diese Kreatur zurück ins Leben und gerade hier her gerufen hatte- er wollte sich nur mit ihm messen.

Auf vier Beinen stampfte es aus dem Dimensionsriss. Silberne Ornamente wie geschmolzenes Metall überzogen seinen ansonsten schwarzen Körper. Wie eine mechanische Schlange zuckte sein Schweif hin und her. Und sein Haupt war eine Maske aus erstarrter Wut und dem Willen, niemals zu sterben. Gelehrte waren zu dem Schluss gekommen, dass jemand in einer fernen Zukunft einen Apparat erschaffen haben musste, dessen alleinige Aufgabe der Krieg gegen die Götter war. Und so hatten sie es mit unvorstellbarer Macht ausgestattet, unter anderem mit der Fähigkeit zum Durchreisen der Zeit. Auf diese Weise war es wohl seinen Schöpfern entwischt und befand sich nun auf einer Odyssee durch die Epochen, immer auf der Suche nach ebenbürtigen Gegnern.

Und die hatte es nun gefunden.
 

Omega Weapon.
 

Die Maschine mit dem raubtierähnlichen Habitus warf den beiden Recken kalte, präzise Blicke zu. Dann röhrte es unmenschlich, und die Mühen einer Reise durch die Zeit und das Universum klangen aus ihm heraus.

Cifer und Sephiroth gingen in Position.

Direktor Kramer scheuchte seine Frau in den Garden, dann ließ er die Rampe hochfahren.

Dann begannen sie.
 

Im metallisch blitzenden Maul der Maschine leuchtete eine massive Energiekonzentration auf. Die erste Attacke folgte, und beide Kämpfer wussten um ihre Wirkung. Auch wenn sie aus verschiedenen Welten stammten, eines war ihnen gemein: der stärkste Zauberspruch von allen.

Ultima.
 

Schon fühlten beide die Hitze der Kernschmelze auf der Haut brennen. Zwischen ihnen formte sich ein Ball aus gleißendem Licht, dass ihnen jede Sicht raubte. Die Sphäre aus heißen Neutronen breitete sich aus, und sie boten alle Kraft zur Abwehr auf, die sie in sich finden konnten. Dann detonierte die Ultima-Explosion.

Die Wand aus Hitze, Druck und alles verbrennendem Licht fegte das Waisenhaus vom Strand wie eine Sturmbö ein Kartenhaus. In winzige Partikel zerfallen, stob es in alle Richtungen davon. Auch das Wasser am Strand verdampfte- bis auf eine Stelle, an der eine Dimensionsblase herrschte, in der Yuffie nun eingeschlossen war…
 

Etwas im Wasser lockte Yuffie. Etwas Glänzendes verbarg sich unter den Wellen, die sanft an den Strand spülten. Bis zu den Knien watete sie im Wasser und vergaß alles um sie herum. Ihre Mission zur Rettung des Waisenhauses… wie fortgeweht war dieser Gedanke. Nur noch pure Neugier erfüllte sie und lenkte ihre Schritte. Bis sie den glänzenden Gegenstand erreicht hatte.

Ihre Finger tasteten durch den Sand, und der Wellengang warf sie fast um. Konzentriert griff sie nach dem Gegenstand, der immer wieder ihrer Hand entglitt. Doch dann bekam sie ihn zu fassen.

„Oooh…“

Ihre Augen weiteten sich. Noch nie in ihrem Leben hatte sie ein so prächtiges Stück Materia gefunden. Seine Schönheit stellte alles in den Schatten, das sie bisher gesehen hatte. Dieses Funkeln und Glühen… die Zeit selbst schien stehen zu bleiben, als Yuffie die Materiakugel betrachtete.

Eine halbe Ewigkeit schien vorüberzugehen, bis sie ihren Blick von der Materiakugel reißen konnte. Einen Moment lang verlor sie die Orientierung. Aus welcher Richtung war sie gekommen? Hinter ihr war nur Wasser. Auch in allen anderen Richtungen. Verwirrt blinzelte sie in das träge Sonnenlicht.

„Hä??“ Sie konnte den Strand nicht mehr sehen. Ebenso wenig den Garden, der doch nur wenige Schritte von ihr entfernt gelandet war. Immer noch stand sie bis zu den Knien im Meer, doch kein Land war ringsum zu erkennen. Dann hörte sie eine hohle Stimme in ihrem Kopf. Sie schien von nirgendwo und überall gleichzeitig zu kommen.

„Das ist nur für dich bestimmt.“

„He, Leute? Was soll das?“ rief sie verunsichert. Dann erklang das Lachen einer Frau. Es wirkte amüsiert und zugleich voller Schadenfreude. Aus allen Richtungen gleichzeitig schien es an ihre Ohren zu dringen. „He, wer ist da?“ rief sie aufgebracht. Dann fiel ihr Blick auf die Quelle des Lachens.
 

Nicht weit von ihr saß sie auf einem Fels, der aus dem Wasser ragte. Die Wellen des Meeres umspielten ihn sanft. Flügel aus Gold und Violett verbargen das Wesen. Sachte wie ein Lufthauch gaben sie den Blick frei auf sie.

Yuffie war so gebannt, dass sie sogar die Materiakugel ins Wasser fallen ließ. Erschrocken blickte sie ins Wasser, doch sie war nicht mehr da. Dann hob sie ihren Blick wieder, und abermals erklang das Lachen, das wie Glockenklang schallte. Es verdrängte sogar Yuffies Gier nach Materia.

„Da bist du ja… ich habe dich erwartet“, gluckste die Frau auf dem Felsen. Sie war unbekleidet, nur ihre Scham war notdürftig mit so etwas wie goldenen Federn verdeckt. In Händen hielt sie eine Harfe, der sie betörende Klänge entlockte. Wie süßer Honig krochen sie in Yuffies Verstand und verklebten alles.

„Wer bist du?“ fragte Yuffie und ging auf sie zu. Mit jedem Schritt merkte sie, wie ihre Füße schwerer wurden.

„Ich? Aber Kindchen, du kennst mich wirklich nicht? Aus was für einer traurigen Welt kommst du, in der keiner meiner Schwestern lebt?“ Wieder lachte sie, und es kam Yuffie vor, als brandete in diesem Moment eine Sturmflut aus Schaum gegen sie, die jede Bewegung verlangsamte. „Aber was spielt das für eine Rolle… lass mich dir ein Lied vorspielen.“ Sie begann, auf ihrer Harfe zu zupfen. Die Klänge flossen und strömten wie Wellen der Müdigkeit auf sie zu. Die Schritte fielen ihr immer schwerer. Nur mit größter Mühe konnte sie ihre Augen offenhalten.

„Was… geschieht mit… mir? Warum… werde ich so… müde?“

Yuffie geriet ins Straucheln. Die Klänge waren so angenehm und sanft, sie verhießen tiefen Schlaf und Vergessen. Doch noch bäumte sich Widerstand in ihr auf.

„Warum wehrst du dich dagegen? Hier bist du sicher und kannst sanft schlummern… bis in alle Ewigkeit, hi, hi, hi…“

Nur noch wenige Schritte trennten Yuffie von der nackten Frau auf dem Felsen. Je näher sie kam, desto mehr Willenskraft musste sie aufbieten, um nicht ermattet zu Boden zu sinken. Die goldenen Wolken der Trägheit und der Müdigkeit waren so verlockend, doch noch konnte sie sich auf den Beinen halten. Und so wankte sie auf die mysteriöse Frau zu, bis sie schließlich vor ihr stand.

Zäher Honig kroch durch Yuffies Geist und flüsterte ihr alle möglichen Verheißungen zu, wenn sie sich nur in die sanfte Umarmung des Schlafs fügen würde. Die Frau beugte sich zu ihr herunter und nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. Nun sah Yuffie, dass die Augen dieser seltsamen Person in allen Farben leuchteten. Ihr Blick war so verführerisch, so einschläfernd…

„Mein Kindchen, bald wirst du keine Sorgen mehr haben, bald wirst du ewig schlafen… hier bei mir, deiner Sirene…“ Yuffies starrer Blick drohte in ihren lockenden Augen zu versinken. Die Lippen der mysteriösen Frau näherten sich den ihren. Ein goldfarbener Dunst entstieg ihrem Mund und drang in Nase und Mund ihres Opfers ein. „Oh ja, du wirst schlafen… für immer… mir, der Sirene, wirst du nicht entkom- “

Die Frau mit der betörenden Aura verstummte plötzlich. Dann wanderte der Blick ihrer vielfarbigen Augen nach unten, zu ihrer Brust. In der nun Yuffies Conformer steckte. Mit beiden Händen hielt sie ihn, nach dem sie ihn der Frau mit letzter Kraft in die Brust gerammt hatte. An der Rückseite trat er wieder aus, doch es floss kein Blut. Der Bann schien gebrochen, nun herrschte wieder Klarheit in Yuffies Kopf. Sie zog die Waffe aus der Wunde und trat einen Schritt zurück.

Die Frau betrachtete die Wunde, als ginge es sie gar nichts an. Leuchtende Partikel stiegen von der Wunde auf, und ihre Umrisse wurden durchsichtig.

„Du hast es… geschafft. Ich konnte dich nicht… in Schlaf versetzen“, flüsterte sie geschwächt. Sie ließ die Harfe sinken, dann löste sie sich in eine Wolke aus Licht auf. Erstaunt sah Yuffie mit an, wie die Wolke auf sie zufloss und sie zur Gänze einhüllte.
 

Der Garden hielt der Druckwelle stand. Wenngleich die dem Monster zugewandte Seite schwarz verrußt war. Cifer und Sephiroth hinterließen einen Brandschatten an der Außenhülle des Garden-
 

-und doch lebten sie noch.
 

