Zum Inhalt der Seite

Schall und Rauch

Which path will you choose?
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

„Ach verhext!“, murrte Elphaba, als sie so schnell wie die Blitze am Westhimmel über den Wald hinwegjagte. Sie hatte in der Eile und der ganzen Hektik vergessen, ihre Schuhe anzuziehen.

Argwöhnisch blickte die grüne Hexe zum Himmel, um aus dem Wetter schlau zu werden:

Die Sonne schien noch immer kräftig, aber es würde nicht mehr lange dauern und das Gewitter würde auch über Kiamo Ko hereinbrechen. Der Wetterzirkel pendelte sich nach einem Wetterzauber eben erst langsam wieder ein.

Trotz der warmen Sonnenstrahlen auf ihrer grünen Haut zitterte die Hexe. Einerseits, weil der Flugwind ihr kühl um die spitze Nase wehte, aber andererseits, weil sie kaum geschlafen und nichts gegessen hatte und da war eine solch aufreibende Situation nicht gerade ein Heilmittel.

„Adagio!“, murmelte sie und der Besen verringerte sein Tempo etwas.

Angestrengt dachte Elphaba darüber nach, wie der Zauberspruch doch war, mit welchem man Objekte bis hin zur Schrittgeschwindigkeit drosseln konnte, je nachdem, wie oft man ihn wiederholte.

Sie erinnerte sich an das Buch, welches in schwarzes Leder gebunden war. Es hatte abgenutzte, lila Seiten, die mit glitzernder silberner Tinte beschrieben waren.

‚Aber was genau stand noch mal in dem Flugkapitel?’, dachte Elphie angestrengt, während sie durch die geschwind vorbeifliegenden Baumwipfel versuchte etwas zu erspähen.

Mit dem nächsten Blitz ging auch ihr ein Licht auf und sie rief freudig: „Bie ji! Bie ji, bie ji!“

Mit einem Ruck drosselte der Besen nun drastisch seine Geschwindigkeit, wobei Elphaba beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.

„Uff!“, entwich es ihr, als sich ihr Gewicht automatisch nach vorne verlagerte und sie beinahe mit dem Gesicht auf den Besenstiel geknallt wäre.

Als sie sich wieder aufrappelte, merkte sie stolz, dass der sonst etwas störrige Besen nun langsam über den Wald hinweg glitt, sodass Elphaba die Möglichkeit hätte, Glinda zu erspähen, sollte sie sich in diesem Wald aufhalten.

‚Der Wald ist so riesig!’, dachte sie, etwas verzweifelt: ‚Ich weiß ja überhaupt nicht, wo ich anfangen soll… Aber weit kann sie noch nicht sein, oder?’

Die grüne Hexe war übermüdet, verzweifelt und befand sich in einem unbeschreiblichen Gefühlschaos.

In langsamen Bahnen überflog sie den Wald auf der Suche nach Glinda. Als es nicht weit von ihr donnerte, stieg langsam Angst in ihr auf.

„Glinda?“, rief sie erst leise.

„GLINDA?“, dann lauter.

„GLINDAAA?“

Sie schrie und schrie und schrie.
 

Erschrocken drückte sich die zierliche Blondine gegen einen dicken Baumstamm.

„GLINDAAA?“, hörte sie die Frau über ihr schreien.

„Ach verdammt!“, flüsterte die Gesuchte verärgert. Glinda war fassungslos darüber, dass Elphaba Thropp, die sie nun über ein Jahr nur belogen und betrogen hatte, noch die Dreistigkeit besaß, sich auf die Suche nach ihr zu machen.

„Oh ich glaube es einfach nicht!“, ärgerte sich Glinda weiter, denn gerade als sie hatte weiter schleichen wollen, war Elphaba auf ihrem Besen zurückgekommen und abermals über sie hinweg geflogen. Zum wiederholten Male presste Glinda ihren dünnen Körper gegen den Baumstamm und war erleichtert, als Elphaba aus ihrem Blickfeld verschwunden war.

„Pffff!“, machte Glinda in normaler Lautstärke und redete zu sich selber, als sie sich – noch immer barfuss – wieder auf den Weg ins Tal machte:

„Ich glaube das einfach nicht! Lügt mich an, rettet mich und meint dann, ich müsste ihr alles verzeihen oder wie? Das ist ja unglaublich! Und dann wache ich auf – niemand ist da. Gastfreundlichkeit war ja noch nie ihre Stärke!“ Immer wütender murmelte Glinda diese Beschimpfungen vor sich hin, so, wie sie es immer tat, wenn sie böse war.

