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Einsames Herz

Der Lebensweg eines Vampirs mag sehr lang sein. Aber er ist vor allem einsam...
von

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Regis trat ans Fenster. Der Burghof lag kalt und verlassen tief unter ihm. Schnee bedeckte die Steine, durchzogen von nur vereinzelten Fußspuren. Niemand war unterwegs zu dieser Zeit, wenn die Sonne bald aufgehen würde. Langsam hob er den Blick. Von den Zinnen wehten schwarze Bänder, erinnerten Regis schmerzlich daran, dass er allein war. Ganz allein.

Er spürte Thyras Gegenwart noch immer. Sein jüngerer Sohn war immer noch hier - zumindest in Regis’ Erinnerung. Der Blick des Einsamen glitt zu der kleinen Kommode mit den Bildern seiner Familie. Arnauds brauner Lockenschopf war für Regis nichts anderes als eine lange vergangene Erinnerung, ebenso wie die weiche Haut Felicias. Er trat zu dem kleinen Schrein der Erinnerung, nahm die schwarze Feder auf, die vor Thyras Bild lag. Wieder, wie so oft in den vergangenen Tagen, stiegen ihm Tränen in die Augen, als seine langen Finger sanft über die Kante der Feder strichen. Regis legte sie fort, ehe er sie beschädigen konnte und wandte sich zu seinem Schreibtisch um. Schimmernde Tränen rannen ihm über die totenbleiche Haut. Warum? Warum musste die Welt so grausam sein? Erst seine geliebte Ehefrau, dann, nur wenige Jahre später, sein älterer Sohn, sein ganzer Stolz. Und nun auch noch der jüngere Sohn, die letzte Hoffnung. Regis ließ sich schwer auf den alten Stuhl fallen, der hinter dem Schreibtisch stand und vergrub das Gesicht in den Händen. Er weinte wieder. Wie oft würde er noch Tränen vergießen müssen?
 

Später, wie viel später wusste er nicht, fand er sich mit Kopf und Armen auf dem Schreibtisch wieder, das Gesicht in den überkreuzten Armen vergraben. Sein langes schwarzes Haar fiel wie ein erstarrter Wasserfall über seine Schultern, lag wie ein finsterer See auf dem Tisch. Seine hellen Hände krallten sich in das schwarze Gewand. Er würde es nie wieder ablegen. Er konnte es nicht. Zu viel Trauer hatte er in seinem Leben bereits hinnehmen müssen.

“Das Leben eines Vampirs mag ewig währen. Aber es ist ein einsamer Weg. Behalte diese Worte im Herzen, selbst wenn dein Leben dir jetzt glücklich erscheint.”

Seines Vaters Warnung. Vor Jahrzehnten ausgesprochen, war sie nahezu vergessen gewesen - bis zu diesem Tag. Regis erinnerte sich, Armin hatte ihn ernst angesehen und ihn gebeten, von seinem Kelch zu trinken.

Wieder begannen Tränen zu fließen. Allein für sein Leben mussten Geschöpfe sterben. Ihr Blut hielt ihn am Leben. Und das machte ihn zu einer verhassten Kreatur. Nicht in den Augen derer, die ihn besser kannten, wohl aber in jenen derer, die nur von ihm gehört hatten - oder die bereits jemanden durch Vampire verloren hatten. Regis’ tränenblinder Blick irrte durch den Raum. So vertraut und doch so anders. Hier war so viel geschehen…

Bestimmt zum tausendsten Mal verdammte Regis sich selbst. Hätte er damals mehr für die Erhaltung der Freundschaft zu Valentin getan, wäre das alles nicht passiert. Sein Vater würde noch leben und das Herzogtum beherrschen, Arnaud und Thyra wären zu stattlichen Männern herangewachsen und Regis hätte mit Valentin zusammen in der Hauptstadt weilen können, hätte dem jungen König helfen können, sein Reich zu regieren. Doch so… Valentin war einer seiner schlimmsten Feinde, der ihn lieber heute als morgen tot an den Zinnen seiner Burg hängen sehen würde. Nein, Regis hatte keine Freunde mehr. Gabriel und Cyprien waren mit ihren Pflichten zu sehr eingespannt, sie konnten nicht hierher, im Grunde ans Ende der Welt, reisen, um ihm beizustehen.
 

Es klopfte. Der Herzog hob den Kopf und bat den, der draußen stehen mochte, einzutreten. Es war Almandin. “Herzog Regis, ich habe mir die Freiheit genommen, die Regierungsgeschäfte für eine Zeit lang zu übernehmen. Gönnt Euch eine Pause.” Regis wollte protestieren, doch Almandin schüttelte den Kopf und hob die Hand. “Nein, bitte, Ihr seht schrecklich aus. Ruht Euch aus.”