Keuchend kam Sephiroth wieder auf die Beine. Seine Haare, seine Kleidung- alles war mit Ruß bedeckt. Nur seine utopischen Statuswerte hatten ihn vor dem Verglühen bewahrt. Nichts desto trotz war er geschwächt. Einen Moment lang musste er sich auf sein Masamune stützen. Dann fiel sein Blick auf seinen gefallenen Mitstreiter. Cifer Almasy lag bewegungslos im um seine Füße geschmolzenen Sand. Ohne zu zögern sprach er den Spruch. Oft genug hatte er es praktiziert in den Einsätzen bei S.O.L.D.A.T. Seine Hand glühte auf, und die Feder eines Erzengels schwebte auf Cifer herab.

Von neuer Kraft erfüllt, stand er auf. Schon oft war Cifer kampfunfähig gewesen in seinem Leben, und er hatte es immer gehasst. Das Gefühl der Ohnmacht und des Ausgeliefertsein an seine Kameraden, die ihn nun wiederbelebten oder nicht, war schlimmer für ihn als alle Schmerzen. Doch nun war er wieder im Rennen, und seine Wut ließ seine Kräfte erwachen.

Seine Umrisse leuchteten rot auf. Arrogant grinsend streckte er die Hand aus, und Wogen lodernder Flammen hüllten die Omega-Maschine ein. Kaum war das tosende Flammenmeer verstummt, sprang er auch schon weit in die Luft.

Der ohnehin schon dunkle Himmel verfinsterte sich noch weiter, als er zu seiner stärksten Attacke ansetzte. Mit Hyperion hieb er durch die Luft und formte mit einem Vertikalhieb, gefolgt von einem Horizontalhieb, ein leuchtendes Kreuz-

-das sich unter Omega wiederspiegelte. Die Umrisse des Kreuzes glühten auf, dann explodierte der Boden unter ihm. Von der Wucht und den Bruchstücken empor getragen, segelte Omega weit hinauf- um dann wieder den unvermeidlichen Absturz zu beginnen.

Wo es eben noch gestanden war, klaffte nun ein von purer Schwärze erfüllter Krater. Omega fiel direkt hinein.

Schier endlos fiel es durch einen unterirdischen Kosmos, der jedem Leben feindlich gesinnt war und ihm unwiderstehlich Kraft entzog. Bis…

…Omega wieder vom Himmel fiel und auf dem Sandstrand einschlug. Der Aufschrei des Wesens schmerzte ihnen in den Ohren. Cifers gewaltige Attacke hätte beinahe alles vernichtet, und auch diese mystische Maschine war nun schwer verwundet. Aber eben noch nicht besiegt.

Sephiroth wollte schon zu einer Attacke ansetzen, doch Omega kam ihnen zuvor. Wieder entfachte es einen Zauberspruch- doch keinen, den irgendein Mensch würde wiederholen können. Dieser war einzig und allein dieser Maschine aus einer fremden Welt und einer gänzlich unbekannten Zukunft vorbehalten. Die Welt um Cifer und Sephiroth herum schwand, löste sich auf ihn dichte, greifbare Dunkelheit…

Langsam sanken sie herab, bis sie gläsernen Sand unter ihren Schuhen spürten. Am Horizont waberten dunkelrote Flammenwände, und um sich herum erkannten sie die Ruinen einer Stadt. Einer Stadt, die von solch großer Hitze zerschmolzen war, dass selbst die Seelen ihrer früheren Einwohner zu leeren Schatten verglüht worden waren. Die Stadt Megiddo…

Und vor ihnen stand Omega und schüttelte seinen raubtierartigen Maschinenkopf. Dann spürten sie eine Hitze in sich aufsteigen, die nicht nur physisch war- sie brannte in ihr Bewusstsein hinein und drohte selbst noch ihre Seelen zu versengen.

Der gläserne Sand unter ihnen zersprang in tausende Teile, und eine Säule dunklen und zugleich unsichtbaren Feuers raste empor und durch sie hindurch. Eine alles verzehrende Hitze ergriff sie und raubte ihnen für endlose Momente das Bewusstsein…

Wieder standen sie auf dem Strand des Centra-Kontinents, und wieder drohten sie den Kampf gegen die Maschine aus einer fernen Zukunft zu verlieren. Cifer lag wieder kampfunfähig auf dem Erdboden. Würden sie diese Kreatur nicht niederringen können, dann würde es den Garden angreifen, und keine SEEDs dieser Welt würden es mehr aufhalten können.

Wieder warf Sephiroths Hand eine Phönix-Feder. Cifer kämpfte sich zurück in die Welt der Lebenden. Schon wollte er einen weiteren Verzweiflungsangriff starten- doch dann fiel sein Blick auf Sephiroth. Auf den nun völlig veränderten Sephiroth.
 

Fassungslos starrte Cifer den Mann- oder besser gesagt, das Wesen neben sich an. Sephiroth trug nun keinen Oberteil mehr, sein Oberkörper war unbedeckt. Und aus seinem Rücken ragte ein einzelner, riesiger, weißer Flügel. Dazu kam eine überirdische, beinahe göttliche Aura, die ihn nun umgab. Zu dieser Erscheinung fiel Cifer nur ein Ausdruck.
 

Der Engel mit dem einen Flügel.

(Es wird empfohlen, Sephiroths Themesong „One winged Angel“ aufzulegen, und zwar volle Lautstärke XD)
 

Ein entrücktes Lächeln umspielte Sephiroths Züge, als er die linke Hand hob. Dann flüsterte er kaum hörbar ein einziges Wort.

„Supernova.“
 

Die starrende Kälte des Weltraums umfing sie. Ferne Sternbilder leuchteten über ihnen. Die komplizierten Algebra-Formeln genialer Mathematiker, die versucht hatten, die Rätsel des Kosmos zu entschlüsseln, schwebten leuchtenden Hologrammen gleich an ihnen vorbei. Sie wurden aber überleuchtet vom Glühen eines Meteors aus den Tiefen des Kosmos. Wie ein Güterzug raste er auf sie zu und durch sie hindurch. Er setzte seinen seit Ewigkeiten bestimmten Weg fort, in Richtung unserer Galaxie. Einen tausende Kilometer langen Schweif aus Gestein und Gas nach sich ziehend, steuerte er den äußeren Rand der Milchstraße, unserer Galaxie, an. Unweigerlich, unbarmherzig, verfolgte er sein festgeschriebenes Ziel.

Der Planet Pluto kam zuerst in seine Schusslinie. Nicht mehr als eine Wolke winziger Splitter blieb zurück, als der Meteor ihn durchschlug.

Als nächstes kreuzte Saturn seine Flugbahn. Die Myriaden Felsbrocken, die seine Ringe bildeten, verglühten in hellem Feuer, als der Meteor vorbeiraste.

Wie eine kosmische Faust durchschlug der Meteor auch Jupiter. Ein Loch von zigtausenden Kilometern im Durchmesser hinterlassend, raste der Meteor weiter. Momente später glühte der durchschlagene Gasriese grell auf, um in einer tosenden Explosion zu verenden.

Die Brocken des Asteroidengürtels verfehlend, traf er schließlich sein ultimatives Ziel. Die Sonne.

Das Hunderttausende Kilometer in der Stunde schnelle Objekt traf die Sonne und versank in ihrer wabernden Oberfläche. Fast schien es, als hätte das sechstausend Grad heiße Flammenmeer an der Oberfläche der Sonne den Meteor verschluckt und verdaut- bis seine Überreste den superschweren und über fünfzehn Millionen Grad heißen Kern der Sonne erreichten.

Die Eisen- und Uranatome im Meteor reagierten mit dem Plasma aus dichtgedrängten Helium Kernen sofort. Der sich durch die Proton-Proton-Reaktion und den CNO-Zyklus in einem ständigen quantenmechanischen Tunneleffekt befindende, natürliche Fusionsreaktor geriet außer Kontrolle. Die plötzlich auftretende Kollision der Elektronenneutrinos mit den schweren Elementen aus dem Meteor ließen das gesamte System kollabieren.

Die Sonne starb.
 

Durch den gravitativen Kollaps dehnte sich die Sonne aus und wurde zu einem roten Riesen. Ihre Ausdehnung immer mehr aufblähend, gewann sie rasend an Größe. Immer weiter dehnte sie sich aus. Bis Merkur in ihren Vernichtungsradius gelangte.

Der erdähnliche Planet zerfiel in kosmischen Staub, als die immer mehr anschwellende Sonne ihn verschluckte.

Die Venus ereilte das gleiche Schicksal. Nicht mehr als verstreute Atomkerne blieben von ihr übrig.

Schließlich kroch der gleißende Gasball an die Erde heran, näher, immer näher…
 

Hinter Sephiroth, dessen einzelner Flügel elegant auf und ab schwang, kroch der sterbende Gasriese heran, gewillt, alles auf seinem Weg des Todes zu verschlingen. Lächelnd stand er da, als ihn das Feuer des sterbenden Sterns einhüllte. Es kroch über ihn hinweg und bewegte sich weiter auf Omega zu.

Die tosende Wand aus Flammen und davon geschleudertem Gestein kam der Maschine aus der Zukunft immer näher, und seine Oberfläche begann sich aufzulösen…

Bis für Omega Weapon nur noch eine einzige Sache in seinem Blickfeld existierte. Der Engel mit dem einzelnen Flügel, und hinter ihm, wie ein drohendes Kaleidoskop des Wahnsinns, eine Vision vom Ende aller Dinge, vom Tod des Universums, von der Götterdämmerung…
 

Triumphierend schwang Sephiroth sein Masamune. Er stand nun wieder in seiner gewohnten Erscheinung da. Omega Weapon fiel um und zerfiel in seine atomaren Bestandteile.