Das war die Art von Glinda, nicht von ‚Glinda der Guten’, Wut zu verarbeiten. Als die Gute hätte die Blondine vielleicht gerade Mal nett lächeln dürfen. Wut kannte sie als ‚Glinda die Gute’ nicht.

Mit jedem Schritt raschelte das Laub unter ihren Füßen und kitzelte die Zwischenräume ihrer Zehen. Die Sonne schien in glitzernden Strahlen mal hier, mal dort zwischen den dichten Blättern der Bäume hindurch und der Wind wirbelte von Zeit zu Zeit frech durch ihre blonden Locken. Unter normalen Umständen hätte Glinda diesen Spaziergang sehr genossen, doch sie fühlte noch eine ganze Palette an Emotionen als nur den Genuss ihrer kleinen Wanderung: Müde, hungrig, verzweifelt, wütend, freudig, erleichtert, enttäuscht, verletzt, genervt, verfolgt, betrogen und doppelt betrogen waren die entscheidenden Komponenten, die jede Situation zu einer unangenehmen machen konnten.

‚Und dann finde ich auch noch diesen blöden Weg nicht!’, dachte sie und ihre schlechte Laune steigerte sich.

Doch nach ungefähr zehn Minuten fand Glinda den abgetretenen Sandweg, welcher ins Tal führte. Links und rechts war er mit großen Bäumen gesäumt und es ging schnell bergab. Der Wald erstreckte sich zu ihrer rechten Hand bis hinunter ins Tal und Glinda stand staunend am Wegesrand und ließ ihre Blicke auf dieses einmalige Bild fallen: Die gefangenen Wolken im Tal, mit denen sie nun ungefähr auf einer Höhe war, wodurch sie das Spiel von Blitz und Donner von einem Blickwinkel aus verfolgen konnte, zu dem sie nur auf einem Besen oder in einem Ballon Zugang gehabt hätte.

„Wooow…“, hauchte Glinda erstaunt und blieb wie gefesselt stehen.

Dann fiel ihr plötzlich wieder ein, dass Elphaba sie noch immer suchte.

Schnell trat sie in den Schatten eines großen Baumes, welcher am Wegrand stand.

‚Das wäre ja noch schöner!’, murrte Glinda in Gedanken vor sich hin, bei der Vorstellung, Elphaba würde sie mitten auf dem Weg entdecken.

‚Dann wäre ich wohl eher ‚Glinda die Gedankenlose’…’, kicherte sie, beinahe schon wieder etwas besser gelaunt.

Mit dem Gedanken ‚Sicher ist sicher’ beschloss Glinda jedoch, besser neben dem Weg, zwischen den Bäumen hindurch, weiter zu laufen, damit die grüne Hexe sie auch auf keinen Fall aufspüren konnte.

Außerdem war es ihr auch von dort aus möglich, die weite Landschaft zu bestaunen.

Verträumt ließ sie ihren Blick nun nach links schweifen.

„Wa…?“, hätte Glinda beinahe vor Erstaunen ausgerufen, fing sich jedoch im letzten Moment und die halbe Frage ging in einem Flüstern und Genuschel unter.

Gefesselt von dem Berg, welcher sich ungefähr einen Kilometer weit entfernt von ihr befand, sah beinahe aus wie..

‚Nein.. Das IST der Berg! Oz im Ballon, so was!’

Glinda war fassungslos. Wie oft hatten sie und Elphaba in Shiz vor dem riesen Gemälde in Madame Akabers Wartezimmer gesessen und in unangenehmem Schweigen darauf gestarrt. Dieses Gemälde von damals trug den Titel: ‚Die Quelle der heiligen Aelphaba’ und es war ein kleiner, aber wunderschöner Wasserfall mit einem See darauf zu sehen gewesen. Im Sonnenlicht hatte die Wasseroberfläche geglitzert und die grüne Weide an der rechten Seite des Sees hatte tief über dieser Oberfläche gehangen. Die blonde Schönheit sah das bestimmte Gemälde nun wieder detailgetreu vor ihrem inneren Auge.

Sie konnte jedoch weder den Wasserfall, noch den See erkennen. Die Bäume versperrten ihr die Sicht, doch was von dem Berg zu sehen war, glich exakt dem Berg auf dem Gemälde von Accursia.