“Wie kann ich mich ausruhen? Der Schnee bedeckt gerade eben erst das Grab meines jüngsten Sohnes! Ich…” “Ich weiß, mein Lord. Aber es nutzt nichts, wenn Ihr Euch überarbeitet. Ihr seid der einzige, der das Herzogtum zusammenhalten kann. Wenn wir Euch verlieren, sind wir ohne eine Adelslinie, die uns beherrscht.” Regis seufzte - es klang mehr wie ein Schluchzen. “Die Linie wird mit mir aussterben. Ich bin zu alt, um noch einmal von vorne anzufangen. Außerdem… würde ich es wohl nicht verkraften, noch eine junge Frau vor meinen Augen alt werden zu sehen. Nein. Wenn Iven einen neuen Herrscher braucht, wird er nicht aus meiner Linie stammen.” Almandin zuckte zusammen. “Regis…” “Lass mich allein. Bitte.” Alles in ihm schrie danach, Almandin bei sich zu behalten, ein fester Stein, an den er sich klammern konnte, der ihn nicht im Meer der Trauer versinken ließ. Doch er durfte keine Schwäche zeigen, oder jedenfalls nicht mehr, als er ohnehin schon zeigte.

Almandin nickte ergeben. “Ich hoffe, es geht Euch irgendwann besser, mein Lord.” Er verließ leise das Zimmer und Regis war wieder allein. Doch anders als zuvor sank der Herzog diesmal nicht vornüber, um zu weinen, sondern er lehnte sich auf dem Stuhl zurück, atmete tief durch. Dann erhob er sich, trat an den kleinen Spiegel an der Wand und sah hinein. Die gespenstisch blassen - toten - Augen waren rotgerändert und geschwollen, die bleiche Haut wirkte grau im Licht des winterlichen Tages. Regis seufzte, strich sich das Haar glatt. Er würde nicht mehr weinen. Er durfte nicht. Nicht mehr.

Er verließ das Zimmer festen, entschlossenen Schrittes. Seine Hände fanden wie von selbst die schwere Jacke, schlossen sie über seiner Brust, schlangen den Schal um den weißen Hals. Die dicken Handschuhe und die festen Stiefel waren angelegt, ehe Regis überhaupt darüber nachdenken konnte, was er eigentlich tat. Seine Schritte führten ihn zielsicher in den Stall, seine Finger sattelten das Reittier und zäumten es auf.

Als Regis hoch zu Ross den Burghof verließ, wusste er: entweder war dies seine letzte Reise und er starb in der Hauptstadt, oder es war der Neubeginn einer alten Freundschaft…



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Nezumi
2008-05-22T14:48:41+00:00 22.05.2008 16:48
Und warum zum Teufel ist die Geschichte schon abgeschlossen?? OoO Entschuldige bitte meine Ausdrucksweise, aber des hat jetzt sooo schön angefangen und es geht nicht weiter? TT^TT

Aber auch so, einfach herrlich zum lesen!!

glG
Nezu
Von:  Rooro
2008-05-19T18:54:34+00:00 19.05.2008 20:54
hey, kannst du mir sagen, was das soll? wieso schreibst du EIN Kapitel? da gehört EINE Geschichte mit vielen Kapiteln hin!

ah, du hast die Stimmung herrlich beschrieben, man kann gar nicht anders als Mitleid mit Regin haben. was du in einem Oneshot an Gefühlen hervorrufst, schaffen andere in zehn Kapiteln nicht. sehr schön beschrieben (und ich verfall wieder in ne schnulzige Schreibweise ^^').

nur find ichs etwas seltsam, dass sein Berater ins Zimmer kommt und gleich die Katze aus dem Sack lässt "ich übernehme jetzt die Regierungsgeschäfte" ich weiß, es ist nur ein kurzes Kapitel, aber dennoch hätts mir besser gefallen, wenn er erst über irgendwas Belangloses gesprochen hätte, und dann mit einem tiefen Seufzer erst deinen Satz.

ach herrje, und eine Vampirgeschichte ^^'
aber ich muss zugeben, ich wurde sehr positiv überrascht.
Von:  KeksFrosch
2008-05-18T12:18:11+00:00 18.05.2008 14:18
*schnief* iwie voll traurig...
Aber ich liebe Vampirgeschichten! Stellst du noch mehr on? Oder darf ichs wenigstens so mal lesen??? *bettel*
Du hast das wie immer voll toll geschrieben und sehr schön aber auch die traurige Stimmung kommt sehr gut rüber...

vlG
deine Latishja



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