„Gewonnen! 1.161.000 Punkte!!“ rief Sephiroth lachend. Cifer starrte ihn an, als hätte er einen Geist gesehen. Sein Mitstreiter mit den langen, grauweißen Haaren zuckte nur mit den Schultern.

„Das passiert, wenn ICH wütend werde.“
 

Hinter ihnen öffnete sich surrend die Rampe zum Parkdeck des Garden. Ein fassungsloser Cid Kramer empfing die drei, die den verwüsteten Strand verließen. Edea Kramer blickte wehmütig an die Stelle, an der ihr Waisenhaus gestanden war. Cifer klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter.

„Mach dir keine Sorgen, Mama. Wir bauen dir ein neues.“

Als letztes lief Yuffie die Rampe hinauf. Dort blieb sie noch einmal stehen und warf einen verwirrten Blick auf das Meer hinaus.
 

Seit der Garden den Centra-Kontinent verlassen und Kurs auf das offene Meer genommen hatte, hatten sich keine Vorfälle mehr ereignet. Trotzdem herrschte noch höchste Alarmstufe an Bord. Der Direktor stand wieder auf der Brücke, wo Nida den Garden über den endlosen Ozean steuerte. Quistis bediente die Funkanlagen, doch sie blieb erfolglos.

„Es tut mir leid, Direktor Kramer. Ich bekomme keine Verbindung. Weder mit Galbadia noch mit Esthar“, erklärte sie mit Bedauern in der Stimme.

„Das braucht ihnen nicht leid zu tun“, erwiderte Kramer gedankenverloren. „Doktor Dodonna wird sicher bald Antworten dafür haben.“ Sonderlich überzeugt klang er selbst nicht. Erst vor kurzem hatte er eine Unterredung mit ihm gehabt, doch außer dass dieses Phänomen ihre bisherige physikalische Weltanschauung in Frage stellte, hatte er ihm auch nichts Näheres sagen können. Und so hatte Kramer fürs Erste beschlossen, das Festland zu meiden, bis genauere Informationen zur Verfügung standen.
 

Immer noch etwas benommen, irrte Irvine Kinneas durch den Garden. Von der allgegenwärtigen Präsenz bewaffneter SEEDs nahm er kaum Notiz. Zu aufgewühlt war er noch. Zuerst hatte er den Verlust seiner Frau verkraften müssen, und dann das unerklärliche Ereignis mit Alexander, ihrer früheren G.F. Mit niemand hatte er darüber gesprochen, und es war auch niemanden etwas aufgefallen. Wie ein Traum, und doch so real war es ihm erschienen. Und doch hatte niemand etwas registriert, auch nicht die Sensoren des Garden. Vielleicht werde ich auch langsam verrückt, dachte schief grinsend. Dann errang der Schmerz wieder die Oberhand, und sein verzerrtes Lächeln erstarb. Und so marschierte er weiter ziellos durch die Gänge des Garden, als ob er auf diese Weise vor sich selbst flüchten könnte. Bis ihn eine Hand an der Schulter packte. Es war Cifer.

„He, Schürzenjäger“, sprach ihn dieser frech an. Irvine schlug seine Hand weg, und in seinem Blick lag etwas Gefährliches, das selbst Cifer einbremste. Beschwichtigend hob er die Hände. „Okay, okay, vergiss den dummen Spruch. Ich muss dich was fragen.“ Irvine schenkte ihm noch einen ablehnenden Blick, dann ging er weiter. Cifer ließ aber nicht locker. „Warte mal! Damals, in Artemisias Schloss, ihr habt doch Omega Weapon bekämpft. Habt ihr ihn auch wirklich, ich meine- “

Irvine wandte sich abrupt um und bellte ihm ein „WAS??“ ins Gesicht. Seine Augen waren hart und glasig. Einen Moment starrte er ihn so an, dann ließ er ihn stehen. Cifer schaute ihm verwundert nach.
 

Nanaki und Shinaha saßen am Rande des Außenhofs. Von dort aus konnte man das Meer überblicken. Hier draußen war der Himmel weniger dunkel, und die Sonne schimmerte schüchtern durch die schwärzlichen Wolken hindurch. Es wirkte wie ein nächtlicher Himmel, in den sich durch eine Laune der Natur die Sonne verirrt hatte. Die letzte Stunde lang hatte Shinaha ihm alle Fragen beantwortet. Das Schicksal ihres Volkes, sein bislang rätselhaftes Verschwinden und ihre Reise durch fremdartige Welten.

„Immer habe ich gehofft, den Ort meiner Geburt wiederzusehen“, sagte sie in einem bedrückten Tonfall. „Vielleicht werde ich das nie mehr…“ Dann hellte sich ihre Stimme auf. „Aber ich weiß nun, dass ich nicht die letzte meiner Art bin.“

Nanaki erwiderte ihren Blick freundlich, doch er fühlte nicht so. Die Überraschung über das, woran er nicht mehr zu glauben gewagt hatte, wich nun einer zähen Beklemmung, die er sich selbst nicht erklären konnte.

„Ja… das habe ich auch lange Zeit gedacht. Jahrelang habe ich meine- unsere Welt durchstreift, aber niemand konnte mir etwas über unsere Rasse sagen. Aber jetzt- “

Er stoppte mitten im Satz. Eine betretene Stille legte sich über den Außenhof. Außer ein paar patrouillierenden SEEDs waren sie allein. Das Meer, das langsam an ihnen vorbeizog, glitzerte geheimnisvoll unter dem dunklen Himmel, von dem zaghaft die Sonne herab blinzelte.

„Seit damals… als ich mich in einer mir fremden Welt wiederfand, hatte ich einen Wunsch. Er hat mich angetrieben und nie aufgeben lassen“, begann Shinaha nach einer Weile wieder. „Ich wollte immer sehen, wie meine Kinder aufwachsen. Ich wollte sehen, wie sie stolze Vertreter unserer Art werden.“ Schweigen setzte wieder ein, und Nanaki fühlte sich bemüßigt, etwas zu erwidern.

„Ja“, meinte er knapp. „Jetzt ist vieles möglich… wenn wir diese Krise überstanden haben.“ Er sah sich unbehaglich um. „Ich… ich möchte etwas allein sein. Ist das in Ordnung für dich?“

Shinaha blickte ihn ernst, aber auch wohlwollend an.

„Ja. Ich habe solange nach jemanden wir dir gesucht, jetzt ist auch keine Eile mehr nötig.“

Er nickte ihr noch freundlich zu, dann trollte er sich. Sie blieb dort und blickte zum Himmel auf, als könne sie allein mit ihrem Blick die Schwärze und damit das Unheil, das über dieser Welt lag, vertreiben.
 

Die SEEDs und Kadetten des Garden hatten sich an den Anblick des Wesens mit dem roten Fell und dem brennenden Schweif schon gewöhnt. Ziellos streifte Nanaki durch die Gänge, während in seinen Gedanken Aufruhr herrschte.

Ich habe zu ihr gesagt, dass ich alleine sein will… war ich das nicht lange genug?

Er tadelte sich selbst für dieses Ansinnen, doch gleichzeitig fragte er sich, ob denn noch ein anderes Leben für ihn möglich war, nach all der Zeit. Seit er sich klar erinnern konnte, war er allein gewesen auf dieser Welt. Sein bisheriges Leben hatte er damit verbracht, die Menschen im Cosmo Canyon zu schützen, wie es Tradition war. Dann hatten ihn Shinra-Truppen gefangen genommen und in ihr Labor verfrachtet… wo dann alles begonnen hatte.

Und jetzt war das eingetroffen, was er sich immer gewünscht und ausgemalt hatte. Er hatte jemanden seiner Art gefunden. In diesem Moment erinnerte er sich an Bugenhagens geheimnisvolle Worte.

Vielleicht findest du ja eines Tages eine Gefährtin…

Er hatte ihn immer für weise gehalten, niemand wusste mehr über den Planeten und seine Mysterien als er, doch dass er selbst prophetisches Talent besessen hatte, verwunderte ihn dennoch. Wie auch immer… statt der erwarteten Euphorie herrschte nun drückende Leere in ihm. Er fühlte sich schuldig, dass er sich nicht ehrlich freuen konnte, dass er ihr nicht das geben konnte, was sie immer gesucht hatte. Stattdessen fühlte er sich so… wie immer.

Nun kam er an der Krankenstation vorbei. Verletzte lagen bis in den Gang hinaus, und die Ärztin schwirrte mitsamt ihren Gehilfen umher, um alle zu versorgen und baldest möglich wieder auf die Beine zu bringen. Einen Moment verharrte er dort und ließ sein Auge über all die Leidenden schweifen. Oft hatten sie Verbände quer übers Gesicht, und manche stöhnten in stiller Agonie.

Ihr sehnlichster Wunsch ist es wieder gesund zu sein…

In dem Leid der Verletzten fand er eine Parallele zu sich selbst. Keiner dieser Männer und Frauen hatte wohl einen Gedanken an Schmerz und Verwundung verschwendet, als sie noch bei vollen Kräften gewesen waren. Und nun rückten alle Sorgen des normalen Alltags in die Ferne, und der Wunsch wieder gehen und kämpfen zu können, füllte sie zur Gänze aus. Doch so bald sie wieder genesen sein würden, bliebe von ihrem momentanen bemitleidenswerten Zustand nicht mehr als eine undeutliche Erinnerung.

Bin ich nicht auch so…?

All die Jahre hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht, als jemanden seiner Art zu finden, vielleicht sogar eine Gefährtin. Und nun war es eingetreten. Doch an die Stelle unbeschwerter Freude trat nun wieder alles Mögliche. Dann erkannte er seinen Fehler.

Solange ich mein Glück in einer fernen Zukunft wähne, tritt es nie ein.