Mit einem abschätzenden Blick ins Tal und auf das heranziehende Gewitter, beschloss sich Glinda die Gute schweren Herzens dazu, ihre Neugierde nicht Überhand gewinnen zu lassen.

Also wandte sie ihren Blick wieder auf die herrliche Aussicht über das Tal und ging träumerisch wieder den Weg entlang.

Sanft fuhren die feingliedrigen Finger über den Anhänger der Kette, welche noch immer den zierlichen Hals schmückte. Insgeheim schwor sie sich, irgendwann mal diesen Berg besuchen zu gehen, um am Wasserfall diese Träne in den See zu schmeißen.

Ein Schmuckstück, so wertvoll, sollte man eigentlich behalten.

‚Aber mit Erinnerungen an gleich ZWEI enttäuschende und verletzende Sachen im Leben, gehört es dahin zurück wo es hergekommen ist!’, dachte Glinda zwar wütend, aber bei weitem nicht ganz so sauer, wie zuvor.

„Oz im Ballon!!! Aaah, mist, mist, MIST!“, schrie Glinda vor Schmerz auf, nahm ihren rechten Fuß in beide Hände und hüpfte vor Höllenqualen im Kreis herum.

„Aua, aua, aua, AUAA!“, brüllte sie so lange, bis sie sich wimmernd in den Sand setzte.

„Was zur Hexe machen gillikinesische Stachelbeerbäume auf Kiamo Ko? … Aaaarrrrg…“

So schimpfte Glinda weiter vor sich hin, als sie auf dem Weg saß und sich mit der rechten Hand den Fuß vor die Nase hielt, um sich die Stacheln heraus zu zupfen.
 

„Das darf doch nicht wahr sein!“, stöhnte Elphaba, als sie nun die ‚Wie vielte Runde?’, fragte sich die grüne Hexe selber… Sie hatte aufgehört zu zählen, wie viele Runden der Besen mit ihr schon gedreht hatte.

Das Gewitter zog langsam den Berg hinauf, also wusste die Hexe, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb.

Dementsprechend flüsterte sie ihrem Besen „Acel erarse!“ zu. Der Stiel gehorchte und beförderte die grüne Frau wieder etwas schneller durch die Luft.

Ihre Schulter machte sich wieder bemerkbar und der Verband um das Handgelenk fing an zu jucken.

‚Ich habe wirklich keine Lust, mir das alles noch mal anzutun!’, dachte sie beinahe grimmig, als ein leises Donnergrollen an ihr Ohr drang.

Mit einem tiefen Seufzer entschloss Elphaba sich dazu, nun die letzte Runde zu fliegen und traute sich diesmal etwas näher an das Unwetter.

‚Wenn ich sie nicht finde, muss meine grüne Glasschale wieder ran! Das wird Yero gar nicht begrüßen…’ In dem grünen Kopf schwirrten die Gedanken durcheinander.

Elphaba wunderte sich. Sie hatte solche chaotischen Sachen immer vermeiden wollen, denn schließlich hatte sie aus diesem Grund auch die Asozialität vorgezogen. In ihrer Kindheit war sie nicht zum Lieben, sondern zum Kümmern erzogen worden.

Damals hatte sie Liebe und Fürsorge für ein und dasselbe gehalten, doch mit den Jahren hatte sie einsehen müssen, dass es ein großer Unterschied ist, ob man sich nur um jemanden kümmert und sorgt, oder ob man ihn liebt.

Als Elphaba gerade in der Erinnerung schwelgte, wie sie sich damals dazu entschlossen hatte, ein ruhiges Leben ohne Liebe würde ihr mehr zugute kommen als ein kompliziertes Leben mit Liebe, wurde sie lauthals von einem „OZ im BALLON!“ unterbrochen.

„Glinda!“, hauchte Elphie alarmiert und hielt nach der Blondine Ausschau, deren Stimme sie genau erkannt hatte.

In ungefähr 300 Metern vor Elphaba hüpfte ihre frühere Zimmergenossin auf einem Bein im Kreis, wobei sie sich den Fuß hielt und Unaussprechbares fluchte.

Die dunklen Augenbrauen schossen in die Höhe und beinahe hätte die grüne Frau auf dem Besen laut gelacht, doch in letzter Sekunde wurde das Lachen zu einem leisen Kichern.

„Godaun!“ flüsterte sie und der Besen senkte sich langsam, bis Elphaba den Sand des Weges unter ihren nackten Füßen spürte.

Noch immer befand sie sich ca. 200 Meter von Glinda entfernt, welche sich nun auf den Hosenboden fallen ließ und den Rücken zu Elphie gedreht hatte.

Diese konnte nicht erkennen, wieso die blonde Frau nun solch komische Verrenkungen anstellte, aber das war ihr auch im ersten Moment egal.

Glinda ging es soweit gut, niemand war bei ihr, sie war nicht verletzt.

Bevor Elphaba langsam auf Glinda zuging, entwich ihr ein tiefer Seufzer. Sie wusste nicht, welches der Gefühle in dem ganzen Chaos momentan stärker war: Die Freude und Erleichterung darüber, Glinda endlich gefunden zu haben oder die Angst und die ungute Vorahnung bei dem Gedanken an ein klärendes Gespräch…

‚Wenn es überhaupt soweit kommt!’, seufzte Elphaba, die eher mit einer Ohrfeige rechnete. ‚Oder Schlimmerem…’
 

„Au… Au… Au….“ Glinda zupfte sich Stachel für Stachel aus dem Fuß und wimmerte dabei wie ein Kleinkind vor sich hin.

Als alle Dornen aus ihrem Fuß entfernt waren, seufzte Glinda auf: „Wundervoll, wirklich… Gaaanz wundervoll!“

Psychisch sehr durcheinander und physisch mehr als müde ließ sich die zierliche Frau langsam mit geschlossenen Augen in den Sand sinken, um ihren Kopf und ihre Füße etwas auszuruhen.

Als ihre nackten Schultern sich gegen die Erde schmiegten, genoss Glinda die gespeicherte Wärme der Sonne in jedem einzelnen Sandkorn.

Das Gewitter war nun so unmittelbar nahe gekommen, dass die Blondine sich sicher war, nicht mehr verfolgt zu werden. Es würde bestimmt keine Viertelstunde mehr dauern und es würde in Strömen regnen.

Ihr war es egal, was dann passieren würde. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie sollte oder wo sie noch sicher war. Nach dieser Aktion von Ramón konnte sie damit rechnen, dass die Politik nun alleine schon in dieser einen Nacht vollkommen auf den Kopf gestellt und neu angeleitet wurde.

Doch auch das war egal, stellte Glinda fest, als sie dort im Sand lag und die letzten Sonnenstrahlen mit geschlossenen Augen genoss.

Alles war ihr gleich, jedoch musste sie in die Smaragdstadt zurück, um Elaine, Meredith und Reseda wieder zu sehen. Sie hatte die Angst um ihre Freundinnen die ganze Zeit verdrängt, doch nun kamen sie mit den anderen Gedanken und Erinnerungen wieder hoch.

In dem Moment, als Glinda versuchte herauszufinden, warum sie fest davon überzeugt war, Madame Akaber wäre lebendig und die Drahtzieherin der ganzen Angelegenheit, konnte sie auf ihrem Gesicht fühlen, dass die Wolken nun über die Sonne gezogen und den Himmel verdunkelt hatten.

Blinzelnd sah Glinda auf und erschrak aufschreiend, als sie die dunklen Konturen einer hageren Gestalt erblickte.

„Glinda, Glinda, ich bins!“, hörte die Frau auf dem Boden die beruhigenden Worte jener Frau, welche über ihr stand.

Die eisblauen Augen gewöhnten sich schnell wieder an das Licht und erblickten Elphaba – barfuß und in einer Art Sommerkleid – so glaubte Glinda zumindest. Es ähnelte dem Exemplar, welches sie selber trug, sehr. Der Stiel des Besens war fest umschlossen von der feingliedrigen, grünen Hand.

Glinda winkelte ihre Beine an, stützte sich auf die Hände und krabbelte so ein Stück nach hinten, um Abstand von Elphaba zu gewinnen.

Als sie endlich die Stille brach, sagte sie: „Es fängt gleich an zu regnen. Geh.“

„Glinda ich werde nicht..“

„Geh einfach, Elphaba!“, fauchte Glinda nun dazwischen.

Elphaba stellte fest, dass die blauen Augen nicht zu ihr aufsahen, sondern strikt geradeaus gerichtet waren und da die grüne Frau stand, während die andere Frau auf dem Boden saß, war dies unmöglich dieselbe Augenhöhe.

„Ich bleibe hier!“, sagte Elphaba nach einer kurzen Pause, sehr entschlossen, als es kurz darauf kräftig donnerte.