Seine Freunde, die immer für ihn eingestanden waren, hatte er sie wirklich zu schätzen gewusst? Oder wurde ihm ihre Bedeutung für ihn erst bewusst im Moment des Verlusts? Wann, wenn nicht jetzt, konnte man glücklich sein? Wenn er nicht sein bisheriges Leben zu schätzen lernen würde, dann würde es ihm auch bei keinem anderen gelingen.

Die Welt um mich herum ändert sich. Aber ich bleibe immer der gleiche.

All die Jahre schwelte in ihm die Angst, seine Suche würde auf immerdar erfolglos bleiben. Und nun, wo sie zu Ende war, wuchs neue Angst in ihm. Angst, das so eben gefundene wieder zu verlieren, es nicht richtig schätzen zu können.

Das… muss aufhören.

Er ließ die Verwundeten bei der Krankenstation hinter sich und kehrte um. Mit einem Male fühlte er sich so frei und ohne Sorge. Immer noch war das Schicksal seiner Freunde Tifa und Barret ungewiss, und die Invasion der Monster aus einer ihnen fremden Welt hatte wohl erst begonnen. Auch wussten sich nicht, wie und ob sie überhaupt je wieder in ihre Heimat würden zurück kehren können. Doch in diesem Augenblick schwor er sich, seine Gegenwart zu schätzen und zu ehren, egal was der morgige Tag bringen würde oder wie lebendig der Schmerz der Vergangenheit noch war. Nur das Heute zählte in Wahrheit, das wurde ihm bewusst.
 

Hastig schlang Sephiroth die Mahlzeit in der Kantine hinunter. Er war hungrig wie ein Bär nach diesem Kampf. Auch wenn sich nur einfallsloser Eintopf auf seinem Teller befand, so schmeckte er doch so köstlich in diesem Augenblick. In Wahrheit fühlte er sich so lebendig wie seit langem nicht mehr. Nur in dem er seiner Berufung, dem Kampf, folgte, lebte er richtig auf. Dann schwanden alle Zweifel und Sorgen. Fast war er dankbar für die Umstände, die ihn hierher verschlagen hatte, denn einen so mächtigen und fordernden Gegner hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Vielleicht noch nie bis jetzt. Bis in das tiefste Innere seiner Persönlichkeit hatte er langen müssen, um genügend Macht zu Tage zu fördern. Seine stärkste Attacke hatte er aufbieten müssen, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Und das darauffolgende Triumphgefühl war mit nichts zu vergleichen.

„Guten Appetit!“ wünschte der blonde Mann, an dessen Seite er den Kampf ausgefochten hatte. Mit einem Male stand er vor ihm. Sephiroth kramte in seinen Erinnerungen. Seifer oder so ähnlich hieß er. Dann setzte er sich ihm gegenüber an den Tisch. „Was für ein Kampf…“, meinte er nickend. „Noch nie habe ich einen solchen Angriff erlebt. Wo lernt man das?“ fragte er neugierig. Sephiroth ließ kurz den Löffel ruhen und blickte ihn geheimnisvoll an.

„Manche Dinge kann man nicht lernen.“

Dann aß er weiter. Cifer saß da und betrachtete ihn abwartend.

„Ich möchte etwas von ihnen.“

„Und das wäre“, erwiderte er, ohne von seinem Teller aufzusehen. Cifer begann zu grinsen.

„Einen Übungskampf. Ein Sparring.“ Dann lehnte er sich nach vor. „Ich möchte mich mit ihnen messen.“

Langsam hob Sephiroth den Blick seiner türkisfarbenen Augen, die durch jahrelange Makoinfusionen jede natürliche Farbe verloren hatten.

„Gern. Warum nicht“, antwortete er knapp. Das könnte ein Spaß werden, dachte er verschmitzt.
 

Die Übungshalle des Garden war kaum noch wiederzuerkennen. Nur noch wenige Bäume standen. Der Rest war aufgewühltes Erdreich und Brandspuren. Nur noch die Stützpfeiler des elektrischen Zauns standen noch, die die Archeodinos vom ‚verlassen‘ der Halle abhalten sollten.

Cifer und Sephiroth standen sich in einiger Entfernung gegenüber. Cifer hielt in seiner Standardgefechtsstellung die Gunblade ausgestreckt von sich und zielte damit auf Sephiroth. Dieser hielt sein Masamune in beiden Händen, den Griff dicht vor dem Gesicht und die Klinge auf seinen Opponenten gerichtet. Atemlose Sekunden vergingen- dann begannen sie zu kämpfen.

Einen Feuerschweif hinter sich nachziehend, peitschte Sephiroths Masamune nach vor. Eine gleißende Linie breitete sich einer Flammenkorona gleich aus und ließ einen der massiven Stahlpfeiler umstürzen. Doch Cifer- war nicht mehr da.

Sephiroths Blick schnellte hoch. Wie ein Raubvogel stürzte sich Cifer auf seinen Opponenten. Glühende Funken sprühten von Masamune, als er den gewaltigen Hieb von Hyperion abwehrte. Von dieser Attacke beinahe aus dem Gleichgewicht gebracht, stolperte Sephiroth rückwärts. Cifer setzte augenblicklich nach und ließ eine schnelle Hiebfolge auf ihn herabregnen. Sephiroth hatte Mühe, mit seiner langen Klinge die blitzschnellen Angriffe seiner Gunblade zu parieren. Schließlich stolperte er über einen auf dem Boden liegenden Baumstamm. Cifer stand über ihm, hob seine Gunblade- und schmetterte sie mitsamt einer Flammensäule in den Boden.

Im letzten Moment rollte Sephiroth sich weg. Nur verbrannte Erde blieb an der Stelle zurück. Sofort ging er wieder in Angriffsposition. Sein weißgraues Haar wallte nach allen Richtungen, und Cifer grinste diabolisch.

Ein Übungskampf also?, dachte Sephiroth, während er die Bewegungen seines Opponenten verfolgte. Das wird ja interessanter, als ich dachte…

Sofort prallten sie wieder aufeinander. Leuchtende Bögen beschreibend, donnerten ihre Klingen gegeneinander. Sie waren sich an Geschwindigkeit und Kraft beinahe ebenbürtig, und Sephiroth begann es immer mehr zu genießen. Mit der Zeit begann er die Finten seines Opponenten zu durchschauen und erkannte das Muster dahinter. Eine Nanosekunde der Unachtsamkeit nutzend, brachte er die volle Länge von Masamune ins Spiel und vollführte einen weitreichenden Horizontalhieb. Cifer, der keine Zeit zum Ausweichen oder Parieren hatte, sprang über die Klinge hinweg, die wie eine blitzende Sense unter ihm hindurch pflügte. Während seines Hechtsprunges legte er mit Hyperion an- und drückte ab.

Das Projektil prallte an Masamune ab, das Sephiroth dicht an sein Gesicht hielt. Neben der schimmernden Klinge, auf der sich der Abdruck des Projektils zeigte, sah Cifer sein finster lächelndes Gesicht. Akrobatisch rollte er sich ab und ging wieder in Angriffsposition. Sofort schwenkte er sein langes Katana wieder herum und raste auf Cifer zu.

Sie hielten nun ihre jeweilige Waffe mit beiden Händen, als sie in einem Kräftemessen der Giganten Gesicht an Gesicht, Klinge an Klinge standen. Ihre Arme begannen zu zittern, und die Schneiden glühten orange auf, wo sie aneinander schabten. Die Hitze wurde größer, und schon sprangen erste Funken aus dem unter Druck und Hitze weich werdenden Metall. Auge in Auge standen sie da und versuchten aus ihnen die Wahrheit herauszulesen, wer nun der stärkere war-

„Sofort aufhören!!!“ Ruckartig ließen sie voneinander ab, als Quistis Stimme durch die nun noch mehr verwüstete Übungshalle hallte. Ihre Augen blitzten vorwurfsvoll durch ihre Brille. Die Hände hatte sie in die Hüften gestützt, und ihr Gesicht jagte sogar den beiden Helden Furcht ein. „Was soll der Unsinn!!“ rief sie und ging zwischen die beiden. „Ihr benehmt euch wie unreife Schuljungs!“ Vor ihrem drohenden Zeigefinger wichen sie schlagartig zurück. „Spart euch eure Kräfte lieber! Ihr werdet sie noch brauchen, verdammt!“ Noch einmal teilte sie vorwurfsvolle Blicke an die beiden aus, dann verließ sie kopfschüttelnd die Übungshalle. „Typisch Männer“, schnaubte sie im Hinausgehen. Sephiroth und Cifer sahen sich etwas verlegen an.

„Nun ja…“, begann Cifer. „War jedenfalls ein toller Kampf.“

„Allerdings“, stimmte Sephiroth ihm zu. „Können wir bei Gelegenheit ja wiederholen.“
 

Die angespannte Stimmung im Garden hatte etwas nachgelassen, zumindest für Cloud und die anderen. Sie waren nun schon eine Weile auf dem offenen Meer unterwegs, und seither hatte es keine Angriffe mehr gegeben.

Die Waisenkinder aus Edeas Waisenhaus spielten nun im Außenhof unter den wachsamen Blicken der Erwachsenen. Marlene und Denzel hatten schnell Anschluss bei ihnen gefunden, und zum ersten Male wirkten sie wieder so unbeschwert wie Kinder sein sollten.

Cloud saß etwas abseits und sah ihnen zu. Cid Highwind und Shera passten auf sie auf, und auch die Frau in dem langen, schwarzen Kleid, die man ihnen als Edea Kramer vorgestellt hatte, war bei ihnen. Ganz ungezwungen und die seltsamen Umstände dieses Zusammentreffens außer acht lassend, unterhielten sie sich. Auch Anne war da und wirkte nun gar nicht mehr furchtsam, während sie sich mit den Kindern beschäftigte. Nanaki hatte nur mehr Augen für seine neugefundene Artgenossin, was Cloud voll und ganz verstand. Er sah sie langsam Kreise ziehen, in dem malerischen Hof im Schatten der ‚Shera‘.

Sie gehören zueinander, dachte er. Das ist nicht zu übersehen. Ebenso wie Cid und Shera, die trotz seiner Marotten sich immer wieder zusammenrauften. Dieses harmonische Bild ließ ihn fast vergessen, was sie schon alles erlebt hatten, all die Kämpfe, all die Verluste…

Zu wem gehöre ich?

Ganz plötzlich tauchte diese Frage in seinem Kopf auf, als er die beiden Pärchen sah. Dann wanderten seine Gedanken zu Tifa.

Ich habe ihr zu wenig Beachtung geschenkt, all die Jahre, dämmerte es ihm nun. Sie waren immer gute Freunde gewesen, aber sonst? Erst jetzt, wo er sie vielleicht nie wieder sehen würde, wurde ihm bewusst, wie wichtig sie ihm eigentlich gewesen war. Und doch hatte er sich nie durchringen können- zu was eigentlich? Eigentlich war er ja zufrieden gewesen damit, wie es war. Warum sollte sich auch etwas ändern. Dazu gäbe es nur Grund, wenn ein ganz besonderes Gefühl ihm dies einflüstern würde. So wie es damals mit Aeris passiert war. Auch wenn vieles davon nur auf Zacks Erinnerungen basierte, die er nach seinem Tod übernommen hatte… er hatte sie geliebt, dass wusste er. Auch wenn er es ihr nie gesagt hatte. Und es jetzt auch zu spät dafür war.

Sein Blick fiel wieder auf Anne. Irgendwie erinnerte sie ihn an Aeris. Auch wenn nur wenig optische Ähnlichkeit war, etwas an ihrem Wesen kam ihm bekannt vor. Als würde er sie schon seit langem kennen. Gut konnte er sich noch an ihre erste Begegnung in Edge-City erinnern. Sie hatte damals einen nervösen Eindruck auf ihn gemacht, was vielleicht aber auch an etwas anderem lag.

Seufzend schüttelte er den Kopf. In dieser Hinsicht hatte er immer schon eine lange Leitung gehabt. Jahrelang hatte Tifa mit Zaunpfählen gewinkt, doch er war immer zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, um es zu merken. Das passiert mir nicht mehr, schwor er sich. Gerade in diesem Moment sah Anne von ihrem Spiel mit den fröhlich lachenden Kindern auf und warf ihm einen Blick zu. Er lächelte zurück und wunderte sich, was sie in ihm auslöste, obwohl er sie ja noch gar nicht richtig kannte-
 

Plötzlich riss es ihn auf die Beine. Eine unwiderstehliche Macht lenkte seine Schritte. So schnell ihn seine Füße tragen konnten, lief er zum Geländer, von dem man aus das Meer überblicken konnte. Seine Augen suchten den Horizont ab- und fanden es.

„Da ist es!“ rief er, und die anderen warfen ihm verwunderte Blicke zu. Mit einem Male war ihm alles klar. Er hatte keine Erklärung dafür, aber noch nie in seinem Leben war er sich etwas so sicher gewesen. Alles erschien ihm in einem neuen Licht. Vincents Zusammentreffen mit Diabolos in der Wüste, Barrets Kampf mit den seltsamen Stierwesen in der Kanalisation… wie ein Puzzleteil, das aus heiterem Himmel herabregnet und genau an seinen Platz landet, war ihm plötzlich alles kristallklar. Keiner ihrer Schritte war Zufall gewesen, alles hatte seinen Sinn gehabt. So fremdartig diese plötzlich in seinem Geist aufleuchtenden Zusammenhänge waren, so sicher war er sich auch, was nun zu tun war.

Cid Highwind stand nun neben ihn und deutete mit dem Kinn in Richtung Horizont.

„Was soll’n da sein“, brummte er. Cloud packte ihn so heftig an den Schultern, dass ihm die Kippe aus dem Mundwinkel fiel.

„Ich muss dorthin!!“

„Was!? Geht’s noch, Cloud?“

„Es ist wichtig! Ich…“ Er schüttelte verwirrt den Kopf. „Ich kann es nicht erklären, aber dort- “ Er zeigte auf die kleine Insel am Horizont- „Dort ist die Antwort!“ Cid hob eine Augenbraue und zeigte mit seiner Miene klar, dass er sich um seine geistige Gesundheit sorgte. Doch Cloud ließ nicht locker. „Flieg mich mit der ‚Shera‘ dorthin. Wir sehen uns um… und wenn nichts war, fliegen wir wieder zurück. Einverstanden?“

„Ich glaub, jetzt drehst du wirklich durch… aber andererseits- “ Cid holte eine der ständig aus dem Nichts hinter seinem Ohr auftauchenden Zigaretten hervor und steckte sie sich an. „ -verrostet mein ‚Baby‘ noch, wenn es hier nur rumsteht.“

Vincent und Yuffie, die nun ebenfalls den Hof betraten, sahen wie Cloud und Vincent die Rampe zur Shera betraten.

„He, was macht ihr da?“ rief Yuffie.
 

„Wisst ihr, Cloud dreht langsam durch und will, dass ich ihn ein bisschen herumkutschiere. Aber mir soll’s recht sein“, erklärte Cid Highwind und deutete auf Cloud, der vor Entschlossenheit nur so sprühte.

„Aha… aber du willst doch nicht alleine gehen?“ fragte Yuffie entsetzt. Noch bevor Cloud etwas erwidern konnte, sprach sie weiter. „Wir kommen natürlich mit, nicht wahr, Vincent?“

Ohne eine Widerrede abwartend, lief sie die Rampe hinauf.
 

Die Vier standen nun hinter Cid, der bereits am Steuer stand und den Start einleitete.

„Hätten wir nicht den anderen was sagen sollen?“ fragte Vincent vorsichtig. Cid schnaubte nur verächtlich.

„Pah, so weit kommt’s noch, dass Cid Highwind ein Weib um Erlaubnis fragt, bevor er wo hinfliegt!“ Dieser Kommentar brachte ihm einen wütenden Blick von Yuffie ein, dann hoben sie auch schon ab.

Schwaden von Staub aufwirbelnd, löste sich die ‚Shera‘ vom Boden und flog aufs Meer hinaus. Verwundert reckten die Kinder ihre Hälse empor und sahen dem Schiff hinterher.
 

„Balamb-Garden an, äh… unbekanntes Schiff! Sie haben keine Erlaubnis zum Start erhalten, drehen sie sofort- “

Klackend legte Cid den Aus-Schalter fürs Funkgerät um.

„Ja, ja, leckt mich doch…“, maulte er mit der Kippe im Mundwinkel, während ihr Ziel vor ihnen auftauchte.

„Was wollen wir eigentlich dort?“ fragte Yuffie unschuldig.

„Keine Ahnung!“ rief Cloud strahlend. Yuffie nickte langsam und rollte dann mit den Augen. Dann wandte sie sich an Vincent neben ihr.

„Ich muss euch was erzählen… vorher, als ich mit Sephiroth und diesem Seifer draußen war… da ist mir was Seltsames passiert. Es war genauso wie mit Barret und dir, Vincent! Die anderen waren auf einmal weg, und dann war da diese Frau… es war seltsam, ich habe sie erledigt, und dann… dann löste sie sich auf, und dann- “

„Genau das meine ich“, unterbrach sie Cloud, der immer noch auf den Müllhaufen starrte, den sie ansteuerten. Die Insel stellte sich als Ansammlung von Schrott und gestrandeten Schiffen heraus und war offensichtlich künstlicher Natur. „Es ergibt alles einen Sinn… ich weiß es…“ Vincent und Yuffie warfen sich skeptische Blicke zu, doch Cloud bewegte sein Augenmerk nicht von der künstlichen Insel.
 

„Ich warte dann mal hier“, brummte Cid. „Aber lasst mich nicht zu lang warten, sonst könnt ihr zurückschwimmen“, warnte er sie noch, bevor sie die Rampe hinunter auf die Insel gingen.

Die ‚Shera‘ fiel auf der Oberfläche dieser Insel aus Maschinen, verbogenen Kränen und gestrandeten Schiffen kaum auf. So weit sie sehen konnten, bestand die ‚Insel‘ aus rostigem Metall und rätselhaften Apparatschaften. Ein Teil davon waren Gebäude, die vor längerer Zeit irgendeinem Zweck gedient haben mussten, wenngleich der nicht mehr erkennbar war.

Ein Laufweg aus verbogenen Metallplanken und schiefen Geländern geleitete sie zu einem Eingang in eines der verfallenen Gebäude. Cloud ging schnurstracks voraus, als wisse er das Ziel bereits. Vincent und Yuffie folgten in kurzem Abstand.

@@@@@@

„Sag, Vincent“, flüsterte Yuffie ihm zu, als sie durch den Eingang traten. „Müssen wir uns Sorgen um ihn machen?“

Das Innere des Gebäudes war ebenso unordentlich wie der Rest dieses schwimmenden Schrotthaufens. Doch hier fiel auf die herumliegenden Maschinenteile und rostigen Metallstücke ein sanftes Licht…

…ausgestrahlt von einem zylindrischen Gegenstand, der sich in der Mitte der kreisrunden Halle befand. Er war in den Boden eingelassen und mit der Decke verbunden. An mehreren Stellen hingen Kabelstränge von der Decke und waren an den Zylinder angeschlossen. Hinter dem Glas, aus dem er bestand, leuchtete eine diffuse Flüssigkeit. Cloud stand davor und starrte in das warme Licht.

„Ich glaube nicht“, antwortete Vincent schließlich. Einige Schritte hinter ihm blieben die beiden stehen. „Er weiß, was er tut…“, sagte Vincent leise. Yuffie warf ihm einen erstaunten Blick zu.
 