„Ach?“, keifte Glinda, „Und stirbst, oder was? Schon wieder? Wie langweilig!“

Eigentlich wollte Glinda nicht so kalt reagieren und auch nicht so verletzend, aber irgendwie konnte sie das momentan nicht abstellen. Es war eine Art Maske, die die schöne Zauberin gerade bitternötig hatte, um sich nicht in die zarten grünen Arme zu werfen und alles auszuweinen, was ihr Tränenkanal hergab.

Elphaba hingegen war wirklich verletzt, doch ließ es sich nicht anmerken.

‚Ich habe dich schon zwei Mal verloren, Glinda. Aber auch zwei Mal wieder gefunden. Wenn du denkst, den Fehler begeh ich ein drittes Mal, irrst du dich gewaltig!’, dachte Elphaba immer noch entschlossen.

Doch was sie schließlich sagte, verriet nichts von dem Gedachten: „Glinda, ich weiß, dass du sauer bist…“

„Sauer?“, unterbrach Glinda schnippisch und sah Elphaba nun das erste Mal vorwurfsvoll und entgeistert an.

„Lass mich ausreden! Bitte! Nur dieses eine Mal. Wenn du danach deine Meinung nicht änderst, dann werde ich gehen! Ohne noch ein weiteres Wort! Versprochen!“

Die Hexe wartete auf eine Reaktion von der Frau vor ihr auf dem Boden und hoffte inständig, dass sie ihr Versprechen nicht halten musste.

Als Glinda nickte, setzte Elphaba fort: „Gut. Ich weiß, dass du sauer bist und ich finde auch selber, dass du da volles Recht zu hast. Mein Verhalten war alles andere als fair, aber ich wollte dich nicht verletzten. Ob du mir das glaubst oder nicht ist – im Moment zumindest – nicht von größter Priorität. Was jetzt zählt ist deine Sicherheit. Weder du noch ich wissen, was dich erwarten würde, wenn du zurück in die Smaragdstadt gehen würdest.

Auch ist mir nicht klar, inwieweit du diese ganze Misere durchschaut hast oder ob du weißt, dass Accursia Akaber etwas damit zu tun hatte.“

Elphaba hielt kurz inne und deutete mit einem ihrer grünen Zeigefinger auf Glindas verletzte Wange: „Die da hast du von ihr.“

Die Antwort war ein entsetzter Blick aus blauen Augen und der dazugehörige Körper tastete nach den drei tiefen Kratzern.

„Was ich sagen möchte ist recht simpel: Wenn du zurückgehst, kann es gut sein, dass sie dich wegsperren oder schlimmer: umbringen. Ich habe keine Ahnung, wie viele Verbündete du zu Hause hast, aber wie ich Makaber Akaber einschätze, sind alle, die jetzt noch etwas bewirken könnten, evakuiert worden. Sie war schon immer wahnsinnig begabt in Organisation und Manipulation oder wohl eher: Begabt in der Organisation ihres Wahnsinns.

Ich möchte dir vorschlagen, dass du bitte noch hier bleibst, bis wir darüber Gewissheit haben, dass dir keine Gefahr mehr droht. Nur bis dahin, dann kannst du sofort verschwinden.

Ich bin offiziell tot und das ist im Moment das einzig Positive an dieser Lüge: Du bist bei mir in Sicherheit.

Bitte, Glinda. Bleib nur so lange, bis du ungefährdet zurück nach Hause kannst. Ich hege keine Erwartungen an dich. Meinetwegen kann ich mich auch einschließen oder sonst was und wir warten einfach nur noch ein bisschen ab.

Aber bitte, bitte geh jetzt nicht weiter….“

Glinda saß starr vor der grünen Hexe, ihr Blick war auf den Boden gerichtet. Sie schwieg. Nicht mehr als ein einziges Mal hatte Elphaba sie um etwas gebeten und das war vor acht Jahren gewesen. Zu jener Zeit hatte das grüne Mädchen ihre Freundin angefleht, sie gehen zu lassen.

„Ich habe Angst um dich…“, fügte Elphaba flüsternd hinzu.

Erst da richtete sich der Blondschopf auf und die eisblauen Augen blickten sie wütend, aber Tränen erfüllt an.