Cloud stand nun dicht vor dem Zylinder. Das Glas war teilweise von Algen überwachsen. Er streckte die Hand aus und berührte es. Es fühlte sich warm an.

Dies ist nur für dich bestimmt…

„Ich weiß“, flüsterte er.

Und dann… werdet ihr vollständig sein…

Die leuchtende Flüssigkeit in dem riesigen Glaszylinder rotierte langsam um die Achse des Behälters. Undeutlich spiegelte sich Clouds Gesicht darin. Fast schien es ihm, als wäre es ein fremdes Gesicht.

„Wer bist du?“ fragte er leise.

Ich bin älter als die Zeit. Älter als alle Menschen.

„Was willst du von uns?“

Die Frage ist eher… was wollt ihr von mir?

Cloud schüttelte den Kopf und senkte den Blick. Er wusste keine Antwort auf die Stimme.

Wollt ihr kämpfen?

„Nein. Ich will nur Tifa finden“, antwortete er, und seine Stimme begann zu zittern.

Dann fleht ihr also um Gnade?

„Nein… verdammt“, murmelte er und biss die Zähne zusammen. „Das werde ich niemals… niemals…“

Warum nicht? Aufgeben ist so leicht. Es ist schwierig genug, vielleicht hattest du von Anfang an keine Chance. Sie ist womöglich schon verloren für dich. Aber trotzdem machst du weiter? Warum? Warum nur?

Cloud lehnte sich mit der Stirn gegen das warme Glas. Hilflos schlug er mit der Faust auf die harte Oberfläche. Mit einem Male wurde ihm die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens bewusst.

Warum gibst du nicht auf? Weil du sie unbedingt beschützen willst? Oder meinst du, das geht mich gar nichts an?

„Verflucht…“, stammelte Cloud und schlug wieder gegen das Glas. Es war richtig, was die Stimme sagte. Es war alles so sinnlos.

Er löste sich von dem Glas. Tränen der Verzweiflung flossen über sein Gesicht. Er spürte keinen Mut mehr in sich, keine Entschlossenheit mehr und keine Kraft.

„Es liegt einfach in meiner Natur“, flüsterte er und blickte ins Leere. „Es gibt keinen echten Grund… ich wurde einfach dazu geboren… um für andere zu kämpfen.“

Ich verstehe… interessant.

Der Zylinder leuchtete grell auf. Vincent und Yuffie bedeckten ihre Augen einen Moment, bis das Licht wieder abschwoll. Dann blitzte es im Sekundentakt auf. Im selben Moment erwachte die Röhre brausend zum Leben. Ihre innere Rotation beschleunigte sich. Cloud drehte sich zu ihnen um.

„Ich muss das jetzt tun. Alleine“, brüllte er, um das laute Hintergrundgeräusch zu übertönen. Seine beiden Freunde sahen aus der Entfernung, wie das Licht des Zylinders sich ausbreitete und ihn schließlich verschluckte. Yuffie wollte loslaufen, doch Vincent hielt sie zurück. Verständnislos blickte sie ihn sein ernstes Gesicht.

„Aber wir müssen ihm helfen!“ rief sie verzweifelt. Vincent schüttelte langsam den Kopf.

„Das können wir nicht. Das ist eben nur für ihn bestimmt…“
 

Dies musste das Innere des Zylinders sein, dachte er. Wenngleich der Raum viel größer und auch höher war als noch zuvor.

Schwärze breitete sich nach allen Richtungen aus. Nur glühende Quadrate in der Farbe der Flüssigkeit rotierten um sie herum und warfen fahles Licht auf die beiden. Cloud bemerkte ihn. Blitzschnell riss er sein Kombischwert vom Rücken und ging in Angriffsposition.

„Hier bist du nun…“, sprach der Drache. Seine Stimme klang so tief und alt wie verwitterte Gemäuer, wie erstarrtes Gletschereis, wie ein bodenloser Schacht der Schwärze.

Mit verschränkten Armen stand er da. Seine Augen leuchteten grün und fixierten ihn kalt. Sein Kopf trug zwei spitze Hörner. Seine riesigen Flügel auf dem Rücken bewegten sich langsam auf und ab. Stahlgraue, großflächige Schuppen bedeckten seinen muskulösen Körper. Sein langer Schweif tanzte um ihn herum wie eine schieferfarbene Schlange.

„Wer… bist du?“ fragte Cloud fassungslos.

„Ich bin dein Schicksal“, begann der Drache. „Ich bin der Grund deiner Reise. Ich bin… Bahamut, der König aller Drachen.“

Cloud wich vor Entsetzen einen Schritt zurück.

„Aber- du warst eine Materia, wie kommst du hierher?“

„Ich bin überall und nirgends gleichzeitig“, antwortete er, und es klang, als würde Stahl auf Glas kratzen. „Ich bin in dir und doch unendlich weit weg. Ich bin dein Anfang… und dein Ende!!“ Mit einem gewaltigen Flügelschlag erhob er sich vom Boden. Immer weiter flatterte empor durch die Kraft seiner Flügelschläge. „Und doch… seid ihr Menschen es, was ich fürchte!!“

Fassungslos blickte Cloud empor auf den sich entfernenden Drachen.
 

In einer rasanten Bewegung streckte er das Kombischwert von sich. Surrend gaben sie einen Teil frei. Cloud zog ihn heraus. In jeder Hand eine Klinge haltend, löste er sich von den Fesseln der Schwerkraft.

Wie ein Geschoss stieg er empor und hieb auf den Drachen ein. Dieser fing den Schwertstreich mit den Zähnen ab. Hämisch funkelten ihn seine grünleuchtenden Augen, als er es wieder losriss. Dann holte er mit der anderen Klinge aus.

Bahamut parierte die Schwerthiebe mit den Klauen an seinen Flügen, wieder und wieder. Mit aller Kraft attackierten sie sich gegenseitig, doch das Kräftemessen schien keine Entscheidung zu bringen. In dem Dom aus kreisenden Lichtern stiegen sie immer höher, und immer wieder prallte Stahl auf Drachenhaut. Wie zwei Wirbelstürme umkreisten sie sich. Feuerkoronen entwichen jedem ihrer Hiebe, die immer mehr an Macht gewannen. Bis sie einen Moment innehielten.

Weit über dem Boden, den man nicht mehr erkennen konnte, schwebten sie inmitten der rotierenden Lichter, die ihre Arena der Dunkelheit begrenzten. Surrend vereinten sich die Teile von Clouds Kombischwert. Seine Konturen leuchtenden auf, als er zu einer vernichtenden Attacke ansetzte. Ebenso spannte Bahamut seine Flügel und raste los.

Der Dom aus Dunkelheit blitzte auf, als die beiden kollidierten. Die Erde schien bis in ihre Grundfeste zu erzittern, als sie aufeinander prallten.

Abwartend umkreisten sie sich. Cloud atmete schwer, dieser Angriff hatte ihn viel Kraft gekostet. Ebenso schienen die Bewegungen des Drachen langsamer geworden zu sein.

„Das ist wirklich… interessant“, dröhnte es von allen Seiten auf Cloud zu. Er sammelte die Energie für einen neuerlichen Angriff- doch dann wurde alles um ihn herum weiß…
 

Krachend flog die Tür aus ihren Angeln. Alle Gäste drehten sich ruckartig um und sahen, was mitsamt der Tür in den Raum flog. Es war ein Mann in dunkler Kleidung, dessen blonde Haare nach allen Richtungen wegstanden. Hustend kam er auf die Beine und sah sich um. Er befand sich nun in einer Kneipe, soweit er das erkennen konnte. Leute saßen an Tischen mit Gläsern in der Hand. Die hintere Wand wurde von einer langen Theke gebildet, hinter der ein Mann vor einem Regal mit Flaschen und Gläsern stand. Er wischte gerade die Theke mit einem Tuch ab. Mitten in der Bewegung war er erstarrt und blickte ihn verdutzt an.

„Wo zum Teufel bin ich hier?“ fragte Cloud laut in den Raum. Seine Hände waren leer, sein Kombischwert weg. Dann drehte er sich um. Bahamut kam durch den Türstock. Nun brach endgültig Panik aus. Schreiend rannten die Menschen die Tische um und sprangen aus den Fenstern. Nach wenigen Momenten war die Kneipe leer, bis auf den Wirt, der hinter seiner Theke in Deckung ging.

Cloud starrte den Drachenkönig ratlos an, der mit energischen Schritten auf ihn zu kam.

„Was soll das hier? Etwa eine Kneipenschlägerei?“ fragte er mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Erheiterung.

„Nicht die unedelste Form des Duells“, antwortete der Drache und schlug blitzschnell zu. Der gewaltige Schwinger beförderte Cloud durch den halben Raum und ließ ihn in ein paar Tische krachen, die scheppernd zerbrachen.

Benommen tastete er durch die Trümmer, als ihn zwei starke Hände packten. Bahamut schnappte ihn an Kragen und Hosenboden und schleuderte ihn durch den Raum. Schreiend flog Cloud direkt in die Wand hinter Theke. Klirrend krachte er in die Regale, und bergeweise Glas ging zu Bruch. Ächzend schlug er hinter der Theke auf.

Sein verschwommener Blick hob sich von den Glassplittern, in denen er lag und traf den völlig verängstigten Wirt, der hinter der Theke hockte.

„Schicken sie mir einfach die Rechnung für den Schaden“, hustete Cloud, als sein Blick unter der Theke umhertastete. Er suchte jenem Gegenstand, der unter jeder Kneipentheke in allen Welten zu finden war. Bahamuts Schritte näherten sich, und endlich fand er ihn.

Der König der Drachen langte hinter die Theke und zog Cloud am Kragen hervor. Dieser schnellte hoch und holte mit dem Baseballschläger aus, mit dem normalerweise streitlustige, angetrunkene Gäste in Zaum gehalten wurden. Auf dem Drachengesicht zeichnete sich tatsächlich sowas wie Erstaunen auf, als ihn die Aluminiumkeule Sekundenbruchteile später schon am Kopf traf. Es klang blechern, und der Drache wankte zurück.

Cloud sprang auf die Theke und dann auf Bahamut. Im Fallen traf er ihn mit aller Wucht, und der Drache stürzte nach hinten.

„Dir werd‘ ich Mores lernen… na warte…“, knurrte Cloud und näherte sich ihm mit erhobenen Baseballschläger. Wütend ergriff Bahamut noch im Liegen einen Tisch und schleuderte ihn auf Cloud. Dieser zerschmetterte ihn mit der Aluminiumkeule. Dann kam der Drache schlagartig auf die Beine.

Er breitete seine Flügel aus, die im entfalteten Zustand fast durch den gesamten Raum reichten. Eine saugende Dunkelheit breitete sich von ihnen aus, und wieder veränderte sich die Umgebung. Alles gerann zu sternendurchsetzter Schwärze…
 

Als Cloud wieder zu sich kam, fühlte er keine Schwerkraft mehr. Dafür aber sein Kombischwert in der Rechten. Er blickte nach unten- oder zumindest in die Richtung, die er in diesem Moment für unten hielt. Unter ihm leuchtete Blau- und Smaragdfarben die Oberfläche-
 

Der Erde.

Vor ihm schwebte Bahamut. Ringsum sie herum leuchteten die Sterne. Erschrocken wandte sich Cloud um.

„Ich kann jede Arena wählen, die ich will“, zischte der Drache und seine Stimme schien durch den gesamten Kosmos zu hallen. Sie standen- oder besser, schwebten- sich nun im Orbit des Planeten gegenüber. Cloud umklammerte sein Kombischwert fester.

„Schön langsam reicht es mir“, knurrte er. Dann setzte der Drache zu einem Angriff an. Cloud ahnte das Schlimmste.

Bahamut schlug einmal heftig mit den Flügeln, dann schnellte er los. Mit rasender Geschwindigkeit flog er auf den Mond zu- und um ihn herum. Cloud konnte nichts anderes tun, als zuzusehen, während er tausende Kilometer über der Erde im Nichts schwebte.

Einen leuchtenden Streifen hinter sich herziehend, kam Bahamut wieder hinter dem Mond hervor und beschleunigte auf Lichtgeschwindigkeit. Schrill dröhnte die enorme Geschwindigkeit seiner Flugbahn. Und er steuerte direkt auf Cloud zu.

Im Flug sammelte er Energie zwischen seinen weit geöffneten Kiefern. Der Ball aus gleißendem Licht stieß grelle Strahlen nach allen Richtungen aus. Schließlich entlud er sich, und eine Säule blendenden Lichts schoss auf die Erde zu- und durch Cloud hindurch.
 

Ein gewaltiger Krater, gefüllt mit kochendem Gestein, blieb in der Wüste des Centra-Kontinents zurück. Und hoch droben, im Orbit…
 

…kämpfte Cloud Strife ums Überleben.

Der direkte Treffer hatte sämtliche Sicherungen durchbrennen lassen. Die Hitze brannte durch und durch und zerstörte jede Abwehr, die er aufbieten konnte. Es schien ihn nur noch ein Kosmos aus Schmerzen und Qualen zu umgeben, als er Richtung Erde stürzte und dabei langsam zu Asche verglühte.
 

Triumphierend wie der Herrscher über die Welt schwebte Bahamut im Orbit und betrachtete den Planeten. Sein Leben währte schon länger als die Zeit, nun hatte er genügend Macht, das spürte er. Niemand würde sich ihm mehr in den Weg stellen auf seinem Weg zur absoluten Stärke. Voller Genugtuung ließ er seinen Blick über die Kontinente der Welt schweifen, denn er bald beherrschen würde. Nichts würde ihn mehr stoppen können, nichts und niemand.
 

Er hatte verloren. Er war besiegt. Nun wartete nur noch der Lebensstrom auf ihn, um ihn aufzunehmen. Schon spürte er die warme Berührung der Kraft, die in jedem Planeten floss. Aus dem die Menschen hervorgingen, und in den sie wieder zurückkehrten, eines Tages. Und nun war es für ihn soweit. Er hatte alles versucht. Er hatte alles gegeben. Und es hatte nicht gereicht… doch zumindest war kein Schuldgefühl mehr da. Bis an seine äußersten Grenzen war er gegangen, um seine Freunde zu retten, und von niemand konnte man mehr erwarten.

Die Blüten wiegten sich sanft im Sog seiner vorbeieilenden Schritte. Und sie lief ihm entgegen. Als er schließlich vor ihr stand, flossen unkontrolliert die Tränen über Clouds Gesicht. Sie hatte langes, braunes Haar. Über ihrem rosafarbenen Kleid trug sie eine rote Weste. Die Worte kamen nur stockend aus seinem Mund.

„Aeris…“

Sie lächelte nur und berührte ihn sanft an der Wange. Ihr Finger fing eine Träne auf, und sie glänzte wie ein Diamant im sanften Licht des Lebensstroms.

„Hier bist du nun, Cloud…“, sagte sie leise, und ihre Stimme erfüllte ihn mit einer inneren Ruhe, an die er sich gar nicht mehr erinnern konnte. Dann ergriff sie seine Hand, als könne sie ihr etwas ablesen. „Schön, das du da bist. Aber…“

Clouds Gesicht veränderte sich. Ein fragender Ausdruck umspielte seine Züge.

„Ja?“

Aeris schüttelte sanft den Kopf und lächelte ihn wieder an. So viel Hoffnung und Wärme lag darin.

„Hier ist kein Platz für dich. Noch nicht.“

„Aber- ich bin doch tot, oder?“

Sie nickte sachte.

„Ja. Aber ich kann dir das Leben wiedergeben. Der Planet will es so. Und durch mich geschieht es.“

Dann breitete sie ihre Arme aus, und ein Sturmwind aus Licht und Wärme ergriff ihn und hob ihn hoch, dem schimmernden Himmel entgegen.

„Aber- nein, ich will bei dir bleiben! Neeinn!!“ schrie er, doch die Macht war stärker. Aeris wurde immer kleiner, je höher er stieg. Ihre letzten Worte verklangen in dem Sturmwind.

„Eines Tages… aber noch nicht jetzt- “

Dann herrschte schlagartig Stille.
 

Das Gefühl der Macht war berauschender, als er es sich vorgestellt hatte. Keinen Widerstand hatte er nun mehr zu fürchten, und sein Titel als König aller Schutzmächte und Herrscher aller Reiche würde ihm niemand mehr streitig machen können. Bahamut weidete sich am Anblick des Planeten, der vor seinen Füßen lag- als ein leuchtender Punkt der Atmosphäre entstieg.

„Was ist das?“

Der Punkt gewann schnell an Höhe. Schließlich erkannte er ihn. Entsetzen quoll aus seinem Drachengesicht. Wütend ballte er die Faust.

„Nein!! Nichts kann meinen Peta-Flare überleben!!!“
 

Wie ein Komet zog Cloud einen Schweif aus verglühender Atmosphäre hinter sich her, als er auf Bahamut zuraste. Im Flug richtete er sein Kombischwert aus- und versetzte dem Drachenkönig im Vorbeiflug einen gewaltigen Hieb. Schrill kreischend trieb dieser, von der Attacke getroffen, durch den Raum. Dann stoppte Cloud und sah den angeschlagenen Drachen.

Er hielt sein Kombischwert gerade vor sich. Gleißendes Licht entströmte seinem Inneren. Dann teilte es sich in seine sechs Teile.

In einem von Schwertmagie erfüllten Kreis positionierten sich die Einzelteile seiner Waffe um den verwundeten Bahamut. Einen flüchtigen Schemen hinterlassend, raste Cloud durch diesen Kreis. Mit jedem einzelnen Segment seiner Klinge traf er Bahamut- und am Ende, als Cloud mit den Füßen auf der Oberfläche der künstlichen Insel landete, trafen alle Teile ebenfalls den Boden und blieben ringförmig um ihn herum stecken. Mit der Rechten fing er das letzte Segment auf, das aus dem Orbit herabfiel.

Bahamut sank langsam auf die Forschungsinsel im stillen Ozean herab. Cloud stand mit dem Einzelteil seiner Klinge da und schaute empor. Lichtpartikel stiegen von dem Drachen auf, und er wurde allmählich durchsichtig. Sein Blick war in die Ferne gerichtet, während er zu purer Energie zerfiel.

„Kannst du das Licht sehen…“, flüsterte er, und es klang wie ein wehmütiges Klagen aus den Tiefen der Zeit. Cloud nickte langsam. Dann traf es ihn wie ein Donnerschlag, als sich Bahamuts Geist mit seinem vereinigte.
 

Vincent und Yuffie umringten ihn und starrten ihn ratlos an.

„Ist das gerade… wirklich passiert?“ fragte Yuffie fassungslos. Cloud nickte und wollte etwas sagen- als sein Blick wieder gerade aus schnellte. Er streckte den Zeigefinger aus, brachte jedoch kein Wort heraus. Dann sahen es auch Yuffie und Vincent.

Eine Wand aus roter, wabernder Energie, höher als der Himmel und weiter als der Horizont, bewegte sich über das offene Meer auf sie zu. Wie eine Sturmwand aus purer Energie donnerte es auf sie zu. Kurz vor der Insel kam sie zu Halt und tauchte alles in einen gespenstischen, roten Schein. Und dahinter- war etwa nicht mehr das Meer, sondern-
 


 


 

Eine andere Welt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2009-03-06T09:05:03+00:00 06.03.2009 10:05
Hi!