„Warum, Elphaba? Warum ist dir das nicht egal? Du hast dich damals für ein Glinda-loses Leben entschieden und hast es das ganze Jahr anscheinend sehr gut überlebt. Nebenbei konntest du dir auch noch schön von hier aus angucken,…“, die blassen Arme machten eine weite Gestikulierung über Kiamo Ko, „… wie ICH leide! Und was hast du getan? Nichts! Wieso ist es dir dann nicht jetzt auch egal, wenn dein Leben OHNE mich weitergeht! Ob du mich durch eine dämliche Glasschüssel anguckst oder ob ich tot bin, was ist das für ein Unterschied?“

Die letzten Silben wurden beinahe von ihrem verärgerten Schluchzen verschlungen. Die nun zitternde Frau verspürte das Bedürfnis, ihre Knie noch weiter an ihren Körper heranzuziehen, dann ihre Arme darum zu schlingen und den Kopf in dieser Position zu verstecken. Doch sie widerstand der Versuchung und sah der grünen Hexe vorwurfsvoll in die dunklen Augen.

Dieser wiederum war nicht die Anklage mit der Glassschale entgangen, wodurch ihr bewusst wurde, dass Glinda einfach einen Teil der Diskussion mit Fiyero mitbekommen haben musste.

Elphaba seufzte: „Nein, das ist ganz und gar nicht dasselbe.“

„Warum?“, fragte Glinda durch aufeinander gepresste Zähne.

Dass das ein Zeichen für ihren bevorstehenden emotionalen Zusammenbruch war, wusste Elphaba noch aus gemeinsamer Studienzeit.

„Weil…“, setzte die Hexe an, als es plötzlich hell aufblitzte und ein kräftiger Donnerschlag unverzüglich darauf folgte.

Beide Frauen blickten reflexartig zum Himmel. Keine der beiden hatte bemerkt, wie die Wolken nun tatsächlich die Sonne verschlungen und immer näher an sie herangerückt waren.

Mit einem schnellen Blick um sich stellte Glinda ängstlich fest, dass die Wolken schon sehr tief hingen und es würde keine Minute mehr dauern, bis ..

„Elphie! Es fängt an zu regnen!“ Glinda sprang flink auf, als der erste Tropfen sie auf der Nase getroffen hatte.

Nun war es an Elphaba, durch zusammengepresste Zähne zu sprechen: „Ich weiß.“

Mit einem Streifblick auf die grüne Frau vor ihr, wuchs Glindas Panik noch mehr, denn sie sah nicht nur, dass die Hexe die Zähne zusammenbiss, sondern auch, dass die grünen Hände zu festen Fäusten geballt waren. Und dieses Zeichen wiederum kannte Glinda noch aus der gemeinsamen Zeit in Shiz. Es war das Zeichen dafür, dass Elphaba Schmerz bekämpfte. Physischen Schmerz.

Erst da bemerkte Glinda die kalte Brise und begriff, dass sie die ganze Zeit in Elphabas Windschatten gesessen hatte.

Mit einem Schritt war Glinda neben Elphie, doch kein einziger Tropfen fiel.

Verwirrt, aber vorsichtig stellte sich die blonde Schönheit nun wieder vor ihre Freundin. In dem Moment, als sie fragen wollte, was nicht in Ordnung war, sah sie dünne Tränenbahnen auf den grünen Wangen, welche sich darunter leicht rötlich färbten.

„Elphie, was..“, setzte Glinda an.

„Bitte, Glinda. Mehr verlange ich nicht. Bitte komm mit…“ Dann versagte ihre Stimme und die grünen Augenlieder schlossen sich.

Elphaba hasste es, solchen Gefühlsausbrüchen zu unterliegen, doch als Glinda sie nach all den Jahren wieder ‚Elphie’ und nicht so förmlich ‚Elphaba’ genannt hatte, war sie einfach zu überwältigt gewesen und die aufsteigenden Erinnerungen hatten sie schachmatt gesetzt.

Plötzlich spürte sie Glindas zarte Hände auf ihren stechenden Wangen, welche sanft die Tränen wegwischten.

Als Elphaba die Augen öffnete und tiefes Braun hellem Blau begegnete, wusste die Hexe, sie würde ihr Versprechen, ohne ein weiteres Wort zu gehen, nicht halten müssen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2010-09-06T14:05:39+00:00 06.09.2010 16:05
*schnüff*
gott ich wein gleich.
Ich kann Glindas Gefühle verstehen aber auch Elphies. Ach ich muss einfach weiter lesen
Von:  EmiLy_RoHan
2008-10-05T16:28:02+00:00 05.10.2008 18:28
ohhh :)

die beiden sind zusammen einfach toll... mal sehen was elphie macht, wenn sie feststellt, dass yero weg ist 0,o und was die beiden machen, wenn yero ihnen den fiese, blöden Ramón auf den hals jagt >,<


Zurück