Sorry, hab ja schon ewig nichts mehr von mir hören lassen, aber ich habe dich und deine FF nicht vergessen. Das lag ganz einfach daran, dass mich die Länge dieses Kapitels etwas... überfordert hat. Ich habe bestimmt vier mal mit dem Kapitel angefangen und dann wieder einige Tage keine Zeit gehabt, weiter zu lesen und dann wusste ich die Hälfte nicht mehr. Naja, deshalb hat es solange gedauert bis ich Zeit hatte, das Kapitel innerhalb weniger Tage zu lesen.

Sehr komisch, dass sich Sephiroth an nichts erinnern kann, aber Vincents Theorie klingt doch schon mal sehr plausibel. Bin schon sehr gespannt, was es wirklich damit auf sich hat. Und Quistis fand Cifer schon immer irgendwie attraktiv? Und dann auch noch die Szene zwischen den Beiden... wirklich super gelungen. Ich konnte mir die Zwei zusammen nie wirklich vorstellen, aber irgendwie schaffst du es, dass ich es mir jetzt doch vorstellen kann. Respekt, bin in solchen Dingen immer ziemlich festgefahren, lasse mich aber trotzdem gern vom Gegenteil überzeugen. Das war alles sehr emotional. Eins möchte ich aber noch hinzufügen: Handys sind böse...

Vincent Valentinstag... Ist ja geil, hätte mich beinahe tot gelacht als ich das gelesen hab. Alles war irgendwie so ernst und dann kommt Irvine mit 'Vincent Valentinstag'. Wirklich ein sehr gelungener Scherz. Und Cid war ja auch wieder einmal der Brüller. Schnauzt da einfach diesen Kerl vom Ordnungsdienst an. Sehr lustig und ich mag Cids Art. Hast sie wirklich sehr gut wiedergegeben. Und das Wiedersehen fand ich allgemein sehr rührend. Die armen Kinder und der arme Cloud.

Die Szene, in der du Irvines Gefühle beschreibst, ist wirklich sehr emotional und traurig. Ich mag Irvine wirkilch sehr gerne (habe ich, glaube ich, schon ein paar mal erwähnt) und umso mehr tut er mir jetzt leid. Dabei lebt Selphie ja noch und er weiß es nicht einmal. Ach, ist das traurig. Wirklich sehr gut gelungen. Das Zusammentreffen von Irvine und Cifer ist dir auch sehr gut gelungen und die Art, wie Quistis Cifer zurecht gewiesen hat, gefällt mir irgendwie. Auch er braucht seine Grenzen.

Der arme Sephiroth. Ausnahmsweise tut er mir richtig leid, obwohl er gar nicht real ist. Aber dann lag Vincent mit seiner Vermutung also gar nicht so falsch. Auf was für Ideen du immer kommst. Das ist alles so mystseriös und spannend, dass man mit dem Lesen deiner Geschichte gar nicht mehr aufhören kann. Und das Gespräch zwischen Cloud und Anne fand ich irgendwie süß, trotzdem gehört Cloud zu Tifa, meiner Meinung nach. Naja, ich lasse mich einfach mal überraschen, was du mit den Beiden und Tifa und Squall anstellst.

Es gibt noch ein Wesen wie Nanaki? Das finde ich schön, mit tut der Arme immer total leid, weil er der letzte Überlende seiner Art ist. Und es ist schön, dass er zumindest in deiner Geschichte nicht ganz alleine sein muss. Shinahas Auftritt fand ich sehr gelungen, erst Recht, als sie Cifer so angesprungen hat. Das kam wirkich gut. Und auch der Kampf von Irvine gegen Alexander ist dir super gelungen, obwohl er im Vergleich zu den Kämpfen der anderen zuvor etwas kurz war, aber das ist nicht so schlimm. Die Beiden passen gut zusammen.

Ui, Yuffie kann auch richtig böse werden. Recht hat sie, in diesem Moment hätte mich Vincent auch genervt mit seiner kühlen Art, obwohl ich ihn auch mag. Und das Gespräch zwischen ihm und Sephiroth (mir ist übrigens aufgefallen, dass du ihn gelegentlich ohne 'h' am Ende geschrieben hast, ist aber nicht schlimm) fand ich auch irgendwie traurig. Irgendwie finde ich alles traurig. Naja, Weiber halt, ne?

Das wird ja immer spannender. Sephiroths und Vincents Kampf gegen diese Bestien war wirklich genial, dein Schreibstil ist wirklich erste Klasse. Und auch die 'Versöhnung' zwischen Sephiroth und Cloud war gut und in diesem Moment irgendwie vorhersehbar. Immerhin ist dieser Sephiroth nicht der, der das alles getan hatte. Ich glaube, du magst Sephiroth.

Der Kampf gegen Omega Weapon war klasse und auch Yuffies Kampf gegen Siren ist dir sehr gut gelungen. Ihre Erscheinung hast du wie immer fantastisch beschrieben wie man sich das in einer Fantasiegeschichte vorstellt. Ich bin wirklich sprachlos. Und auch die Beiden passen meiner Meinung gut zusammen, du hast da genau meinen Geschmack getroffen. Aber vor allem Sephiroths Supernova hast du klasse beschrieben. Du scheinst dich gut auszukennen bei all den Fachausdrücken.

Der 'Übungskampf' zwischen Cifer und Sephiroth war der Hammer und so klasse beschrieben. Man kann sich das alles wirklich bildlich vorstellen und es war wirklich spannend. Diese Kampfszene war wirklich eine der besten bisher, wirklich total genial. Nur Quistis hat gestört. Sowas aber auch... aber sie hat ja recht. Die werden, so wie ich dich kenne, ihre Kräfte noch früh genug brauchen.

Okay, jetzt habe ich auch den Kampf zwischen Cloud und Bahamut und jetzt weiß ich nicht, welchen ich besser finden soll. Diesen oder den zwischen Cifer und Sephiroth. Das war wirklich klasse und die Beschreibungen waren wieder sehr gelungen. Und ich hatte schon befürchtet, du lässt Cloud wirklich sterben, aber da gibt es ja noch Aeris. Cloud ist einfach der Größte, nicht einmal Bahamut kommt gegen ihn an. Und auch die Beiden passen super zusammen, Bahamut war schon immer mein Liebling.

So, ein ellenlanger Kommentar für ein ellenlanges Kapitel. Puh, so einen langen Kommentar habe ich noch nie geschrieben, ich hoffe aber, dass du ihn dir trotzdem lesen wirst. Und der nächste lässt sicher nicht so lange auf sich warten, denn die Kapitel haben ja wieder eine 'normale' Länge. Ich freue mich schon riesig auf das nächste Kapitel, wobei dieses hier an Spannung und allem drum und dran kaum zu schlagen ist.

LG, Doris
Von: abgemeldet
2008-06-07T20:22:37+00:00 07.06.2008 22:22
Sorry, dass ich lange kein Kommi mehr geschrieben habe *schäm*
Das Kapitel war wirklich seeehr lang (ich liebe lange Kapitel x3)
und sowohl spannend als auch an manchen Stellen lustig. Ich finde es
echt schade, dass so wenige Leute Kommis zu deiner FF schreiben, obwohl
du es verdient hättest. Ich freue mich aufs nächste Chap- eine kleine Frage noch: Wie viele Kapitel wird die FF noch beinhalten?

Lg
Inukin :)
Von:  fahnm
2008-05-30T20:44:46+00:00 30.05.2008 22:44
Du bist ein echtes geniales Genie, das kap ist der echte Mega Burner. Das Sepiroth jetzt einer von den guten ist Super und das er Vincent als Vater aktzeptiert hat freut mich für den Umhang träger. Aber das absulote Highlight war, als Cifer und Sepiroth gegen Omega Weapon angetreten sind. Ich konnte mir Cifers dummes gesicht gut vorstellen als er sah wie Sepiroth seine Supernova auf die Weapon los lies und dann nach dem Sieg sagte: Das passiert wenn ich Wütend werde. Und dann mitten ihn ihrem Übungskampf als sich Klingen gekreuzt hatten, kam ja Quistis und die 2 zurecht gewiesen (muss mann sich vorstellen Der Mächtige Sepiroth schrekt vor einer Frau zurück) und als sie ging und von Typisch Männer Redete, haben sich gegenseitig gelobt das der Kampf gut war und das sie es Irgendwann wiederholen wollen. Junge als ich diesen satz gelesen habe bin ich vor lachen fast vom Stuhl gekibt. Aber der Kampf zwieschen Cloud und Bahamut war auch spitze. Aber ich schätze mal er, Yuffie und Vincent haben am Himmel das gleiche gesehen wie die anderen in der W.H.O Hauptquartier. Ich bin mal gespannt wie es weiter geht. Danke schön für die ENS und sag bitte bescheid wenn es weiter geht.

mfg
fahnm

P.S.: Ich habe deinen Ratschlag befolgt und habe zu dem Teil als Sepiroth zum Finalschlag aus geholt hat, habe ich seinen Themensong angehört. Allerdings war es der aus dem Film Advent Children, aber das ging auch. Ehe ichs vergesse ich habe meinen Stecki eingerichtet, wenn du wilst kannst du einen Blick reinwerfen. Schönen Abend noch!!

Von: kiki004
2008-05-30T16:59:56+00:00 30.05.2008 18:59
Das ist ja der Wahnsinn was du immer wieder schreibst *,*
Diesesmal gab es unmengen von Stellen wo ich richtig staunen musste, aber es gab wie immer auch ein paar Lacher xD
zumbeispiel das mit dem "Efirot" oder "Das passiert wenn ich wütend werde". Tja wie der Vater so der Sohn ;)


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